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Nr. 283. Neunter Jahrg. Erschein!: Täglich früh 7 Uhr. Inserate werden angenommen: bis Abends 6,Tonn- tagS bi« Mittags 12 Uhr: Marirnfiraße 18. Anzeig. in dies. Blatte, da« jetzt in Itt.vvO Exemplaren erscheint, finden eine ersolgreiche Verbreitung. Tonntag, S. Octbr. 1884. Taficblatt für IliitcrlMimfi und Gcfchüstsvcrkchr. Fbonncmenl: Vierteljährlich 20 Ngr. bei unentgeldlicher Lie- serung in'« Haus. Durch die Äönigl. Post vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern l Ngr. Mitrcdaeteur: Theodor Drobisch. Inseratenpreise: Für tcu Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die ZrUe -- Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Il'iepsch A Ucilhardt. — Verantwortlicher Redacteur: JutlUS Neilhardt. Dr-Sden, dm 9. October. — Gestern Mittag 11 Uhr traf Ihre Majestät die Kö nigin Wittwe von Preußen in Begleitung Ihrer königlichen Hoheiten, der Kronprinzessin, und des Prinzen Georg nebst Gemahlin zu Wagen von Pillnitz auf dem Leipzig-Dresdner Bahnhof ein; hier wurden die hohen Herrschaften vom kgl. preußischen Gesandten am hiesigen Hofe, von der Schulen burg, Excellenz dem Generalmajor von Fritsch und dem Po lizei-Direktor Schwauß ehrfurchtsvoll begrüßt und es reiste hierauf Ihre Majestät die Königin mittelst Extrazuges von hier nach Berlin ab. — Nachdem ein Gönner der Annenkirche ein Crucisix geschenkt hat, so möge sich ein anderer finden, welcher die Fenster der Emporen waschen läßt, denn der Schmuz, der ihnen anhängt, ist eines Gotteshauses unwürdig. — Bei der neulichen Aufführung des spannenden Trau erspiels „Pietra" von Mosenthal im Königlichen Hoftheater ereignete sich ein Zwischenfall, auf den leicht ein entsetzliches Unglück gefolgt wäre. Frl. Langenhaun, welche die Pietra spielte, soll im zweiten Akte mit einer römischen Lampe in der Hand an das Lager des verwundeten Manfred treten. In dem Augenblicke, wo sie dies thun will, verschüttet sie aus der etwas schräg gehaltenen Lampe soviel brennenden Spiri tus, daß eine breite Flamme zwischen ihr und dem Lager Manfreds, auf das sie zuschreiten will, lang am Boden hin lief. Anstatt aber den Spiritus ausbrennen zu lassen, ver sucht die Künstlerin, um ihr Spiel nicht unterbrechen zu müs sen, die Flammen mit den Füßen auszutreten. Das Publi kum konnte bei diesem Wagniß einen lauten Nuf des Schreckens nicht unterdrücken. Zum Glück war das Gewand der Dar stellerin von so schwerem Seidenstoff, daß die daran hinauf leckende Flamme es nicht sofort ergreifen konnte, und während Einige der Künstlerin noch ein entsetztes Halt! zuricfen, war die Flamme bereits glücklich gelöscht. — — Um in die musikalischen Genüsse eine Abwechselung zu bringen, werden im Saal des Lincke'schen Bades von nächstem Montag an, vier Vorstellungen stattfinden, die in das Reich der mimisch-choreographischen Leistungen gehören. Die jugendlichen drei Tänzerinnen, vorzüglich Alion und Ka tharina Stafford, machen schon durch ihre liebliche Erscheinung einen angenehmen Eindruck, wie denn der kleine William Stafford durch seine akrobatischen Künste lauten Beifall zu erringen wußte, wo bis jetzt die vier Künstler sich produrir- ten, was besonders in letzterer Zeit 14 Tage hinter einander im Schützcnhaus zu Leipzig geschah. — Morgen beginnt der Wintcrunterricht an der Ge werbeschule und zugleich der Buchhaltungskursus für Frauen und erwachsene Töchter. — Der vorgestern Nachmittag zwischen 1 und .8 Uhr hier verübte Einbruchdiebstahl hat nicht verfehlt, in unserer Stadt großes Aufsehen zu erregen. Dian liest bereits an den Straßenecken große Anschlagszettel der Kgl. Polizei-Di rektion, in denen die gestohlenen Werthpapiere und Geldsor ten genau aufgcführt sind. Die von der Flur des Hauses, in dem das betreffende Banquiergcschäst sich befindet, in das letztere führende Eingangsthüre ist Nachmittags 1 Uhr, beim Schluß des Geschäfts, gehörig verschlossen worden, und Nach mittags gegen 3 Uhr, um welche Zeit dasselbe wieder hat ge öffnet werden sollen, ist die Eingangsthüre offen gefunden worden. Es scheint sonach, daß dieselbe mittelst Nachschlüssels geöffnet worden ist. Im Innern des Geschäfts hat der Dieb mehrere Schiebekästen erbrochen, und leider auch in dem dort befindlichen verschlossenen Schlüsselkasten, den er gleichfalls gewaltsam geöffnet, die Schlüssel zu den im Geschäfts lokal stehenden eisernen Gcldschränken gefunden. Glücklicher weise hat der Dieb mittelst dieser Schlüssel nur den einen Schrank aufzuschließen vermocht, während der andere Schrank, in dem sich Depositen nach bedeutender Höhe befunden, allen Versuchen, ihn zu öffnen, widerstanden hat. Die»bisherigen Erörterungen nach dem Diebe und dem Verbleib der gestoh lenen Werthsachen sollen bisher noch zu keinem Resultate ge führt haben. — In der innern Stadt wurde gestern Morgen gegen 2 Uhr ein Droschkenpfcrd von einer Schildwache aufgefan gen, das sich mit seinem Wagen ohne Führer auf den Straßen herumtricb. Der Kutscher war jedenfalls einmal in einer Wirtschaft cingekehrt, und während dieser Zeit hatte der muthige Gaul, dem die Rückkehr des Herrn zu lange gedauert, eine kleine Morgenpromcnade angctrctcn. Man überwies ihn später seinem rechtmäßigen Besitzer. — Als Warnung für Mütter und Kinderwärterinnen wol len wir folgenden, leider öfters dagewesencn bedauerlichen Vorfall mittheilen. Am 3. dieses Monats früh setzte die Ehefrau des Armenhausbcwohncr Zochcr in Lautenhain ihr j Jahre altes Kind, Anna, auf einen Stuhl, rückte es mit den selben an den Tisch, auf welchem eine, mit eben erst gekochten Kaffee gefüllte Kanne stand und entfernte sich einen Augen blick, um einen Zwieback zu holen. Während dem ergriff das Kind die Kanne und überschüttet sich mit einem Theil des heißen Kaffees. Hierdurch ward cs an den Aermchen und an der Brust so verbrannt, daß Tags darauf der Tod eintrat. — Aus Oberwiesenthal, 6. October, schreibt man dem Dr. Journal: Heute athmen wir wieder auf nach mehr tägigem Bangen. Bereits am 2. d. machten sich einzelne Schneeschauer bemerklich. Aber am 3. früh waren Berg und Thal mit Schnee bedeckt, der in Straßen unsers Städtleins bis 1 Zoll hoch lag Strenge Kälte ließ den verfrühten Gast bis gestern sich ausbreiten; heute endlich hat ihn die milde Octobersonne aus den liefern Lagern verscheucht. Auf des Keils- und des Fichtelbcrgs Höhe hat er bislang ihren Angriffen getrotzt Von der Getreideernte wird hier wenig nutzbar einzubringen sein, die Kartoffelernte dürftigen Ertrag gewähren; der Flachsbau möchte wohl am meisten befriedigen. — Leipziger Meßbericht des Dr. Journ. Zwei unglück liche Factoren sind es, welche auf den weitern Verlauf der Messe, besonders in Manufacturen, sehr nachtheilig wirken. Die Spekulation in Liverpool hatte sich besonders auf ge ringe Sorten von Baumwolle in großem Umfange geworfen und den Preis seit Jahresfrist um ca. 7 " gesteigert, während feine Sorten nur um 3 " höher geschraubt waren. Daß die meisten Häuser bei diesem Treiben weit über ihre Kräfte ge gangen und genöthigt worden waren, den Geldinstituten in die Hände zu fallen, braucht kaum erwähnt zu werden. Hier durch wurde das Geld immer theurer und brachte den Dis kont bis auf 9 sj, was die meisten Baumwollspeculanten zwang, von ihren hohen Forderungen hcrabzugehen und wo durch die Preise plötzlich um 20—25 ss gedrückt wurden. Der panische Schrecken der Spinner ist nun zum Theil zwar vorüber und wieder mehr Ruhe eingetreten, doch hat sich die Mutlosigkeit unsrer Meßcinkäufcr nicht wieder erholen können. Der zweite nicht minder wichtige und nachtheilige Factor ist das anhaltende Sinken der russischen Rubel, die nicht einmal mit 30 8 Verlust anzubringen und während der Messe un ausgesetzt gesunken sind. Rußland war gut vertreten und hatte viel Bedarf, kaufte aber kaum die Hälfte, weil das Ge schäft den großen Verlust nicht zu tragen vermocht. Dessen ungeachtet ist der Meßverkehr in Manufacturen aller Art noch immer ziemlich lebhaft, wir würden aber eine sehr große Messe gemacht haben, wären im Laufe derselben nicht die bei den vorerwähnten Umstände eingetreten, zumal auch die Mol dau und Wallachei gut vertreten ist. — Nauchwaaren. Es stand zu erwarten, daß die Messe in Pelzwaaren nicht sehr günstig ausfallcn würde, da schon die Ostermessc, die immer den Eindruck eines guten oder schlechten Winters zeigt, sehr flau war. Wir wissen nicht einen Artikel zu nennen, der sich auszeichnete; es fehlt effektiv an Käufern, und ist die deutsche Kundschaft so wenig als die russische und polnische vertreten. Erstcre hat zu viel Waare übrig behalten und die beiden letz tem haben mit Regulirungcn der alten Rechnungen zu viel zu kämpfen, was durch den ungünstigen Stand der Valuta au ßerordentlich erschwert wird. Bisam wurden noch am meisten verkauft, doch ließ der Artikel infolge der großen Concurrcnz fast gar keinen Nutzen übrig. Außer diesem wurden Schup pen langsam verkauft, und wenn der bevorstehende Winter dem Geschäft nicht günstig ist, bleibt wenig Aussicht dafür, daß die enormen Lager bis Ostern, wo wieder frische Maaren cintreffen, nur einigermaßen gelichtet werden dürften. Die rus sischen Pelzwaarentransporte sind seit etwa 10—12 Tagen eingetroffen, ohne daß davon irgeild ein Artikel sehr gefragt wäre. Die directen^ Beziehungen Hon' Amerika) die seit meh- rern Jahren v^r einigen Mittelhärffern versucht fl5mdc^HDe^ ben vollständig Fiasco gemacht und die Maaren werden wie der ihren natürlichen Weg über London gehen müssen, da Leipzig als zweiter Platz den amerikanischen Exporteurs nicht genügend raschen Absatz und Sicherheit bietet. — P Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 8. Oetober. Ein Droschkenkutscher Franz Friese erscheint gegen 10 Uhr im Gerichtssaal, der Unterschlagung beschuldigt. Er benimmt sich sehr demüthig und wehmüthig, gesteht Alles zu, aber er versucht sich dennoch zu entschuldigen. Er ist 1840 zu Herrnwalde geboren, zog aber später nach Effenberg, wo sein Vater noch lebt. In der römisch katholischen Religion erzogen, trat er nach seiner Eonfirmation bei Roßhändlern in Diensten und zwar im Preußischen. Vorbcstrafungcn sind ebenfalls nicht da. Später trat er als Lohnkutscher im Dienst und war zuletzt als solcher bei dem heute als Zeugen anwe senden Lohnkutscher Earl Friedrich Traugott Wolfs auf der Struvestraße beschäftigt. Am 23. Juli 1863, Nachmittags, hatte Friese die Familie des Grafen Kosetzki nach Hause zu fahren. Sie wohnte am Räcknitzplatz Nr. 3. Unterwegs war schon der Graf ausgestiegcn. Die Frau fuhr heim. Am Hause angckommen, stieg auch sie aus, vergaß aber das Portemonaie mit einem Inhalt von 17 Thlr. 24 Ngr. in verschiedenen Geldsorten im Wagen. Es war hinter die Kiffen gefallen. Die Gräfin merkte es gleich und sandte so fort das heute ebenfalls anwesende 22 jährige Dienstmädchen Wilhclmine Leitner hinab, um den Wagen zu untersuchen. „Suchen sie nach!" sagte Friesen, „da ich noch da bin!" Und sie suchte nach, blos aber auf dem Fußboden, nicht hinter den Kissen. Wenn sie Letzteres gethan, so hätte sie wohl das Geld gefunden, da die Gräfin vom Fenster aus das Portemonnaie noch liegen sah. Sie hätte so auch das Verbrechen und seine Bestrafung verhütet; denn der damalige Dienstherr Friese's war mit ihm zufrieden, eine Unehrlichkeit hatte er sich nie zu Schulden kommen lassen. Er nahm das Portemonnaie an sich, einen Zchnthalcrschcin heraus, wechselte ihn und verthat davon lO Ngr. am selbigen Abend. Er sagt, er hätte schon am andern Morgen das Geld ersetzt, da er noch eignes Geld hatte. Als am selben Abend der Gras Kosetzki zu dem Lohnkutscher Wolfs hinkam und nach seinem Eigcnthume fragte, da leugnete Friese die Thal, er meint, er hätte sich an diesem Abende geschämt, es zu ge stehen, am andern Tage hätte er Alles wieder gut gemacht. Sonderbar bleibt aber doch der Umstand, daß er das Porte monnaie in einem Steinhaufen auf dem Räcknitzplatz über Nacht versteckt hatte. Wozu diese Manipulation'? Am 24. Juli, schon halb 7 Uhr Morgens, kam ein Gensd'arm und sistirte den Friese auf die Polizeiwache, wo er Anfangs auch nicht mit einem Geständniß heraus wollte. Heute gesteht er Alles zu, nur nicht die strafbare Absicht der That. Das Dienst mädchen, deren Aussage er theilweisc bestreitet, wird vereidet, der Lohnfuhrwerksbesitzer Wolfs nicht. Herr Staatsanwalt Heinze weist nach, daß hier, da möglicherweise Friese erst nach seiner Abfahrt vom Kosctzki'schen Hause das Geld an sich genommen» kein Diebstahl, sondern nur Unterschlagung vorliege und m diesem Sinne beantragte er auch die Bestrafung des Ange klagten. Ein Vertheidiger war nicht da. Die Verhandlung hatte keine ganze Stunde in Anspruch genommen. Das Urtel lautete um 12 Uhr auf 4 Monate Gefängnis;/ — Angekündigte Gerichtsverhandlung. Morgen den 10. d. M. finden folgende Verhandlungstermine statt: Vormittags 9 Uhr: Privatanklages. Friedrich Ernst Thomas wider Heinrich Thomas. 10 Uhr: Gerichtsamt Döhlen Pri vatanklages. Ernst Ferdinand Fickler wider Ernst Johann Heinrich Stichler, loj Uhr: Gerichtsamt Radeburg wider Carl August Bcllmann wegen Widersetzlichkeit. 11 Uhr:, wider Julie Tugcndreich Reimann wegen Betrugs. 11^ Uhr: Gerichtsamt Döhlen, Privatanklages. Johanne So phie Clausnitzcr Wider Johanne Sophie Schneider. Vorsitz. Gerichtsrath Ebert. Dienstag den II. d. M. Vormittags 9 Uhr: wider August Ferdinand Friedrich Bährisch von hier, wegen Betrugs. Vorsitz. Gerichtsr. Leonhardi. — Wochen-Repertoir des Königlichen Hof theaters. Dienstag: Ein glücklicher Familienvater. (Neu einst.) Die vier Jahreszeiten. — Mittwoch: Don Juan. (Don Octavio: Herr Rcbbing, als Gast. — Donnerstag: Hans Sachs. (Hans Sachs: Herr Emil Devricnt) — Freitag: Der Barbier von Sevilla. (Almaviva: Herr Rebbing als Gast.) — Sonnabend: Margarethe. — Sonntag: Macbeth. — Mon tag: Bürgerlich und Romantisch. (Baron Ringelstcrn: Herr Emil Devrient.) Sein Freund Babvlin. — Auktionen. Zwei interessante Auktionen haben ' wir morgen und übermorgen. Die erstcre wird morgen in der Niederlößnitz 72 abgchalten und es kommen nicht weniger wi»- 150 Eimer treffliche Weine unter den Hammer. Die zweite, nächste»' Dienstag durch Herrn Auklionator Oehlschlägel , in deffxn Neu erbauten Glas-Salon auf der Rampischcn Straße abgchalten, bietet eine Sammlung von Gemälden, worunter viele kostbare und gediegene Original-Kunstwerke bekannter Meister. Tagesgefchichte. Dresden, 8. Oktober. „Wir sind vollkommen über zeugt", schließt die Times ihren Drohartikel vom 30. Sept. gegen die deutschev^Wächtc. „daß so gewiß als eine Ver- letzjzn-.'*der orginffsips» Gesundheitsgesetze die entsprechende Strafe nach zieht, auch dieses prahlerische, Niedcrtreten von Recht und Gerechtigkeit» Picht..,lmM. U»VMa^»lükbv«-wird. — Das östliche und micsAchK Europa siOkezr sich, emmr^fchr deutlichen Anzeichen nilch'zfl^schlstßH, durch' nci^ÄMnzen und die Zeit ist nicht sehr fern, wo die wetteifernde Herr schaft und Habsucht der Souveräne ihren Völkern eben so viel Böses anthun wird, wie sie jetzt über Dänemark ver hängen." Kennte man nicht den großsprecherischen Zorn der Base Times, der sich in allen Tonarten und Modulationen über die deutschen Mächte und ihr Vergehen ergossen hat, ohne eine andere Wirkung zu haben, als das Geschrei eines