Volltext Seite (XML)
1» reund- 1«ger s§§e 89. Jahrgang. tglieder er. 60 neister, unser au. -71« -f»»- 71« >g des Quartal >si öew UllVSI- r ^üeo ned an leliebter Jahrm 886. IM. i'nlll. Äbends f. uns I io unä so uuck isrr- > Lkl- rtso -rt« I I oder I 11^88 I i! I ilr. »z. Tagesschau» Freiberg, den 24. November. Der deutsche Kaiser nahm gestern eine Reihe militärischer Meldungen entgegen und empfing die Vorträge deS Chef- d« Admiralität, General von Caprivi. Ueber den Gesundheit-« znstand deS greisen Monarchen wird gemeldet, daß daS Befinde« deS letzteren als ein recht zufriedenstellendes bezeichnet werden könne, nachdem der einige Tage vorhanden gewesene Katarrh, welcher durch zu lang andauerndes Sprechen hervorgerufen war, beseitigt ist. Da der Kaiser zur Heiserkeit neigt, so ist daS Bestreben der ihn täglich besuchenden Aerzte darauf ge richtet, den hohen Herrn zu bestimmen, die für einen jeden Tag gewährten Audienzen nicht in zu schneller Reihenfolge stattfinden zu lasten, um dadurch ein oft stundenlang andauern des Sprechen zu verhindern und ein längeres Stehen zu ver meiden. Bei dem Hohm Alter des Monarchen kann eS nicht Wunder nehmen, daß selbst bei der kräftigsten Körperkonstitu tion, wie fi« der Kaiser von jeher besessen hat, nach und nach die Brust zusammmzufallm beginnt und sich in dm Beine« eine gewisse Schwäche bemerkbar macht. Doch war dies Beide» nicht der Grund, weshalb der erlauchte Herr in dm letzt« Tagen daS PalaiS nicht verlast« hatte. Die von Jedermann unliebsam empsundme rauhe Witterung nöthigte ihn vielmehr, ün Zimmer zu bleiben, und deshalb unterblieb Such am Sonn tag ein Besuch im kronprinzlichen PalaiS zur Gratulation bei der deutschen Kronprinzessin und in der russische« Botschaft zur Begrüßung deS Großfürsten und der Großfürstin Wladimir von Rußland. Wie besorgt die Kaiserin um das Wohlbefinden ihres Gemahls ist, über das sie täglich ausführlichen Bericht erhält, geht daraus hervor, daß sie ernstlich ungehalten ge wesen sein soll, als sie erfuhr, daß man den Kaiser habe zur Jagd nach Letzlingen fahren lasten, zumal die Witterung an enem Tage gerade nicht die beste war. Ueber die Rückkehr »er Kaiserin nach Berlin melden die neuesten Nachrichten au- koblenz, daß die hohe Frau wahrscheinlich erst Anfang Dezem ber dort eintreffen dürfte. An dem gestrig« Hundertstten Jahrestag« der Einweihung des Residenzschlostes in Koblenz nahm die Kaiserin leb- jasten Antheil. Im Lause des gestrigen TageS fand aus diesem Anlaste in der Vorhalle deS Schlosses eine Speisung und Beschenkung von 30 würdigen älteren Armen durch Ihre Majestät selbst statt. Abmds war eine größere Gesellschaft in's Schloß geladen, bei welcher der Männergesangverein „Rheinland" und die Kapelle des 4. Garde-Grenadier-Regi- mentes konzertirten. Die im Auftrage der Kaiserin über die hundertjährige Geschichte des Schlosses verfaßte Denkschrift wird demnächst erscheinen. — Als das deutsche Kron prinzenpaar gestern Vormittag in Berlin zuFuß einen Besuch im Palais des Prinz« Georg von Preußen abstattete, wurden die kronprinzlichen Herrschaften auf dem Wege durch die Behrmstraße blS zur Wilhelmstraße von den zahlreichen Passanten ehrfurchtsvoll begrüßt und erwiderte diese Grüße huldvollst. Einigen begegnenden Damen wurde auch die Ehre einer kurzen Anrede zu Theil. — In Malchim wurde gestern der allgemeine Landtag der Großherzogthümer Mecklen burg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz eröffnet. — Der deutsche Bundesrath beschloß am Montag, dem Ent wurf eines Gesetzes, bctr. die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres, die Zustimmung zu ertheilen. Die Denkschrift über die Errichtung einer ständigen Pharmakopöe-Kommission wurde dem Ausschuß für Handel und Verkehr zur Vorberathung überwiesen. Es verlautet über die ersterwähnte Vorlage, daß das Septennat bereits am 1. April 1887 in Kraft treten soll, obgleich das gegenwärtig bestehende noch bis zum 3l. März 1888 läuft. Der Etatsentwurf für 1887—88 hat eine Erhöhung der Präsenzstärke für dieses Finanzjahr nicht vorgesehen; es wäre aber nicht ausge schlossen, daß dieselbe erst nach der Ausstellung des Etats in Frage gekommen und daß die Einbringung eines Nach tragsetats nach erfolgter Annahme der Militär-Vorlage be absichtigt wäre. Es heißt in Verbindung mit der Beschleu nigung dieser Vorlage, daß Fürst Bismarck schon in den ersten Tagen des Dezember nach Berlin zurückkehren werde. Die „Nationalliberale Korresp." behauptet, daß die neue Militärvorlage eine Feststellung der Heeresstärke aus ein Pro zent der Bevölkerung nach der Volkszählung vom Jahre 1885 Vorschläge. Das würde 468 409 Mann ergeben, während nach dem bestehenden Gesetz die Friedenspräsenz 427 274 Mann beträgt. Die Errichtung eines neuen Armeekorps, von der in einigen Zeitungen die Rede war, ist nicht beabsichtigt. Die Erhöhung der Friedensstärke würde nach den soeben angegebenen Zahlen 41135 Mann betragen. — Offiziös wird ist. g^obe schmerz- f irgend n, sagen nk. c. 1886. rau« Nachbestellungen «tf de« Monat Dezember »erden zum Preise von 75 Pf. von allen kaiserliche« Postanstalten sowie von de« be kannte« Ausgabestelle« u«d der unterzeichnete« Expedition angenomme«. Expedition -es Freiberger Anzeiger. Inserate werden bis Vormittag 11 Ubr angenom- I men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile I H U»a»Ud oder deren Raum 1ü Pf. U W- Die Berufswahl der SSHne. Es ist eine bekannte Sache, daß bei der zunehmenden lleberfüllung aller Berufszweige mit jedem Jahre die Schwierigkeit der Berufswahl sich vergrößert. Weit min der erkannt wird die Thatsache, daß diejenigen Familien väter, welche den unbemittelten oder dm wenig begüterten Gesellschaftskreisen angehören, über das Loos ihrer Sohne sich weniger zu bekümmem brauchen, weil die letzteren vom Vater hause aus nicht verwöhnt sind und sich verhältnißmäßig leicht in alle Lebenslagen schicken. Früh auf die eigene Kraft und Zähigkeit, auf Fleiß und Anspruchslosigkeit angewiesen, lassen sich diese Jünglinge weit weniger durch widrige Zwischenfälle und Schwierigkeit« beirren und erreich« glücklich ihr Ziel, wenn sie es nicht höher gesteckt haben, als ihre Fähigkeiten ausreichen. Weit verfänglicher sieh es mit den Knaben aus, deren Väter durch Amt und Ver mögen eine an höhere Lebensansprüche gebundene Stellung einnehmen, weil die Heranwachsende Generation durchaus nicht immer das Zeug hat, um das neu zu erwerb«, was sie von den Vätern ererbt. Gerade weil die Berufswahl wäre aber doch ein fraglicher. Ist der übermäßig starke Andrang zu den Gymnasien, den Universitäten und dem Staatsdienst ein Uebel, so gilt das nicht für eine Gesell schaftsklasse, sondern für alle Kreise und ist einfach nur dadurch zu verhindern, daß überall die Anforderungen ver mehrt, die Prüfungen erschwert und den Eltern klar ge- macht wird, daß es vergebliche Mühe ist, mittelmäßig be gabte Knaben für das akademische Studium zu bestimm«. Die Klagen, welche über die angebliche Ueberbürdung auf den Gymnasien zuweil« laut werden, sind fast ausnahms- os darauf zuruckzuführen, daß nicht hinreichend begabte Knab« diesen Anstalt« zugeführt werden, wo sie selbst sich nicht wohl fühlen könn« und nur auf den Gang des Unterrichts hemmend wirken, weil sie ihre begabten Mit- chüler an einer raschen Erreichung des Lehrzieles hindern. Bei der Wahl des Berufs dürfen eben nur Neigung und Befähigung bestimmend wirken, aber wo diese bei Kinde« aus den gebildetsten Kreisen weder für den Gelehrten den Künstler- oder den Kaufmannstand geeignet sind, braucht man es den Eltern noch nicht als Eitelkeit und Modethorheit auszulegen, wenn sie mit schwerem Herzen ihr Kind in einer Werkstätte unterzubringen suchen. Ist es doch gar nicht so leicht, ein« Meister zu finden, der sich wirklich um die tüchtige Ausbildung seiner Lehrlinge kümmert, der dieselben hinreichend überwacht, um sie von Rohheiten und Verführung durch schlechte Gesellschaft fern zu halten. Wohl wird der Lehrling heute nicht mehr zu ,o vielen häuslichen Arbeiten wie früher verwendet, aber dafür entbehrt er auch des früheren patriarchalischen Lebens im Hause des Meisters, bei dem sonst der Lehrling zur Familie gerechnet wurde. Die Meisterin will sich nicht mehr mit den Lehrlingen plagen und der Meister wird ost von so vielen Nebengeschäften von der Werkstätte abgezogen, daß die Ausbildung des Lehrlings völlig den Gehilfen über assen bleibt. Bei diesen ist das Gefühl der Pflichten gegen den ihnen überwiesenen Jüngling nicht immer so :ege, wie es sein sollte, besonders dort nicht, wo es sich um einen etwas verwöhnten Angehörigen jener Stände handelt, die sie mit unfreundlichen Gesinnungen betrachten. Sie werden, wo der Meister nicht schützend dazwischen I der Söhne den Eltern, welche den gebildetsten Kreisen an gehören, jetzt so große Sorgen verursacht, erzeugte ein kürzlich aus der „Nordd. Allg. Ztg." in verschiedene andere Blätter übergegangener Artikel „über die Berufswahl der Söhne aus den sogenannten guten Familien" vielfach Ver stimmung. Der Verfasser jenes Artikels ging entschieden zu weit, wenn er die mit der Berufswahl zusammenhängen den Sorgen zahlreicher Eltern vorzugsweise auf „Eitelkeit und Modethorheit" zurückführte, wenn erden ganzen Strom der Jugend aus den Kreis« der „Gesellschaft" dem Kunst gewerbe zuleit« wollte, nachdem in allen Fächern durch jahrelange lleberfüllung die Aussichten immer schlechter ge worden sind. Wenn das Handwerk ein« goldnen Boden haben soll, so muß es gern und unter günstigen Vorbe dingungen erfaßt werden. Ein Mangel an jungen Kräften ist aber in dem Kunstgewerbe schon heute ebenso wenig Vorhand« und ist sehr fraglich, ob sich nicht auch dabei, wie auf so vielen anderen gewerblichen Gebiet«, Klagen über lleberfüllung erheben würden, wenn ein größerer Zuwachs als jetzt erfolg« sollte. Das Kunstgewerbe erheischt gewisse ausgesprochene Anlagen, ohne welche sich die Fertigkeiten nicht erlernen lassen, die zum Fortkommen unerläßlich sind. Unzweifelhaft ist in den letzten Jahr« ein übermäßiger Drang nach Beamtenstellungen, besonders ein großer Zu drang zum Staatsdienst, wahrnehmbar gewesen. Es erklärt sich dies theilweise durch den Rückgang des freien Unter nehmungsgeistes, theilweise aber auch dadurch, daß in neuerer Zeit viele vortheilhafte industrielle Gebiete der Privatunternehmung entzogen und dem Staate oder den Gemeinden anheimgefallen sind. Je mehr die Staatswirth- schaft sich vergrößert, desto mehr Umfang gewinnt das Beamtenheer, desto häufiger wird aber auch eine minder einträgliche und unabhängige aber gesicherte Lebensstellung derjenigen des Künstlers, des Industriellen und des Hand- Werkers vorgezogen werden. Die in dem erwähnten Artikel aufgestellte Behauptung, daß vorzugsweise die Sprößlinge der sogenannten guten Familien den massenhaften Andrang zum Staatsdienst bewirken, ist gänzlich unzutreffend. In diesen Kreisen ist der Unabhängigkeitsdrang oft größer als unter den Unbegüterten, die zuweilen unter den größten Entbehrungen Alles daran setzen, um ihre Kinder studiren zu lassen oder doch in irgend eine Beamtenstellung einrücken zu sehen. Das Handwerk, dem es an Wohlwollen der Be hörden in Deutschland eigentlich nie gefehlt hat, würde sich überall einer weit höheren Achtung erfreuen, wenn nicht so mancher wackere Meister seinen eigenen Stand dadurch ge radezu verleugnete, daß er demselben sein Lieblingskind ab sichtlich entfremdet. Der alte Kastengeist, der dem Sohn oie Erhebung über den Stand des Vaters ganz unmöglich machte, ist gewiß verwerflich; aber das jetzt so häufige tritt, d« Lehrling entweder quälen oder sich mit ihm mehr als gut ist, befreunden, und ihn zu Vergnügungen verleiten, die im besten Falle seinem Alter nicht angemessen sind. Unzufrieden gemacht durch den naheliegenden Vergleich zwischen seiner Lehrlingsstellung und dem Leben im Eltern hause wird der arme Jüngling sich mehr und mehr von >er elterlichen Gemeinsamkeit loslösen und begierig den ozialdemokratischen Lehren lauschen, die besonders unter »enjenigen Gehilfen verbreitet sind, welche nie daran denken, elbständig zu werden und als Meister die Folgen jener erstörenden Doktrinen zu erfahren. Eine derartige Be- ürchtung ist wohl geeignet, einem hochgebildeten Vater bei >er Berufswahl seines Sohnes große Sorgen zu verur- achen. Für das Handwerk ist der Beste gerade gut genuy, iber dann muß auch in demselben die Lehrlinasfrage unt dem größten Ernst aufgefaßt werden und der Meister selbst mit dem eigenen Sohn nicht höher hinaus wollen. MitiergerWyeiaer und Tageblatt. AmtMM für die kömglicheu uud städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Iuliu-Braun in Freiberg. Gegentheil, daß der Sohn des Bäckers durchaus kein Bäcker, der des Schneiders kein Schneider, der des Bildhauers um keinen Preis Bildhauer werden soll, führt doch auch zu leidigen Zuständen. Dadurch entgeht den Söhnen die Möglichkeit der väterlichen Anleitung und Unterstützung auf dem beruflichen Gebiet, den Bäte« die Aussicht, in ihrem Amt oder ihrem Gewerbe im Alter eine Stütze zu erlangen und das von ihnen mühsam Begründete fortqeführt zu sehen. Den minderbemittelt« oder mindergebildeten Familien ist sicher daraus kein Vorwurf zu machen, wenn sie für ihre Söhne das erstreben, was ihn« als das bessere Loos für dieselben erscheint. Das LooS wird aber nur dann ein gutes sein, wenn hinreichendes Talent für den gewählt« Beruf vorhanden ist und wenn die Mittel ausreichen, um das Ziel auch vollends zu erreichen. Die schlimmste Ueber- füllung in vielen Berufszweig« kommt aber gerade von Im« her, die das gesteckte Ziel nicht vollständig zu er reichen im Stande waren und als Halbgebildete mit erhöh ten Lebens ansprüch« nur sehr geringe Erwerbsfähigkeit verbind«. Wenn die unter Gebildeten aufgewachsen« Söhne der sog. „guten Familim" sich so, wie eS der Verfasser >eS Artikels in der „Nordd. Alla. Ztg." will, von dem öffentlichen Dienst fern halten und aasschließlich dem an geblich reicher lohnenden Kunstgewerbe zuwenden würden, o fänden viele Aufwärtsstrebenve freilich die Bahn etwas geevneter als jetzt; der Bortheil für Staat und Gesellschaft Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. V,6Uhr für den Donnerstag, den 2S November