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mlinmM Aimiger Zeitung für Seifersdorf, Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Erscheint Dienstag, Donnerstag n. Sonnabend. Abvnnementspreis einschließlich der illustrirten Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sonne des illustr. Witzblattes „Seifenblasen" 1,50 Mt. Grofr- und Meinölsa, Obernanndorf, Hainsberg, Eckersdorf, Eoßmannsdorf, Lüban, Borlas, Spechtrih re. Mit verbindlicher Publitationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 128. Donnerstag, den 4. November 1897. 10. Jahrgang. Bestellungen auf den „Nabenauer Anzeiger" werden jederzeit von allen Postämtern, Briefträgern, sowie von der Verlagsexpedition und deren Boten angenommen. Aus Nah und Fern. — Die Herbstluft wird von Tag zu Tag rauher, und die Zeit des Jahres ist da, wo es die meisten Catarrhe, Halsentzündungen und andere Unpäßlichkeiten giebt, die an und für sich zwar nicht sonderlich gefährlich, aber stets lästig sind, und vor allen gefährlich werden können. Namentlich nach Sonnenuntergang verspürt man die Herbst kühle recht tüchtig, und bei dem feucht-nebligen Charakter der Witterung ist eine Unpäßlichkeit doppelt leicht geholt- Am schnellsten sind die Kinder mit einer solchen behaftet. Man braucht sie, weil die Luft nun ranh, noch lange nicht fest ins Zimmer zu sperren, dann bringt erst recht jeder nachtheilige Luftzug im Freien eine entsprechende Wirkung hervor, aber man soll auf eine genügende Hals- Umhüllung achten, die mit der eines Nvrdpolfahrers ja gerade keine Aehnlichkeit zu haben braucht. Warm an- ziehen bedeutet uoch lange kein Einmummeln, das kann man wirklich kranken und wirklich schwachen Personen überlassen, hier handelt es sich nur um einen zweckmäßigen Schutz gegenüber den Witterungs-Unbilden. — Der Niedersedlitzer Gemeiuderath hat in seiner letzten Sitzung Herrn Bürgermeister Müller in Geising mit 8 gegen 2 Stimmen zum Gemeindevorstand gewählt. — Neue Neclame. Seltsame Mittel wenden wieder einmal manche Wirthe an, um dcu stark verblaßten Reiz der Locale mit Damenbedienung ein wenig anfznfrischen. So hat ein Berliner Wirth am Schönhauser Thor einen Röntgen-Apparat zur Durchleuchtung seiner Gäste aufge stellt; ein anderer in der Alten Jacvbstraße kündigt an, daß bei ihm Damen auf „Rollschuhen serviren". Den Bogel aber hat ein Wirth am Stralauer Thor abgcschossen, der seine Kegelbahn in eine Nadfahr-Lehrbahn verwandelt hat und den Besuchern seines Locales von seinen Kellne rinnen unentgeltlichen Nadfahr-Unterricht ertheilen läßt. — Königin Luise uud die Obstliebe ihrer Söhne, unter dieser Uebcrschrift erzählt der „Bär" folgende charakteristische Anekdote: „Königin Lnise von Preußen, die Mutter des nachmaligen Kaisers Wilhelm I-, hörte einst von den Hofleuten die Klage, daß die Prinzen, die das Obst außerordentlich liebten, Pfirsiche, Birnen und Aepfel in großer Hast verschluckten. Die Königin ertheilte sofort den Befehl, das von nun an jedes zum Frühstück für die Priuzeu bestimmte Obst iu dreißig Papiere einge hüllt werden müsse; die Ablösung all dieser Hüllen war das sicherste Schntzmittel gegen die Angewohnheit des zu rascheu Essens. Kaiser Wilhelm I-, der den Cultus seiner Mutter heilig hielt, erinnerte sich noch lange dieser Maß regel und sagte oft scherzend: „Mir wurde von Jugend auf nichts leicht gemacht, mich kostete selbst der Genuß eines rothwangigen Apfels ein großes Stück Arbeit." — Eine Krüppel-Fabrik. In Petersburg wurde vor Kurzem ein gewisser Theodor Pranjtschenkow verhastet, der seit Jahren als „Chef" einer Bettlerbande in der Nähe von Kiew einer höchst merkwürdigen Thütigkeit oblag- 'Diese bestand darin, ganz gesunde Menschen in Krüppel zu verwandeln, deren Erscheinung genügend mitleiderregend war, um die Vorübergehenden zu einer Geldgabe zu be wegen. Oft sollen diese Operationen des Wunderdoctors den merkwürdigen und doch natürlichen Erfolg gehabt haben, daß die zuerst nur geheuchelte Krankheit nach kurzer Zeit thatsächlich den Betreffenden anhaftete. Gewöhnlich war dies bei „schwerer Augenentzttndung der Fall, mit der Pranjtschenkow sehr viele seiner Patienten auf Wuusch ver sehe» mußte. Er malte ihnen die Augenränder sehr ge schickt mit einer Mischung von Fett und rother Farbe an, und diese Augenkranken boten wirklich einen jämmerlichen Anblick dar. Das Fehlen eines Armes markirte der „Doc tor", indem er das betreffende Glied über der Brust fest schnallte, welche Manipulation auf die Dauer ziemlich schmerzhaft wurde, oft sogar Lähmung zur Folge hatte. Offene Schäden, Brandwunden und ähnliche, Mitleid er weckende Gebrechen wußte Pranjtschenkow sehr naturgetreu darzustellen, selbst epileptische Anfälle konnten die Patienten dieses „Krüppeldoctors" in höchst glaubwürdiger Weise heucheln. — Am Montag hat ein mit seiner Gattin aus Budapest nach Wien gekommener Kaufmann, Namens Paul Böttcher, angeblich Berliner, in einem Vorstadthotel seine Frau mit eiucm Revolverschuß schwer verletzt uud dann sich selbst solche Wunden beigebracht, daß er denselben am Dienstag erlegen ist. — Dresdner Schlachthofbericht. Montag, den 1. Novbr. Auftrieb: Ochsen 292, Kalben und Kühe 167, Bullen 236, Kälber 300, Schafe 1145, Schweine 2313. Preise wurden für 50 Kilvgr. Schlachtgewicht wie nachstehend gehalten: Ochsen: erste Sorte 67 bis 70 Mk., zweite Sorte 64 bis 65 Mk., dritte Sorte 59 Mk. Kalben und Kühe: erste Sorte 64 Mk., zweite Sorte 61 Mk., dritte Sorte 60 Mk. Bullen: erste Sorte 62 Mk., zweite Sorte 58 Mk., dritte Sorte 56 Mk. Geschäftsgang ruhig. Kälber: erste Sorte 75 Mt., zweite Sorte 70 Mk., dritte Sorte 65 Mk. Geschäfts gang langsam. Schafe: erste Sorte 68 Mk., zweite Sorte 60 Mk., dritte Sorte 56 Mk. Geschäftsgang ruhig. Schweine: erste Sorte 61 Mk., zweite Sorte 61 Mk., dritte Sorte 59 Mk. Geschäftsgang langsam. (Rachdruä verboten.) Verwegenes Spiel. Roman von F. Siemers von Ostermann. In des ehrlichen Advokaten Antlitz waren dessen Em-, pfindungeu zu deutlich ausgedrückt gewesen; die Baronin hatte seine Gedanken errathen und wußte, daß er ihren Charakter durchschaut. -t- H -I- Die Tage, Wochen und Monate des Wiltwcnstandes der Baronin Engelbert vergingen ohne irgend eine Bege benheit. Sie hielt sich änßerst zurückgezogen. Keine Gäste wurden geladen, und sie reiste selten nach Stettin. Sie fuhr nur iu der Umgegend umher, aber immer in tiefer Trauer. Der Wagen, in dem sie fuhr, war schwarz Verhaugen; sogar die Pferde waren schwarz, und stets wnrde ganz langsam gefahren. Jeden Sonntag saß die Baronin in ihrem Betstübchen iu der kleinen Dorfkirche. Herr von Friebel erklärte sie ganz enthusiastisch für eineu Eugel, und ihre Nachbarn waren voll des Lobes bon ihr. Nur der Advokat Brunner schüttelte zweifelnd den Kopf, als man ihre Tugenden so hervorhob, und gegen Freunde lbagte er zu bemerken, daß sie wohl nicht so sei, wie es den Anschein habe. Das Jahr verging langsam, und es war wieder Jo hanni. Die Baronin Engelbert begann ihre traurige Existenz Unerträglich zu finden. Sie konnte sich nicht mehr in befer Trauer sehen, darum vertauschte sie ihre schwarzen Kleider mit Halbtrauerkleidern. Ihre abscheuliche Wittwenhaubc wurde beiseite gelegt, Und Juwelen nahmen die Stelle schwarzen Trauerschmnckes nn. J,l ihrer Halbtrauer war die Baroniu Engelbert wie ausfallend schöne Fran. i „Frau Altmann," sagte sie eines Morgens zu ihrer Gesellschafterin, als sie aus ihrem Wohnzimmerfenster auf das schöne Grundstück hinausblickte, „dieses schreckliche Jahr 'st endlich vorüber. Ich habe die Anforderungen der her- lvmmlichen Sitte befriedigt, ich habe sie argwöhnischen, Neidischen Nachbarn getäuscht, und endlich bin ich frei. Denn ich morgen heirathete, könnte Niemand sagen, daß H das Andenken meines Mannes nicht mit Achtung be wahrt hätte. Mit dem Opfer von beinahe zwei Jahren meines Lebens habe ich während Mariens Unmündigkeit ein herrliches Heim und ein schönes Einkommen gewon nen. Ich habe meine Rolle gewiß gut gespielt." „Ja, das haben Sie," entgegnete Frau Altmann. „Marie wird nun bald nach Hause kommen; aber erst müssen meine Geschäfte erledigt sein, ehe sie aus dem Schauplatze erscheint. Ich werde sogleich an Karl schreiben." Sie ging nach einem kleinen, schön eingelegten Schreibtische, der in einer Fenstervertiefung stand, setzte sich davor hin und schrieb auf feines Velinpapier folgende Worte: „Lieber Karl! Du kannst endlich zu mir kommen. Jetzt ist kein Hindernis; mehr zwischen uns. Ottilie." Diese wenigen Worte überlas sie, legte das Schreiben in ein Konven und siegelte es mit rothem Siegellack. Die Adresse lautete: „An Herrn von Schwarz in Stettin." Dann klingelte sie und gebot dem Diener, den Brief sogleich zur Post zu bringe». Als er sich entfernt hatte, athmete sie erleichtert auf uud murmelte: „Jetzt bin ich im Begriffe,, den Loh» für alle »keine Thate» zu eruten. Karl wird morgen hier sein." 6. Der Verbündete der Baronin Engelbert. Der Morgen, den die Baronin Engelbert mit fieber hafter Ungeduld erwartet, war endlich angebrochen. Sie verbrachte mehrere Stunden mit ihrer Toilette und zufrieden mit dem, was sie erreicht. Jetzt betrachtete sie sich mit wohlgefälligem Lächeln in eine»! große» Spiegel. Ihr schwarzes Haar war nach der neueste» Diode frisirt, und in demselben glitzerte ein Diamdem von Brillanten. Sie hatte ein prachtvolles lila Seidenkleid an mit kurzen Aermeln und tief ausgeschnitten, um ihre vollen, runden Schultern und Arme sehen zu lasse». Ueber dem Kleide befände» sich »och schwarze Seideiispitze». Eine Halskette und Armbänder und Brillante» schmückten sie noch mehr. Ihre klaren schwarzen Augen glänzte» wun derbar; ihre Wangen waren roth wie Rosen. Nie hatte sie zu der Zeit, als sie Baron Engelbert so bezaubert, so schön ausgesehen. Die Baronin Engelbert hatte ihre Zofe entlassen und ordnete nur noch die kurze» Löckche», welche über die Stirn fielen, iiideß sie mit ihrer Gesellschafterin sprach, als man eine» Wage» herankommen hörte. Die Gesellschafterin eilte schnell zum Fenster und blickte hinaus. Eine Droschke näherte sich dem Hanse, und ein Mann steckte de» Kopf aus dem Wagenfe»ster. Sein Gesicht war halb abgewendet; er schien das Haus zu betrachten. Die Gesellschafterin kannte ihn. Sie schlich sich wieder zur Baronin Engelbert zurück und sagte: „Er ist da!" Die schöne Wittwe des Barons Engelbert war tief ergriffen. Sie erblaßte, stützte sich schwer aH die Lehne eines Stuhles uud staud regungslos da, bis der Diener auf einem silbernen Präsentirteller eine große Karte mit dem Namen „Karl von Schwarz" brachte und meldete, daß der Herr im Gesellschaftszimmer sei- Die Baronin fuhr plötzlich aus ihrem Sinnen empor und die Farbe kehrte aus ihre Wangen zurück. „Kommen Sie, Frau Altmaun," sagte sie dann; „wir »vollen hinunter gehen. Nein, bleiben Sie! Sie könne» i» einer halben Stunde nachkommen. Niemand wird etwas darin finden können, wenn ich ihn eine Weile allein spreche. Seitdem ich zum zweiten Male Wittwe geworden bin, komme ich mir vor, als ob ich in einer Glaslaterne wohnte und aller Augen auf mich blickte». Jedoch ich brauche meine Vorsicht nicht zn weit auszudehmm." Sie warf »och eine» letzte» Blick i» de» Spiegel, ordnete etwas an ihrem Kleide, dann schritt sie aus dem Zimmer die Treppe hinunter und begab sich langsam ins Gesellschaftszimmer, Der Fremde erhob sich von seinem Sitze und ging ihr mit ausgestreckten Händen entgegen. Er war groß, schön und blond, mit Hellen, scharf blickenden Augen, und um seine vollen, sinnlichen Lippen schwebte jetzt sogar ein cynisches Lächeln, was ihm zur Gewohnheit geworden zn sein schien. Es war derselbe Mann, der auf Rügen am Ufer ge standen und mit angesehen hatte, wie Baron Engelbert Ottilie Hartwig aus den Wellen gerettet. Derselbe, der hinter der Säule iu der Kirche bei der Trauung des Barons mit der Wittwe Augenzeuge gewesen war. Seine Augen schweiften schnell über die Gestalt und das Gesicht der Baronin; ein Blick voll Bewunderung glühte in seinen Augen. (Fortsetzung folgt.)