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84» LMKilW M AWn AaatzkitNs Nr. 187. zu Nr. 29S de» H-uptblatteS. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe: RegterungSrat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 11V. Sitzung von Freitag, den 19. Dezember.) Ministerialrat o,. Künller: Meine Damen und Herren ! Ich kann daraus nur antworten, daß dem Innen ministerium von schikanöser Anwendung dieser Vor schriften bisher nichts bekannt geworden ist und das; wir überhaupt nicht verstehen, wie jemals zu einer solchen schikanösen Handhabung überhaupt eine Gelegenheit geboten gewesen wäre. Meines Wissens ist allen An trägen, die, seitdem ich damals selbst diese Erklärung im Landtag abgegeben habe, gestellt worden sind, auch Folge gegeben worden. Wenn es den Herrn Antrag steller beruhigt, so kann ich erklären, dass das Ministerium des Innern das Seine tun wird, wenn es einmal die Möglichkeit gibt, die Wassen für diese Ehrensalven zu fühen, daß dann auch keine schikanöse Hanohabung dieser Bestimmung Platz greift. Abg. Böttcher lKomm.): Die deutschnationalen Wehrwölfe treten hier wieder einmal im Schafspelz auf. ES handelt sich bei der ganzen Angelegenheit natürlich um nichts anderes als um die legale Bewasf- nung des Bürgertums. Tie Kriegervereine sind nur ein Mittel für diese Bewaffnung der Bourgeoisie gegen die Arbeiter. Die Frage ist deshalb eine hoch politische Frage. (Zuruf bei den Dtschnat.: Bei uns nicht!) Die Kciegervereinc sind ja die letzten Bestand teile des monarchistischen Systems (Abg. Siewert: Sehr richtig!), in ihnen sammelt sich alles, was auf dem Boden der alten monarchistischen Staatüsorm steht. Ich will nur der Klarstellung halber hier die Aus sührungen des Abg. Grellmann zurückweisen, daß sich in den Kriegeroeremen Mitglieder aller Parteien sammelten. Das ist eine Lüge. (Wider'pruch rechts.) Es gibt keine Mitglieder der Kommunistischen Partei m den Kriegcrvereinen. (Lebhafte Zurufe rechts und links. — Abg. Grellmann: Nein, die werden heraus geschmissen! — Zuruf rechts: Die haben ja ihre eigenen Kriegervereine!) Daß es Sozialdemokraten in den Kriegervereinen gibt, ist uns ohne weiteres verständlich, denn die Sozialdemokratie gehört ja zum bürgerlichen System, trotzdem daß heute die Sozialdemokratie mit samt den Demokraten und dem Zentrum einen Krieger- vercin schwarz-rot-golo aufgemacht hat, also gewisser- maßen ein Konkurrenzunternehmen für den schwarz, weiß-roten Kriegerverein, kann es sehr gut möglich sein, daß sich sozialdemokratische Schafe noch in einem kchwarz-weiß-roten Kriegerverein verirrt haben statt in den senf-rot-schwarzen Kriegerverein. (Lebhafte Entrüstungsrufe bei den Dem. — Abg. vr. Seyfert: Herr Präsident, das beanstanden wir!) Die Regierung hat erklärt, drß die alte Verordnung bereits in der Praxis aufgehoben ist und daß die Kricgervereine bei Begräbnissen usw. Ehrensalven abgeben können. Ich bezweifle sehr stark, ob überhaupt jemals die Verord nung der Regierung, betr. die Ehrcmalven, in der Praxis durchgeführt worden ist; wir kennen wenigstens keine Fälle, wo gegen die Übertretung dieser Verordnung eingeschritten worden wäre. Wir protestieren dagegen, daß die Regierung die Durch führung dieser Verordnung nicht überwacht hat; sie hat sich direkt strafbar gemacht, weil sie eine bestehende Ver ordnung nicht eingehaltcn hat (Lachen in der Mitte.), ohne daß diese Verordnung aufgehoben worden ist. Wir möchten bloß einmal sehen, wenn es sich um eine Verordnung gegen einen Kommunisten handelte, wie die Regierung da dafür sorgen würde, daß die Verordnung bis aufs i-Tüpfelchen von den unteren Behörden und den unteren Organen durchgcführt wird. Diele Privi legien, die hier einer bestimmten reaktionären Be völkerungsschicht gewährt werden, weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück und verwahren uns dagegen. Stellv. Präsident vr. Hübschmann: rügt den Aus druck des Vorredners „senf-rot-schwarz" als unan gemessen. Ministerialrat vr. Künttcr: Ich dar, ganz kurz auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Böttcher erwidern, daß die Regierung bereits früher jene zu Recht bestehende Verordnung nicht angewendet und damit das Recht verletzt und sich sogar strafbar gemacht habe. Das rst durchaus nicht richtig. Bis zu dem Zeitpunkte, wo die Regierung hier im Landtage die Erklärung abgab, daß sie bereit sei, die Ehrensalven mit Rücksicht auf den alten Brauch wieder zuzulassen, ist diese Verordnung von 1922 in der Tat in allen Fällen durchgesührt worden. Das Verbot der Ehren- salven ist bis dahin aufrecht erhalten worden. Anderer seits war die Regierung durchaus in der Lage, und cs ist nicht richtig, wenn Herr Abgeordneter Böttcher an- nimmt, eS bedürfe da eines Beschlusses des Landtages, der nun die Verordnung von 1922 aufhebt, damit die Ehrensalven wieder zulässig seien. Es war eine im Interesse de« öffentlichen Sicherheit und damit inner halb der Befugnis der Polizeiverwaltung erlassene Verordnung des Ministeriums, durch die die Ehrensalven beschränkt und demnach diese Beschränkung wieder aufgehoben worden ist. Da- Ministerium ist an sich durchaus zuständig, auch von der Verordnung, die eS, wie gesagt, selbst erlassen hatte, seinerseits wieder abzugeben; und eS hat bei den Verhandlungen des Landtages Anlaß genommen, da- in dem hier näher bezeichneten Umfange zu tun Von einer Ver letzung des Rechtes und davon, daß di« Regierung sich wegen einer solchen Maßnahme strafbar gemacht hätte und daß eS jetzt eines ausdrücklichen Beschlusses des Landtages bedürfe, der die Verordnung aushebe, kann darnach keine Rede sein. Abg. Edel (Minderh. der Soz.): Ich will nur kurz auf die Ausführungen des Herrn Vorredners bemerken, daß wir gewünscht hätten, daß er dieselbe Argumentation, die er eben gegeben hat, auch gegenüber der Deutsch- nationalen Fraktion bei der Behandlung der Amnestie- frage gestern zum Ausdruck gebracht hätte, daß ein Ver- sehen und Unkenntnis für Arbeiter m derselben Weise geltend gema. ,t worden wäre, wie es hier be» der Frage des Waffentragens und bei der Abgabe von Ehrensalven geschehen ist. Wir sind nicht der Auffassung, daß die militärische Spielerei, die sich hierin mehr oder weniger ausdrückt, von uns oder von der Arbeiterschaft unter- stützt werden kann Ich gebe allerdings zu, daß sich schließlich in diesen Vereinen noch Arbeiter befinden, das ist aber nur ein Grund mehr für uns, abzulehnen, daß sich in dieser Form, wie es in diesen Vereinen ge schieht, militärischer Geist breit machen kann. Herr Abg. Böttcher hat, wie das immer bei den Kommunisten üblich ist, an unserer Partei nicht vorüber- gehen können, ohne sich an ihr zu reiben. Wir sind der Meinung, daß die Kommunisten alle Veranlagung hätten, über die Verbindung mit militärischen For mationen nachzudenken, etwa mit den Teutschvölkischen. Uns treffen diese Anwürfe der Kommunisten nicht. Wir haben zn erklären, daß wir nicht der Auffassung sind, daß der werktätigen Bevölkerung damit gedient ist, daß die alten Militärvereine weiter gefördert werden oder gar Waffen bekommen. Soweit die Ehrensalven in Betracht kommen, geben wir zu, daß es sich um eine alte Tradition handelt, aber anderseits sind wir der Auffassung, daß man die Opfer des Krieges am besten ehrt, wenn man ihre bzw. ihrer Hinterbliebenen Lage verbessert und dafür sorgt, daß sie eine erträgliche Existenz haben. Hierauf wird der Minderhcitsantrag mit 31 gegen 27 Stimmen abgelchnt (Bravo! bei den Ttschnat. —j Abg. Renner: Es lebe der Kriegerverein!) und der An trag Grellmann in der abgeänderten Form: die Negierung zu ersuchen, die Verordnung, betr. das Verbot des Waffenfühlens der Militärvereine zur Abgabe von Ehrensalven bei Begräbnissen un verzüglich aufzuheben. mit derselben Mehrheit angenommen. Tie Eingabe der Vereinigung vaterländischer Verbände in Aue wird einstimmig für erledigt erklärt. Punkt 11 der Tagesordnung: Zweite Beratung über den Antrag Nr. 759 der Abgg. vr. Kretschmar, Hofmann u. Gen , die Aufhebung des Verbots der Teutsch-völkischen Freiheitspartei und der Na tionalsozialistischen Arbeiterpartei betr. (Münd- licher Bericht des Rechtsausschusses, Drucksache Nr. 812.) i Berichterstatter' Abg. Gündel (Ttschnat.) beantragt, da das Verbot ausgehoben ist, den Antrag Nr. 759 durch die inzwischen erfolgte Aufhebung des Verbots dieser beiden Parteien für erledigt zu erklären. Der Antrag wird einstimmig angenommen. Punkt 12, 13 und 14 der Tagesordnung werden zusammen beraten: Pu.nkt 12: Erste Beratung über den Antrag des Abg. Bertz u. Gen. die Entfernung der Hipo von Limbach usw. betr. (Drucksache Nr. 851) Punkt 13: Anfrage des Abg. Bertz u. Gen., Auf treten der Hipo in Limbach betr. (Drucksache Nr. 977.) Punkt 14: Anfrage des Abg. Hofmann u. Gen., Terror der Kommunisten in Limbach betr. (Truck- fache Nr. 823.) Der Antrag Nr. 851 lautet: In Limbach wurden am 28. Mai 1924 nach der Stadtverordnctensitzung die Tribünenbesucher auf dem Heimwege von der Hipo wie von einer Räuber bande mit entsichertem Gewehr überfallen und miß handelt. Als die kommunistischen Stadtvcroidueten am Ausgang de- Lokal-erschienen, stürzten auf Komnzando des führednen Offiziers zirka R) Mann mit entsichertem Gewehr wie Wegelagerer aus den Anlagen mit dem Rufe hervor: Jetzt kommen siel Stadtverordnete wurden beleidigt, mißhandelt und i» Flintenkolben traktiert. Nach Feststellungen ist die Hipo von Unternehmern gerufen worden, dem die Hipo ohne jeden Anlaß nachgekommen ist. Der Landtag wolle beschließen: die Hipo von Limbach zu entfernen und die Schul digen zu bestrafen Tie Anfrage Nr. 823 lautet: Nach unS gewordenen zuverlässigen Mitteilungen entfaltet die Kommunistische Partei in Sachsen neuer dings eine ganz besonders lebhafte terroristische und aus Unisturz gerichtete Tätigkeit; gegen Limbach hatte sie für 18. Mai einen Handstreich mit bewaff neten Banden geplant und vorbereitet; die Kommu nisten spielen sich als Herren der Lage auf, ver hindern Festlichkeiten national gerichteter Kreite; die Regierung läßt sich durch das gewalttätige Austreten der Kommunisten — anstatt ihnen energisch entgegen zutreten — bestimmen, solche Festlichkeiten auch dann zu verbieten, wenn öffentliche Umzüge nicht geplant sind. Wie will die Regierung ein solches Kapitulieren vor dem Terror der äußersten Linken rechtfertigen? Erkennt sie nicht, daß sie damit das Machtbewußtsein der Kommunisten stärkt? Kann die Regierung etwa mit den ihr zu Gebote stehenden Machtmitteln die Aufrechterhaltung der Ordnung in Sachsen nicht mehr gewährleisten? Was gedenkt sie in diesem Falle zu tun? Abg Granz (Komm. — zur Begründung von Nr. 851): Wir haben unseren Antrag Nr. 851 deshalb gestellt, weil die Hipo im Jndastricbezirk Lnnbach und die Behörden sich Ungesetzlichkeiten haben zuschulden kommen lassen. (Abg. Vr. Tchne: Oho!) Zeitweilig war das Verhalten der dort stationierten Hipo genau so, als wenn der verstärkte Belagerungszustand über den Industriebezirk Limbach verhängt worden sei. (Zuruf rechts: Das war woh! auch nölig!) Schon ein mal hat sich der Landtag mit dem Ind istricbezilk Lim bach beschäftigt. (Abg. vr. Dehne: Leider!) Ich er innere an den Hnnnenzug der Reichswehr in Sachsen. (Abg. vr Dehne: Hört, hört!) Kaum war die Reichs wehr von Limbach wieder abtransvortiert (Abg. Kaula: Ta ging dr Teufel wieder los!), so wurde neues Militär hingebrachl. Ter Einfluß der Kommunisten sollte im Jndustriebezirk Limbach gebrochen werden. Tas war die Absicht. In allen Orten des Jndustrie- bezirkes Limbach ist die Kommunistische Partei die stärkste Partei. Es sind bis zum Einmarsch der Reichs wehr und bis zur Stationierung der Hipo im L>m- bacher Jndustriebezirk keine Ausschreilungen vorgekom- men. (Abg. Siewert: Sehr richtig!- Tas muß besonders hervorgehoben werden. Es gilt nicht der Grund, den man immer anführt, daß die Arbeiterschaft Veran lassung dazu gegeben hätte, sondern man wollte dort den Einfluß des Proletariats ganz erheblich ichwächen. Redner schildert die großen sozialen Unterschiede im dortigen Jndustriebezirke: aus der einen Seite der un geheuere Wohlstand der dortigen Unternehmer, auf der anderen Seite das Elend des dortigen Proletariats; es ist festgestcUt, daß fast in keinem Jndustriebezirke die Lungentuberkulose unter den Prolctarierkindcrn so grassiert wie dort. (Hört, hört! links.) Im Jahre 1923 hat das dortige Industrie-Proletariat geichlosscn erne ganze Woche im Generalstreik verharrt wegen der niedrigen Lohne, ohne daß cs von den Gewerkschaften oder von einer Seite unterstützt wurde Ter größte Teil der dortigen Unternehmer wollte die Lohnforde rungen bewilligen, aber Scharfmacher verhinderten dies. Man benutzte diese Sache, um nachzuweisen, es ser ein Terrorismus der Kommunisten schuld daran. Nun ist verschiedentlich in Betrieben wie im Stadtverordneten- kollegium über die Frage der Beseitigung der H po aus Limbach beraten und auch beschlossen worden. Im Sladtvcrordnetenkolleglunr sind einige Male Anträge angenommen worden, die die Beseitigung der Hipo forderten, die bürgerlichen Parteien haben dagegen ge stimmt, aber Kommnnistcn und Sozialdemokraten haben dafür gestimmt, daß die Hipo, die nichts wie Unfug dort getrieben hat, beseitigt werden soll. Leider waren cs die EPT.-Stadträte, die im Ratstollegium dann für die Beibehaltung der Hipo stimmten, während die Fraktionskollegen der SPD. im Stadt Verordnetenkolle gium für die Beseitigung stimmten. (Abg Renner: Tas ist wahrscheinlich auch die 6 Mann-Fraklion!) Redner führt dann eine Anzahl Fälle auf und belegt sie durch Vorlesung von Briefen, in denen sich die Hipo seiner Meinung nach schwere Nbergrrfie gegen die Arbcitcrbevölkcrung habe zuschulden kommen lasten. Tie Arbeiterschaft der größten Betriebe des Bezirkes, hat zu den skandalösen Vorgängen Stellung genommen. Tie Resolution der Belegschaft der Firma Max Wünschmann, Limbach-Nußdorf, lautet: Tic heute am 4. 6 1924 stattfindcnde Betriebsver sammlung der Firma Max Wünschmann, Limbach- Rußdorf, erhebt schärfsten Einspruch gegen das brutale Auftreten der Hipo. In der letzten Stadlvcrordncten- I Versammlung hat selbige sich gegen friedliche Bürger unwürdig benommen. Taher fordert die gesamte Belegschaft wsortigcn Abzug derselben. Ferner verurteilt die Arbeiterschaft das von dem SPD.-Stadtrat und Polizei-Tczerncnt Fritzsch pro vokatorische Benehmen schärfsten- >nd fordert so fortige Amtsenthebung. Der Betrieb hat 800 Mann Belegschaft. Ich will gleich erklären, daß der SPD.-Stadtrat Fritzsch, ein Duz bruder de- Minister- des Innern Max Müller, sich jede Schweinerei dort erlaubt und mit der Hipo ge meinsam diese Dinge noch propagiert. (Abg. Bethke: Es waren aber nur 15 Mann in der Versammlung an wesend!) Redner bringt dann erne Anzahl ähnlicher Reso lutionen von Betriebsversammlungen zum Vortrag.