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ZUR EINFÜHRUNG Nicht nur dem weitverzweigten Gebiete der In strumentalformen, die er mit meisterlichen Bei trägen zu bereichern wußte, sondern auch den vielfältigen Möglichkeiten der Vokalkomposi tion vom Sololied bis zum sinfonischen Chor werk diente Antonin Dvoraks Feder, die für die Nachwelt auch hier Außerordentliches und Bleibend-Gültiges schuf. Die Kantate welt lichen und geistlichen Inhalts, die Messe, das Oratorium sind Formen, die Dvorak — einstmals lernbegieriger Zögling der Prager Orgelschule und als solcher mit Gattungsbelegen aus Vor klassik (zumal Händel) und Klassik hinreichend vertraut — mit neuen Inhalten füllte, Inhalten, die sowohl von allgemein-nationalen Gegeben heiten als auch von ganz persönlicher Aussage notwendigkeit bestimmt wurden. Dem im Den ken der einfachen Menschen seiner eigenen Herkunft wurzelnden „böhmischen Musikanten", der Sage und Märchen, Glauben und Aber glauben der Heimat in einer Reihe seiner Werke (sinfonische Dichtungen) einzufangen wußte und sein Ringen um Erkenntnis zum Ver hältnis Mensch-Natur unter anderem in seinen Programmouvertüren niederlegte, eignete eine ausgeprägt-schlichte Frömmigkeit und ein ehr liches, von religiösem Fanatismus weit entfern tes Gefühl für Glaubensdinge. Beides wurde mitbestimmend für Werke, die in direktem Zu sammenhang mit einschneidenden Erlebissen standen. MILAN HORVAT, 1919 geboren, zählt zu den promi nentesten jugoslawischen Dirigenten. Er studierte zu nächst Klavier an der Musikakademie in Zagreb, ent schied sich jedoch später für die Dirigentenlaufbahn. 1945 beendete er seine Studien und promovierte au ßerdem zum Doktor der Rechtswissenschaft. Seine künstlerische Laufbahn begann 1946 als Leiter des Rundfunk-Sinfonieorchsters Zagreb. Anschließend lei tete er als Chefdirigent über fünf Jahre das Sinfonie orchester von Dublin, und von 1956 bis 1969 stand er den Zagreber Philharmonikern vor. Mit diesem Orche ster unternahm er erfolgreiche Tourneen durch Europa und Amerika. 1969 bis 1975 war Milan Horvat Chefdi rigent des neugegründeten österreichischen Rundfunk- Sinfonieorchesters in Wien. Seit 1976 ist er wieder Chefdirigent der Zagreber Philharmoniker. Der Künst ler machte durch viele erfolgreiche Gastdirigate in ganz Europa von sich reden. Seit 1970 wirkt er bei den Salzburger Festspielen mit, leitete dort auch Dirigen tenkurse. Zahlreiche Rundfunk- und Schallplattenauf nahmen produzierte der Dirigent, dem viele Auszeich nungen in seinem Heimatland zuteil wurden (so u. a. 1949 Staatspreis 1. Klasse der SFR Jugoslawien, 1957 und 1961 Preise des jugoslawischen Komponistenver bandes und des Verbandes der ausübenden Künstler; auch die Stadt Zagreb ehrte ihn 1960 mit einem Preis). Bei der Dresdner Philharmonie gastierte er bereits in den Jahren 1975 und 1978. Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in Dvoraks Stabat mater stammt von Prof. W. Bänsch Hierin gehört das „Stabat mater" auf den lateinischen liturgischen Text des Laienbruders im Franziskanerorden Jacopone da Todi (1230 bis 1306), das übrigens auch — um nur einige Namen anzuführen — Meister wie Palestrina, Orlando di Lasso, Pergolesi, Haydn, Rossini und Verdi zu Tonschöpfungen inspirierte. Vom letztgenannten setzt sich Dvoraks Werk dadurch ab, daß er nicht so sehr der ins Dramatische verlagerten musikalischen Schilderung von Ein zelheiten nachgeht, sondern innerhalb der Sätze an einer Grundstimmung — allerdings auch unter Einfügung musikalisch kontrastierender Mittelteile — festhält. Damit (und unter der Notwendigkeit persönlichster Aussage) sich Dvoraks Werk frei von allen mit und seinen herkömmlichen Deutungen gegeb nen Bindungen und findet seinen Ort im Allge mein-Menschlichen, das neben dem Schmerz selbst um die durch ihn bewirkte Läuterung weiß und damit eine neue Zuversicht gewinnt. Mit der Skizze zum „Stabat mater" (19. Februar bis 7. Mai 1876) reagierte Dvorak zunächst im pulsiv auf den Tod seines Töchterchens Josefa (21. September 1875). Eine Ausführung der Skizze unterblieb jedoch zunächt unter dem Druck anderer von der Öffentlichkeit erwarteter Arbeiten. Dann aber gab der Tod zweier wei terer Kinder (Dvoraks zweiter Tochter am 13. August 1877 und seines erstgeborenen Sohnes am 8. September 1877) den letzten Anstoß für die endgültige Niederschrift der Partitur (An fang Oktober bis 13. November 1877). Das zehnsätzige Werk, von dem nur der erste und der letzte Satz thematische Beziehungen zuein ander aufweisen, wurde — überzeugend reich haltig in den Ausdrucksmitteln vom tiefsten Schmerz bis zu dessen Überwindung — in sei ner Eindringlichkeit und gleichzeitigen Schlicht heit der Tonsprache eines der erschütterndsten Werke dieser Gattung. Nach der ersten Aufführung in Prag 1880 unter Adolf Cech) und einigen der Heimat des Komponisten sorgte im März 1883 Josef Barnby in der Londoner Albert-Hall für eine so nachhaltige Wirkung des Werkes, daß es auf Grund einer Einladung der Albert- Hall Choral Society an den Meister am 18. März 1884 vor rund 12 000 Zuhörern mit einem Chor von fast 1000 Sängern und einem Orchester von 160 Spielern zu jener denkwürdigen Aufführung im Lande der großen Chöre und intensiven Chorpflege kam, die Dvoraks Ruhm im dama ligen England endgültig begründete. Seither hat das Werk seinen festen Platz im Musikleben der gesamten Welt. Spielzeit 1979/80 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-79-79 EVP -.25 M 4. PHILHARMONISCHES KONZERT 1979/80