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30. 18S7. Sonnabend, den 25. April üüf »-t! MsßkWWtz. s/l. Redigist uyv verlegt von C. M. Gärtner in Schneebergund Schwakenberg. Anna Musen. (Fortsetzung.) Anna war aufgestanden, sie schloß mich in die Arme, in ihren dunkeln Augen glänzten ThräneN. Sie sprach nicht Wetter über diesen Gegenstand, doch glaube ich, ihr Entschluß war gefaßt, und sie wartete nur aus Gelegenheit zur Aus führung. Auch die Base erwähnte den fremden Mann nicht wieder. Anna, so jung sie war, hatte einen Ernst in Blick und Ton, der der alten beschränkten Frau Achtung gebot. Der arme Vater ward immer schwächer, er schlief viel, und vermißte uns nicht, wenn wir auch nicht um ihn waren, aber ich hatte keinen Gefallen mehr an den Spielen der rohen Jugend, und blieb lieber in der düstern Stube, dicht an die Schwester geschmiegt. So sah ich auch den Schlitten lange nicht, ja ich würde den Unbekannten vergesse» haben, wäre mir nicht einstmals sein Bild unter Annas Schiidereien in die Augen gefallen. Sie nahm es mir still aus der Hand und verbarg es tiefer; ich wagte keine Frage, aber sie legte den Finger auf meinen Mund und sagte: Paul ist kein Kind mehr, er liebt seine Schwester und wird schweigen wie das Grab! — Eines Morgens ward ich' in Mnna'S Kammer gerufen, sie trat mir einfach gekleidet sytgegeu, war aber so schön, daß ich sie verwundert anstaunte'. Die Farbe ihrer Haut, die reinste und blühendste, die man sehen konnte, schien heute noch erhöht, ihre geistvollen Angen glänzten mehr gls gewöhnlich, Muth und Begeisterung sprach aus ihnen, während sie mit liebevoller Zärtlichkeit auf mir ruhten. Ihr reiches schwarzes Haar wand sich in Flechten um eine silberne Nadel, die zu gleich den weißen Schleier fest hielt, der ihre zarte Gestalt ganz etnhüllte. So steht sie noch jetzt vor meiner Erinnerung, und so male ich sie Euch; damals fühlte ich nur undeutlich die Allgewalt, die die Schönheit über jedes Herz übt. — Paul, redete sie mich an, Du sollst Dich jetzt in Dei nen besten Staat kleiden, und einen wichtigen Gang mit mir gehen. Vorher aber bitte Gott und den heiligen Nicolaus um Segen. Der Ezaar ist in Moskau wieder angekommen, wir wollen nach dem Kremltn, wo ein alter redlicher Mann uns vor sein Angesicht bringen will. Der große Schritt muß geschehen, ist er gleich schwer für ein Mädchen, warum sollte das weibliche Herz weniger Muth haben, als das Herz des Mannes, wo eS seine Pflichten gilt, Unser Vater wird bald von uns gehen, seine letzten Stunden müssen noch er freut werden, sein Name muß gerechtfertigt, die Wahrheit sei ner Aussagen muß dargethan werden. Sein sterbendes Auge soll Dich, mein lieber Bruder, in Besitz der Mittel finden, Deinen Hellen Geist zu bilden, und damit das Alles geschehe, will ich mit Gottes Hülse, wenn gleich ohne den Willen des Vaters vor unsern Herrn treten. Deine Gegenwart wird mich stärken, fürchte Dich nicht; — freue Dich vielmehr aus den Augenblick, wo Du den großen Mann siehst, der sein Volk beglückt. — Sollte er zu Dir, reden, so antworte frei, die Wahrheit klingt auch in Palästen schön, vornehmlich aus Kindermunde. Sieh nur auf ihn, er ist eS werth, daß Du dein Bild in Deine Seele prägst; was Du sonst sehen magst —- - -l-!-" '' V !! — zeige über nichts Verwunderung: Sollte Dir ein bt« kannteS Gesicht erscheint»/ erkenne eS wicht. —Hast Du «0h -verstanden? Ich bejahte ihre Fragt, sie küßte mich, und ich eilte, ih rem Willen gemäße «ich anzüklttdeO. ---«in Schlitten hielt nicht fern von unserer Wohnung, wir stiessen ein und führt» schweigend davon. Anna war sehr erlist, sie schien iw Geist zu-erwägen, wie sie den kommende» Augenblick nutzen wollt«; ich hätte gern gesprochen, aber ich wägten nicht, sie anzurede». Im Palast de- CzaarS erwartete un« et» alter Pope, er be grüßte meine Schwester und Mich,' mit dem Zeichen des Kreu zes, das er auf unsere Stirnen schrieb, und hieß uns ihn» folgen. Meine Augen irrten wißbegierig umher; Ich Hätte niemals solch« Räume, ein solche- Gewühl verschiedener Ge stalten, so viel Glanz gesehen; denn, obgleich dir Hofhaltung PeterS sich durch große Einfachheit «uSzeichnet«, ttafmeitt kindischer Blick dioch überall auf Wunder. Der Pope-öffnete uns ein großes Vorzimmer, wir traten ein, äm Fenster stäNd der junge Unbekannte," dessen Bild meine Schwester- ver wahrt«. — '' ' ' ' - - - Constantin Jerislaw, sagte der Hope, erwartet Dtß» Herr meine'Schützlinge? ' . ' Ich habe Btschl» sie ihm zu bringen, antwortete Con stantin, indem er sich meiner Schwester mit tiefer Verbeugung nahete. Mein Auge hing wie bezaubert an ihm, aber Anna!» ernster Blick erinnerte mich an ihre Warnung. Der Herr sei mit Euch, und mache Sure Feinde zu Schanden- sagte der Priester feierlich, und wir wurden von Jerislaw in däS innere Gemach des CzaarS geleitet» Wenn der Palast atter- thümliche rohe Pracht zeigte, so war dagegen in PeterS näch ster Umgebung nichts Königliches als er selbst. Kein äußerer Schimmer zog das Ange von ihm ab; seine Kleidung, seine Geräthe waren mehr al- einfach, unverkleidete Nützlichkeit schien ihr einzige- Verdienst. Aber sein Anblick ließ- nicht Raum für solche Betrachtungen, er hatte etwas Fesselnde-, das eben so sehr den beobachtenden Geist, al- das unverstan dene Gefühl ergriff. Er war groß und wohlgebildet, seine . Farbe männlich braun, die großen feurigen Augen blickten durchdringend, Niemand konnte ihiien ohne Furcht begegnen, wenn nicht ein mildes Lächeln ihre Gluth dämpfte. Im Zorn war er schrecklich, schnellt Aufwallung wandelte den for schenden Blick in einen wild flammenden, ei» krampfhaste- Zucken erschien auf seinem Gesicht, die traurige Folge eine» Giftes, das man ihm in der Kindheit bcigegeben hatte. Aber eben so lebhaft war seine Heiterkeit, eben so bezaubernd seine 'Herablassung; sein Scherz, sein herzliche- Lachen «Ntwötkte jede Stirn. Al- ich ihn zuerst sah. trug er ein. einfache» Tuchkleid und einen breiten Gürtel, woran sein Säbel hing, eine runde, ungepuderte Perücke reichte ihm nicht -bsS über Hals. — Er sah uns mit den scharf blitzenden Augen fest an, wir warfen uns zur Erde, Jerislaw entfernte sich leise. Was wollt Ihr? fragte er laut und barsch: mein Hey schlug so stark, daß kein Laut in meiner Brustgewesen wäre. Anna aber fing an zu reden, und wenn auch Anfang» ihre Stimme ein wenig wankte, ward sie doch immer fester nnd zuvirsichtlicher. Sie könnte alle« deutlich erklären, ohne Vie