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v, ,-.-j , ,l vrc-.'i: >'--1 j -. , ä- Nr. 139. Dttizehuter Jahr«. Montag, dr« 18. Mai 1868: ^scheint: Lagl'ch früh 7 Uhr. Inserate werden angeiivmmeu: I»s AbendS ü,Sonn» tags bis Mittags 1L Ubr: Maricnstratze 18. «nzeig. in dies. Blatte Hute» eine erfolgreiche Prrbreitung. Auslage: IS,««» Exemplar». ^koMtment: . Vierteljährlich 2-Ngr. bei unenIgeldlicherLir- serung in'« Hau«. Durch di« Liinigl. Post Vierteljahr!. 22'Z-Ngr. Einzelne Nummern I Ngr. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Arabisch. Inseratenpreis«: Aür den Raum einer gespaltenen Zeile: I Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile - 2 Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Likpsch H Neichardt. — Beranlwortlicher Rrdacteur: Julius Nkichardl. Dresden, dm 18. Mai. — I. K. H. die Frau Kronprinzessin besuchte am ver gangenen Sonnabend Mittag die Ausstellung der Herbert Kö- nigschen Aquarellen in Begleitung der Hofdame von Minckwih. Allem Anschein nach erregte die Ausstellung das Interesse und Wohlgefallen der hohen Frau, welche bekanntlich selbst sich mit Aquarell-Malerei beschäftigt. — — Abermals hat Se. K. H. der Kronprinz von dem hie sigen Hofinstrumentenmacher Herrn Kaps einen von den mei sterhaft gebauten kleinen Flügeln sich zu eigen ge,nacht, wodurch -Herr Kaps sich bekanntlich einen wohlverdienten Ruf erworben. — Es ist von Seiten einiger Regierungen der Versuch angestellt worden, in verschiedenen Expeditions-Bureau s weil» liche Beamte einzusetzen, cs scheint, wie ein Fall in Dresden zeigt, auch in Privatkreisen diese Ansicht Platz gegriffen zu ha ben, mit welcher eine Frau als Eontrolcuse angestellt ist und zwar von ihrem eignen Herrn Ehegemahl. Ein hiesiger Kauf mann gab einen Dienstmann einen Auftrag und erhielt für sein Geld als gewöhnliches Aequivalcnt die übliche Marke. In müßigen Stunden beguckt man sich manchmal solch' eine Marke und so studirte auch der Auftraggeber die seinige, welche die Bemerkung enthielt: „Beschwerden werden angebracht: Pill- nitzerstraße 11, im Hofe, 2 Treppen." Ein stilles Lächeln glitt jedoch über das Gesicht des Markeninhabers, als er ver nahm, daß die Frau oes Dienstmanns die Beschwerden über etwaige Nachlässigkeiten ihres Mannes cntgegennimmt. Die Rügen erfolgen also wahrscheinlich in obligaten Gardinenpre digten. — Von jetzt an findet im k. Belvedere alle Montage auch noch ein Doppelconcert von der Frankeschen Kapelle unter Leitung des Herrn Director Fritsch und dem Musikchor des Leibgrenadier-Regiments unter Leitung des Herrn Musikdirektor Kunze (Streich- und Harmonie-Musiki statt. Bei den Piecen, welche von beiden Ehören vereint vorgetragen werden, wird ein Streich-Orchester von 60 Mann wirken, welches man selten zu hören bekommt. — Herr Köhler vom Stadtthcater zu Frankfurt a.,M. begann vorgestern seinen Eintritt in das Personal der hiesigen Hofbühne mit dem Marcel in Mcperbeers „Hugenotten". Der geschätzte Sänger, welcher theilweis das Fach mit ausfüllen wird, welches bisher Herr Freny inne hatte, ist im Besitz einer außerordentlich schönen Baßstimme. Hat selbige auch nicht die volle Kraft, wie sie der des Herrn Scaria eigen ist, so wohnt ihr doch eine Lieblichkeit inne, welche wohlthuend einwirkt. Wir haben bereits im vorigen Jahre bei dem Gastspiel des Herrn Köhler über seine treffliche Begabung berichtet und be grüßen ihn nun als ein würdiges Mitglied unserer Oper für welche er sich unbedingt als eine Zierde erweisen wird. — Ist ohnehin schon von jeher die Beibehcrltung oder Abschaffung der Todesstrafe für jedes fühlende Herz eine Frage von höchster Bedeutung gewesen, so tritt uns die Beschäftigung mit dieser Frage jetzt nur um so näher, da dieselbe in kürze ster Zeit bei der Ersten Kammer der sächsischen Ständeversamm lung zum endgültigen Austrage gelangen wird. Die Staats regierung hat den Kammern eine hierauf bezügliche Gesctzesvor- lage zugehen lassen, mit welcher auch die Zweite Kammer be reits einverstanden gewesen ist, und, wer das milde Herz unsres Königs kennt, wird, selbst ohne in das Sachverhältniß einge weiht zu sein, sich vertrauensvoll dem Glauben hingebcn, daß cs sich dabei um Abschaffung der Todesstrafe handelt. Glnch- wohl hat der Professor De. Kuntze zu Leipzig in einer neuer dings herausgegebenen Schrift der Beibehaltung dieser Strafe das Wort geredet. Nun könnte eü zwar auffällig erscheinen, gerade am Sitze der Theorie der Rechtswissenschaft in gegen wärtiger Zeit eine solche Stimme zu vernehmen, allein nach der oppositionellen Richtung, welche die politische Luftströmung aus dortiger Gegend bei regierungsseitig gegebenen Anlässen im Allgemeinen einzuhalten pflegt, darf auch diese neuerliche Wahrnehmung nicht Wunder nehmen. Dagegen hat denn der General-Staatsanwalt Dr. Schwarze eine von ihm bereits in der sächsischen Gerichtszeitung erschienene Abhandlung durch Be sorgung eines besondern Abdrucks mit der Bezeichnung: „Apho rismen" rc. der für — 10 Ngr. — im Buchhandel zu haben ist, dem größern Publikum zugänglich gernacht und cs wird die Lectüre dieser letztem Schrift, in der die Gründe für eine, den Umständen nach schon jetzt eingetretene Entbehrlichkeit der Todesstrafe, sowohl vom theoretischen als praktischen Stand punkte aus, auf eben so gediegenen, als leicht faßliche und an sprechende Weise entwickelt sind, Allen, denen die Aussöhnung unsrer Strafrechtspflege in einer das höchste Gut des Menschen betreffenden Angelegenheit mit den Forderungen der Jetztzeit ein inneres Bedürfniß ist, zur wahren Befriedigung gereichen. — Von den überaus günstigen Stellen, an welchen das Plakat Institut neuerdings Plakattafeln errichtet hat, verdient das Vestibüle des böhmischen Bahnhofs besondere Erwähnung. Die dort aufgestellten drei großen Tafeln zeichnen sich durch besondere Eleganz aus. Zur Aufnahme einer größem Anzahl von Plakaten werden die Tafeln, wo irgend möglich, durch größere ersetzt. — Referent, der in Folge seiner Beschäftigung seine Au gm überall hinlenken muß, sah am Sonnabend aus der Ma rienstraße einige alte Mütterchen im Schweiße ihres Angesichts der genannten Straße mit dem Besm in der Hand das Sonn tagskleid anziehen, d. h. sie von Wochentagsstaube und anderen materiellen Anhängseln zu reinigen. Es geschah dies nun frei lich in einer Weise, wie sie nur einem so alten Mütterchen mit schon ziemlich handfesten Urenkeln eigen sein kann; denn der „Stallbesen" glitt zwar über das Pflaster hin, aber es war mehr ein mütterliches Streicheln, als ein kräftiges Bear beiten, mehr ein „Komm her und thu' mir nichts, ich thu' dir auch nichts", als ein Straßenkehren. Dcr auffliegende Staub änderte nur, da ihn keine Wassersprengung festhicl', seine au genblickliche Lage, er schwebte in dcr ivarmen Maisonne nur einige Ellen weit hin, um bald wieder in behäbiger Ruhe sich niederzulassen, während welcher Zeit sich die gutmüthigen, fried lichen, redseligen „Mütterchens" die Dresdner Tagesneuigkeiten, oder auch die Erlebnisse ihrer längstvergangener Kinderzeit er zählten, in welcher noch weniger „gekehrt" wurde, als jetzt. Wie alt die städtischen, lebendigen Straßenreinigungsmaschinen waren, bewies die Antwort, die sie dem Referenten auf ihr Befragen: „Wo sie dafür bezahlt würden und wo sie ange stellt?' mit den Worten gaben: „Nu uf der Pärn'schen Gasse vom Straßenmeestcr, dcr is aber todt, nu kummt der Sühn dran!" Die „Pärn'sche Gasse" heißt aber schon längst Land hausstraße. Wenn es auch rührend ist, wenn man sieht, wie die alten Mütterchen durch Aufrühren des Staubes ein Paar Pfennige verdienen, so gehören allerdings doch rührigere Leute dazu, kräftige Arme, welche den Unarten des Straßenpflasters allwöchentlich mit der Striegel steuern. — Großenhain ist neuerdings wegen jener That wieder in Aufregung geralhen, über welche, obgleich bereits Jahre ver gangen sind, noch immer ein tiefes, undurchdringliches Dunkel herrscht. Es betrifft dies den Mord der Birnsteinschen Ehe leute. Auf die Entdeckung des Thäters wurden bekanntlich mehrere Hundert Thaler Belohnung gesetzt. Die Ermordeten wurden begraben und die Liebe dcr Hinterbliebenen schuf ihnen eine ehrenvolle, heilige Ruhestätte auf dem dasigen Kirchhofe, die durch ein großes, steinernes Kreuz geziert wurde. In der vergangenen Woche fand man dies sonst so feste und noch neue Denkmal umgestürzt und zerbrochen. Alan wollte nun hieraus folgern, daß der Mörder dies gethan und sich also noch in der Stadt befinde, und fand in dieser That einen weiteren Nacheact, da auch damals beim Morde nur Rache hervorzu leuchten schien, indem nichts dabei geraubt worden war. — Die dortige Polizeibehörde hat nun aber durch angestellte Er hebungen festgestcllt, daß der Zusammensturz und die Zertrüm merung des gedachten Kreuzes keineswegs durch äußere Gewalt erfolgt, vielmehr nach den Auslassungen des als sachverständi gen Zeugen abgehörten dasigen Bildhauer Sitte lediglich die Folge der fehlerhaften Construetion des Postaments und der Einwirkung der Witterung vornehmlich im Winter gewesen ist. Genannter Sitte hatte auch bereits länger als 8 Tage vorher Frostsprünge in dem Fuße des Kreuzes wahrgenommen, die Hinterlafsenen Birnsteins darauf aufmerksam gemacht und von diesen den Auftrag zur Reparatur erhalten. Der ganze Vorfall reducirt sich somit auf ein ganz alltägliches Ereigniß und bedarf die Thorheit, die vermeintlichen Urheber dcr Zer störung des Birnsteinschen Denkmals mit denen des Mords in Zusammenhang zu bringen, keiner weiteren Beleuchtung. — Tagesordnung für die 101. öffentliche Sitzung der Ersten Kammer, Montag den 18. Mai 1868, Mittags 12 Uhr: 1) Vortrag des Resultates des Vereinigungsverfahrcns bezüglich der Differenzen beim Berggesetzentwurs, eventuell 2) Adoptirte Berichte dcr Zweiten Kammer über a) die B.- Beschwerde von Ouerfurth's rc., das Verladen dcr Braunkohlen bei den Kohlenwerken bei Schmeckwitz rc. bctr., b( den Antrag des Abg. Riedel rc., Revision des Generale vom 24. Juli 1811 betr. — Tagesordnung der 155. öffentlichen Sitzung der Zweiten Kammer. Montag, 18. Mai 1868. Abends 6 Uhr. 1) Schlußbericht der 2. Deputation über den Rechenschaftsbe richt. 2) Mündlicher Bericht der 1. Deputation über die Ge- werbegesetznovclle. 6) Mündlicher Bericht derselben Deputation über die Localbauordnungen. Kleine Wochenschau. Also den nächsten achtzehnten August große Sonncn- finsterniß. In Deutschland bekommen wir freilich nichts da von zu sehen. Wir müssen uns hier mit den unterschiedlich anderweiten noch vorhandenen Finsternissen auf kirchlichem wie politischem Gebiete begnügen. Nun soll da- norddeutsche Par lament 6600 norddeutsche Thaler berappen, damit wir wissen schaftliche Männer nach dem heißen Aequator schicken können, woselbst die äußerst seltene Naturerscheinung zu schauen ist, um lehrreiche Beobachtungen anzustellen, wie auch die Engländer und Franzosen bereits Anstalten zu wissenschaftlichen Expeditio nen in dieser Beziehung getroffen haben. Selbst die päpstliche Regierung will diese Finsterniß nicht unbenutzt vorübergrhm lasten. Letzteres nähme weiter kein Wunder, da sich daS hierarchische Rom stets mehr für Verfinsterung, als für daS Licht interessirte. Doch kein leichtfertig Wortspiel, wo es sich um wahrhaft Gutes handelt. Diesmal verfolgt der heilige Vater wirklich einen wahrhaft wissenschaftlichen Zweck, wenn er seinen berühmten Astronomen zur Beobachtung der seltenen Sonnenfinsterniß abschickt. Nun und der große norddeutsche Bund mit sammt der Metropole der Intelligenz, wo man doch sonst nicht beutelfaul, wenn es sich um kostspielige Militär- zwecke handelt, wird doch nicht, wo cs sich um die erhabenste aller Wissenschaften handelt, hinter dem Papst in Rom zu- rückbleiben? Freilich wird mancher Weißbier- und Braunbierphilister fragen: Was? 6000 Thaler für eine Beobachtung, die nur wenige Minuten dauert, eine so weite Reise in ein stockfremdes Land? Da wollen wir doch warten, bis wir in Berlin eine solche Sonnenfinsterniß haben a lier mich Sonn' und Mord NM Himmel st-h'n, W-rs braucht man da darnach zu aeh'n?" Edler Philister, Du sprichst gerade wie Freund Hans in Tha randts Heilgen Hallen und Dein Weißbier ist wahrscheinlich schmackhafter, als Deine Weisheit. Bedenke, daß hundert Jahre und darüber ins Land gehen können, ehe eine Verfinsterung der Sonnenkugel durch den Mond in solchen: Grade für die Erde wiederkehrt, wie dieses Jahr. Das haben die Astronomen Alles ausgerechnet. Es handelt sich nämlich um wichtige Ent deckungen über die Sonnenatmosphäre und den Sonnenkörper überhaupt, wozu eine solche Mondbedeckung allein dkrs Mittel darbietct. England, Frankreich, Amerika, Rußland, Italien, Rom senden ihre wissenschaftlichen Missionäre nach einer Natur erscheinung, welche trotz ihrer nur minutenlangen Dauer allein geeignet ist, mehrtausendjähnge Räthsel zu lösen und der Wahr heit neue Bahnen zu brechen, und das Vaterland eines Kjo- pernikus, Kepler, Herschel, Vessel, Encke, Struve, Mädler rc. rc. — mit Ausnahme Keplers sämmtlich Nord deutsche — wollte Zurückbleiben? Nun und nimmermehr darf das geschehen. Der norddeutsche Reichstag, wenn er die mäßige Summe nicht bewilligt, nachdem er, wo sich's um das Militär handelte, mit Millionen nicht geizte, blamirte sich vor der ganzen civilisirten Welt. Er kann gar nicht Zurückbleiben, nachdem selbst der heilige Vater mit lobenswerthem Beispiel vorangegangen und nachdem selbst der Großsultan anfängt, politische Reden zu halten. Ja, auch der Sultan hat vorige Woche bei Eröffnung seines StaatSrathes eine Rede gehalten, die erste in seinem Leben und wohl im Leben aller Sultane. „Tic Rcbclust, bic alle Wcll bclcclt, Hnl bis zum Sultan sicb crslrcäi." Wo ging's heutzutage überhaupt ohne Reden ab. För- sterling hielt eine Rede in Pirna, Ludwig Napoleon eine in der Stadt Orleans und der Sultan eine in Konstantinopel vor dem versammelten Staatsrath. Seine Hoheit erklärten, daß man mit dcr alten Muselzeit brechen und sich mehr dem civilisatorischen Zeitalter anschließcn müsse. So schön und duld sam sprach sich der Beherrscher aller Gläubigen über Anders gläubige in seinem Reiche aus. Er achtet jeden Glauben und verspricht einem jeden seinen Schutz, an welcher aufgeklär ten rmd menschenfreundlichen Duldung sich mancher nord- und süddeutsche Zclot und Ketzerfresser ein gut Beispiel nehmen möchte. Kurz, trotz aller Finsternisse am Himmel und auf Erden gchr's immer vorwärts und wird es immer lichtvoller. Also auch der Pariser hat wieder eine Rede gehalten? Allerdings, und zwar in dcr alten Stadt Orleans, von welcher die Schillcrsche Jungfrau ihreir Namen her hat. Daselbst war große Industrieausstellung und man hatte den Herrn Emperör dazu eingeladen. Ganz Paris spitzte nun die Ohren, was der hohe Herr für einen Redeschwalls dem neugierigen Frankreich versetzen werde und ob es eine Friedensomelette oder ein mit Paprica gepfeffertes Eotelett werden würde. Die kurze An sprache war aber keins von beiden, ein Handschuh, der eben so gut für die rechte wie linke Hand paßt. Er lobte die Industrie, welche ein Product friedlicher Zustände sei und erinnerte zu gleich an die große Armee seines Herm Onkel. Die französischen Heeresrüstungen sind nun so gut wie beendet. Bei der letzten Zählung stellte sich sogar heraus, daß man 50,000 Chassepctsgewehre zu viel gemacht hatte. Viel Leute glauben daher an Krieg, Viele an Frieden. Wie es Jedem gerade in den Kram paßt; denn was man wünscht, daS glaubt man. Die neuorganisirte französische Kriegsmacht zählt dermalen, ohne die Nationalgarden, 750,000 Mann, der nord deutsche Bund jedoch 900,060. Wenn das nicht für dm Frieden ist, So «:iß man nicht, was lnsser ist. Man nennt diese hornnten Massen nach einem neueren Aut- !