Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.06.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110624020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911062402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911062402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-24
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
lVezvg-Preit fti LrN>«>» ,»d »«ich »»!«« Iriari »nd Eordtteur» L»at tigltch in» va»» irdrachl » VI-«»»att., k.7» »tk. vt«n«liahrt v«> »nler» Filialen n. An» n»hm»k«llen adacdott 7S PI. »»»alt., r.»A». oteneljahkl. Dnrch »l« Volt: innerhalb Drimchlano» unv brr deutichen Kolonien vterieljährl. r.SU Mk., monatl. 1.SI Alt. au»ichl Polidellellaeld Ferner in Belgien, Danemarl. den Donaullaalen. Italien Luxemburg. Rtederland«, Nor wegen Lenerretch-Ungarn. Nuhland. bchweden, Schwei« a. Evanten. In allen lldttgen Elaalen nui drrekt durch di« Selchättrliell« de» Blatte» erhältlich. Da» Leipziger LagedlaN «rlcheinl 2 mal täglich. Sonn» u. Feiertag» nui morgen». Adannemrntr-Annadm« 2»dan«i»gal>« S, de» unleren Iranern. Atltolen Spediteuren »nd Annatzmeitellrn. lowie Boltämrern und Briefträgern. St»,»lv«rlaoi»pr«»» sPi. / Mbend'Äusgabe. UciBigcr Tagtblall l 14 8S2 lNacht.nfchlnU Tel.-Änschl. E 14 K83 i 14KS4 «.l..An,chi. sHandelszeitung Amtsölatt des Rates und des Volizeiarntes Ser Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis sM« Inlerar« ,u» U«u>«l» und Umgeb»», di« llpalti-e Bettttetlr 2L BI.. die NeName- »«il« l Ml., von a«»wärt» SV Pf» Nellamen 1Ü» Ml.. Inleratr von Behörden im amt- lichen Teil bi« Petit,eile SU Pf. G«lchält»an,eigen mit Platzoorlchristen n in der Adendau»gad» im vreife erhöht. Nadatt nach Tarif. Beilagegebubr llirfaml» auflag« S Mk. p Taufend erkl. Postgebühr. Irilbeilage höher. Feftertetlt, Aufträge können ni»i jurüll. gezogen werdrn Für da» Erscheinen an benimmten Tagen und Plagen wird lein« Garantie übernommen An,ri,«n-Annahme. I,ba»m»g»fs« 8, bei sämtlichen Filialen n allen Annoncen» Tlpedttionen de» In- «nd Aurlande». Drmt an» Verlag »«» Ueipjiger la,«» blaUe» A. Pol». Inhaber: Pant Aürlten Redaktion »nd ib»fchäst»itell«: Iodanntsgaile 8. Hangt-Filiale Dresden: Seestrag« «, l tTelephon 4621). Nr. 173. Die vorliegende Ausgabe umlaßt 6 Seiten. .. .. . Dir frsnMilche Nsbinettskrilis. Rascher als allgemein vermutet werden konnte, ist dem Kabinett Monis der Lebensfaden ab geschnitten worden. Man hatte zwar allgemein die Lebensfähigkeit dieses Ministeriums, das Anfang März das Kabinett Vriand ablöste, nicht allzu hoch bewertet; aber daß es bereits nach nicht ganz vier» monatiger Amtszeit zu den Gewesenen gehören sollte, dessen hatte man sich nicht versehen. Im An fang seiner Tätigkeit war dem Kabinett die energische Haltung des Ministers des Auswärtigen Cruppi, der allerdings nur als Strohmann DelcassSs zu betrachten war, sehr zustatten gekommen, denn die französische Invasion in Marokko machte infolge ihrer Zielsicher heit gute Fortschritte. Als sich in dieser Beziehung später internationale Schwierigkeiten einstellten, hat ten sich bereits im innerpolitischen Leben Frankreichs Dinge vollzogen, di« die Lage des Kabinetts schwierig machten. Die zweifelhafte, unklare Haltung des Mi nisteriums in der Frage der Abgrenzung des Champagnergebietes, in dem im April un glaubliche Unruhen ausgebrochen waren, hatte die Stellung der Minister geschädigt. Nahezu lahmgelegt wurde aber das Ministerium von dem Tage des schrecklichen Unfalls auf dem Flugfelds von Zssy les Moulineaux. Man hatte schon damals mit einem Kabinett wechsel gerechnet, aber Ministerpräsident Monis, glaubte sich stark genug, auch vom Krankenbett aus, dis äußerst verwickelten Geschäfte der französischen Regierung erledigen zu können und der Ersatz des verunglückten Kriegsministers Berteaux durch den General Eoiran sollte die Position des Ministe riums neu stärken. Monis hat nun erlebt, daß er sich in seinen Annahmen gründlich getäuscht hat. Der Kriegsminister General Goiran hatte, eigentlich ohne rechten Grund, im Senat dieser Tage sehr unvorsich tige Aeußerungen über den Oberbefehl der französischen Armee getan, indem er dessen Uebettragung an eine einzelne Person als für fran zösische Zwecke ungeeignet hinstellte. Mit dieser Auf fassung hatte er den lebhaften Widerspruch der Mehr zahl der Kammermitglieder hervorgerufen. Die Folge davon war eine Jnterpeliation über dieses strittige Thema in dar Deputiertenkammer, aus deren Besprechung die Regierung mit einer Min derheit von 24 Stimmen hervorging. An geblich soll an diesem Misserfolg des Kabinetts der Justizminister Perier schuld sein, der die vom Mi nisterpräsidenten gebilligte einfache Tagesordnung, wie man sagt infolge eines Hörfehlers am Telephon, als unannehmbar bezeichnet und darauf die Ver trauensfrage gestellt hatte. Da die Kammer indes nur die einfache Tagesordnung annahm, also gegen den die Regierung vertretenden Justizminister vo tierte, war die Kabinettskrisis da. Nach anderen Meldungen soll allerdings auch die Verstimmung der Gegner des Proportionalwahlsystems, die vor einigen Tagen in der Kammer eine Schlappe Die schöne Exzellenz. 12s Roman von T. Tschürnau. tNachorucl verboten.) Viertes Kapitel. Der Winter hatte nun definitiv feine Herrschaft angerreten. Aus Stadt und Feld lag eine we.che, weiße Schneeschicht, und tue Sonne, die klar und kalt am mattblauen Himmel stand, batte selbst um die Mittagsstunde nicht mehr Sie Macht, schwarze Tupfen in das lickte, winterliche Gewand der Mutter Erde hineinzuweoen. Gülzow hakt« nach dem Diner einen scharfen Ritt in die Umgegend gemacht; er lag jetzt ausgestreckt auf dem Dlwan seines Rauchzimmers, sah den bläulichen Wolken seiner Zigarre nach und schwelgte im Be hagen des Nichtstuns. Erne Hand schob die Portiere zurück. „Darf ich?" fragte Baron Selbitz, ohne indes die Antwort auf seine Frag« abzuwarien. Dröhnenden Schrittes kam er herein und warf sich auf einen Schaulelstuhl, der trotz seiner vorzüg lichen Konstruktion unter der gewichtigen Last ganz bedenklich knackte. Gülzow hatte sich in seiner Behaglichkeit nicht stören lassen. Er streckte dem Freunde nur die Hand hin. „Mache dir's bequem, Fritz", sagte er, „dort sind frisch importierte Havannas; lch habe sie gestern erst aus Hamburg erhalten, ein gutes Kraut, wie mir scheint. Wenn du etwas trinken willst, so habe die Güte zu klingeln." Selbitz zündete eine Zigarre an und ließ den Diener Selters und Kognak bringen. Höllisch gemütlich bei dir", sagte er, sich behaglich in seinem Schaukelstuhl dehnend. „Freut mich, daß du's findest", gab Gülzow lako nisch zurück. Eine längere Pause entstand. Gülzows Tätigkeit hielt ihn ab, mehr zu sagen, als durchaus nötig war, und auch Selbitz fand dieses äoloe- kar viants viel zu angenehm, um eine regel rechte Unterhaltung in Gang zu bringen. Erst nach geraumer Zeit fragte er: „Wie siebt s mit Beelzebub?" Gülzow lachte vergnügt. los. Jahrgang Sonnsveno. üen 24. Juni 19N erlitten und darum dem Ministerium grollten, zu dessen Sturz beigetragen hab«n. Da der Präsident Fallieres gegenwärtig auf mehrere Tage nach Rouen zur Tausendjahrfeier der Normandie gereist ist, dürste sich die Neubildung des Kabinetts etwas verzögern. Außer den bereits in der heutigen Morgennummer veröffentlichten Depeschen über die Kabinettskrisis liegt uns zur Kennzeichnung der Lage noch folgendes Telegramm vor: Paris, 24. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Die Mehrheit, die das Ministerium zu Fall gebracht hat, besteht aus 22 Sozialistisch-Radikalen, 12 sozra- listischen Republikanern, 24 Mitgliedern der Demo kraten und der radikalen Linken, 17 Progressisten, 44 Mitgliedern der Action Liberale und der Rechten, 21 Wilden und einem geeinigten Sozialisten. 92 De putierte, darunter 54 geeinigte Sozialisten, enthielten sich der Abstimmung. — Es bestätigt sich, daß der Sturz des Kabinetts in der Tat dem Ver hältniswahlsystem zuzuschreibcn ist. Noch zu Beginn der gestrigen Sitzung ist von etwa 50 Anti- proportionalisten ein Beschlußantrag unterzeichnet worden, in dem die Regierung aufgefordert werden sollte, nur einem von einer ausschließlich republi kanischen Mehrheit genehmigten Wahlreformentwurf ihre Zustimmung zu geben. Dieser Beschlußantrag sollte schon am Montag in der Kammer eingebracht werden, was natürlich infolge der Ministerkrisis unter bleibt. Doch hält man es für möglich, daß er gleich am ersten Tage, an dem sich das neue Kabi nett vorstellen wird, der Kammer unterbreitet wer den wird. Wie verlautet, werden die Antipro- p o r 1 i o n a l i st e n sich übermorgen versammeln, um in einer Resolution zu erklären, daß sie jedem Mini sterium, das eine Verständigung mit den 218 republi kanischen Gegnern der Verhältniswahl ablehnen sollte, ihren Beistand verweigern werde. Der scheidende Ministerpräsident, der den bei dem Unfall in Jssy- les-Moulineaux verletzten Fuß immer noch in einer Schiene trägt, erklärte lächelnd Knem Berichterstatter: „Sie sehen den letzten Akt der Tragödie, das Ende des Kabinetts." Der „Radical" schreibt: Das Ministerium ist von seiner eigenen Partei gestürzt worden. Schon die Wahl eines Generals zum Kriegsminister hat das Kabinett erschüttert. Andere republikanisch« Blätter schreiben, das Mini sterium sei gefallen, weil es nicht verstanden habe, zu regieren. Der konseroattve „F k g a r o" meint, bas Ministerium Monis befinde i.chschonseitoielen Wochen in vollständiger Auflösung. Nach üer Lonüoner kömgskrönung. London, 24. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Aus Anlaß der Krönung fand gestern im Auswärti gen Amt ein Bankett statt, an dem tue könig liche Familie, sowie die fürstlichen und die anderen hohen ausländischen Gäste teilnahmen. Den Vorsitz an den drei Haupttaseln führten der König, die Königin bzw. der Herzog von Lonnaught. Der König hatte zu seiner 'echten die deutsche Kronprinzessin und Len Herzog von Aosta, zur Linken die japanische Prinzessin Higaihi Fuchlmi und den türkischen Thronfolger Jussuf Jzzcdin. Zur R.ch- ten der Königin saßen Erzherzog Karl Franz Josef von Oesterreich und die Kronprinzessin von Griechen land, zur Linken Sir Edward Grey, die Herzogin von Aosta und der deutsche Kronprinz. Der Her zog von Connaught hatte zu seiner Rechten die Prin zessin Georg von Griechenland nd den Prinzen Hein rich von Preußen, zur Linken die Prinzessin Maxi milian von Baden. London, 24. Juni. (Privattelegramm ) Gestern abend fand eine Illumination der Straßen statt, die jedoch in ihrer Wirkung stark durch anhal tenden Regen beeinträchtigt wurde. Portsmouth, 24. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Die Stadt, die britischen und fremden Flotten hatten gestern abend glänzend illu miniert. Trotz des ständig fallenden Regens wurde die Illumination von unzähligen Zuschauern in Booten besichtigt. London, 24. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Der König dankte in einem Erlaß der Polizei für die Geduld und den Takt, die sie am Donnerstag und Freitag bewiesen hätte, »nd erklärt, ihre Haft tung wäre der Gegenstand allgemeiner Bewunderung seitens der Majestäten und der fremden Gäste ge wesen. Politische Nachrichten. Der Reichskanzler wird in den nächsten Tagen in Kiel erwartet, um dem Kaiser vor Antritt der Nordlandreise Bericht zu erstatten. Festbankett zu Ehren des amerikanischen Geschwaders. Kiel, 24. Juni. (Telegramm.) Zu Ehren des hier weilenden amerikanischen Geschwa ders fand gestern abend beim Chef der Marine station der Ostsee Admiral Schröder große Tafel statt. An der Tafel nahmen teil der ameri kanische Botschafter Hill, der amerikanische Attache Traut, der deutsche MarineattachS Korvettenkapitän Retzmann, der Kommandant des amerikanischen Ge schwaders Admiral Badger und di« Kommandan ten der vier amerikanischen Linienschiffe. Von der Hochseeflotte waren alle Flaggoffiziere und Kom mandanten der einzelnen Kriegsschiffe mit ihren Damen geladen. Der nächste nationalliberale Bertretertag. Der diesjährige Vettretertag der nationallibe ralen Partei dürfte in Rücksicht auf die kommenden Reichstagswahlen zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, als es seither üblich gewesen ist. Sollten, wie heute als ziemlich feststohend angenommen werden kann, diese Neichstagswahlen im Januar bzw. im Februar 1912 sich vollziehen, so würde der natio nalliberale Vertretertag wohl Ende Nooe'm'b'e'r oder Anfang Dezember nach Berlin berufen werden, um Stellung zur allge meinen politischen Lage zu nehmen und den Wahl aufruf zu erlassen. Keine Begnadigung der englischen Offiziere. , Wie einige Blätter melden, lehnteder Kaiser die Begnadigung der wegen Spionage verurteitten englischen Offiziere Trench und Brandon ab. Die Sitzung der Präsidiums des Hansabundes, in der über den Briefwechsel zwischen Geheimrat Rießer und Landrat Roetger verhandelt werben soll, findet am näch sten Mittwoch statt. Es scheint, als ob noch mehr Briefe gewechselt worden sind, als die bisher bekanntgewordenen. Demission. Wien, 24. Juni. (Eig. Drahtmeld.) Nach der „Slawischen Korrespondenz" hat der Eiftnbahn- minister Dr. Glombinski gestern dem Minister präsidenten sein Demissionsgesuch überreicht. Der Seeleutestreik. Während in Holland und Amerika die Seeleute die Arbeit wieder ausgenommen haben, ist der Aus stand in Hüll immer noch nicht beigelegt, wie folgen des Telegramm besagt: London, 24. Juni. (Eig. Drahtmeld.) In einer in Hüll abgehaltenen Versammlung von Seeleuten und Hafenarbeitern, an der mehr als 10 000 Per sonen teilnahmen, wurde beschlossen, daß keine ein zelne Gruppe die Arbeit wieder aufnehmen solle, be vor eine vollständige Regelung der Streitfragen er zielt worden sei. Die Haftnarbeiter haben nunmehr auch ihre Forderungen in bezug auf Erhöhung der Löhne formuliert. Vertagung des spanischen Parlaments. Madrid, 24. Juni. (Eig. Drahtmeld.) Minister präsident Canalejas verlas heute in der Depu tiertenkammer ein Dekret, durch welches die Sitzungen des Parlaments auf unbe stimmte Zeit vertagt werden. Die Absichten Spaniens in Marokko. Madrid, 24. Juni. (Eig. Drahtmeld.) In par lamentarischen Kreisen wird bestritten, daß di.e Spa nier sich mir der Absicht tragen. Aassan zu besetzen. Das spanische Kabinett habe dem französischen Ka binett hierüber eine formelle Zusicherung gegeben. Ebensowenig bestände die Absicht. Bar el Mailik bei Tetuan zu besetzen. Türkisch-bulgarische Erenzstreitigkeiten. Saloniki, 24. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Bon der türkisch-bulgarischen Grenze wird berichtet, daß eine 32 Mann starke bulgarische Band« unter Führung Tondjos, des Oberhauptes des mazedo nischen Komitees. in Sofia die Grenze bei Os- manie überschritten hat. Truppen sind abgesandt worden, um die Bande abzufangen. Mmillenürsms. " Leipzig, 24. Juni. Durch Aushang machten wir heute » früh folgendes bekannt: In vergangener Nacht haben sich in ihrer Woh nung in der Rathausstraße 32 ein 41jähriger Lithograph und dessen Ehefrau mit Leuchtgas zu vergiften versucht. Der Mann hat seinen Zweck erreicht: die Frau wurde in besinnungslosem Zustande nach dem Krankenhaus« gebracht. Als Grund zur Tat wird schlechter Ge schäftsgang angenommen. Wir erhalten darüber noch folgende Einzelheiten: In der ersten Etage des Hauses Rathausstraße 32 zu Leipzig-Reudnitz wohnt seit einigen Jahren das Otto Handrocksche Ehepaar, das in kinderloser Ehe lebt. Der Mann ist Lithograph von Beruf und seit einer Reihe von Jahren schon Inhaber einer lithographischen Anstalt, die er im Hause Bergstraße Nr. 21 betreibt. Das Geschäft hat stets nur kleinen Umfang gehabt, und Handrock konnte ihm trotz aller Mühe, die er sich gab. nicht zu größerem Umfange verhelfen. Dennoch hatte das Geschäft „Wir werden ihn umtaufen müssen, er ist jetzt die Sanftmut selbst." Selbitz nahm die Zigarre aus dem Munde; sein ehrliches Gesicht strahlte in neidloser Bewunderung. „Das nenne ich eine Leistung", sagte er, „das täte dir keiner von uns nach. Schad«, daß lch heute morgen keine Zeit hatte, nach der Reitbahn zu kommen. Du hast also den Wildling wirklich ge zähmt?" „Vollkommen! Er hat mir den Kampf nicht leicht gemacht, ich habe ihm gründlich den Herrn zeigen müssen, aber letzt geht er auch wie ein Lamm. Ich habe ihn eben >m Freien geritten." „Ein Meisterstück!" sagte Selbitz, sich vergnügt die Hände reibend. „Damit wirst du Furore hier machen. Wenn ich nur wüßte, wie du es anaefangen hast! Ich halte mich auch für einen ganz passablen Reiter, aber mit Lieicm Teufelsoieh richte lch nlchts aus. Der Gaul ließ ja keinen von uns auch nur an sich herankommen. Gölling hatte schon alle Hoffnung aufgcgeben; er war neulich in seiner Wut drauf und dran, dem rabiaten Tiere eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Er hat nur einen Spottpreis bezahlt für das schöne Pferd; jetzt macht er ein brillantes Ge schäft. Unter sechstausend Mark wird er den Beelzebub kaum losschiagen." „Ich zahte ihm morgen zehntausend, wenn er auf den Hand«! eingehen will", laate Gülzow. „Ein enormes Geld!" rief Selbitz. „Der Gaul ist cs unter Brüdern wert; er hat Glieder wie aus Stahl gearbeitet, dazu Feuer, Tem perament, kurz, er gefällt mir." „Und deine zehntausend Mark werden dem Wind beutel, dem Gölling. auch gefallen", kopsnickte Selbitz, indem er sich dabei mit pedantischer Genauigkeit seinen Brandy mir Soda mischte „Göllings Börse ist ein Danaidenfaß Neulich erst erzählte er mir, daß sein Alter für keinen Wechsel mehr auskommen wollte, und daß er ihm gedroht habe, leine Versetzung nach irgend einem obskuren Infanterieregiment in ein kleines Provinznest zu veranlassen. Das war vor einem Monat. Jetzt sitzt dem Taugenichts schon wie- der einmal das Messer an der Kehle. Ohne deine zehntausend Mark hätte er zweifellos die Garde uniform ausziehen müssen." Gülzow antwortete nicht: er wollte nicht einge- gestehen, daß er diese Tatsache fthr genau kannte, und daß er den störrischen Gaul nur deshalb um einen so hohen Preis kaufte, weil ihm das Gelegenheit gab, dem Leutnant zu helfen. S«lbitz hatte sein geleertes Glas niedergestellt und war wieder in die weichen Kissen seines Sessels zurück gesunken. Gedankenvoll sah er eine Zeitlang den Rauch wölkchen seiner Zigarre nach, dann jagte er plötzlich mit einem tiefen Seufzer: „Du bist doch ein rechter Glückspilz, Erich!" Gülzow zuckte die Achseln. „Das kommt auf den standpunkt an, von dem man die Sache betrachtet", erwiderte er. „Ich kann dir versichern, daß ich mich schon recht oft im Leben für einen ganz ungeheuren Pechvogel gehalten habe." „Weil du undankbar bist, wie alle Günstlinge des Geschicks. Was verlangst du mehr? Führst du nicht ein beneidenswertes Dasein?" Gülzow blickte Len Sprechenden mit einem schaden frohen Lächeln von der Seite an. Er ahnte, was kommen würde. Sowie Selbitz unter der Portiere erschienen war. hatte er ihm angejehen, daß er wieder einmal hier sei, um in der still verschwiegenen Klause des Freundes seinem gepreßten Herzen Luft zu machen. „Dieselbe Frage könnte ich dir stellen , sagte er mit gut gespielter Harmlosigkeit. „Dir hat das Ge schick weit mehr und Besseres als mir gewährt. Ich wüßte nickt, worüber du dich zu beklagen hättest." „So — das wüßtest du nicht?" Der phlegmatische Baron geriet in heftige Auf regung, warf die Zigarre weg und setzte sich stramm in seinem Sessel auf. „Ich wünschte dich für einige Tage an meine Stelle, daun würdest du dein eige nes Glück schätzen lernen. Haft du vielleicht eine Frau, die in der nächsten Woche eine gemischte Soiree zum Besten des Vereins „Zur Hebung der Moral in den unteren Ständen" veranstaltet?" „Zum Glück nicht!" „Nun, dann rede nicht mit, sondern hebe deine Hände zum Himmel empor und danke der Vor sehung, die dir eine der schwersten Heimsuchungen dieses irdischen Jammertales erspart hat", erwiderte Selbitz dem Grafen. „Ich versichere dich, daß ich vorläufig jeden Tagelöhner beneid«, der nach aller Müh« und Plage denn doch daheim auch seine Ruhe findet. Mir gönnt man keine Ruhe. In unserem ganzen großen Hause finde ich vom Boden bis zum Keller kein Plätzchen an dem ich ungestört meinen Mittagsschlaf halten könnte. Das ist ein Hasten und Laufen bei uns, als ob uns allesamt die Tarantel gestochen hätte. Ich finde keinen Menschen, der mir einen Handschuh! nopf annäht oder mir außer der Zeit eine Tasse Tee bereitet. Ich muß mir mein Pferd selbst satteln, und gestern habe ich mir den Säbel selbst geputzt, weil beide Diener im Ka sino bei der Dekoration des Ballsaales helfen mußten. Du wirst mir zugeben, daß derartige Verhältnisse selbst einem sanftmütig veranlagten Menschen die Milch der frommen Denkungsart zu gärendem Dra chengift verwandeln können. Ich gehe denn auch um her mit einem Gesicht, so düster, wie ein Gewitter himmel im Hochsommer. Glaubst du vielleicht, daß irgend jemand Notiz davon nimmt? Gott bewahre! Man sieht über mich hinweg oder an mir vorbei, als ob mein vorwurfsvolles Gesicht gar nicht vor handen wäre. Gestern bei der Säbelaffäre riß mir d-e Geduld. Du wirft das begreifen. Der Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird. Man mag noch so friedfertigen Gemütes sein, bei so empörender Behairdlung geht einem doch schließlich die Galle über. Ich stürze also mit dem Säbel in der einen und dem Putzlappen in der anderen Hand in das Zimmer meiner Frau, um durch den Tatbestand dar zutun, wie tief ich in meinem Haufe herabgewürdigt wurde. Was — was meinst du, war di« Folge? Sie hielt mir eine Standrede über meinen Egoismus, und was für ein«! Gagen Lottis Beredsamkeit ist nicht aufzukommen und gegen ihren gänzlichen Man gel an Logik auch nicht. Zudem machte mich die Entrüstung stumm und starr, die Worte blieben mir buchstäblich in der Kehle stecken. Zuletzt wußte ich wirklich nicht mehr, war ich das mitleidlose Ungeheuer, als das sie mich darftellte, oder war ich es nicht? Erft nachträglich überlegte ich mir, daß ich es nicht sei, aber da war es zu spät. Ich konnte un möglich noch einmal auf das Schlachtfeld zurück, kehren, das ich als schmählich Geschlagener verlassen hatte und mußte, wohl oder übel, meinen Ingrimm in mich verschließen. — Kurz, es ist ein entsetzliche, Leben, das ich jetzt führe; es reibt mich auf. ich bin nur noch ein Schatten meines früheren Selbst. Was ist dabei »u lachen? Wenn du an meinem Platz« wärest — ^Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite