Volltext Seite (XML)
Ottendorfer Zeitung. Die „Vttcndorfec Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »»n Inseraten bis vormittag 1» Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 78. Mittwoch, den 1. Juli 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Gitendorf-Vkrilla, 30. Juni 1903. n- Der vergangene Sonntag mit seinem schönen Wetter bot Vergnügungen verschiedener Art, so fand im Gaslhof zum Ring in Moritz- dorf, sowie in den benachbarten Ortschaften gutbesuchte Vogelschießen statt; in RochS Restau rant hielt der Verein „Gemütlichkeit" sein Sommer- beziv. Kinderfest unter sehr zahlreicher Beteiligung ab, der Verein hatte weder Mühe noch Kosten gescheut, den Anwesenden den Aufent- halt so angenehm wie möglich zu machen und ist der Verlauf des Festes sicherlich zu Aller Zufriedenheit ausgefallen. Im Gasthof zum „schwarzen Roß" hielt der Turnverein „Jahn" Ottcndorf-Moritzdorf sein I. Stiftungsfest ab, Und zeigte derselbe in den aufgeführten turne rischen Übungen und Gruppendarstellungen wirklich großartige Leistungen. Der darauf folgende Ball hielt die Mitglieder mit ihren Damen bis in die frühesten Morgenstunden fröhlich beisammen. — Unfreiwilligen Aufenthalt erlitt am Sonntag nachmittag ein von Königsbrück kommendes Automobil. Demselben ging an einem Hinterrad durch Undichtwerden des Luftschlauches die Luft aus und war es unmöglich weiterzufahren. Das Automobil wurde in den Hof des Gasthofs zum goldnen Ring in Moritzdorf dirigiert, wo die längere Zeit in Anspruch nehmende Reparatur aus geführt wurde. In den gestrigen Abendstunden ereignete sich dadurch ein leichter Unfall, daß ein Rad fahrer in der Nähe der Post auf der gerade dort besonders schmalen Straße mit einem Ge schirr zusammenfuhr. Die Pferde sprangen zur Seite und wurden durch das energische Ein greifen ihres Führers an dem Durchgehen ver hindert. Ter Radfahrer kam außer geringen Schaden am Rabe mit dem bloßen Schreck davon. — Am heutigen Dienstag war es dem Waldarbeiter Jahn'schen Ehepaar in Moritz dorf vergönnt, ihr 25jähriges Ehejubiläum zu begehen. -0» Mit kommenden Donnerstag veranstaltet der rührige Wirt des idyllisch im Walde ge legenen Friedrich-Wilhelms-Bades, Herr Krause, sein erstes diesjähriges Abonnementskonzert. Dasselbe wird von der auch im hiesigen Orte gut bekannten. Radeberger Stadtkapelle unter Leitung des Herrn Stadtrnusikdirektor Ecken- brecht ausgeführt und wäre ein sehr zahlreicher Besuch vonseiten der hiesigen Einwohner sehr zu Wünschen. — Mit dem 1. Juli beginnt für Sachsen die hohe Jagd. Es dürfen von morgen an wieder bei uns erlegt werden männliches Edel- und Damwild, Nehböcke und wilde Enten. In Preußen, wo Rehböcke schon seit zwei Monaten geschossen werden dürfen, beginnt am I. Juli ebenfalls die Jagd auf männliches Rot- und Damwild, sowie auf Wildenten, außerdem dürfen in Preußen nun auch noch Trappen, wilde Schwäne und Schnepfen geschossen werden. In Österreich, wo die Rehböcke auch schon seit dem 1- Mai abgeschossen werden können, dürfen von morgen an nur nock wilde Enten und Gänse erlegt werden, während Edel- und Damwild erst von Mitte Juli an jagdbar ist. Alles rohe Obst soll vor dem Genuß ge- reinigt werden. Abgesehen von dem Staub, der ihm anhaftct, ist zu bedenken, daß das Obst oft durch unreine Hande geht, ehe cö ge- Nossen wird und daß sich hänfig schädliche Mikroben an das Obst ansetzcu. — lieber den Schlaf der Schulkinder wurde eine wertvolle Untersuchung angestellt. Man fand die alte Erfahrung bestätigt, daß Schulkindern ein langer Schlaf notwendig ist; unter denjenigen Kindern, welche zu wenig schlafen, kommen um 25 Prozent Mehr Krank heiten vor. Der Ansicht der mit dieser Unter suchung betrauten Ärzte zufolge sollen Kinder von 4 Jahren im Durchschnitt 12 Stunden schlafen, Kinder von 7 Jahren 11 Stunden, 9jährige 10 Stunden, 12- bis 14jähcige 9 bis 10 Stunden, junge Leute von 14 bis 21 Jahren 8 bis 9 Stunden. Zu kurzer Schlaf wird häufig die Ursache von Blutarmut, Bleich sucht rc. Lebensversicherungs-Gesellschaft zu Leipzig, auf Gegenseitigkeit errichtet 1830 (alte Leipziger). Im Jahre I902 hat sich die Gesellschaft in erfreulicher Weise weiter ent wickelt. Trotz der anhaltenden Ungunst der wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich der Ein gang neuer Anträge und der Abschluß neuer Versicherungen nahezu auf der Höhe des Vor jahres gehalten und abgesehen von letzterem selbst alle früheren Jahre übertroffen. In der Todesfallabteilung wurden 6413 Anträge über M. 53672200 Versicherungssumme gestellt und 5473 Versicherungen über M. 44769300 ab geschloffen. Auch die Sterblichkeit ist wiederum günstig verlaufen. Es starben 1062 P rsonen, die mit M- 8421150 versichert waren, gegen 973 Personen mit M- 7 819150 im Jahre 1901; das Mehr des Jahres 1902 findet in dem Anwachsen und Älterwerden des Ver sicherungsbestandes seine natürliche Erklärung. Der freiwillige Abgang hat fick, wie zu allen Zeiten bei der allen Leipziger, so auch im Jahre 1902, wiederum in müßigen Grenzen gehalten; er ist in der Versicherungssumme (M. 7746800) gegen das Jahr 1901 (Mark 8664900) noch um M. 918100 zurückgeblieben. Der ReinzuwachS des Jahres 1902 stellt sich auf 2300 Personen und M. 25720350 Ver sicherungssumme. Die Prämieneinnahme ist im verflossenen Jahre auf rund 27 Millionen Mark, die Zinseneinnahme auf 8ftz Millionen Mark und die Prämienreserve auf 184 Millionen Mark angewachsen. Das Gesellschastsvermögen erreichte bei einer Vermehrung im Jahre 1902 um rund 15 Millionen Mark Ende desselben die Höhe von 225 Millionen Mark. Ganz be sonders erfi eulich ist auch das finanzielle Schluß ergebnis, das sich in einem Jahresüberschuß von Mark 7753297,65 aussprichl (gegen Mark 7 446471,89 im Jahre 1901). Dieser Ge winn erhöht die aus früheren Jahren ver bliebenen noch unverteilten Überschüsse auf M. 29 718806,09 und gestattet, daß die Ver sicherten auch für das Jahr 1904 wiederum die seitherigen hohen Dividenden erhalten, näm lich 42<>/o auf die ordentlichen (lebenslänglichen) Jahresbeiträge, wie sie nunmehr seit 1888 un verändert von der Gesellschaft verteilt worden sind, und die steigende Dividende in den seit ihrer Einführung gewährten Sätzen, zu deren Herabsetzung die alte Leipziger noch nie Ver anlassung gehabt hat- Klotzsche. Se. Königl. Hoheit der Kron prinz traf heute 11 Uhr vormittags hier ein, um das neu eröffnete, mit Kuranstalt ver bundene Kronprinz Friedrich-August-Bad zu be sichtigen. Dresden. In ihrer Wohnung am Poppitz platze erlitt in der Nacht zum Sonntag eine 63 Jahre alte Witwe infolge Umfallens einer Petroleumlampe schwere Brandwunden. Die Frau verstarb noch im Laufe des Vormittags- Losch witz. Ein stellenloser Kaufmann aus einem benachbarten Orte hatte sich dieser Tage in einem hiesigen Hotel eingemietet und es nicht nur unter Hinterlassung von Zechschulden verlassen, sondern auch ein Paar Billardbälle mitgenommen. In einem Ge schäfte, wo er dieselben verkaufen wollte, wurde, da dem Händler das Angebot ver dächtig vorkam, die Polizei gerufen, welche den Betrüger festnahm. Wachnutz. Äm Sonntag gegen 6 Uhr nachmittags besuchte ein 21 Jahre alter, aus Görlitz gebürtiger und in Dresden wohnhafter Gürtlergehilfe die hiesige Elbbadeanstalt um zu baden. Nachdem er ins Wasser gesprungen war, kam er nicht mehr zum Vorschein. Er wurde von dem Anstaltsbesitzer herausgezogen, Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos und der herbeigerufene Arzt konstatierte Herzschlag. Radeburg. Die im hiesigen Grundbuche Blatt 754 und 785 auf den Namen des Glasfabrikanten Christian Lehnigk in Rade burg eingetragenen Grundstücke, Glasfabrik, sollen am 19. August, vormittags 10 Uhr, an der Gerichtsstelle im Wege der Zwangs vollstreckung versteigert werden. Königsbrück. Das Königl. 1. Jäger- Bataillon Nr. 12 hält in der Zeit vom 6. bis mit 43. Juli täglich von 6 Uhr vor mittags bis 6 Uhr abends auf hiesigem Gefechtsschießplatze Schießen in größeren Ab teilungen ab. Großenhain. Der hiesige Königlich Sächs. Militärverein „I. Königshusaren" vollzog gestern bei prächtigster Witterung unter Anteilnahme vieler Brudervereine die Weihe seiner neuen Standarte. Die Weihe fand im Kasernenhofe vor dem Reithause statt; Herr Pastor Arnold hielt die Weiherede. An Geschenken wurden der Standarte angeheftet das Königliche, in Schleife und Nagel bestehende Fahnengeschenk, von Sr. Königlichen Hoheit dem Kronprinzen ein Nagel, ferner mehrere Fahnenbänder, zwei Fahuenrinze und gegen 70 Fahnenägel, darunter solche vom Offizierskorps des Husaren regiments „König Albert" und des Bezirks- kommand. s, von Amtshauplmann Dr. Uhle- mann, von den Husarenvereinen in Dresden, Chemnitz und Leipzig, den Kavallerievereinen Radeberg, Dresden, Markneukirchen, Plauen, Le'pzig (Fahnenring), Artillerie Zwickau und den Vereinen des Bezirkes und des Ortes Großenhain. Der Weihe folgte Festzug durch die Stadt nach dem Stadtparke. Leipzig. Zum dritten Male in fünf Tagen fand hier ein verheerendes Großfeuer statt, das die Fabrik chemischer Präparate und Parfümerien von Dr. Allenstein und Dr. Köpp, sowie die NiederlagSräume der Großbuch binderei von Böttcher und Bongartz, Thal- straße 29, vollständig zerstörte. Der Gebäude- und Materialschaden wird auf eine hübe Million Mark geschätzt. Der Feuerwehr gelang es, die anliegenden, stark gefährdeten Wohn gebäude zu retten. Die Entstehungsursache des Feuers ist unbekannt, man nimmt eine Ex plosion feuergefährlicher Stoffe an. Flöha. Ein Kindesmord ist im nahen Hausdorf verübt worden. In einer Jauchen grube fand man den Leichnam eines neu geborenen männlichen Kindes. Die unnatürliche Mutter ist noch nicht ermittelt. Zschopau. Nachdem seit etwa 20 Jahren die Einwohnerschaft Zschopaus infolge des Verschwindens verschiedener blühender In dustrien (Weberei, Druckerei rc.) ständig ab genommen hat, war im April dss. Js. zur Hebung unserer Stadt von einer Anzahl hiesiger Bürger die Errichtung einer Strumpf warenfabrik beschlossen worden. Das Projekt ist jetzt verwirklicht worden, indem dieser Tage im hiesigen Handelsregister die Firma „Zschopaner Wirkwarenfabrik, Gesellschaft mit beschränkter Haftung" eingetragen worden ist. Die Gesellschaft ist auf die Zeit von zehn Jahren errichtet. Das Stammkapital beträgt 75 000 Mk. Zwickau. Der 13 Jahre alte Sohn des Gutsbesitzers Otto in Vorort Schönfels hat am Sonntag nachmittag die bei der Heuernte seines Vaters beschäftigte 13 Jahre alte Tochter des Bergarbeiters Drechsel durch einen Revolver schuß gelötet. Der Knabe hatte die Waffe in einem Schranke der elterlichen Wohnung ge funden und mit derselben gespielt. Plauen i V. Mit heute traten hier 2000 Maurer wegen Ablehnung einer ge forderten Lohnerhöhung in den Ausstand. Der größte Teil der hier beschäftigten ausländischen Maurer schloß sich diesen an; auch die Zimmer leute, sowie die Bauhandarbeiter dürften der Bewegung folgen. Aus der Woche. Es gibt Leute, die die leichte Erkrankung des Grafen Bülow als Folge des Wahl ausfalles ansehen wollen und die da meinen, der Zustand des Reichskanzlers könnte sogar in „Gesundheitsrücksichten" übergehen! Wozu nur diese Schwarzmalerei? Graf Bülow war der Wahlurne ferngeblieben, da er — wie die Zeitungen meldeten — an einer „Darmver stimmung" litt; er war also schon krank, ehe ihm das Wahlresultat bekannt war. Und glaubt man denn, daß seine Darmverstimmung sich infolge „Durchfalls" der Bundesführer der Landwirte Rösicke, Hahn, Lucke und auch noch Oertels verschlimmert hätte? Das ist schwer zu glauben. Im Reichstagsgebäude wird sich die etwas fetter gewordene äußerste Linke mehr nach der Mitte hin ausbreiten, wo viele Plätze frei werden. Aber das Stärke verhältnis zwischee rechts und links wird durch die Wahlen so gut wie garnicht beeinflußt. In den Blättern macht jetzt eine Partei immer die andere für den Siebenmeilenstiefel schritt der Sozialdemokraten verantwortlich. Keine einzige schlägt an die eigene Brust und hält Einkehr. Der Herr Reichskanzler aber wird auch dem neuen Reichstage mit ver bindlichem Lächeln entgegentreten, und an einem passenden Zitat, daß der neuen Lage angemessen ist, wird es ja auch nicht fehlen. — Serbien hat sich in Peter Karageorgie- witsch einen neuen König erkoren, von dem man noch nicht weiß, ob er seine vormalige kommunistische Gesinnung beibehalten wird. Fast möchte mans bezweifeln, denn er ruft bei seinen Manifesten bei jeder Gelegenheit den lieben Gott an, was ja wohl bei den Kommunisten sonst nicht Sitte ist. Auch der orthodoxe Metropolit von Belgrad, der einen Schleier über die Ereignisse der Mordnacht gebreitet wissen will, führt alles, was da Blutiges und Schreckliches geschehen ist, aus Gottes Willen zurück, was sehr seltsam an» mutet und worüber sich auch mit Recht die katholischen Blätter beklagen. Im orthodoxen Rußland denkt man ganz anders über die' Bluttaten. Der Zar will Peter I. von Serbien anerkennen, fordert aber von ihm, daß er die Mörder strafe, denn man sagt sich in der Newastadt mit Recht, wenn Gott jene Bluttaten nicht etwa nur zugelassen, sondern gewollt hat, so müßte er auch das tragische Ende Alexanders des Zweiten ge wollt haben und jeder Königsmörder könnte sich auf Gottes Willen berufen. Allerdings würde König Peter verfassungsmäßig auch gar nicht in der Lage sein, der Forderung des Zaren zu entsprechen, denn dieselbe Nationalversammlung, die ihn gewählt hat, hat auch zuvor den Mördern Straffreiheit zugesichert und mit den Mördern sympathiesiert das ganze serbische Heer. Peter würde also von zwei Seiten zugleich den schwanken Ast absägen, auf dem er zur Zeit noch nicht ein mal sitzt, wenn er der zarischen Bedingung für seine Anerkennung nachkäme. Aber auch das muß man in Petersburg wissen und des halb ist die Aufforderung schwerlich ernst ge meint. Man will offenbar an der Newa nur eine Handhabe behalten, um König Peter zwiebeln zu können, wenn er sich sonst in irgend einer Angelegenheit den Interessen Rußlands nicht dienstwillig zeigt. In der übrigen Politik verlaufen sich die Wässerchen allmählich, die eiue Zeitlang anzuschwellen, ja über die Ufer tretend, große Verwüstungen anzurichten drohten. Der macedonische Auf stand, soviel unnützes Blutvergießen er auch schon im Gefolge gehabt haben mag, ist in einen Räuberbandenkrieg umgeschlagen, die Albanesen mit ihrer Opposition gegen die Reformen sind zu Kreuze (richtiger: zu Halb mond) gekrochen; der marokkanische Prätendent Bu Hamara wird von seinen Anhängern ver lassen; Matos der venezolanische Rebell bittet, ihm die Rückkehr ins Vaterland zu gestatten.