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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960328021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896032802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896032802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-03
- Tag 1896-03-28
-
Monat
1896-03
-
Jahr
1896
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Gröbere Schriften laut unser«« Preis- verzeichniß. Tabellarischer uud Zisferasatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß fiir Heizen: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von S. P olz in Leipzig M. Sonnabend den 28. März 1896. SV. Jahrgang. Herr Stöcker. Anter dem Titel „Zum Austritt Stöcker's aus der eouservativen Partei" ist, herausgegeben von Oberst z. D. von Krause, Vorsitzendem deS Wablvereins der Berliner Deutsch-Conservativen, soeben eine kleine Schrift (Berlin, M. Pasch) erschienen, welche dem Cbarakterbilde des Herrn Stöcker einige interessante Züge binzufügt. Ueber die Verhand lungen betreffs der Hammerstein-Angelegenheit, von denen Herr von Kröcher zuerst im Abgeordnetenhause gesprochen hat, berichtet Herr von Krause, wie wir der „Nat.-Ztg." ent nehmen, deS Näheren Folgendes: In der Sitzung des Elfer-Ausschusses vom 18. Juni 18S5 lagen zwei Anträge vor, der eine von Herrn von Kröcher, „daß Freiherr von Hammrrstein bis zur Beendigung der Untersuchung aus den konservativen Fraktionen des Reichstages und des preußischen Abgeordnetenhauses auszuschließen sei;" der andere von Herrn von Lrvetzow, „daß der Freiherr von Hammerstein Lurch die Parteileitung zu veranlassen sei, so bald als möglich aus der Partei auszuscheiden". Als hauptsächlichste AnschuldigungS- punkte gegen Herrn von Hammcrstein wurden angeführt: l) Ver wendung des Pensionssonds der „Kreuz-Zettung"; L) der Papier- cootract mit dem Lieferanten Flinsch; 3) das Verhältnis zu der Flora Gaß; 4) das Verhalten gegenüber den Redakteuren der „Kreuz-Zeitung", insbesondere gegenüber dem Professor vr. Kro- patscheck. Rach dem vom Hosprediger a. D. Stöcker mit unter zeichneten Protokoll") hat kein Mitglied des Elfer-AuSschusseS die vorstehend genannten Anträge so lebhaft bekämpft wie gerade Herr Hofprediger a. D. Stöcker. Die Antragsteller traten selbstverständlich warm für ihre An träge rin. Herr von Kröcher begründete seinen Antrag durch nähere Auskunft zu Leu beiden ersten Anschuldigungspuncten. Herr von Levetzow tadelte scharf dir Verwendung deS Pensionssonds der „Kreuz-Zeitung", dessen Zinsen auf Veranlassung des Freiherr» von Hammerstein während der Jahre 1891—94 verrechnet worden seien, obwohl das betreffende Capital nicht mehr vorhanden ge wesen. Nicht minder scharf rügte er das Gebühren des Freiherrn von Hammersteiu mit dem Papierlieseranten Flinsch, wodurch die „Kreuz-Zeitung" alljährlich um sehr hohe Beträge benachtheiligt worden >ei. Ebenso verurtheiile er das ehebrecherische Verhältniß mit der Flora Gaß und das Verhalten de- Freiherr» von Hammer stein gegenüber den Redakteuren der „Kreuz-Zeitung". Herr Hof prediger a. D. Stöcker dagegen bekämpfte, wie gesagt, die beiden Anträge. Er hielt einen Beschluß, wie er von Herrn von Kröcher und Herrn von Levetzow beantragt sei, noch für verfrüht. Seinen Informationen zufolge habe Herr von Hammerslein den Pensionsfonds der „Kreuz. Zeitung" nicht in seinem persönlichen Interesse, sondern zum Ankauf de» „Deutschen Tageblattes" verwendet und hierzu die nachträgliche Zustimmung Les inzwischen verstorbenen Oberpräsi« deuten a. D. Freiherr» von Kleist-Retzow erhalten. Auch die Abmachungen mit dem Papierlieseranten Flinsch seien für Herrn von Hammerslein nicht gravirend, da derselbe au» eigener Initiative eine Herabsetzung de» Papierprrises, und zwar bereits zu einer Zeit erzielt habe, zu welcher das Curatorium der „Kreuz- Zeitung" noch ohne Kenntniß von dem Vorgänge gewesen. Er wünsche daher, daß ein Beschluß im Sinne der Anträge der Herren von Kröcher und von Levetzow jetzt noch nicht gefaßt werde, sondern daß man zunächst das Ergebniß deS von Herrn von Hammerstein gegen die Frankfurter „Kleine Presse" an gestrengten Processes abwarten möge. Andere Herren, unter ihnen Herr vr. Klasing, traten den Ausführungen des Herrn Stöcker entgegen und sprachen sich zu Gunsten der gestellten Anträge aus. Herr Graf Limburg-Sttrum hielt es für nothwendig, daß auch das Curatorium der „Kreuz-Zeitung" aufgefordert werde, Herrn von Hammerstein zur Niederlegung der Redaktion zu veranlassen. Herr Graf Sch lieben erklärte ebenfalls da- Verbleiben des Freiherrn *) Die Einsicht in die Protokolle und die Benutzung derselben ist unS (d. i. dem Obersten von Krause. Red.) unter den ob- waltenden Umständen freundlichst gestattet worden. von Hammerstein in der Redaktion der „Kreuz-Zeitung" und in den Fraktionen der Parlamente nicht für Wünschenswerth, bezweifelte indeß, ob die Parteileitung zu bestimmt sormulirten Beschlüssen in dieser Richtung berechtigt sei. Nochmals trat hieraus Herr Hos prediger a.D. Stöcker für Herrn v. Hammerstein ein und erklärte es für nicht richtig, Beschlüsse von Seiten der Parteileitung gegen denselben zu fassen, so lange nicht das Curatorium der „Kreuz- Zeitung" gegen ihn vorgrgangen sei. Gleichwohl wurde zum Schluß der Antrag des Herrn v. Levetzow in der später von ihm verschärften Form, „daß der Freiherr von Hammerstein durch die Parteileitung ausgewrdert werde, binnen acht Tagen aus den konservativen Fraktionen der Parlamente aus zuscheiden", von der Mehrheit angenommen <Der Austritt erfolgte auf wiederholtes Drängen hin unter dem 5. Juli.) Zugleich wurde auf Antrag des Freiherrn von Manteuffel einstimmig der Be schluß gefaßt: „Das Curatorium der „Kreuz-Ztg." ist auszufordcrn, den Freiherrn von Hammerslein sofort von der Redaction der „Kreuz-Zeitung" zu suspendiren, widrigenfalls der Elser-Ausschuß gezwungen sein würde, seinerseits diejenigen Schritte zu ergreifen, welche derselbe für erforderlich hält, um die Scheidung zwischen der konservativen Partei und der von dem Freiherrn von Hammerstein redigirten „Kreuz-Zeitung" herbeizusühren." (Die vorstehend ver langte Suspension erfolgte unter dem 4. Juli.) Es gereicht der Parteileitung zur Ehre, daß sie sich durch die Einsprüche und Bedenken des Herrn Hofpredigers a. D. Stöcker nicht zu einer Verzögerung in der Stellungnahme gegen Herrn von Hammerstein hat bestimmen lassen. Wie es möglich war, daß Herr Stöcker überhaupt noch für Herrn von Hammerilein eintrat, obwohl ihm die auch am 18. Juni wiederholt zur Sprache ge brachten Beschuldigungen wegen des Verhältnisses desselben mit der Flora Gaß bekannt waren, ist uns rüthselhast. Schon im Februar vorigen Jahres hat er, wie er selbst in der „Deutschen Evangelischen Kirchenzeitung" (Jahrgang 1894, Nr. 47) geschrieben hat, Gerüchte darüber gehört und dann sofort Aufklärung ge- fordert. „Aber auch da", sagt er, „war nicht hinter die Wahrheit zu kommen, da Alles schroff abgeleugnet wurde. Erst im Sommer habe ich erfahren, daß Freiherr v. Hammerstein seine Schuld ein gestanden hatte." Ob Letzteres vor oder nach dem 18. Juni war, können wir nicht sagen. Es thut dies übrigens auch weiter nichts zur Sache. Jedenfalls waren die Beschuldigungen auch in diesem Stück gegen Freiherrn v. Hammerstein ani 18. Juni schon so stark, daß gerade der einzige Geistliche, der im Elfer-Ausschuß saß, schon allein mit Rücksicht auf diese Beschuldigungen nicht für Herrn v. Hammerstein hatte eintreten dürfen. Zum Mindesten hätte er, wenn er sich nicht entschließen konnte, gegen Herrn v. Hammer stein zu reden und dem Anträge des Herrn v. Kröcher oder von Levetzow zuzustimmen, in dieser Angelegenheit schweigen und sich nicht gegen diese Anträge erklären müssen. Allerdings hat er (das Protokoll enthält nichts davon, wir haben es aber als selbstverständlich angenommen, und es ist uns auch bestätigt worden) das Verhältniß des Herrn von Hammerstein zu der Flora Gaß — für den Fall, daß es auf Wahrheit beruhe — auch seinerseits aufs Allerjchärfste verurtheilt. Aber er hat doch — in für uns unlösbarem Widerspruch — trotz dieser und trotz der anderen Beschuldigungen Herrn von Hammerstein noch als Mitglied der konservativen Fraktionen der Parlamente erhalten wollen, zu einer Zeit, da die Majorität des Elfer-Au-schuffes die sofortige Entfernung desselben aus der konservativen Partei schon sür unbedingt nöthtg hielt. Wie Herr Stöcker Strafanträge stellt, darüber erfährt man aus der vorliegenden Schrift Folgendes: In eine»! größeren Kreise zu Berlin kam in der ersten Hälfte des Januar das Verhalten des Hofpredigers a. D. Stöcker gegen über den öffentliche» Beschuldigungen, die gegen ihn erhoben waren, zur Sprache, und es wurde getadelt, daß er es unterlassen, gegen Herrn Professor Brecher Strafantrag zu stellen. Sofort sprangen einige Freunde des Herren Hofpredigers auf und erklärten: „Dieser Tadel sei unbegründet, Herr Hofprediger a. D. Stöcker habe Herrn Professor Vr. Brecher verklagt." Das berechtigte Er staunen über diese Mittheilung, die sowohl mit der Aeußerung des „Volk", daß es in diesem Falle zu einer gerichtlichen Auseinander setzung „an der juristischen Grundlage" fehle, als auch mit der Er klärung des Herrn Stöcker in der „Deutschen Evangelischen Kirchen- zeitung", daß „er von einer Klage gegen Professor vr. Brecher ab- sehe" (denn so mußten die Worte nach dem Zusammenhang verstanden werden), in Widenpruch zu stehen schien, veranlaßte die betreffenden Herren, hinsichtlich des wahren Sachverhalts sorgfältige Er kundigungen einzuzichen. Dies ist geschehen Und was stellte sich nun heraus? Herr Hosprediger a. D. Stöcker halte thatsächlich Strafantrag gegen Herrn vr. Brecher gestellt, aber erst so spät und in einer solchen Weise, daß es nicht zu einer gericht lichen Verhandlung gekommen ist. Um die Sache zu ver- stehen, muß man sich Folgendes vergegenwärtigen: Am Morgen des 3. Januar d. I. war der Termin abge lausen, bis zu dem Herr Hosprediger a. D. Stöcker wider Herrn Professor Vr. Brecher klagen konnte. In seinem Amt — abgesehen davon, daß er kein öffentliches Amt mehr bekleidet, wie ihm schon die vorgesetzte kirch liche Behörde zum Bewußlsein gebracht hatte — war Hospcedlger a. D. Stöcker von Professor vr. Brecher nicht beleidigt worden. Dieser hatte vielmehr nur gegen seine Person höchst gravirende Beschuldigungen vor gebracht. Die Klage konnte also nur eine Privatklage sein und mußte bei dem zuständigen Schöffengericht eingereicht werden. Wer absolut nichts- mit ihr zu thun hatte, war der königliche Staatsanwalt. Gleichwohl reichte Herr Hosprediger a. D. Stöcker den Strafantrag gegen Herrn Professor Vr. Brecher im letzten Augenblick (30. December) beim königlichen Ersten Staats anwalt Drescher ein Dieser erhielt sie am 4. Januar und antwortete sofort, daß er sich nicht in der Lage sehe, in der Sache etwas zu thun, daß aber auch, abgesehen davon, der Termin zur Einreichung einer Klage verstrichen sei. Es ist nun gewiß ein eigenthümliches Verhäng» iß, daß der Brief, der am 30. December zur Post gegeben wurde, erst am 4. Januar in die Hände des königlichen Staats anwalts kam. Waru m aber reichte Herr Hosprediger a. D. Siücker, wenn er überhaupt klagen wollte, die Klage erst am 30. December ein? Warum nicht schon am 30. November oder am 30. Oktober? Warum wandle er sich überhaupt mit einer Prioatklage an den königlichen Staatsanwalt? Und warum versicherte er in der „Deutschen Evangelischen Kirchenzeitung", daß er nicht klagen werde? Warum verbreitete gleichzeitig bas „Volk", daß „zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung die juristische Grundlage fehle"? Wir geben zu, Saß man hernach zu besserer Erkenntniß kommen und anderer Ansicht werden kann. Muß man aber dann nicht auch seine früheren Erklärungen vor der Oeffentlichkeit zurück nehmen? Unseres Wissens ist dies nicht geschehen. Es ist im Ge heimen anders gehandelt woroeu, als vor der Oeffentlichkeit. Und es ist auch im Geheimen so gehandelt worden, daß es nicht zu einer gerichtlichen Verhandlung gekommen ist. Herr Stöcker wird am 8. April in einer christlich-socialen Versammlung in der „Tonhalle" antworten. Man kennt die Weise, maujkennt den Text, man kennt auch die eiserne Stirne des Herrn Hofpredigers a. D. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. März. Die socialtzcmokratischcn Fübrer haben schon so unzäh lige Beweise ihrer Vorliebe für da» Gegentheil der Wahrheit gegeben, daß neue Beweise fast nur noch den Eindruck des Hergebrachten hervorbringen. Gerade in der letzten Zeit aber haben diese Führer einen solchen Fana tismus im Entstellen der Wahrheit an den Tag gelegt, daß man trotz der Gewöhnung an derartiges Entstellen erschrickt. So sagte Herr Liebknecht am 23. d. MtS. im ReickSlaze, um den „Vorwärts" wegen deS ActendiebstablS zu entschuldigen: „Wir stehen thurmboch über derartigen An griffen. In der französischen Kammer haben unsere Genossen daS VanamadiebeSnest ausgehoben, hier im Reichstage baden die Vertreter der Regierung die Schanvthaten deS Peters jahrelang gekannt, und eS hat eines Social demokraten bedurft, der hier als StaatSanwalt auftritt und den Reichstag und die Regierung zur Scham rufen mußte." Der Reichstag beantwortete diese wahrheit-widrige Prahlerei mit Recht durch „Gelackter nnd Zuruf". Die Tbatsachen liegen nämlick, wie wir bereits im Leitartikel unsere- Morgen blattes vom 18. März („Vr. Peters und die Flottenbewegung") dargetban haben, gerade umgekehrt und zwar genau so, wie die „Nbein.-Westf. Ztg." sie wiederholt feststellt. Im September 1 894 wurde nämlich einem Gewährsmann dieses Blattes in Zürich von zuverlässiger Seite die bündige Miltheilung gemacht, daß Herrn Bebel die ganzen Beschuldigungen gegen vr. Peters einschließlich deS Beweis materials übersandt wären. Die Ereignisse wurden jenem Gewährsmann auch genau so beschrieben, wie später Bebel im Reickstage sie darstellte; insbesondere wurde die Behauptung ausgestellt, Peters habe seinen Diener und seine Dienerin wegen Ehebruchs aufhängen lassen und einen Brief an den Bischof Tucker geschrieben, welcher diese Verbrechen zugiebt. Es wurde ferner mit- getdeilt, die Angelegenheit werde von der social demokratischen Partei sofort in der Session 1894/95 zur Spracke gebracht. Herr Bebel befand sich also seit dem September 1894 im Besitz desjenigen Material-, welches er erst im März dieses Jahres, also nach IV, Iabren, zu veröffentlichen für gut befand. Die Veröffentlichung erfolgte, weil Peters für die Flotten vermehrung eintrat und Bebel im Bunde mit dem wegen der Affaire Arenberg geärgerten Centrum mit vr. Peters die Flottenbewegung zu treffen hoffte. Also nicht die Regierung oder der Reichstag, sondern derAbg. Bebel und die social- d emokratischr Partei kannten und unterdrückten 1 Vr Jahre lang die „Schandtbaten" des vr. PeterS. WaS von diesen „Schandtbaten" aber auf Wahrheit beruht, wird man ja wohl demnächst erfahren. — Eine zweite, kaum minder eklatante Probe socialdemokratischer Wahrheitsliebe liefert der „Vorwärts", der befürchtet zu haben scheint, daß di« jüngste Widerlegung Bebel'scher Unwahrheiten durch den preußischen Kriegsminister sogar manchen „Genossen" stutzig machen könnte. Er sckreibt daher: „Alljäbrlick wiederholt sich mit großer Regelmäßigkeit das sattsam bekannte Schauspiel: Abgeordnete unserer Partei, die den Schutz des Volkes und feiner Kinder gegen Ausbeutung und Mißhandlung durch die Angehörigen der herrschenden Elasten zur besonderen Aufgabe hat, bringen eine mehr oder weniger große Zahl von Beschwerden über vorgekommene Soldateamißhandlungen im Reichstage zur Sprache; dann erhebt sich rin schneidiger Vertreter Seiner Heiligkeit des Militarismus, um zunächst einmal von vornherein die Sachen als „wahrscheinlich ent stellt" hinzustellen und dann nähere Nachforschungen zu versprechen. Und was ergeben diese näheren Nachforschungen? Da hat dann vielleicht nicht ein Unterofficier vom xten Regiment, sondern ein Gefreiter einen Mann geprügelt oder ihm in» Ge- sicht gespien oder sonstwie ihn mißhandelt; oder in einem andern Fall ist „actenmäßig festgestellt", daß der Mann nicht ge pufft, sondern nur geknufft wurde, daß er keine Ohrfeige, sondern nur einen Backenstreich erhalten, der ihm auch, wie ebenfalls „gerichtlich erklärt" ist, „keinerlei Schmerzrmpsindnng" be reitet hat — und wa- dergleichen feine Unterschiede mehr sind." Die bei der dritten Lesung des Etat- im Reichstag fest gestellten „feinen Unterschiede" waren indeß, wie die „Nat.- Zla." frststellt, folgende: Herr Bebel hatte behauptet, ein Osficier habe einem Husaren eine derartige Ohrfeige ge geben, daß da» Trommelfell zersprang und der Mann „halb taub" wurde; eS wurde dagegen festgestellt, daß die Ohrfeige von einem Kameraden berrührte und daß sie dem Gehör des Geschlagenen nicht daSMindeste geschadet hat. Herr Bebel Gottbegnadet. 11) Roman von Konrad Telmann. Nachdruck verLotea. Nach einer Weile fiel ihm ein, daß eS am besten sein würde, seiner Mutter zuvorzukommen. Denn nach der Kirche würde sie vermuthlich gleich zu Frau Marcella gehen und dort die Sache in Ordnung bringen wollen, wie sie daS nannte. Womöglich war sie auch gar nicht zur Kirche ge gangen, sondern hatte sich gleich dorthin aufgemacht, um einen Vorsprung vor ihm selber zu haben, und wollte ihm dann mit einem kalt accompli entaegentreten. Ein peinliches, demüthiaendeS Gefühl überkam chn. WaS sollte die herrliche Frau Marcella, die noch gar nicht- erfahren hatte, von der Intervention seiner Mutter denken? In welchem Licht stand er dann selber vor ihr da! Er mußte gleich zu ihr, ihr Alle» sagen. Sie würde eS verstehen, sie verstand ja Alle». Und wenn er seine Mutter bei ihr fand, so wollte, mußte er in Gegenwart seiner Mutter ihr erklären, daß er dennoch bei seinem Wunsch beharre und von Thea niemals lassen könne und wolle. E» waren große, heroische Entschlüsse, die in seiner Seele reiften. Dennoch war er von einem gewissen Bangen nicht frei. Er machte langsam und sorgfältig Toilette, um sich während derselben genau zu überlegen, was er Frau Marcella Alle» sagen wollte. E» konnte dabei nicht» schaden, wenn er in seiner äußeren Erscheinung einen recht vortheilhaften Eindruck machte. Harry hatte sich kaum je einaehender mit seiner Haarsrisur, der Wahl seiner Eravatte, der Farbenzusammenstcllung in seinem Anzug« beschäftigt. Erst der Gedanke, daß er zuviel Zeit versäume, trieb ihn endlich auf und hinau». Er konnte sich übrigen» sagen, daß seine Wahl gut gewesen sei» er war mit sich selber zufrieden. Unterwegs kaufte er nock einen Strauß Marschall Niel- Rosen, steckte eine davon in» Knopfloch, wahrend er die andern zugleich mit dem nicht angezogenen, perlgrauen Glacehand schuh zwischen den Fingern trug. Üeberall auf der Strand promenade, di« brüte belebter war al» je. blickte man ihm nach, flüstertrn tuschelnde Stimmen sich seinen Namen zu. Alle paar Schritte mußte er grüßen. Und er tbat das jrde«- mal mit einer ihm eigenen Grazie der Bewegungen, die etwa« Weibliche» halten. Lächelnd, wie ein huldvoller Fürst, schritt « dahin. Frau Marcella sand er nicht zu Hause. DaS gnädige Fräulein sei ins Bad gegangen, sagte ihm das Mädcken, nnd die gnädige Frau werde wohl irgendwo am Strande sitzen, um auf sie zu warten. Harry ging an den Strand hinab, um nach ihr zu suchen. Aber er sah sie nirgends. Auffallend genug war sie ja doch mit ihrer hoben, königlichen Gestalt und dem grauen Haar über dem schönen, stolzen, jugendlichen Gesicht, um nicht übersehen zu werden. ES siel ,hm ein, daß er während deS ganzen WegeS eigentlich mehr an Frau Marcella gedacht hatte als an Thea. Er mußte lächeln. Wer weiß, ob ich nickt bloS oder doch in erster Linie die Tochter ihrer Mutter in ihr liebe! dachte er. Plötzlich, als er schon unverrichteter Sacke wieder um kehren wollte, sah er Frau Marcella in einer der schilfge flochtenen Strandhütten sitzen, mit denen das Ufer weit hinaus besetzt war. Sie war in ein Buch vertieft und hörte sein Herankommen nickt in dem weichen Sande. Erst als er im Eingang der Hütte stand, sah sie auf. „O, guten Morgen!" sagte sie freundlich und schloß das Buch, ihn mit einer Landbewegung einladend, neben ihr auf dem schmalen Holzbänkchen Platz zu nehmen. <Lr überreichte ihr die Rosen und erst, als sie ihm ge dankt hatte, fiel ihm ein, daß er sie eigentlich wohl hätte Thea schenken sollen. „Warum setzen Sie sich nicht?" fragte Frau Marcella. „Uebrrhaupt: Sie haben i» etwas so Feierliche« heute an sich. Ist das nur der Sonntag? Sie sehen etwas nach einem Hochzeitsbitter auS." Es war wieder ein gutmüthiger Spott in ihren Worten, der ibn niemals kränkte. „So etwas ähnliches bin ich heute auch", sagte er und ließ sich nieder, „sogar noch mehr al« ein Hochzeit-bitter. Ich möchte nämlich selber gern Hochzeit machen." „Sieh, sieh! Und man darf schon gratuliren?" „DaS hängt ganz allein von Ihnen ab", sagte er und lachte. Seine ganze wohleinstudirte Rede schien ihm hier überflüssig. Frau Marcella wurde plötzlich ernst. „Was soll daS beißen?" „Daß ich Ihre Tochter heirathen möchte. Nicht mehr und nicht weniger." Die großen, grauen Augen Frau Marcella'S hafteten durch dringend auf seinem Gesicht. „DaS soll hoffentlich nur ein Scherz sein". Herr von Lennfrlvt? .Aber nein! Wahrhaftig nicht! Wie kommen Sie darauf? Und Sie sagen sogar: hoffentlich! DaS ist nicht bübsch von Ihnen, wissen Sie das auch? Ich habe gedacht. Sie würden mich etwas anders empfangen, gnädige Frau. Ich komme mit den redlichsten Absichten und dem ehrlicksten Wollen. Ich werde Thea glücklich machen. Trauen Sie mir das nicht zu?" „Sie lieben Thea?" Ein fassungsloses Erstaunen sprach auS Frau Marcella'S Augen. „Wußten Sie das denn nickt schon längst? Und Thea liebt mich wieder. Wär ick sonst jetzt bier?" „Thea liebt Sie wieder?" Der Ton, in dem Frau Marcella eS nachsprach, hatte etwas Bitteres. „Dies Kind! Das ist leicht gesagt. Aber es würde mich ja auch wundern, wenn es anders wäre. Auf ein junges, empfängliches Mädchenberz müssen Sie ja wohl leicht Einfluß gewinnen können. Nur frag ich Sie: WaS nun weiter? Was soll daraus werden?" „Aber ich hab eS Ihnen ja schon gesagt, liebste, beste gnädige Frau. DaS natürlichste von der Welt. Was denn sonst? Heirathen wollen wir. Und bald! Und Sie sollen Ihren Segen dazu geben." „Ich? Damit wäre immer noch nicht viel gewonnen. Von mir allein hinge die Einwilligung ja doch nickt ab, wie Sie jetzt zu glauben scheinen." Eine Wolke flog über seine Stirn. „Sie meinen: meine Mutter könnte Einspruch erheben. Nun, sehr zufrieden wirb sie ja nicht sein, — aus hundert verschiedenen Gründen nicht. Aber wir stimmen sie schon um. Und im aller schlimmsten Falle . . Er brach ab, wie über seine eigenen Worte erschreckt, und wühlte mit der Spitze seine- Spazierstocks im Sande umber. „Vor Allem hat Tbea noch einen Vater", sagte Frau Marcella mit Nachdruck. Er sah erstaunt auf. „Ach ja, ja! DaS hatte ick ganz vergessen." Er lackte. „Man hat so gar nickt die Empfindung, daß Sie die Frau von jemandem sind. Sie sind so rubig und fest und selbstständig. Und ich laß mir'- auch nicht auS- reden: Wenn Sie unsere Sache in die Land nehmen, setzen Sic'S auch durch — gegen alle Welt. Und — Sie thun'«, nickt war? Bitte, bitte, Sie thun'«? Ich will ja auch furchtbar folgsam sein. Sehen Sie, gnädige Frau. Sie können doch eigentlich alles auS mir machen, wa« Sie wollen. Ihnen gehorch ick sofort. Ich hab heute Morgen schon wieder studirt wie rin Schuljunge — blo« Ihnen zuliebe. Haben Sie Vertrauen zu mir, ja? Ich bin au kouck ,i« ganz guter Junge und Sie können wa« au» mir machen, — einen vor trefflichen Schwiegersohn können Sie au» mir machen. Sehen Sie: Ich könnte ja ganz andere haben als Thea, aber ich liebe sie nun doch einmal und ich könnte sogar um sie kämpfen. Ich möchte, daß Tbea ganz so würde wie Sie, uud ich — ich möchte ganz so werden, wie Sie eS wünschen. Also — bitte, nickt wabr? Sie werden unsere Fürspreckerin und die Beschützerin unserer Liebe? Dann sind wir geborgen! Was Sie in diese Hand nebmen, das ist gut aufgehoben." Er hatte dabei ihre Hand ergriffen und küßte sie wieder und wieder, bi« sie ihm lachend Einhalt gebot. „Die Leute konnten denken. Sie machten mir eine Liebes erklärung", sagte sie. „Im Uebriyen ist mir Ihr Vertrauen ja sehr schmeichelhaft, nur Sie täuschen sich durchaus über meine Macht und meinen Einfluß. Trotzdem: ich will sür Sie Beide gern wirken wie ich kauu, wen» — ich mick davon erst überzeugt habe, daß es zu Ihrem und Thca's Besten ist." „Ab!" machte er betroffen. „Davon sind Sie nicht über zeugt? Auch jetzt noch nicht?" „Nein", sagte sie mit ruhiger Ehrlichkeit. „Eher vom Gezentbeil. Ich mache Ihorn gar kein Hehl daraus; ich habe nicht so inS Blaue hinein vorher -ts-gl: hoffentlich meinten Sie eö nicht im Ernst. Ich koste da- wirklich. Gerade, weil ich Sie schätze — lassen Tie mich daS ganz offen sagen. Tbea uud Sie taugen nicht zusammen, glaub ich. Nicht nur, weil sie noch rin Kind ist, da« ich gern noch recht lange bei mir behalten hätte, um eS sich in der Stille voll entwickeln zu lassen, — jetzt kann ja alle- DaS, was in ihr schlummert, nicht zur Reife kommen, wenn sie vorzeitig heirathe«, — nein, auch sonst: sie Beide sind zu verschieden artige Naturen. Ick könnte mir denken, daß eS früher oder später zu herben Eonslictea zwischen Ihnen kommen müßte." Harry lackte unbefangen auf. .Lieber Gott, wa- sür Gespenster Sir sehen? Warum denn? Weil ich so ver wöhnt bin, nickt wahr? Weil mich die Frauen verziehen? Weil ich eitel und flatterhaft bin? und so weiter und so weiter. Hab ick reckt? Ack, du lieber Gott! Glauben Tie denn, daß da« alle- nicht in der Ehr verfliegt und ver schwindet wir Spreu im Winde? Sie können doch unmög lich so klein, so gering von Liebe und Ehe denken, gnädige Frau, Sie doch gewiß nicht. Ich liebe ja Tbea, damit ist doch alle- gesagt, damit sind doch alle Ihre Bedenken wider legt. Ich bade sie furcktbar, furchtbar lieb. Weit«, braucht'- ja roch nicht« zum Glücklichsein. Und sie mich ja auch»
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