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Alls der Suche nach einer Regierung. Nie Wünsche und Absichten der Sozialdemokratie. - Stresemann macht als „Fachminister" nicht mit. Löbe auch bei Slresemann. Berlin. 1. Juni. Zu der Franc, wie sich die Sozialdemo, krate» die Bildung der neuen Negierung denken, schreib! beute der „V o r w ä r t o": In verschiedenen sächsischen Partei- blättcrii wird an dem Leitanssatz des „Vorwärts" vom letzten Lonntag lebhafte Kritik geübt. Tie Kritiker glauben, ans die sem Aussatz heranölescn zu könne», daß wir den Eintritt der Partei in eine Negierung der Groben Koalition ohne Bedingungen befürworten. Doch hat der „Vorwärts" schon kurz »ach den Wahlen davor gewarnt, die Grone Koalition als die Patentlösung zu proklamiere» und damit die Bor stellung zu erzeuge», als stände alles, was wird oder nicht wird, ün Belieben der Bolköpartei. Inzwischen hat auch der Neichö- tagspräsidcnt, Genosse Löbe, i» seiner Besprechung mit dem Reichspräsidenten den gleichen Standpunkt vertreten. Die Grobe Koalition Ist eine der vorhandenen Möglich keiten. aber nicht die einzige. Selbstverständlich sind wir der Meinung, bah man der Sozialdemokratie, die zur Führung bei der Ncgierungs- bildung berufen ist, nicht eine von vvrnhcrci» gebundene Marschroute mitgcbe» darf. Ebenso miszverständlich ist die Auslassung, wir wollte» einen bcdingnngSloscn Eintritt in eine lünstige Koalitionsregierung. Selbstverständlich wird der Sozialdemokrat, der den Auftrag zur NegiernngSbildnng über nimmt und der dann verschiedene Mitglieder bürgerlicher Parteien zum Mittun ausfordcrt, sagen müssen, w i e er sich das Neueren vorstellt. Man wird versuchen, sich darüber zu ver. ständigen, was zunächst einmal zu tun und was zu unterlassen ist. Aus diesen Besprechungen wird sich dann ergebe», welche Koalition und ob ü b e r h a u p t e i n c gebildet wer den kan». Wovor wir warnten, das war der Bcrsnch, in loeit ausgcsponncne» Bcrhandlnngcn ein allnmsasscndcs Pro gramm nnSznarbeitcn, das die Partei für unbegrenzte Zeit icst- Icgcn soll. Wenn man ans Angst, es könnte sonst zu einer Krise kommen, alles im Borstand regeln will, regelt man in Wirklich keit gar nichts. Wenn ab nnd zn die Meinung vertreten wird, die Sozialdemokratie müsse, solange sic nicht allein regieren könne, unter asten Umständen in der Opposition bleiben, so er» gibt sich sofort die Frage. gegen wen Opposition gemacht werden soll. Dazu gehört dock unter asten Umständen eine Negierung, gegen dir ma„ Opposition machen kann. Wenn aber die nicht zu fin den ist, was dann? Kann keine Negierung gebildet werden, dann haben wir den Verfall der parlamentarischen Demokratie und spielen das Spiel der Diktatur und des FaschiömnS. Bon einigen Partcibczirken nnd Parteiblättcrn wird ein au si c r v r d c n t l i ch c r Parteitag gefordert, um diesen ganzen Fragenkomplex zu besprechen. Aster Wahrscheinlich- Bcrlin, 1. Juni. Wie aus Belgrad gemeldet wird, hat der italienische Gesandte in einer nencn Note, die ultimativen bharaktcr trägt. Genugtuung verlangt, in Form von Bc st r a s u n g d c r B c a m t c n, die für die Nichtverhindernng der Demonstrationen verantwortlich sind, sowie Schaden ersatz an die italienischen Staatsbürger in Südslawien, die durch die Demonstrationen geschädigt wurden. Die italienische Note soll u. a. daraus Hinweisen, das, die Italienisch-südslawischen Beziehungen bei Nichterfüllung dieser Forderungen in kürzester Zeit schwer beeinträchtigt würden. Fm Gegensatz zn dieser Meldung behauptet der Belgrader Berichterstatter der Londoner „Times", das, die neue italienische Note zwar Genngtnnng nnd Entschädigungen ver langt, aber nicht ultimativ sondern in freundlichem Tone tichalte» sei. Die Note gebe der Hoffnung Ausdruck, dast keine weiteren Zwischenfälle dieser Art die frenndschastlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern stören möchten. Die Antwort der jugoslawischen Negierung an Italic» wird, wie der Berichterstatter weiter meldet, im Lanfe des heutigen strciiag ansgesetzt werden. Angesichts des verbindlichen koncs der italienischen Rote hält man es für möglich, das, den italienischen Forderungen nachgckommen werden könne, vdne de» jugoslawische» Rationalstolz zn demütigen. Das Delarader Kabinett stellt die Verlrauensfrage. Belgrad, I. Juni. Mit Spannung winde die gestrige Bost- is?ung des Klubs der Radikale» erwartet. Ans der Tagesvrd »una stand die Aussprache über die Anklageschrift gegen die Ne- »ürnna und über die Bertranenslrage siir den Ministerpräsi- -^-nen Wnkilschewltscb, Wukilschrivitsch gab einen Nüekbltek über ir Tätigkeit des Kabinetts nnd verlangte die Abstimmung in ir: Bertranenssrage Die Abstimmung ergab St» Stimmen sit» ut 1Z Stimme» gegen Wnkttichewitsch. kcit nach würde dieser Parteitag zu dem Schlnf, kommen, das, er der nengcwähltcn sozialdemokratischen Fraktion die Bcrantwortung nicht abnehmcn kann. Ter „Vorwärts" schlicht seine sehr aufschlußreichen Darlegungen, die erneut bestätigen, daß die Bildung der Negierung überaus schwierig und langwierig sein wird, mit dem Satze, daß die Fraktion zn entscheiden haben werde, und daß sie sich bei ihrer Entscheidung von dem Wunsche, den arbeitenden Massen mit allen Kräften zn dienen, leiten lassen werde. Aus diesem Wunsche und der init ihm verbundenen Wiedereinführung des schematischen Acht stundentages, neuer Lohnerhöhungen usw. dürsten sich wahr scheinlich die Schwierigkeiten ergeben, die. wenn nicht schon die Bildung, so doch ein längeres Amtieren einer Großen Koalition unmöglich machen, da sich gerade die Deutsche VolkS- parlet als die Wahrerin nationaler Interessen gegen solche Wünsche lebhaft wird wenden müssen. Wie jetzt mitgetcilt wird, hat sich der Neichstagspräsident Löbe nach seinem gestrigen Besuch beim Reichspräsidenten von Hindcnburg a n ch z u m N c i ch s a u ß e n i» i n i st e r T r. Stresemann begeben. Ter Besuch hätte eigentlich dem Rekonvaleszenten gegolten und sei schon mehrere Tage vorher angckündigt worden. Bon den Berliner Blättern weiß die „Bossische Zeitung" eingehend über diesen Besuch bei Dr. Stresemann zu berichten. Sie teilt u. a. mit: „ES konnte selbstverständlich nicht ausblciben, daß bei diesem Kranken besuch auch von Politik nnd vor allem von den bevor stehenden Verhandlungen über die Negierungsbiköirng ge sprochen worden ist. Der Inhalt der Unterredung zwischen Stresemann und Löbe ist natürlich nicht bekannt, aber man geht wohl nicht fehl in der Vermutung, das, die Sozialdemo kratie. die bei der Regierungsbildung die führende Nolle spielen soll, ans das Verbleiben Strcscmanns als Außen minister im künftigen Kabinett großen Wert legt und das, dies auch in irgeudeiner Form dem Neichsanßcnminister bereits zur Kenntnis gebracht worden ist. Es liegt nahe, daß Dr. Stresemann aus eine solche An deutung hin erklärt haben dürste, er könne als Führer der Deutsche» Volkspartei «„möglich in ein ausgesprochen par lamentarisches Kabinett alS eine Art Fach minister ein- trcten, sondern nur dann, wenn seine Fraktion der Negic- rnngsko lition angchöre. Wie mir von unterrichteter Sette dazu noch erfahren, dürfte diese Darstellung, insbesondere die Betonung, daß Dr. Slresemann nicht als sogenannter Fachminister, sondern als Führer und Vertreter seiner Partei dem Kabinett an- gehörcn will, zutrefscnd sein. Witt Tschangliolin Peking verlei-igen? Unklare Meldungen. London, 1. Juni. Die japanischen Behörden sind auf Grund der gestern aus Peking in Tokio eingctroffenen Mit teilungen der Ansicht, daß Tschangtsolin im Gegensatz zu dem ihm von maßgebender japanischer Leite gegebenen Rat ent schlüsselt ist, Peking zu verteidigen. Die Verzögerungen bei seinem Rückzug werden als Selbstmord bezeichnet. Der Ein zug der Südarmecn in Peking ist nur noch eine Frage von Tagen. Tschangtsolin hat einen dringenden Veschl an seine Generale gesandt, sich ans Tientsin ziirückzuziehcn, voraus gesetzt. daß der Rückzug in geordneter Weise durch die aus ländische Zone erfolgen kann. Die japanische Botschaft in Peking vertritt die Ansicht, daß die Ueberiragnng der Macht Tschangtsvlins an eine» der Beselilsliaber der Südarmecn friedlich erfolgen wird nnd daß die Ausländer keines be sonderen Schutzes bedürfen. Irlands Ankworl an Kellogg. London. 1. Juni. Die Regierung des irischen Frei staates gibt ibre Antwort auf die Kelloggnote bekannt. Sie be- grüßt die amerikanische Einladung herzlich und ist in vollem Einverständnis mit dem Hauptgrundiatz des Bertragsentwurss. von dem sie erbosst, daß er die friedliche Regelung künstigcr internationaler Sireiligkeiien sichern werde. Die Rcqiernng des irischen Freistaates nimmt die Einladnna der amerika nischen Regierung, gemeinsam mi, den anderen Staaten Bcr- handlnngsteilnekmer z« werde», ohne Vorbehalt an. Bon de» britischen Dominions baben auch Neu seeland und K a » a d a der amerikanischen Regierung ihre Znstimmnng z» den Kriegsverzichtspaktoorschlägen Kelloggs mitgeteilt. Die Antwortnote der neuseeländischen Reaiernng spricht tu allgemeiner Form die Zustimmung zn den Kellogg- schon Pläne» und die Bereitwilligkeit zur Teilnahme an weiteren Verhandlungen ans. Abreise ber deutschen Delegation nach Elens Die deutsche Delegation für die Jnnitaguna des Bölkerbnndsrates unter Führung von Staatssekretär von Schnbert wird am Freitag- abend gegen 8 Uhr Berlin verlassen. Wttkins über seinen Nordpolslug. «Draht Meldung unserer Berliner Schrtsllettung.1 Berlin, 1. Juni. Die „Internationale Stndiengesellschaft zur Erforschung der Arktis mit dem Luftfahrzeug" ver. anstallctc am Donnerstagabend zn Ehre:- der beiden Nordpol- sltcger Wilkins nnd E y e l s o n eine Festsitzung im Plenarsitzungssanle des Preußischen Landtages, bei der Kapitän Wilkinö über seinen Nvrdpvlslug und dessen wissen schaftliches Ergebnis sprach. Die Nordpvlslieger wurden bei ihrem Erscheinen ans der Präsidententribüne mit lebhaftem Beifall begrüßt. Prof. Wege ner dankte ihnen, daß sie der Einladung der Gesellschaft gefolgt seien, und gab dann ein Telegramm Fritjof Nansens bekannt, in dem dieser bedauert, daß er Wilkins und Eyclsvn nicht persönlich den Dank für ihre große Tat znm Ausdruck bringen könne. Der Redner erinnerte an das Schicksal Nobiles nnd betonte mit besonderem Nachdruck, daß. selbst wenn er ein Opfer seines kühnen Forschergeistes geworden wäre, sich doch immer wieder Menschen finden würden, die sich durch nichts nbhaltcn lassen, in unentdccktc Gegenden vorznsloßen, um der Wissenschaft zn dienen. Solche Männer der Tat seien auch Wilkins und Eyclsvn. Geheimrat Prof. Hellmann. der Ehrenpräsident der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, die vor einigen Tagen aüläßUch ihrer Hundertiahrscicr Kapitän Wilkins die Karl- Nitter-Medaitte verliehen hat, überreichte dem Nvrdpolflieger unter stürmischem Beifall der Fcstversammlnng diese Aus- zeichnniig. Hierauf ergriff Kapitän Wilkins selbst das Wort, um in englischer Sprache den Fing und dessen wissen schaftliche Ergebnisse zu schildern. Kapitän Wilkins erwähnte zunächst, daß er vor drei Jahren zum ersten Male von ber Aervarkiik gehört nnd damals beschlossen habe, ihr seine Dienste und Erfahrungen zur Verfügung zn stellen. Wilkins betonte dann, daß er bereits vor Jahren mit Byrd und General Nobile die Möglichkeit eines Polarslngcs erörtert habe. Zur Ausführung der Expedition seien bereits im Jahre I»2ö kleine Expeditionen gemacht worden, um die meteorologischen nnd sonstige» Verhältnisse in der Polar- gcgend slistematisch zu erforschen. Im ganzen sind zwölf dieser kleineren Fahrten gemacht morden. Ans ihnen hatte man die Ucbcrzciignng gewonnen, daß der Frühling die geeignetste Zeit für eine N v r d p o l e x p c d i t i o n sei, da in den Sommermonaten dichte Nebel die Polar- gcgcilöcn bedecken. Zur Vorbereitung sei man mehr alS 7,00 Meilen von Point Varrom hinauSgcflogen, um auch fest- znstcllcn, ob eine Landung ans dem Eise, die man zunächst für unmöglich hielt, vvrgenvmmen werden könnte. Die Expedition habe vor allen Dingen die Ausgabe gehabt, fest- znstellen, ob sich in der Pvlargcgend Land vcfindct. Wilkins betonte sodann die Notwendigkeit, um den Pol einen Ring von meteorologische» Stationen anznlegcn. Er machte sodann interessante Mitteilungen über die wissenschaft lichen Ergebnisse, Tiefenlvtnngcn und meteorologischen Fest stellungen, die bei den Vorcxpeditivnen gemacht worden sind, mangels geeigneter Apparate aber erst bet der letzten Expedition vervollständigt werden konnten. Besonders inter essant gestaltete sich die Schilderung von der Landnng bei der ersten Expedition, ivo die Maschine wegen Brcnnstosf- mangels nicht ivciterfliegcn konnte und Wilkins 18 Tage zu Friß durch die Eiöwüstc wandern mußte Er wicS darauf hin, daß ein Nordpolflug ans das sorgsamste vorbereitet werden müsse und daß die Teilnehmer einer solchen Expedition auch aus die Möglichkeit gefaßt sein müßten, sich tagelang durch das Eis hindurchzu- arbciten. Wilkinö meinte, wenn er nicht mit Stcphenson jahrelang vorher derartige Eiswandernngen vorgenommen haben würde, hatte er kaum die Strapazen anshalten können. Es sei ein Wahnsinn, ohne völlig genaue Kenntnis der meteorologischen nnd sonstigen Verhältnisse eine Expedition in die Arktis zn unternehme». Auch über den geglückten Flug von Point Barrow nach Spitzbergen machte Kapitän Wilkins sehr interessante An- gaben. Vor allem schilderte er die außerordentlichen Schwierigkeiten, die das Flugzeug zu überwinden hatte. Man war ans dichte Nebelwände gestoßen, die man nicht ohne eine große Kursabweichung hätte »insliegcn können. Obwohl man lange Zeit ohne Sicht geflogen war, hielt die Maschine in folge der genau arbeitenden Apparate jedoch fast richtigen Kurs. In Richtung Grönlands war besonders schlechtes Wetter gemeldet worden nnd durch die Wolken war über haupt nichts zn sehen. Gerade wollte man »mkehren, alS Witkins rief, daß man sich über Kap Columbia, der Nord- kilste von Grönland, befinde, also völlig korrekt geflogen war. Bei Svitzbcrge» erlebte man einen so katastrvpbalcn Sturm, wie man ihn dort überhaupt selten zu spüren bekommt. Ein Mann, der dem Flugzeug cntgegengelchickt wurde, kam um. und zwei Jäger liege» infolge des Stnrmes jetzt noch im HvspitalZ Trotz allem sei es aber gelungen, glatt zu landen. Die Expedition habe ein Material an wissenschaftlichen Fest« stellnngcn gezeitigt, das für spätere Expeditionen sicherlich von großem Wert fein werde. Mit besonderer Genugtuung stellte Wilkins fest, mit welcher Sorgfalt die Aeroarktik die Erforschung des Polargebietes oorbereite. Die Versammlung dankte Wilkins für keine AuS- siibrungen mit lebhafteste», Beifall. Prof. Wegener teilte in seinem Schlußwort mit. daß die Aeroarktik Wilkins und Evelson z« ihren ersten Ehrenmitgliedern ernannt Hab«. Neue Verhandlungen zwischen Rom und Belgrad. Ultimalum oder nicht?