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und Tageblatt. AMSblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Lrrarttworüicher Redaltem Julin- Brann in Freibrrg. , - — 33. Jahrgo««. ü Erschrint jeden Wochrntag Abend« S Uhr für dm » Inserate werden bi« Bormtttag« 11 Uhr angenour- M - ^65. j I Sonntag, dm 8. Oktober. 1881, Die Woche» Eine politisch recht trockene Woche liegt hinter uns. Selbst der Wahlkampf vermochte keine besondere Erschei nungen zu Tage zu fördern. Die alte Beobachtung, daß jede künstlich in das Volk hineingetragcne Bewegung sich nur bis zu einem bestimmten Höhepunkte bringen läßt, dann aber an dem Ruhebedürfniß der Massen ihre Grenzen findet, scheint sich auch bei den diesmaligen Wahlen zu bewahrheiten. Die Bewegung hat im Großen und Ganzen — von einzelnen Bezirken sehen wir hierbei ab — wäh rend der letzten Wochen keineswegs an Kraft zugcnommen; eher könnte man das Gcgentheil behaupten, weil sic zu lange auf der Tagesordnung steht und die Massen der Wähler nicht mehr recht zu fesseln vermag. Noch einmal wird das Flämmchen des Interesses hoch aufflackern, kurz vor der Wahl; bis dahin aber dürfte cs schwer halten, das Leben wach zu erhalten. Von einer Wahlbcwegung im eigentlichen Sinne des Wortes kann man übrigens in Berlin sprechen. Dort werden täglich in den Wählerver- sammlungcn unliebsame Personen hinausgcworfen; eine Partei erhält somit die andere beständig auf dem Lau fenden. Auch die offiziöse Presse sucht ihr Scherflcin beizutragen, damit die Wahlangelegenheit nicht ganz in's Stocken geräth. So hielt cs dieser Tage die „Prov- Korresp." für nöthig, den Fürsten Bismarck gegen den Vorwurf, daß er die Sozialdemokratie begünstige, in Schutz zu nehmen. Bismarck sei nur Sozialist in dem Sinne, daß er seine letzte Lebensaufgabe darin erblicke, die Lage der Aermsten in der Bevölkerung zu verbessern, für deren Bedürfniß er von jeher offenen Sinn und Herz gehabt. Wir wollen an dem Herzen'unseres Reichskanzlers keines wegs zweifeln und sind von vornherein überzeugt, daß der selbe sich der sozialdemokratischen Partei so wenig als irgend einer anderen verschreibt; aber ebenso unzweifelhaft ist uns, daß derselbe mit seinen Sozialreformcn genau so wie mit seinen Vorschlägen zur Herstellung des kirchlichen Friedens einem unmittelbar und wesentlich politischen Kalkül folgt. Das Ergebniß des 27. Oktober wird zeigen, ob dieser Kalkül ein richtiger war. — Wenn das obenerwähnte hochoffiziöse Blatt ferner behauptet, das Tabaks monopol befinde sich noch im Stadium der Vorbe reitung und könne noch nicht Gegenstand der Volksab stimmung sein, so liegt der Verdacht nahe, es könnte hier eine Ucberrumpelung der Volksvertretung beabsichtigt werden. Denn nach anderweitigen Mittheilungen würde die betreffende Vorlage, obwohl in wesentlichen Punkten noch einer Umarbeitung bedürftig, allerdings dem Reichs tage bald nach dessen Zusammentritt zugchen. Jene Um arbeitung würde sich namentlich auf die Entschädigungen beziehen, welche niedriger gegriffen werden sollen, als ursprünglich beabsichtigt war. In der Stellung der Par teien zu der Monopolfrage ist eine Aenderung nicht ein getreten. Das Zentrum ist bis jetzt dagegen; wie lange und wie einmüthig, fragt sich sehr. Wahrscheinlich wird es sich der Frage gegenüber spalten, wie in letzter Zeit regelmäßig, wenn es sich um Fragen nichtkirchlichcr Natur handelte. Die Polen treten neuerdings ziemlich offen für das Monopol ein. Natürlich verlangen auch sie Gegen geschenke und zwar auf .nationalem Gebiete". — Die ^Germania" klagt, daß in der kirchenpolitischen An gelegenheit eine kühlere Strömung in Regierungskrcisen eingctreten sei. Das ist wohl möglich, aber wir glauben, daß die Quecksilbersäule im politischen Thermometer noch oft sinken und steigen wird, ehe die „angenehme Temperatur" erzielt ist, nach der sich manche Leute sehnen. Dasselbe Schicksal dürfte auch dem .konservativen Parteitage" be- schieden sein, der in vergangener Woche in Brandenburg zusammentrat. Wer aus den Verhandlungen desselben sich ein klares, bestimmtes Parteiprogramm entnehmen wollte, würde sich täuschen. Das Schelten auf die gc- sammte liberale Gesetzgebung ist ungemein wohlfeil und leicht; aber sobald diese konservativen Herren von allge meinen Redensarten zu bestimmten Gesctzgebungsfragen übergehen, zeigt sich, daß die Partei selbst nicht weiß, was sie will. Auch spielen da merkwürdige Begriffsver- wechsclungen hinein. Einige Redner ereiferten sich über die Auswüchse und Uebergriffe des Parlamentarismus auf Kosten der staatlichen Machtsülle. Es wurde aber ganz verschwiegen, daß die Liberalen lediglich den verfassungs mäßig vereinbarten Besitzstand schützten, sich nur in der Vcrtheidigung befanden. Wo in den letzten Jahren die verfassungsmäßige Rechts- und Machtstellung der Volks vertretung zur Sprache kam, handelte es sich keineswegs um Anträge oder Bestrebungen nach einer Vermehrung der Macht des Reichstags, sondern nur um Zurückweisung von Vorschlägen, in denen, wie z. B- den zweijährigen Budgetperioden, nach Ansicht der Liberalen eine Schmälerung der Rechte der Volksvertretung enthalten war, oder es handelte sich um einen Ersatz für die unzweifelhafte Macht erweiterung der Regierung, welche aus der Ausdehnung des indirekten Steuersystems entspringen mußte. Die österreichisch-ungarische Zollkonferenz, deren Zusammentritt schon seit längerer Zeit erwartet wurde, hat ihre Berathungen im Wiener Ministerium des Aus wärtigen begonnen. Der Zweck der Konferenz ist bekannt lich eine Revision des Zolltarifs, welche man gegenüber der deutschen Zollpolitik für wünschcnswerth hält. In der ersten Sitzung erklärten sich die österreichischen und unga rischen Bevollmächtigten übereinstimmend dahin, daß es nothwendig, die Zollansätze jener Artikel, die aus Deutsch land in größeren Quantitäten eingeführt werden, ent sprechend zu erhöhen. Gleichzeitig mit den Berathungen der Zoll-Konferenz begann auch die Konferenz von Dele- girten des österreichischen und des ungarischen Justizmini steriums wegen einer der bereits im Frühjahr von Ruß land erfolgten Anregung entsprechenden Modifikation der Auslieferungsverträgc. Bekanntlich ist in allen während der letzten Jahre in Oesterreich-Ungarn abge schlossenen Auslieferungs-Verträgen die Klausel enthalten, daß Mordanschläge gegen das Staats-Oberhaupt nicht zu politischen Verbrechen zu zählen seien. Jetzt handelt es sich namentlich darum, festzustellen, daß auch die Vorbe reitung zu derartigen Attentaten nicht zu den politischen Verbrechen zu zählen sei. Die österreichische Regierung ist nicht abgeneigt, hierauf cinzugchen; dagegen erheben die Ungarn große Schwierigkeiten. Bei der erwähnten Konferenz standen sich die Gegensätze unvermittelt gegen über. Obgleich jedoch von ungarischer Seite mit großer Entschiedenheit erklärt wird, man würde niemals zu einem „derartigen Eingriff in die Asylfrciheit" seine Hand bieten, hält man in den Kreisen des auswärtigen Amtes an der Hoffnung fest, daß es gelingen werde, eine Formel zu finden, welche die Bedenken der Ungarn beschwichtigt. Auch österreichischerseits hält man übrigens selbstverständ lich an der Auffassung fest, daß keinerlei Auslieferung auf eine bloße Anschuldigung hin erfolgen dürfe, daß vielmehr der Beweis für eine wirkliche Theilnahme am Morde, am Mordversuch oder an der Vorbereitung desselben erbracht sein müsse. Die Nachrichten über das Gemetzel von Oued-Zargua haben in Frankreich große Entrüstung hervorgerufen, da die Unfähigkeit der französischen Hecresführung durch die jüngsten Vorgänge in Tunesien von neuem aufs Deutlichste erhärtet worden ist. Unter diesen Umständen scheint es begreiflich, daß die „Enthüllungen" über die wahren Ursachen des tunesischen Feldzuges in immer weiteren Kreisen Glauben finden, zumal da die von der radikalen Presse erhobenen Anschuldigungen nunmehr in bestimmter Weise formulirt werden. Wäre auch nur ein Theil der soeben in einem von der äußersten Linken ent worfenen Fragebogen ausgestellten Anklagepunkte richtig, so würde die Regierung bei den demnächst in der De- putirtcnkammer zu erwartenden Interpellationen einen schwierigen Stand haben- In dem Fragebogen selbst wird eine ganze Reihe von Anklagepunkten hervorgchoben, unter denen einige übrigens bereits anderweitig ihre Be stätigung erhalten haben. Unter Anderem wird darauf hingcwiesen, daß der Fanatismus der Araber durch „ver schiedene schwere Fehler" bis zum Ucbermaße gereizt worden sei und daß insbesondere das Bombardement der ostlunesischen Hafenstadt Sfax sowie die Plünderung dieses muselmännischen Hciligthums die Erbitterung der Araber auf's Höchste reizen mußte. Gerade jetzt gelangt ein Schreiben eines seit vielen Jahren in Sfax ansässigen Großkaufmanns an einen deutschen Verwandten zur Ver öffentlichung, welches bestimmt bekundet, wie arg die Franzosen nach der Einnahme der erwähnten Stadt ge haust haben. Noch acht Tage nach der Einnahme dauerte die Plünderung unter den Augen der Offiziere fort; nicht minder bezeichnend ist, daß die Franzosen auf den ver schiedenen Konsulatsgebäudcn die nationalen Flaggen strichen, ja auf dem deutschen Vizekonsulate sogar die deutsche Flagge durch die französische ersetzten. Noch eine ganze Reihe von Szenen der schlimmsten Willkür wird berichtet, so daß die französische Heeresführung einen großen Theil der Verantwortlichkeit für die erbitterte Vcrtheidigung und die Grausamkeiten der Araber trägt. Besonderes Gewicht wird in dem erwähnten Fragebogen selbstredend auf den angeblichen Zusammenhang finanzieller Operationen mit der tunesischen Expedition gelegt. In England konzentrirt sich das Interesse an den öffentlichen Vorgängen im Augenblicke ganz und aus schließlich auf die irische Landagitation, an deren unheil volle Wirksamkeit die sich seit einiger Zeit häufiger wieder holenden agrarischen Gewaltakte mit verhängnißvoller Eindringlichkeit gemahnen. Kürzlich erhielt die Dubliner Regierung die Meldung von einem frechen Versuche, das Haus des Kapitän Lloyd, eines Gutsbesitzers in Pallas Green, Grafschaft Limmerick, mit Dynamit in die Luft zu sprengen. Eine Seite des Hauses wurde vollständig zer trümmert. Kapitän Lloyd, 7 Arbeiter und 11 Polizisten befanden sich zur Zeit in dem Hause, aber es wurde, so weit bis jetzt bekannt ist, Niemand verletzt. Die türkisch e Regierung hat das Bedürfniß gefühlt, sich über den Zweck ihrer Mission nach Egypten, über die man sich in Paris und London sehr zu beunruhigen an- fina, auszusprechen. Dieselbe sei, heißt cs in einem offi ziellen Kommunique, durch die Nothwendigkeit veranlaßt worden, im Einverständniß mit dem Khedive die Beschwer den der egyptischen Armee gegen gewisse Funktionäre gründlich zü untersuchen und hierüber der souzeränen Re gierung zu berichten. Auch in diesem engeren Rahmen ist übrigens die Einmischung des Sultans in die innere» Angelegenheiten Egyptens geeignet, die Wcstmächte zn beunruhigen, welche die gemeinsame Kontrole über das Nil-Land für sich allein beanspruchen möchten. Man darf namentlich nicht außer Acht lassen, daß im Lande Egypten selbst die entschiedene Neigung vorherrscht, die Bande mit Konstantinopel enger zu knüpfen und diejenigen mit den europäischen Mächten nach Thunlichkeit zu lockern. Was die egyptische Frage selbst betrifft, die durch die bekannten „Times"-Artikel aufgeworfen worden war, so sind die Offiziösen bemüht, die Diskussion über dieselbe wieder ab- zuschnciden. Dieselben machen aufmerksam, es sei schicklich, bei der Diskussion über die künftigen Gestaltungen des Orients nicht zu vergessen, daß Mazedonien, Epirus, Konstantinopel, Egypten und all' die Gebiete, die gegen wärtig in der europäischen Publizistik leichten Sinnes hierhin und dorthin verschenkt werden, vorläufig noch im Besitze der Türkei sind, und daß man nicht leichtweg über ein Reich wie die Türkei zur Tagesordnung übergehen kann. Der russische Kaiser leidet an großer Nervenauf regung. Er soll beständig seine Entschlüsse ändern, einmal seinen Ministern Vorwürfe machen, ein anderes Mal seinen intimen Freunden, und sie eigennütziger Beweggründe be schuldigen. Aus diesem Gemüthszustande des Staatsober hauptes allein erklärt sich auch der ununterbrochene Beamtenwechsel. Baranow soll wieder aus Archangel zurückberufen sein, noch ehe er das Geringste für die ihm aufgetragcne Hebung der Fischerei gethan hat. Koslow wird seinen eben eingenommenen Posten als Oberpolizei meister von Petersburg wieder verlassen, um Tscherewin's Nachfolger zu werden, der mit der Leitung des Schutzes der kaiserlichen Residenzen betraut ist. Die Quelle dieser ununterbrochenen Fluktuation in den höheren Beamten- krcisen ist offenbar die Besorgniß Alexander III. für seine persönliche Sicherheit und leider sind gar keine Aussichten vorhanden, day das Gleichgewicht in dem Gemüthe des Czaren wiederhergestellt werde. Das terroristische Re- gicrungssystem ohne Beständigkeit und ohne Kraft provo- zirt immer neue Manifestationen der revolutionären Partei. Tagesschau. Freiberg, 8. Oktober. Im Sommer des Jahres 1878 hat im deutschen Reiche die erste nach gleichmäßigen Gesichtspunkten veranstaltete Ausnahme über die Bodenkultur unseres'Vater landes stattgefundcn. Das bei dieser Gelegenheit gewon nene Ziffern-Material ist von höchster Bedeutung und wird für alle Diejenigen, welche sich mit unseren wirthschaft- lichen Verhältnissen beschäftigen, einen Gegenstand ernsten Studiums bilden. Das kaiserlich statistische Amt trug