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Gxyed.». RedaMo» ^pe»-«euft«dt ^Ntih»er«afie 3. H^Zntung erscheint Dteufta», P«»ersta, »d emruadend ' früh. Uvonuewent»- PretSr ttertrljLhrl. M. 1^0. Z» beziehen durch die kaiserlichen Post anpalten und durch unsere Boten. »ei freier Lieferung b»S Haus erbebt die Post noch eine «e- bühr von 25 Pfg. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und kandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptrnannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerr«««» Müller in Dresden. Annatzmeftelleu: Die Nrnoldische Buchhandlung, Invalideudanl. HaasensteinL Bögler, Rudolf Mosse, B. L. Daube « To. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. — - —— Ar. 59. Sonnabend, den 21. Mai 1881. 43. Jahrgang. Politische Weltschau. Deutsche- Reich. In einem „Fürst Bismarcks Pläne und die Nationalliberalen" überschriebenen Leit. sNikel redet das halbamtliche Organ der preußischen Regierung nochmals den Nationalliberalen in'S Gewissen, Lie sich aus politischer Rechthaberei, welche die FraktionS- politik befördert, den Plänen des Reichskanzlers wider setzen. Freilich werde stets mit angeblich sachlichen Gründen gestritten; aber Gründe find, wie der Dichter sagt, wohlfeil wie Brombeeren und daS Ergebniß ist eben, daß vor lauter Gelinden im Einzelnen, die Sache im Tanzen nicht gefördert wird. „So kommt es denn auch", meint die „Provinzial-Korrespondenz", „daß wir zum Beispiel die Nationalliberalen heute eine Stellung zur Steuerreform in ihrer praktischen Verwirklichung einnehmen sehen, welche keineswegs mit ihren früheren Kundgebungen über die Reform im Allgemeinen im Einklang steht. Ja eS wird sogar in liberalen Blättern die Steuerreform jetzt als der eigentliche Grund für die der Regierung gegenüber im Allgemeinen veränderte Stellung der Nationalliberalen bezeichnet. Und doch hat der berufenste Führer der Nationalliberalen deS Oefteren und namentlich in einem sehr bedeutungsvollen Moment, als der Kaiser deS Fürsten Bismarck Ab schiedsgesuch abgelehnt hatte, die absolute Nothwendig keit zunächst der Steuer Reform anerkannt und dafür die Mitwirkung seiner Freunde in feierlicher Weise in Aussicht gestellt " Damals habe sich Herr v. Bennigsen ausdrücklich für eine Finanzrrform unter stärkerer Heranziehung der indirekten Steuern erklärt und Herr Hobrecht, der eine Zeit lang als Finanzminister an den Plänen des Kanzler- mitgearbeitet habe, sei jetzt einer -er Führer der Nationalliberalen — also seien eS bloße „Ausflüchte", auf welche diese Partei ihre Opposition begründet. Daß sich seit 1877 auf dem Gebiete des Brsteuerungswesens gewisse Veränderungen vollzogen haben und daß Herr Hobrecht aus der Regierung aus schied, weil er mit dem Kanzler nicht einverstanden war, find Umstände, auf welche die Berliner „National-Ztg." die „Prov.-Korresp." aufmerkiam machen zu müssen glaubt. In einem zweiten: „Die große liberale Partei" betitelten Artikel zeigt das halbamtliche Organ, wie es »och vor wenigen Jahren mit der Gemeinsamkeit der liberalen Grundanschauungen bestellt war, indem eS eine Ansprache des nationalliberalen Wahl-KomitüS vom Jahre 1877 citirt, worin die Fortschrittspartei heftig bekämpft wurde. Darauf antwortet die „National-Ztg.": „Die Neuigkeit, daß damals zwischen den beiden Frak tionen heftiger Streit herrschte, würde dem halbamt lichen Blatte auch ohne aktenmäßigen Beleg von Nie mandem bestritten werden." DerdeutscheReichstag verhandelte am Mittwoch über mehrere daS Genessrnschaftögesetz betreffende An träge. Ein solcher von dem Abg. Schulze-Delitzsch und Genossen gestellter Antrag bezweckte eine größere Sicherstellung deS Zwecks der Genossenschaften, besonder- den Ausschluß jeder Art von Versicherungsgesellschaften. Ein anderer, von dem Abg. v. Mirbach und Genossen gemachter Vorschlag, ging dahin, die solidarische Haft der Genoffcnschaften zu beschränken. Endlich beantragte Abg. Ackermann eine Resolution, welche den Reichs kanzler ersucht über die bei den Genossenschaften erkenn bar gewordenen Mißstände Erörterungen anstellen zu lassen. Der hochbetagte Vater der Genossenschaften, Abg. Schulze-Delitzsch, begründete seinen Antrag mit fast jugendlichem Feuer, indem er die Feststellung der Mitgliedschaft und bestimmte Förmlichkeiten bei dem Ein- und Austritt für unentbehrlich erklärte. Wer die daS Genossenschaftswesen lähmenden Vorschläge deS Abg. Ackermann annehme, der wolle dasselbe überhaupt nicht. Der Vorschlag des Abg. v. Mirbach, welcher die Beschränkung der Solidarhaft bezwecke, drohe die Ge nossenschaften in einfache Aktiengesellschaften umzuwandeln. Abg. v. Mirbach erklärte dagegen, daß er nur neben der vollen auch die beschränkte Haftbarkeit zulaffen wolle und empfahl den Gegenstand ohne kommissarische 8e- rathung in Plenum zu erledigen. Abg. Ackermann erinnerte daran, daß in »euerer Zeit durch Konkurse, die über die einzelnen Genossenschaften hereingebrochen seien, vielen Familien und ganzen Gemeinden erhebliche Verluste zugefügt worden, deren Umfang in dem kurzen Zeitraum von 1879 bi- 1880 den Hohm Betrag vcn ca. neun Millionen Mark erreicht habe Der Gesetz geber habe daher die Pflicht, zu untersuchen, welche Ursachen diese Verluste herbeigeführt haben, und die Mittel zu erwägen, wie die hervorgetretenen Mißstände zu beseitigen seien. Nachdem noch der Schatzsekretär v. Schelling und die Abgg. Lasker, Richter-Hagen und Schröder-Friedberg über den Gegenstand ge sprochen, wurden die drei Anträge der Kommission über wiesen. Hierauf begründete Abg. vr. Buhl seinen Antrag auf Bestrafung der Weinverfälschung, der cben- falls an eine Kommission verwiesen wurde. Eine von dem Abg. Schlieper befürwortete Petition auS dem sächsischen Voigtlande um Erlaß gesetzlicher Maßregeln zum Schutze der Singvögel, fand sowohl bei der Regierung al- auch bei dem Reichstage freundliche Aufnahme. Graf Udo Stollberg hat, dem Varnbühler'schen Vorschlag entgegen, einen Antrag zu dem UnterstützungSwohnsitzgesetz eingebracht, wonach bereits ein einjähriger Aufenthalt nach zurückgelegtem 21. Jahre genügt, den UntrrstützungS- wohnsitz zu erwerben, die Erwerbung eines andern, oder zweijährige Abwesenheit, um denselben zu verlieren. — Am Donnerstag genehmigte der Reichstag in dritter Lesung den Gefetz-ntwurf über die elsaß-lothringische ReichSeiftnbahn-Anleihe. Auch der Gesetzentwurf über die Bezeichnung des RaumgehaltS der Schankgefäße wurde in dritter Lesung erledigt. Sodann referirte Graf Wilhelm v. BiSmarck über die Novelle zur Ge werbeordnung. Abg. Richter-Hagen bekämpfte die Einführung obligatorischer Arbeitsbücher als den Ver such ein neue- Privilegium der Arbeitgeber zu schaffe« und eine Unterstellung der Arbeiter unter daS Gesinde- recht. Die Abgg Ackermann und vr. Bötticher hielten diese Bedenken nicht für gerechtfertigt. BundeS- kommiffar Geh. Rath Bormann erklärte, daß die Bil dung zweier Innungen in demselben Orte zulässig sei und rechtfertigte die Zusammenfassung auch solcher Hand werker zu einer Innung, welche nicht daS gleiche ober ein verwandte- Gewrrbe betreiben, mit dem Hinwei- auf kleine Städte, in welchen sonst die Bildung Ler neuen Innungen gar nicht möglich «Lee. Abg. LaSker bezeichnete die Beschlüsse der Kommission als eine unzu lässige Reaktion gegm die Gewerbrfreiheit. Abg. Günther-Sachsen rechtfertigte dagegen die Zusammen fassung verschiedener Klaffen von Gewerbetreibenden z« einer Innung, mit dem Hinweis auf die Verhältnisse vieler kleinen Städte, und meinte die liberale Patter thue besser, daS ganze Gesetz zu verwerfen, alt einzelne Bestimmungen durch die falsche Unterstellung anzugreiftn, daß dieselben gegen die Gewerdefreiheit gerichtet seien. Abg. Löwe-Berlin wollte «Ine Feindseligkeit gegen die Reorganisation der Jnnun-m mcht zetten taffe», nur müsse die Neugestaltung nicht um jeden PleiS bewirkt werden. Eine Regelung deS LehrlingSwesenS sei erforderlich, aber nicht eine solche, wie sie von der Kommission vorgeschlagen worden. Abgeordneter von Kleist- Retzow setzte ausein ander, daß die Einführung obligatorischer Arbeitsbücher durch die Erklärung der Regierung ausgeschlossen sei. Der Abgeordnete Stumm, der hierauf gegen Richter polemisirte, zog sich, indem er die Ausführungen Richter- alS lächerlich bezeichnete, einen Ordnungsruf de- Präsi denten v. Goßler zu. Abgeordneter v. Helldorff- Bedra erklärte, daß er die Einführung obligatorischer Arbeitsbücher allerdings für wünschenswerth halte. Von der socialdemokratischen Partei sprachen die Abg. Hart mann und Auer. Schließlich wurden die Paragraphen 97, 97a, 98, 98a, b, o und 99 nach den Kommissions- anträgen, sowie Paragraph 100 mit einem Zusatzanlrage Böttcher'S angenommen, wonach eine vor einer Innung bestandene Meisterprüfung vor einer anderen Innung nicht wiederholt zu werden braucht. Paragraph 100a wurde in einer Fassung genehmigt, wonach der Aus schluß auS einer Innung nur gegen Solche zulässig ist, welche rechtskräftig die Ehrenrechte verloren haben. Feuilleton. Unserm Rothen Kreuze. Original-Novelle von A. D. Uerajtw. I. Im Blauen Esel zu Petersburg saßen gegen die Mitte Juli 1870 seitwärts allein an einem Lisch zwei junge Leute, beide in einem Alter über die Mitte der zwanziger Jahre hinaus. GS waren augenscheinlich nahe und alte Freunde, wie sich auS ihrem intimen Verkehr miteinander und der Absonderung von den übri gen Gästen deS LokalS leicht erkennen ließ. Der eine von ihnen, ein hübscher Mann von schlanker Figur und dunkelbraunem Haupt- und Barthaar, mit distinguirtem Aeußeren und gefälligen Manieren, trug offenbar in seinem ganzen Wesen den germanischen Typus. Der andere, ein hellblonder Krauskopf mit kräftigem Stutz- bart auf der Oberlippe, war ebenso sicher al- »in An gehöriger der russislden Nationalität zu erkennen, wenn auch die Beweglichkeit seiner gedrungenen, nur mittel großen Figur und die häufige Benutzung deS MonocleS seiner Persönlichkeit einen französischen Anstrich gaben. Wer die Beiden sah, fühlte sich, ohne sich Rechenschaft darüber geben zu können, sympathisch von ihrer Erschei nung berührt. Der Braune wie Ler Blonde waren Söhne de- großen Zarenreiche-, nur daß der erstere, Varon Felix von va kenfelde, ein baltischer Deutscher, der andere, Feodor Michajlowitsch Makalow, ein Ra- tionalruffe war. Beide waren Studiengenossen. Felix hatte in Heidelberg, in Berlin und zuletzt in Petersburg studirt und Feodor, der um dieselbe Zeit seinen Studien oblag, hatte Felix in Berlin kennen gelernt, wo sich beide be freundeten und ihre Freundschaft hatte sich dann auf der Universität Petersburg fortgesetzt und in alter Wärme auch über die Studentenzeit hinaus erhalten, obwohl beide ganz verschiedenen Lebenszielen sich zuwandten. Felix hatte die juristische Laufbahn ergriffen, während Feodor sich dem Journalismus zuwandte. Felix hatte soeben sein Affefforexamen bestanden und sah einer Anstellung im Reiche entgegen, denn er zeich nete sich rortheilhaft vor der großen Zahl vornehmer LandSleute in seinem eigenen Vaterland, Kurland, au-, welche mit Nichtachtung der unerläßlichen Gesetze der EtaatSidee in ihrem Mikrokosmos aufgehen und ent weder al- Landbarone ihren Kohl bauen oder Anstellun gen in der engeren Heimalh suchen und schmollend selbst die liberalen, für da- ganze Reich gegebenen Gesetze von der Hand weisen, welche längst in ihrem Stammlande Deutschland segendringend sich bewährt haben. Felix ;ehörte zu der geringeren Zahl seiner LandSleute, die n würdiger Weise mit den unabänderlichen Lhatsachen ich abzufinden wissen und mit ganzer Seele und auf richtigem Streben d.m großen Gemeinweftn sich nützlich zu machen suchen, zu welchem ihre Heimalh nun einmal nach dem historischen Laut per Dinge gehört. Er war, obwohl ihm von Kindheit auf die russische Sprache fremd gewesen, durch Studium und Ueburg derselben so weit mächtig, vm im Reiche mit den Rationalruffen sich in seinen richterlichen Funktionen verständigen zu können, ebenso wie sein Freund Feodor al- Journalist der Krnnt- niß der deutschen Sprache nicht entratheu konnte, die er ohnehin praktisch auS seinem Aufenthalte in Deutsch land kennen und üben gelernt hatte. Feodor war Mit arbeiter in der Redaktion deS „Journal de St. PeterS- bourg", eine- im Dienst der russischen Regierung stehen den, wenn auch in französischer Sprache geschriebenen Blatte- von gemäßigten Tendenzen, drssen Hauptredak- teur um jene Zeit ein Deutscher von unanfechtbarem Charakter war. „Ich habe mir heute" — sagte Feodor — „da- Stündchen zum Frühschoppen meinen Berufsgeschäften nur mit genauer Norh abgerungm. Die heillose Poli tik beschäftigt unS in ungewöhnlichem Maße und läßt unS gar nicht zu Äthern kommen. Dir Dinge in Frank reich. Deutschland gegenüber, drängen zu einer Kata strophe und eS wird kaum möglich sein, daß der Kaiser Napoleon daS von den unbesonnenen Herren Ollwier und Grammont inS Rollen gebrachte Rab, welches die KriegSfurie entfesselt, aufhält; vielleicht auch will er e- nicht einmal. Es giebt Zeiten, wo die Menschen, na mentlich in einer Nation von so sanguinischem Tempe rament, wie die Franzosen, gleichsam von fixen Jceew endemisch befallen und zu Lhorheiten hingerissen werben."' „Die Franzosen" — meint« Frlix — „haben iw jüngster Zeit schon oft ähnliche Anfälle gehabt. Denke doch an die Verhandlungen über die Luxemburgfrage im französischen Oorps Isxislatit. Ich vertraue auf die Mäßigung und Weisheit de- König- von Preußen, der an der Hand seine- großen Staatsmannes schon ma, we politische Knoten, die kaum entwirrbar schienen, glänzend gelöst hat." „Diesmal find die Dinge doch schon etwa- weiter