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Sächsische Staatszeitung : 27.04.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-191804275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19180427
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19180427
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-04
- Tag 1918-04-27
-
Monat
1918-04
-
Jahr
1918
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 27.04.1918
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Landtags-Beilage zur Sächsischen Staatszeitung. Nl. 57. «eavfttagt mit der HeraußgaS« Hsstat DoengeS in Dre-de«. 1918. 37. ordentlicher Landtag. n. Kammer. Fortsetzung der Sitzung vom 25. April 1918. Abg. Or. Roth (sortschr. Bp.): AuS einer stattlichen Reihe von Maßnahme» der StaatS- regierung in der letzten Zeit ist deutlich erkennbar daS Bestreben, das SelbstbcstimmungSrecht der Städte immer mehr einzuengen und die städtische Selbstverwaltung mehr und mehr zu verkttm- mern ES ist bereits auf die Schwierigkeiten hingewieseu worden, die der exemten Stadt Leipzig IN der Straßenbahufrage gemacht worden sind. Ich mochte noch weiter auf die einzelnen Etappen in dieser für das EtaatSleben so verhängnisvollen Entwicklung Hinweisen. Tas Wassergcsetz, das Fürsorgeerziehungsgesetz, Kriegersiedlungsfragen in der kommunalen BeuvaltungSwirtschaft, das Sparkassengesetz, das Wohlfahrtspflegegesetz, das Dekret 27, nach welchem bei Feststellung von Bebauungsplänen in manchen Fällen von der Baupolizeibehörde aus die Kreishauptmannschast die Arbeiten übertragen werden sollen, und noch manche andere Maßnahme zeigt unS deutlich deu Kurs an, welchen das StaatS- schiff »cuerdings steuert, von dem aus der Selbständigkeit unserer Städte Gefahr droht. Alle diese Bestrebungen nehmen ihren An fang von dem Amtsantritte des gegenwärtigen Ministers und haben besonders an Starte zugcnommen feit dem Jahre 1912. In d csem Jahre wurde auch vom Ministerium eine bezeichnende Verordnung au die Landgemeinden erlassen, wonach sie bei ein- zugchcnden Verträgen mit den Stadtgememdcn schon im Stadium vor der Einleitung von Verhandlungen ihre Absicht der Amts hauptmannschaft anzuzeigen haben. Man hat die Maßregel da mit begründet, daß die Landgemeinden sich schädigten, indem sie sich in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von den Stadtzemeindcn setzten. Die Regierung hat es dadurch fcrtiggebracht, eine gesunde Entwick lung unserer Gemeinwesen, die sich in den letzten Jahrzehnten zum Rutzen alter Beteiligten angcbahnt hatten, zu unterbinden. An die Stelle eines vertrauensvollen Zusammenarbeiten) zwischen Stadt und Land ist dadurch vielfach Mißtrauen getreten, das nach dem seitherigen Gange der Entwicklung durchaus nicht begründet war. Allen diesen Maßnahmen liegt zweifellos das Bestreben der Zentralisierung und Stärkung der Staatsgewalt aus st osten der Städte zugrunde. Die Durchführung dieses Prinzipcs führt unser Staatswesen auf sehr bedenkliche Bahn, und die Bevormundung der Gemeinde hemmt und lähmt die Schaffenskraft und Schaffens freudigkeit der zahlreichen freiwilligen Kräfte in der städtischen Bürgerschaft, und die Regierung sägt sich zugleich den Ast ab, auf dem sie selber sitzt. Alle diese Wirkungen für die Städte können nicht ohne Rückwirkung auf das gesamte staatliche Leben bleiben. (Sehr richtig! links.) Mit großer Besorgnis stehen alle Bürger, konservative und liberale, alle Stadtvertretungen und Parteischattierungen unterschiedlos unter dem Druck, während in den anderen Bundesstaaten sich die entgegengesetzte Entwicklung nach einem freiheitlicher ausgestalteteu Konnnunalwesen immer mehr Bahn zu schaffen sucht. I« welch vorbildlicher Weise der Preußische Hr. Minister Or. Drews die Berwaltungsrcform für Preußen unter dem Ge sichtspunkte der Steinschen Politik durchzuführen bereit ist, ist be- reit» früher in diesem Hause von mir dargelegt worden. Sein Erlaß vom 18. März 1916 beherzigt recht das Steinsche Prinzip: ich haste es für wichtig, die Fesseln zu zerbrechen, durch welche die Bureavkratie den Aufschwung der menschlichen Tätigkeit hemmt. Man muß die Nation daran gewöhnen, ihre eigenen Geschäfte zu verwalten. Auch in Bayern ist die Frage der neuzeitlichen Regelung der inneren Verwaltung mächtig in Fluß gekommen. Ich verweise auf die grundlegenden Erklärungen, die kürzlich bei der Beratung des Finanzausschusses in der Reichs ratskammer der Minister des Innern über die Richtlinien ge geben hat, nach denen sich die Vereinfachung in Bayern zu ge stalten hat. Jur Grobherzogtum Baden ist ebenfalls eine starke Strömung zu bemerken. Wir haben in unserer außerordent lichen Deputation gleichfalls eine Reihe von Richtlinien für die Ausgestaltung der inneren Verwaltung ausgestellt. Ich habe dort schon ausgeführt, daß die Hauptsache der Geist ist, der sich in der Verwaltung betätigen muß. Waltet nicht der ernstliche Wille vor, mit dem starren, bnreaukratischen Geiste zu brechen und neuzeitlichen Ideen Raum zu gewähren, so nutzen alle vor- geschlagencn Maßnahmen nichts. Wenn mein Freund Brodaus von Vielregiercrei in Sachsen gesprochen hat, so möchte ich in Ergänzung dazu von Langsam regiererei sprechen. Unser BcrwaltnngSsystrm neigt immer mehr zu einer Schwerfälligkeit, wie ich an einem Beispiel darlegen möchte. Ein Tierarzt, dessen Praxis einen Umkreis von 30 Km hat, möchte bei seinem Gewerbe sein Mctorrad benutzen. Er wendet sich an die Inspektion für das Krastfahrwes n mit seinem Gesuch. Diese gibt es an die Amtshauptmannschast ab. Die Amtshauptmannschast übermittelt das Gesuch an den zuständigen Stadtrat, der es pflichtgemäß an die Kreishauptmannschast ein berichtet. Die Kreishauptmannschast wieder gibt das Gesuch an den Stadtrat zurück zur Aussprache und Einvernehmen mit der Amtshauptmannschast und dem Kreistierarzt. Nachdem nun so wohl der Stadtrat als auch der Bezirlstierarzt sich ausführlich zugunsten des Gesuchstellers ausgesprochen haben und die Geneh migung des Gesuches als aus volkswirtschaftlichen Gründen dringend notwendig bezeichnet haben, hat die Amtshauptmann- schast nochmals das Bedürfnis, trotz dieser ausführlichen Gut achten, die beide übereinstimmen, ihren Gendarm nochmals zu beauftragen, das Gesuch zu erörtern. (Abg. Günther: Hört, hört!) Natürlich kann der auch kein anderes Gutachten ausstcllen, und nun endlich geht das Gesuch von der Amtshauptmannschast, in dem Sinne des Gendarmen begutachtet, an den Stadtrat zurück. Der Etadtrat übermittelt das Gesuch wieder an die Kreishauptmannschast (Heiterkeit), und nun kann man sich wahr- hastig nicht mehr wundern, wenn darüber sechs bis acht Woch.n vergehen, bis der Gesuchstcller endlich den Bescheid erhält. Er hat es dann glücklicherweise zugestanden bekommen. (Zmms: Eine Staatsaktion!) Dann möchte ich eine Beiordnung erwähnen, die sehr viel Staub in der Bevölkerung aufgewübelt hat, cs ist die Ministcrialvcrordnung vom 29. November 1917, abgcdruckt in der Ctaatszcitung vom 3. Dezember 1917, nach welcher die Selbstversorger vom Bezug von Nahrungsmitcllarten aus geschlossen werden. Wer in der Lage war, ein Schwein zu schlachten und daher wöchentlich bO' g Fleisch zu verbrauchen berechtigt ist, d»: soll keine anderen Nahrungsmittel mehr be kommen. Diese Verordnung treibt die Leute, wenn sie nicht ver hungern wollen, dem verbotenen und verfolgten Schleichhandel in die Arme; und cs ist höchste Zeit, daß sie schleunigst aufgehoben wird, denn die Erregung, die im Publikum Platz gegriffen hat, ist tatsächlich so groß, daß die Behörden alle Mühe haben, dieser Bewegung noch Herr zu werden. Ich wende mich dann einem weiteren Punkte zu. Seit einiger Zeit treiben sich in Sachsen unbehelligt eine Menge von Maschincnauskäufern und Anwerbern von Arbeitskräften für das Ausland umher, und die Fabriken in der Schweiz, in Dänemark, in Schweden wachsen tagtäglich. Ten Maschinenankäusern steht es frei. Maschinen zu erwerben und in ihr Ausland zu vertreiben. (Abg Güuther: Hört, hört!) während die» im Jnlande nicht der Fall ist, da ist der Aufkauf von Maschinen verboten. Run haben diese AuSlandssabriken durch allerlei Spionagemanipula- tioneu sich in den Besitz von Fabrikationsgeheimnissen zu setzen gewußt (Abg. Günther: Hört, hört!) und sind imstande, mit den aus Deutschland, insbesondere auch aus Sachse» importierten Maschinen der bermischen Industrie erfolgreich Konkurrenz zu mache» und sie auf dem Weltmärkte zu verdrängen. Warum regt sich da die Regierung nicht, um die heimische Industrie mit zu schützen, die doch wahrlich nach dem Kriege unter den Boy- lottbestrebungen des Auslandes einen schweren Stand ohnehin haben wird- (Sehr richtig!) Ich bin recht gern crbötig, der Re gierung in dieser Hinsicht mit reichlichem Material an die Hand zu gehen. Die Regierung wird ja freilich einwenden, daß die Hebung der Valuta hier eine Rolle spielt. Aber mit diesem Phantom ist schlechterdings nichts zu machen. (Abg. Günther: Sehr richtig!) Und warum gerade immer Sachsen als Opfer bluten soll für so ein Phantom, kann ich gar nicht einsehen. Tic sächsische In dustrie bat unter den Kriegswirren genug zu leiden gehabt, und es wäre höchste Zeit, daß die Regierung wachsamen Auges solchen Bestrebungen sich gegenüberstellte. Unsere sächsische Industrie bedarf aber auch den Bundesstaaten gegenüber eines wachsame» Schutzes durch die Regierung, wenn sie nicht auf die Seite gedrückt werden soll. Daß unser Nachbarstaat Preußen nicht zu kurz kommt bei der Übergangswirtschaft, dafür spricht, glaube ich, die Erfahrung, und ebenso weiß auch Bayern seine Interessen mit allem Nachdruck zu wahren. (Abg. Gunther: Sehr rchtig!) Dasselbe gilt von Württemberg. Ich will nur aus die auffallende Tatsache Hinweisen, daß die drei Direktoren der Baumlvollabrechnungsstclle Bremen sämtlich Württemberger sind und daß die ganze Stelle derart mit württembergischem Personal besetzt ist, daß sie direkt als Kolonie Württemberg be zeichnet wird. Hier muß auf Remedur unbedingt gedrungen werden. (Abg. Günther: Sehr richtig!) Wenn ferner noch beabsichtigt wird, dem Reichskanzler un beschränkte Vollmacht auf 3 Jahre für die Dauer der Übergangs wirtschaft cinzuräumen, so müssen wir die Negierung dringend bitten, ihren ganzen Einfluß auszubieten, um die) abzuwenden. (Abg. Günther: Sehr richtig!) So lange wird doch die Über gangswirtschaft auf keinen Fall dauern. Wir haben in Sachsen das dringendste und das sehnlichste Interesse, daß dieser Über gang zur Friedenswirtschaft sich möglichst bald vollziehen wird (Sehr richtig!), da jedermann diese Kriegswirtschaft gründlich satt hat. (Abg. Günther: Sehr richtig!) Bei dieser Entwick lung würde der BmideSrat für die einschlägigen Entscheidungen wirtschaftlicher Art ganz ausgeschaltet werden und damit der Einfluß der einzelnen Bundesstaaten beseitigt. Möge es der Regierung gelingen, unsere heimische Industrie von dieser Ge fahr zu befreien. (Bravo! bei der fortschrittlichen Volls partei.) Abg. Nitzschke-Leutzsch (ul ): Ich habe nicht die Absicht, auf Einzelsälle, selbst wenn sie begründete Veranlassung zu Beschwerden geben, einzugehe». Wir haben die Beobachtung machen können, daß, wenn man in geeigneter Weise vorstellig wird, die Behörden bemüht sind, die Beschwerden abzustellen. (Abg. Heymann: Sehr richtig!) Vielfach besteht allerd ngs eine Unzufriedenheit darüber, daß eine Einheitlichkeit in den Maßnahmen fehlt. (Sehr richtig!) Es ist wohl zuzugeben, daß sich diese Einheitlichkeit nicht in allen Fällen durchführen läßt, namentlich nicht, wo es sich um Ernährungsfragen handelt, aber aus anderen Gebieten, aus dem Gebiete des Berwaltungswcsens, ist cs unb. dingt erforderlich, daß eine Einheitlichkeit in den Verfügungen mehr zutage tritt. So wird z. B. in der Frage der Erhebung der Steuerzuschläge bei den kleineren und mittleren -Ge meinden anders verfahren als bei den Großstädten. Es kann da leicht der Gedanke aufkommen, daß die kleineren Gemeinden, mittleren und kleinen Städte und Landgemeinden den Großstädten gegenüber als Stiefkinder behandelt werden. Ich verlange durchaus nicht, daß die Großstädte benachteiligt werden, ich verlange nur e>ue einheitliche Behandlung der Ge meinden. Nun ist es bis jetzt so gewesen, daß bei Beratung über Kap. 42 und 43 in der Hauptsache Kritik geübt worden ist an den Amtshauptleuten. Das ist von Landtag zu Landtag besser geworden, sodaß man annehmen kann, daß mancher der Gründe, die früher Vorgelegen haben, nach und nach in Weg fall gekommen ist. Man kann klar erkennen, daß von feiten des Ministeriums das Bestreben besteht» den ge eigneten Herren die Leitung der Amtshauptmannschaften zu übergeben und kann dann weiter beobachten, daß diese Herren die feste Absicht haben, sich mit den Eingesessenen der Amts- Hauptmannschaften zu verständigen, mit ihnen Fühlung zu nehmen und nicht, wie das in früheren Jahrzehnten gewesen ist, an ihnen vorbeizugeheu und nur de» Obrialeitsstandpunkt ein zunehmen. (Sehr richtig! in der Mitte.) Wenn es so ist, liegt für meine Freunde natürlich keine Veranlassung vor, Herren, welche die beste Absicht zeigen, erneut Schwierigkeiten zu bereiten, und aus diesem Grunde sehen wir heute davon ab, Fälle, die uns bekannt geworden sind und die volle Berechtigung hätten, hier bcschwcrdesührcnd zur Sprache gebracht zu werden, zu er- örtern. Hr. Oi. Philipp hat sich mit den kriegswirtschaftlichen Maß nahmen beschäftigt und hat lediglich gefordert und immer wieder geforde.t zugunsten der Landwirtschaft. So kommen wir nicht weiter. Wir freuen uns darüber, daß die ganze Kammer, die rechte Seite, die Mitte und auch die linke Seite des Hauses in de» letzten Jahren bestrebt gewesen sind, einen Ausgleich zwischen den Interessen zu schaffen. Wir und auch die Linke des Hauses habe» in den Deputationen eifrig gearbeitet, um die landwirt schaftlichen Erzeuger sicherzustellen. Wir sind bestrebt gewesen, dasür zu sorgen, daß die Landwirtschaft bei dem Bestreben, für die Ernährung des Volkes zu sorgen, nicht unnötige Schwierigkeiten erfährt. Das wird jeder einzelne bestätigen, der die Arbeiten des Landtages beobachtet hat. Wir haben aber selbstverständlich, und dabei haben wir wieder die Unterstützung der rechten Seite des HauscS gesunden, auch auf die berechtigten Interessen der Verbraucher Rücksicht nehmen müssen. Das ist geschehen, und gerade der Umstand, daß unsere Beschlüsse ein stimmig gefaßt worden sind, sowohl wenn cs sich um die Interessen der Erzeuger wie auch der Verbraucher handelte, ist wohl mit bestimmend gewesen, daß unsere Regierung, unser Ministerium des Jnnein unser Lande Kebensmittelamt auf die geschlossene Stimmung der Volksvertretung Hinweisen konnte. Hr. Abg. Philipp leistet also der Sache einen sehr schlechten Dienst, wenn er wieder nur eine Seite herausgreift und alles für sie verlangt, höhere Preise und andere Vorteile. Es ist auch falsch, wenn er sagt: tvir von der rechten Seite des Hauses haben das gefordert, wir von der rechte» Seite sind für das und das eingetretcu. Ich habe schon daraus hingewiesen, hier gab cs nur einen einheiiiichen Willen, und es hat keine Partei das Recht, etwas Besonderes für sich in Anspruch zu nehmen. (Sehr richtig!) Wenn sich hier e ne Fraktion ein Verdienst zumessen darf, jo würden wir, glaube ich, in erster Lm e ein Recht darauf haben, denn unsere Fraktion ist es zuerst gewesen, die mit Anträgen in dieser Beziehung an die Kammer bcrangrtreten ist, und wir haben die Unterstützung des ganzen Hauses gesundet». Ich gebe das treulich zu, aber wir nehme» kein Verdienst dasür in Anspruch. Wir sind den anderen Frak tionen dankbar, daß sie un» in dieser Beziehung verstände» und sich auf unseren Standpunkt gestellt haben, denn tvir sind auf dein Plane gewesen schon lange, ehe Hr. Or. Philipp unter dem Burgfrieden in das Haus eingetreten ist (Sehr gut!), und e» wäre doch wohl angebracht gewesen, daß er sich einmal die Ver handlungen der früheren Landtage durchgelesen hätte, ehe er ein» so einseitige Darstellung der ganzen Frage gibt, wie das ge schehen ist. Nun hat Hr. Abg. Or. Philipp sich auch mit unserer Re gierung beschäftigt und hat wenig gute Seiten an der Regierung gelassen. Der Hr. Vizepräsident Fräßdorf hat ihm seine volle Anerkennung für sein Auftreten aus gesprochen. (Heiterkeit.) Ich habe nichts dagegen, wenn sich Extreme berühren. Wir freuen uns darüber, aber auf eins möchte ich doch aufmerksam machen. Wenn bei früheren Gelegenheiten wir zu unseren Anträgen — ich erinnere an dar Schulgesetz — die Zustimmung der linken Seite des Hause» hatten, dann waren es die Herren der rechten Seite des Hauses, dann war es das Organ des konservativen Landesvereins, „Das Vaterland", dann war es bei seinen Reden im Laude Hr. vr. Philipp, der uns als national unzuverlässig hingestellt hatte. (Hört! Hört!) Ich weiß nicht, ob es Hrn. Or. Philipp ebenso ergehen wird, und ich glaube auch nicht, daß seine Fraktion in der Beurteilung der Regierung dieselben Töne anschlagen wird, wie das von Hrn. Or. Philipp geschehen ist. Noch hat ja f-in Kollege Hr. Or. Böhme nicht gesprochen. Wir werden ja hören, ob er heute wieder wie bei dem ersten Austreten des Hrn. Or. Philipp gezwungen ist, ihn von seiten der Fraktion ab zuschütteln. (Abg. Or. Böhme: Täuschen Sie sich nicht!) Es kann ja sein, daß Sie heilte auch Ihren guten Tag haben. Hr. Or. Böhme. (Abg. vr. Böhme: Also doch gut!) Es ist aber das nicht die einzige Überraschung, die uns heute vorgekommen ist. Hr. Abg. Or. Philipp hat Ausführungen ge macht, die ihm den Beifall der linken Seite des Hauses ein getragen haben, und Hr. Vizepräsident Fräßdorf hat Aus führungen gemacht, de unsere Zustimmung gefunden haben. (Zuruf rechts: Na also!) Rechter Hand, linker Hand alles vertauscht. (Heiterkeit.) Es kann ja sein, daß wenn die Sache so weitergcht, wir uns über die innerpolitischen Fragen sehr gut verständigen. Hr. Vizepräsident Fräßdorf hat mit Ent rüstung gesagt, es gibt doch noch andere Leute wie die Gemeinden und der Staat, es gibt doch noch andere Leute, die wirtschaften wollen und einen Anspruch daraus haben, zu bestehen. Gewiß, das ist ja ein leitender Gedanke unseres ganzen nationalliberalen poli tischen Bekenntnisses. Wir sind ja diejenigen, die dasür ein treten, daß die Privatwirtschaft nicht eingeengt werden soll, während Sie, meine Herren von der Linken, bis jetzt den Staats sozialismus vertreten haben. Aber es ist ganz interessant, daß Sie in dem Augenblicke, in dem er Ihnen wehe tut, auch anderer Meinung sind. (Zuruf des Abg. Sindermann.) Gewiß, da» weiß ich schon, aber das bleibt doch bestehen, Hr. Kollege Sinder mann, der Hr. Vizepräsident Fräßdorf hat sich heute aus unseren Standpunkt gestellt, der dahin geht, daß nicht Staat und Ge meinde alles in die Hand nehmen sollen. (Vizepräsident Fräß- dors: Das habe ich nicht gesagt!) Das haben Sie vorhin gesagt, ich stelle eine Tatsache fest, Hr. Vizepräsident Fräßdorf, und Sie können es ja Nachlesen. Ich mache Ihnen auch keinen Borwurf daraus. Ich konstatiere nur einen Fortschritt, und damit müßten Sie als Sozialdemokrat auch zufrieden sein. (Abg Günther: Ein neuer Fortschrittler!) (Heiterkeit.) Nun stimme ich aller dings mit dem Hrn. Vizepräsidenten Fräßdorf weiter überein in der Beurteilung über die Einengung oder die Bevormund?.ng unseres Volkes, soweit es sich darum bandelt, das Vergnügen zu beschneiden. Nicht allein aus Interesse für die Saalbesitzer, die wirtschaftlich außerordentlich bedrängt sind und denen es wirklich zu gönnen wäre, wenn sie noch während des Krieges dazu kommen, ihren Beruf wieder ausnehmen zu können. (Sehr richtig! bei der fortschrittlichen Volkspartei.) Sie sind nor allen Dinge« lahmgelegt in ihrem Gewerbe, und ich wundere mich darüber, daß man d e Schulen mit Militär vollegt und die großen Säle freistehen läßt, daß man dazu übergeht, den Saalbesitzeru auch diesen Verdienst zu nehmen. Aber da die Säle leer sind, sott man sie auch ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückgebeu. Die Sache liegt doch so, und darin hat Hr. Vizepräsident Fräßdorf recht: Das Volk verlangt nach Brot und Zerstreuung und Unterhaltung, und wenn man eine Zerstreuung und Unterhaltung, die sich nnter den Augen der Öffentlichkeit vollzieht, verhindert, dann wird sie auf Gebieten gejucht, d e nicht der öffentlichen Beobach tung unterliegen und es zeigen sich dann Auswüchse, die wir alle ohne Unterschied der Parteirichtung aufrichtig beklagen. Uber die litauische Frage will ich nicht reden. Mau soL Dinge, die so wenig spruchreif sind, nicht in die öffentliche Er örterung ziehen. Wenn der Abg. Seger den Beamten der Regierung einen Vorwurf macht, daß sie sich an den Versammlungen der Vater landspartei beteiligt haben, jo bin ich, der ich der Vaterlands- Partei nicht angehöre, der Meinung, daß man auch den Staats beamten das Recht lassen muß, sich an politischen Veranstal tungen zu beteiligen, sofern sie Neigung und Interesse daran haben. (Sehr wahr! rechts.) Das ist das Recht, daS die Herren der alleräußersten Linken auch für sich in Anspruch nehmen und ich meine, da können wir uns nicht dazu verstehen, mit zweierlei Maß zu messen. Wenn der Hr. Abg. Seger dann die Stellungnahme des Ministeriums des Innern gegenüber der Straßenbahnangelegen» heit Leipzig der Kritik unterzogen hat, so gebe ich zu, daß die Erledigung dieser Angelegenheit vom Ministerium des Innern in einer glücklicheren Weise hätte erfolgen können. (Sehr richtig! in der Mitte) Ich bin der Meinung, daß es nicht geschickt war, wie verfahren worden ist, daß man die Stadt Leipzig über ging. Ich bin aber auch wieder der Ansicht, daß die Absicht, die Stadt Leipzig zurückzusetzen, nicht bestanden hat. Ich glaube auch, man hat sich von seiten der Stadt Leipzig mehr über die verkehrte Form aufgeregt, als über den Umstand, daß da» Ministerium einer Fahrpreiserhöhung zugestimmt hat, denn die Fahrpreiserhöhung liegt ganz im Sinne der Stadt Leipzig, sonst wäre die Stadt Leipzig nicht auf diesen Vergleich ein gegangen. Es ist ja eine ganz eigenartige Erscheinung, daß die Straßenbahnen, nicht bloß in Leipzig, nicht bloß im Königreich Sachsen, sondern im ganzen Deutschen Reiche aufhören, cm gemeinnütziges Verkehrsmittel im ausgesprochenen Sinne zu sei«, in dem Augenblicke, in dem sie in städtischen Besitz übergehen. Tas erste, wenn eine Straßenbahn in städtischen Besitz übergeht, ist, daß die Tarife erhöht werden, und soviel Verständnis man dasür haben mag, daß auch die großen Gemeinden Einnahme quellen haben müssen, jo ist doch eigentlich immer darauf hinzuweijen, daß gerade die Einrichtung der Straßenbahnen als Erwerbsquellen eigentlich nicht in Frage kommen dürste. Run ist vom Straßcnbahncleiid in Leipzig gesprochen worden. Da gebe ich Hrn. Abg. Seger vollständig recht, cs kann in keiner Stadt schlimmer oder gefährlicher sein, wie in Leipzig, denn da ist es lebensgefährlich. Ich möchte aber betonen, daß der Direk tion der Leipziger Straßenbahn ein Vorwurf in dieser Beziedun- nicht zu mache > ist. Die Schuld liegt lediglich bei der Milmn- behörde, die sich auf einen rigorosen Standvmikt gestellt bat. wenM
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