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«.Schi»«», Ar. i« «oatao, ri. März 1930 »«-tiychrtst! NackUtckü«, »resdrn g-rnwrecher-Sammelnummer: »»»LI Nu, wr NachlgejvrSche: «r. »voll «chrtstlettung u. Haupt,e>cha«l«ftelle: »r«td«u-N. 1, viartcnstraß» »s/L» Gegründet 4SSS «ezu^aedüd, «»» I«. »t« Mir, L,»o »et Utgltch i«et malig er Zustellung frei Han» 1.7V «r. Vaftbe,u««vrei» fstr Mona« MLr, ».Lg Mk. etnlchl. »« Vlg. Postgebühr «ohne Post,ustellun«»getahr>. «Nnjelnummer lo Pf,, außerhalb Dresden» lli Pfg. «lnzetgenpretle! D«e «n»eigen tverde» «ach «oldmar« berechne«: dir etnwalltge »0 mm breite Zelle »d Pfg., für auswSrl» «0 Big. gamlllen- anbeigen und Etellengeiuche ohne Rabait «» Pfg., außerhalb »li Pfg., die »0 mm breite «ellaine»elle »00 Pf,., außerhalb rro Pfg. vsferlengebühr so Pfg. «uswLrtige Au««rüge gegen Borau»be>ahlung Druck n. »erlag: Lleplch » «eichach«, Dresden. Poftlcheck-Kto. log» Dresden Nachdruck nur mitdeull.Ouellenangab« 'Dresdn.«achr.-bulüsttg. Unoeriangt« Schriftstücke werden nicht aulbewahrt Das Kabinett Brüning gebilöet Regierunvserklaruns am Dienstag Berlin. 30. März. Der ReichsprSfldeol hat den Relchslagsabgeordnelen vr. Brüning (Zenlr.) zum Reichskanzler ernannt. Ans Vorschlag des Reichskanzlers hat der Reichspräsident den Reichsmlnister Generalleutnant a. D. Dr. h. c. Gröner als Reichswehrminister, den Reichs- Minister Vr. Lnrtiv » (DVP.) als Relchsminifier des Auswärtigen, den Reichsmlnister Dr. Schätzet (VVP.) als Reichspostminister und den Reichsminister Prof. Dr. Moldenhauer (DVP.) als Reichsmlnister der Finanzen bestätigt; ferner hat der Reichspräsident aus Vorschlag des Reichskanzlers den Reichsmlnister Dr. wirth (Zentr.) zum Reichsmlnister de» Innern, den Reich-minister Dietrich (Dem.) zum Reichswlrtschaftsminister. den Reichsminister Dr. Stegerwald (Zentr.) zum Reichsarbeltsminister. den Reichsminister von Guärard (Zentr.) zum Reichsverkehrsmlnister. den Reichsminister a. v. vr. Schiele (D.-R.) zum Reichsmlnister für Ernährung und Landwirt schaft. das Mitglied de» Reichstage» Professor Dr. v. Bredt (Wirtschaft»,».) zum Reichsminister der Justiz, und da» Mitglied des Reichstages Trevlrauu» (Volkskonferv.) zum Reichsminister für da» besetzte Gebiet ernannt. Zum Stellvertreter de» Reichskanzlers gemäß K 7 der Geschäftsordnung der Reichsregierung hat der Reichspräsident auf Vorschlag des Reichskanzler» den Reichswirtschafts minister Dietrich bestellt. Das neue Reichskabinett wird am Montag nachmittag um 5 llhr zu feiner ersten Sabinetts- sihung zusammentreten. In der am Dienstag nachmittag um 4 llhr beginnenden Vollsitzung de» Reichstage» wird Reichskanzler Brüning die Regierungserklärung abgeben. Rach schwierigen Verhandlungen vrnlitia»Ickang an»«« 8«Un« SvlucktUatinng Verls«. 86. März. Entgegen allen Vermutungen, wie sie noch am Sonnabendmittag und -nachmittag aus Grund dessen geäußert wurden, was man über den Stand der Ver handlungen Dr. Brünings mit den Vertretern der Frak tionen erfahren konnte, ist eS am Sonnabendabend dem vom Reichspräsidenten mit der Kabinettsbildung beauftragten Führer der Zentrumsfraktion doch gelungen, die Gefahr eines Schciterns zu überwinden und ein Kabinett auf die Beine zu stellen. Diese Tatsache, die mit allgemeiner Ueberraschung ausgenommen - wurde — hatten doch selbst an den Verhandlungen unmittel bar beteiligte Persönlichkeiten erklärt, bah mit einer Ka binettsbildung durch Dr Brüning nicht zu rechnen sein werde — ist vor allem darauf zurttckzuführen, daß am Sonn abendnachmittag in die aussichtslos gewordenen Besprechun- gen Dr. Brünings nochmals der Reichspräsident von Hindenburg eingrifs «nb eS Dr. Brüning ermöglichte, sich mit dem Reichslandbund. Präsidenten Schtelezu einigen, trotz aller Schwierigkeiten, die sich der Verständigung hinsichtlich des agrarpolitischen Kurses des neuen Kabinetts entgegenstellten. Dr. Brüning wollte am Sonnabend sein Kabinett im wesentlichen auf der Basis der Mtttelparteten bilden. Damit wäre das Kabinett aber von Anfang an lebensunfähig gewesen, denn angesichts der Opposition, sowohl von links wie auch von rechts, die ein solches Mittelkabinett gefunden hätte, wäre eS schon nach der Regierungserklärung wieder gestürzt worden. Die Wendung, die sich nun in den späten Nach- mittagsstunüen des Sonnabend vollzog, ist zurttckzuführen auf den Wunsch des Reichspräsidenten, das ReichSernährungSmint sterium einem hervorragenden landwirtschaftlichen Fach Mann zu übertragen und auch die BolkSkonservattve Gruppe an der neuen Regierung zu beteiligen. Dem Reichspräsidenten von Hindenburg lag vor allem daran, baß getreu der von ihm in seinem bekannten Aufruf nieder gelegten Ankündigung von durchgreifender Hilfe ssir die dentsche Landmirtschaft auch unverzüglich daran gegangen werbe, der deutschen Land Wirtschaft zu helfen. Als nun Dr. Brünings Verhandlungen erkennen lieben, daß eine solche Regterungskombinatton mit Schiele nicht möglich sein würde, griff der Reichspräsident ein. Man kann sagen, daß sich vielleicht noch in keiner anderen Krise der Einfluß des höchsten Repräsentanten des Reiches bei einer Regierungsbildung in so entscheidender Weise fühl bar gemacht hat wie diesmal. Schon am Sonnabendabend empfing Dr. Brüning im Reichstage die Vertreter der Presse, um ihnen den Abschluß seiner Verhandlungen mttzuteilen. Am Sonntagvormittag empfing der Reichspräsident Dr. Brüning und ernannte ihn nunmehr auch offiziell zum Reichskanzler. Dr. Brüning hat am Sonntagvormittag die neuen Minister gebeten, ihm bi» Montag mittag die Entwürfe für das Regier,»ngSprogramm, soweit das Ressort der einzelnen Minister in Betracht kommt, ,u übermitteln. Am DtenStagnachmittag 'oll bann im Reichs- tag die Erklärung der neuen Regierung durch Dr. Brüning verlesen werben. Die Formulierung dürfte »ielleicht noch einige Schwierigkeiten bereiten, da da» Kabinett sich au» Abgeordneten setzt, die für den Noungplan gestimmt haben» ui geordneten, die über ihre scharfe Gegnerschaft ^soungplan keinerlei Hehl gemacht haben. Die RegierungSerklä zusammen, d au» Ab- gegen den -lgerungen in der Regierungserklärung müssen aber nach An" sicht de» Außenministers Dr. CurttuS so gehalten sein, daß man nicht nur in Part», wo in der Nacht zum Sonntag der voungplan ratifiziert wurde, sondern vor allem auch in Warschau und in London an dem Willen de» neuen Kabinett» zur Durchführung de» voungplan» nicht zweifelt. Eine weitere Schwierigkeit für die Formulierung der Re gierungserklärung dürft« sich daraus ergeben, daß da» letzte Kabinett den deutsch-polnische« Handelsvertrag unterzeichnet hat, und baß dieser Vertrag demnächst dem Reichstag zur Ratifizierung vorgelegt werden soll. Bisher waren die beiden neu ernannten Minister Schiele «nd TreviranuS sehr entschiedene Gegner deS deutsch-polnische» Handelsvertrags. Eine wettere Schwierigkeit für die Regierungserklärung wird die Formulierung des Finanzprogramms bilden. Dr. Brüning hatte bekanntlich vor dem Sturz des Kabinetts Müller dem Programm der ReichSregterung ein Kom promiß entgegengestellt. Einen erheblichen Teil dürfte in der Regierungserklärung das AgrarhilfSprogramm einnehmen. Nach den ursprünglichen Absichten deS Reichs ernährungsmlnisters Schiele sollte dem ReichsernährungS minister die Ermächtigung gegeben werden, ein Agrarpro gramm in der Form einer Notverordnung zu ver künden, nach dem ein Wetzenprets von 260 Mk. und ein Roggcnprets von 230 Mk. für die Tonne erreicht wird. In den Verhandlungen Dr. Brünings mit Schiele am Sonn abend hat man sich aber dahin geeinigt, daß das Reich» kabinett eine Ermächtigung erhalten soll, die Maß nahmen auf zoll- und marktpolittschem Gebte vorzunehmen, die notwendig sind, um für Wetzen und Roggen die angegebenen Richtpreise zu erzielen. Dazu sollen Er mächtigungen zur Sicherung der Vieh- und Fleischpretse, be sonders der Schwetnepretse. kommen. Außerdem sprtr man von einer Umschuldungsaktton für die La» Wirtschaft. WaS nun die parlamentarischen Ausflchkea des nenea Kabinetts angebt, so ist sestzustellen, daß diese wenig günstig sind Die Tatsache, daß zwei so rechtsstehende Männer wie Schiele und TreviranuS dem Kabinett angehören» dürfte die Sozialdemokratie zweifellos zum Anlaß nehmen, dem Kabinett Brüning gegenüber eine ausgesprochene Opvo- sittonSstellung zu beziehen. Wie wett das von den Deutschnationalen gelten wirb, steht im Moment noch dahin. Der RetchsernährungSmtntster Schiele hat mit dem Stn> tritt in das Kabinett sein RetchstagSmandat nieder- gelegt und ist damit aus -er beutschnattonalen Fraktion ausgeschteden. Obne die wohlwollende RentralitLt und enentnelle Unter» ftütznng der Deutschnationalen hat das neue Kabinett t« Reichstag keine Mehrheit für sich. Man nimmt ziemlich allgemein an, baß Dr. Brüntng schon in ziemlich naher Zukunft genötigt sein wird, zur Reichstags auslüsung und zur Verkündung von Neuwahlen zu schreiten. Damit würde das Kabinett Brüning mehr den Eharakter eines UebergangSkabtnetts erhalten. Reue -Köpfe in der Regierung Link« d« »«,» Landwirts^ nona Mtntsiir für dt, L»s^t»n Schtot», recht» d« »vt^ L„»Ura»„ Das Hin-vuburskahinett Ueber Nacht ist die neue Reichsregierung zustande ge kommen. Was am Sonnabendnachmittag noch unmöglich schien, war am Sonntag bereits Wirklichkeit geworden: ein Kabinett republikanisch-konservativer Fär bung nach Hindenburgs Weisung. Ein politisches Novum» schon nach der Art seiner Entstehung. Mit einer Geburts dauer von 48 Stunden hat es einen Schnelligkeitsrekord in unserer parlamentarischen Geschichte aufgestellt. Und man möchte hoffen, daß es auch in der Art seiner Wirksamkeit ebenso vorteilhaft von seinen Vorgängern abstechen wirb. Die Signatur wird der neuen Regierung aufgedrückt durch die Namen: Brüning, Schiele. Treviranus. Der neue Kanzler ist nicht ein Mann der Worte, sondern ein Mann der Tat. Ein etwas verschlossener Westfale, der stets sachlich, nie pathetisch wirkte, aber durch sein Können als kundiger und befähigter Politiker in jungen Jahren in den Vordergrund trat. Als Vorsitzender der Zentrumspartet ent wickelte er in kurzer Zeit ebensoviel Energie wie Verhand lungsgeschick. Manche Gesetze und viele Ausgleichsvorschläge der letzten Krisenzett stammen von ihm. Aus der christliche» Gewerkschaftsbewegung hervorgegangen, wurzelt er in deren stark nach links gerichteten Welt- und Staatsauffassung, aber er hat sich auch in den christlich-nationalen Gruppen Sympathien erworben und dürfte dank dieser Verbindung als Politiker den schwierigen Aufgaben gewachsen sein, die aus ihn warten. Den ersten verheißungsvollen Schritt hat er dadurch ^etan, daß er entschlossen den sozialdemokratischen Einfluß von der künftigen Retchspoltttk ausgeschaltet «nd eine Zusammenfassung aller verfügbaren bürgerlichen Kräfte im Reichstag versucht hat. In dieser Kombination von den Demokraten bis zu de» Konservativen ist der neue Ernährungsminister Schiele seiner Parteizugehörigkeit nach als Deutschnattonaler zwar Außenseiter, aber sein Name bedeutet doch ein Programm. Seine Aufnahme verbürgt die Durchführung von durch greifenden. wirklich tauglichen Maßnahmen zur Behebung der Agrarkrise, die nicht in Halbheiten steckenblciben, wie die bis herigen. AuS dem Verlauf der Verhandlungen weiß man. daß Schiele sich Sicherheiten in dieser Richtung verschafft hat. Mit einer weitgehenden Ermächtigung will er auf zoll- und markt politischem Gebiet diejenigen Maßnahmen ergreifen, die nötig sind, damit die bisher gesetzlich sestgelcgten, aber niemals er reichten Richtpreise für sämtliche Getreide- und gewisse Vieh- arten erreicht werden. Als anerkannter landwirtschaftlicher Führer bringt Schiele Sachkenntnis und Autorität auf diesem Gebiet mit, aber er bringt zum Leidwesen der Mittelparteten nicht seine Partei mit in das Kabinett. Die Hoffnungen gewisser LinkSkretse, daß der Eintritt Schieles in die Regierung eine neue Sezession bet den Deutschnattonalen zur Folge haben und baß er einen großen Teil von ihnen „herüberztehen" würde, haben sich nicht erfüllt. Schiele selbst hat ein solches Manöver verschmäht. Er hat keinen „Bruch" herbeigeführt» sondern'in loyaler Weise von, seiner Partei sozusagen Urlaub genommen und ist dem Ruf des Reichspräsidenten gefolgt, der ihn besonders schätzt, um als Fachmann und parteilos, wie einst Graf Kanitz. dem Kabinett anzugehören. Aber gerade deshalb, weil sich die Abordnung des Führers der „Grünen Front" in die Regierung so ruhig und ohne Schädigung der Deutschnationalen Partei vollzogen hat, darf man annehmen, baß ihn seine politischen Freunde nicht an der Arbeit hindern werden, auch wenn sie cs ablehnen, die Verantwortung für die Gesamtpoltttk dieser Regierung zu übernehmen. Ein so bedächtiger Politiker wie Schiele hätte sich sicher nicht zur Ver fügung gestellt, wenn er nicht auch nach dieser Seite hin Rückendeckung gefunden hätte. Der dritte Name, der in der Mtnisterltste auffällt, ist der des volkskonservativen Führers TreviranuS. Er ist der geistige Vater dieser Kombination als Träger der Idee der Volksgemeinschaft. In enger Fühlungnahme mit dem neuen Kanzler hat er den Boden vorbereitet, indem er vor allem Hindenburg, der große Stücke auf ihn hält, für den Versuch einer solchen Regierung gewann. Man hat ihm zwar ein politisch wenig bedeutsames Ressort zuerteilt, nachdem seine Kandidatur für das Außen- und das Innenministerium am Widerspruch der Linken gescheitert war: aber mit dem Gewicht seiner Persönlichkeit wird er gleichwohl als treibende Kraft dem Kabinett eine neue Note geben durch die Vertretung konservativer Ideale auf dem Boden der republikanischen StaatSform. Ein „neuer Mann" ist auch Prof. Bredt, der Führet -er WtrtschaftSpartei. Mit ihm ist für bas Retchsjusttzmintste- rium «in Staatsrechtler von vielen Qualitäten gewonnen: aber wichtiger ist vielleicht noch, daß durch seine Person nun auch seine Partei an die Regierung gebunden wird, di« sich bisher immer der aktiven Teilnahme entzogen hatte. In den übrigen Ressort» haben nur teilweise Umbesctzungen statt- >efynden, dt« besonderen Parteiwünschen entsprachen und deren Zweckmäßigkeit sich erst erweisen muß. Zu einem end- gültigen Urteil wirb man erst da» Programm der Regierung abwarten müssen, das sie bereit» am DtenStag im Reichstag bekanntgeben will. Aber das eine ist klar: wie da» neue Regierungvschiff einen Kur» auch einstellen mag. die Gefahren sind groß, die es von vornherein auf der parlamentarischen See umdrohen. E» wir» große Geschicklichkeit de» neuen Steuermanns brau- ch««» m» alle Klippen ,» umschiffen, und großen Mut. wenn