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ageblati U uer Nr. 27S Montag, äen 27. November 1S22 17. Jahrgang 1036500000 Die Abstimmung. Zur Abstimmung liegt her Antrag Dr. Petersen vor: „Ter Reichstag hat die Erklärung der Neichsregierung iur Kenntnis genommen und billigt, daß sie die erste Note vom 13. November d. I. zur Grundlage ihrer Politik machen will." Ferner liegt vor das kommunistische Mißtrauens votum. Unter großem Lärm, wobei der Abg. Höllein sich über Vergewaltigung beschwert und wobei er die Sozialdemokraten als Räuberbande bezeichnet, wird be schlossen, zuerst über das kommunistisch,e Mißtrauens votum abzustimmen. Tas Mißtrauensvotum wird ge gen die Stimmen der Kommunisten ckbgelehnt. In einfacher Abstimmung wird darauf das Ver trauensvotum Dr. Petersen ^Tem) mit gewal tiger Mehrheit gegen die Kommunisten und die Deut sch- völkischen angenommen. (Großer Lärm bei der ra dikalen Linken und Trohrufe des Abg. Höllein.) Wenn Deutschland von Frankreich immer tiefer ins Elend getrieben wird, dann schwindet jede Aussicht auf Re parationen, dann wird der Frank das Schtchjal des Ru- bels, der Krone und der Mark teilen. Un,er WährungS- ver.a.l ist begründet durch die rmgerechtsertigien hohen Neparativnsleist-ungen. Tos sollte auch Frankreich» Zweifel an Deutschlands gutem Willen beseitigen. Eng land, das genau so erfolgreich gus den» Kriege hervor gegangen ist, lobt doch mit UnS in Frieden. Wir müs sen endlich ein Definitiv um schaffen, .dessen Forderung ich in der Kanzlererklärung vermißt habe. Auch gegenüber Frankreich ist aktive. Politik notwendig. Tas Memelland muh wieder zu Uns gehören. Ter Red ner billigt das Programm des Kanzlers Md fordert Zusammenfassung aller Kräfte in dem einen Gedanken für Volk und Arbeit. Abg. Leicht (Bahr. Vp.) führt der Entente die deutsche Not vor Augen und begrüßt die Erklärung des Reichskanzlers zu dem Föderalismus. Inzwischen ist ein kommunistischer Mißtrauensantrag. eingegangen. Abg. Graefe (Teutschvölk. Gruppe): Es vollziehe sich draußen eine Bewegung, die auch auf die spätere Zusammensetzung des Reichstages Einfluß haben wird. (Zuruf: Mussolini!) Albg. Graefe fortwährend: Ter Wiederaufbau wird nur kommen von der Finanzbewe- gung. Trotz aller Sympathie für manche Parteien de- Kabinetts könne die Deutschvölkische Gruppe dem Beo- 'trauensvotum nicht zustimmen, weil dem Kabinett die nationale Bürgerlichkeit fehle. Abg. Müller-Franken (Soz.) verteidigt die Hal tung seiner Fraktion gegenüber den Angriffen aus dem feindlichen Lager. Seine Fraktion habe sich durchaus nicht auf den Boden der Note vom 13. November ge stellt. Tie Sozialdemokraten müssen sich aufbäumen ge gen die. Zusammenarbeit mit einer Partei, in deren Nethen ein Politiker sitze, dessen Weisheit letzter Schluß der Zehnstundentag ist. Der Redner erklärt, daß seine Partei das Kabinett Wjrth nicht gestürzt habe. Admi ral Scheer von der Deutschen Volkspartei habe in der .Kölnischen Zeitung" geschrieben, die Deutsche Vvlks- parte: sei in der Reichsregierung die Schrittmacherin für die Teutschnanonalen. Bei dieser Sachlage sei an eine Zusammenarbeit mit der Volkspartei nicht zu den ken. Tas Kabinett sei nur ein verschleiertes Ka binett. Es sei allerdings die verfassungsmäßige Re gierung. Hierauf wird auf Antrag Petersen (Dem.) gegen die Kommunisten der Schluß der Besprechung beschlossen. Persönlich gibt Abg. Sollmann (Soz.) noch eine Erklärung zu der Angelegenheit Müller-Bonn ab. Ter Redner bestreitet, daß er von seinen Vorwürfen gegen Tr Müller irgend etwas zurückgenommen habe, wie man aus den Worten des Reichskanzlers entnehmen könne. petttmtt, fa» au, Hn, ual ..7' « >M »M M » M M MI M^MMM^M M ^^M^M^MVMM M M UW,„,»e 14.4» m«,e. «»»»«»u,, ,»I,,«,I>. - «,^,1»« »ch, r ,,II, Mau. JEsprich»flnpyluß n». » »I - M ßSMss,» ,«Is»«,»,n»,t La,«blatt ftu»,»„»biege. Emyalteno Sie amtlichen Sekavntmachu^gen -es Nates -er Gta-t UN- -es Amtsgerichts Nue. p»M»ck-e.nt», Nm, r.tpzig Nr. ,44» Politische Wochenschau. Bom OberbÜrgermeiner«D». Külz, Ai. d. R Selten sind einem Ministerium schon vor seiner Geburt >o viele Beinamen gegeoen worden, als dem Kat- binett Cuno. „UeberpartoiticheS Kabinett", Kabinett der Köpfe", „Geschäft-Ministerium", „Uebergangsmiui- sterium", „Berlegenheitsminhsterium", so und ähnlich stand es mit weithin leuchtenden Buchstaben in der Ta gespreise über den Leitartikeln zu lesen, je nach der pontlzchen Einstellung der betrejfeyden Zeitung. Will man dem gegenüber ehrlich und objektiv bleiven, und sich mit aller Nüchternheit die Wesenseigenart und die Levenömüg.ich.e.ten der neuen Regierung ilarmachen, io rann man die neue Regierung nur eine solche der bürgerlichen Arbeitsgömeinchasi kennzeichnen. Ter enge Rahmen der Parteichälnone ist zwar bei der Bil- drurg dieses Ministeriums durchsbrochen worden, aber die parlamentarischen Stützen, aus denen es ruht, sind die Parteien der Arbeic-gemeinchast. Hierin liegt von vornherein ein bedenk.iches Moment der Schwäche. Nicht, als ob es an sich unmöglich wäre, daß eine von der Arbeitsgemeinschaft getragene Regierung sich kraft der an ihr beteiligten sachlichen und poli-tischen Potenzen eine starke Stellung erringen könnte. Las ist sehr wohl denkbar, aber es ist bedingt durch möglichst huldige außen« .und innenpolitische Erfolge. Bei unserer jam mervollen Lage würde jedes Kabinett, dqS eine sichtbare Erleichterung brächt«, im Handumdrehen eine starke Ge folgschaft finden. So sehr man es wünschen möchte, so wenig kann man doch dem Kabinett Cuno diese Pro gnose stellen. Im Gegenteil, es wird sich sehr bald vor außenpolitischen und innerwirtschaftlichen Truck gestellt sehen, und dann wird seine ganze Schwäche sofort zu tage treten. Worin besteht diese Schwäche? Einfach darin daß sich von ihr keine starken Fäden des Ver trauen» zur deutschen Arbeiterpartei, zur Sozialdemo kratie hinüberspinnen. Der im Unternehmertum be stehende Dell der deutschen Wirtschaft wird das Kabi nett Cuno in weitgehender Weife mit seiner Sympathie begleiten, aber das Schicksal des deutschen Volkes hängt in gleicher Weise auch vom deutschen Arbeiter ab ; Unter nehmertum und Arbeiterschaft gilt es, für die Notwen digkeiten unserer wirtschaftlichen Gesundung innerlich zu gewinnen, und das wird bei der nun Einmal noch vorhandenen psychologischen Einstellung der deutschen Arbeiterschaft keiner Regierung gelingen, in der sie sich nicht durch unmittelbare Vertrauensleute vertreten weiß. Bei der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Struk tur de« deutschen Volkes gibt es eben keine andere Syn these der politischen Kräfte als die der großen Koalition. Solange diese Zusammenfassung nicht gelingt, wird der Parlamentarismus in Deutschland in einem Zustand der Tauerkrisis bleiben. Auf beiden Seiten muß hier noch erheblich umgelernt werden. Tie Sozialdemokratie, mutz erkennen, daß die Flucht aus der aktiven Mitverantwor tung eine Versündigung auch, am deutschen Arbeiter ist, und die nicht sozialistischen Strömungen müssen lernen, ihre Taktik den psychologischen Erscheinungen anzupas sen, di« von der Sozialdemokratie berücksichtigt werden müssen, wenn anders nicht ein in ihren und im Ge samtinteresse höchst unerwünschter Abmarsch der Mäs sen nach dem radikalsten Flügel geschehen soll. Das Kabinett Cuno steht nach alledem aus schwa chen Füßen. Vermutlich wird die erste starke Belastungs probe von außen kommen. „Wir können die negative Politik nicht fortsetzen, wir dürfen ein Moratorium nur bewilligen, wenn wir Sicherheiten nehmen, und wir werden die Ueberwachung der Reichsstnanzgebarung wicht ohne gewissen Zwang durchsetzen können." Diese Worte PoineareS in der französischen Kammer lassen an Deut lichkeit nichts zu wünschen übrig. In England werden nach dem Ergebnis der Neuwahlen einer solchen franzö sischen Politik nennenswert« Hemmungen nicht erstehen, auch nicht von feiten der nationalistischen Diktatur Mus solini- in Italien. Ten Auswirkungen einer solchen Politik mit Erfolg entgegenzutreten, wird die erst« außenpolitisch« Aufgabe der neuen Regierung sein. Wo und in ivelcher Weise sie einzusetzen hat, wird dtp Yb- nanzkonserenz in Brüssel erkennen lassen. Dia! di« En tente zunächst in Lausanne mit der Entwirrung de» türkischen Problem» noch dringender« Aufgaben zu er ledigen hat. wird dies« Konferenz vor Mitte Dezem ber kaum in die Erscheinung treten. Bi» dahin aber werden sich unsere innerwirtschaftlichen Verhältnisse weiterhin nicht wesentlich verschlechtert haben. Striaen der Preis«, Steigen der Löhne 'und Gehälter, Steigen de» Inflation werden ihren bekannten Wettlauf fort setzen, bi» die Unmöglichkeit der. Beschaffung von Be triebskapital und da» Erreichen der Weltmarktpreise durch di« deutsch« Produktion den unvermeidlichen der- hängni-vollen Rückschlag bringen. Wohin treiben wir? Dies» bang« Frag« wird auch von dar neuen deutschen Re-Krem- nicht von heut« zu morgen -»bannt werden können. Lite Wege, in» Freie M gelangen, liegen er kennbar vor der Regierung, es bedarf jetzt keiner Pro- gramine und Reden mehr, sondern nur noch der be freienden, entschlossenen Tat. ' öMlsuciutnmigedung im üelcbrtag. Rücktritt ües Ernährungsminifters. Ber'tsin, 24 November. Am Regierungstisch Reichsaußenminister v Rosen berg Finanzminister Tr. Hermes, Verkehrsminister Grüner. Arbeitsminister Da. Brauns. Tie Besprechung der Regierungserklärung wird fort gesetzt. Abg. Ledeb oür (b. k. Fr.) bemängelt die Abwesen heit des Kanzlers. Tier Redner fordert den Reichsprä sidenten auf, nach dem Kanzler fragen zu lassen, da er bestimmte dringende Auskünfte von ihm zu verlangen habe. Er verlangt Auskunft über das Ergebnis der Untersuchung gegen den Ernährungsunnister Dir. Mül ler-Bonn. Er richtet an den Vertreter des Kanzlers die Frage, ob Tr. Müller noch Minister ist oder ob er zurückgetreten sei. Es müsse festgestellt werden, tote es möglich sei, daß dieser Mann auch nur eine Stunde Minister sein konnte. Tie Sozialdemokratie habe die sen Unglückswurm beseitigt. Tier Redner bespricht dann die Regierungsbildung und sagt dem Kabinett Cuno ein baldiges Ende voraus. Reichskanzler Luno ergreift dann das Wort. Gr teilt mit, daß Dr. Müller-Bonn einen Brief an den Reichs präsidenten gerichtet habe. In diesem Brief wird Bezug genommen auf die Vor fälle ist der Freitägsfitzung des Reichsta ges in der gegen Dr. Müller der Vorwurf erhoben wurde, daß er in der Frage der Rheinlandpolitik eine" vom vaterländi schen Standpunkt aus nicht einwastdfreie Haltung eingenommen hätte. Das Kabinett habe noch in der vergangenen Nacht diese Frage dahin geklärt, daß wegen der bis herigen Haltung Dr. Müllers keinerlei Zweifel an seiner vaterländischen Gesin nung gerechtfertigt seien. Tr. Müller erklärte, daß seine Tätigkeit sich! immer, auf verfassungsmäßigem Boden bewegt habe. Trotzdem habe er den Reichspräsi denten gebeten, ihn aus seinem Amte als Er-> nährung'sminister zu entlassen^ zu dem er sich nicht gedrängt habe. Ter Reichskanzler stellt weiter fest, daß der Justiz minister in der vergangene^ Nacht die gegen Tr. Mül ler erhobenen Vorwürfe geprüft hab«. Hierbei habe der Abg. Sollmann-Köln erklärt, er könne selbst nicht be haupten, daß Tr. Müller zu irgend einer Zeit die Los- lösurig der Rheinlands gewollt habe. Tie Vorwürfe ge gen die vaterländische Gesinnung Tr. Müllers scheiben damit aus. Trotzdem bestehe Tr. Müller aus seinem Rücktritt weil ihtn die zutage getretenen Gegensätze die Konzentration aller Kräfte auf sein hochbedeutsameS Amt unmöglich machen würden. Ter Reichskanzler er klärt, daß er zu seinem Bedauern, das Gesuch Tr. Mül lers unterstützen müsse, weil in dieser Zeit' unfrucht bare Arbeit geleistet werden müsse. Er hoffe, daß das Kabinett bald ergänzt sein werde, und appelliert an die verständnisvolle Mitarbeit des Reichstages. (Beifall in der Mitte.) Abg. Stresemaun (D. V) erinnert daran, dckß Tr. Müller das Amt des Syndi kus der Rheinischen Landwirtschaftsbank bekleidet habe, die wohl gegen einen Verdacht gefeit sei, daß sie irgend welche antirepublikantsche oder antinationale Tendenzen verfolg«. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Ter Redner ermahnt die Linke, den politischen Kampf doch nicht zu vergiften. Man müsse in dem Augenblick, .in dem das Rheinland mehr als je bedroht sei, alle Kräfte zusammensassen, anstatt nationale und nichtnatio- nale Rheinlande'zu unterscheiden. Zu den von Herrn Tr Becker-Hessen seinerzeit entworfenen stcuerpoli- tischen Grundsätzen habe sich auch der ehemalige Reichskanzler Herr Tr. Wirth und sein Kabinett be kannt. dem ja auch die Sozialdemokratie angehörte. Ta- Mar kprob le m ist nicht bloß ein arithmetisches Pro blem, sondern der Gradmesser de» Vertrauens de» Aus landes ist die deutsche Wirtschaft. Gin« Produk- ttvn«steigerung würde ein« Marksteigerung..zur Folg« haben. In Europa begrüße ich ein« Verbün de nh e i t der Weltwirtschaft-interessen, in der ich den einzigen Weg -um Wiederaufbau Deutsch land» erblick«. Frankreich ist in Europa zu gewaltiger Macht gelangt. Ein« Bewegung in Frankreich verlangt Vie Rheinqrenze, die ander« steht den W«g de» Wäh rungsverfall» von Osten gen wetzen laufen. Di« Ent- Wicklung gr«ift schon VH«, die deutschen Grenzen hinau». 63 Trmsenä Mllwräen Maik. Die Leistungen Deutschlands. Die D. A. Z. gibt in einer Vcrbffemlichung über die Leistungen, die, auf Grund des Versailler Vertrages, von Deutschland bisher erfüllt worden sind, die fallenden Zahlen an: Es betragen bis zum 1. Juli 1922: Interne Besatzungskosten Auslandoschäden ........ Kolonialschäden Verlust der deutschen Ansprüche an unsere Kriegsverbündete 7000000000 Deutsches liquidiertes Eigentum im Ausland 11700000000 Goldmark 19736800000 Dazu Sach- und Barleistungen Goldmark 18606470000 Insgesamt: DoldmKk 88242970000 Zum letzten amtlichen. Dollarmittelkurs in Berlin um gerechnet, stellt diese Schiuhsumme den ungeheuren Betrag von 6»7ö1 Milliarden Papiermark dar. . -- Anzeiger für -as Erzgebirge