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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. srei Haus, bei Posibestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Npfg. Alle Postanstalten und Post voten, unsere Austräger u. Geschäftsstelle, nehmen zu I-de-AeitBclt-llungen-nt. Wochenblatt für Wllsdrusf u. Umgegend gegen. Im Falle höherer Gewalt. Krieg od. sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter s ° - nsp - - ch - r: Ami »ilsdmll Rr. s S:LN"W!7. m an. ....... -n Nr. 29 — 92. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 3. Februar 1933 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Die Auslösung. Deutsche Reichstage haben seit Jahresfrist das Schick sal, daß ihnen eine nur sehr kurze Lebensfrist beschert ist. Eine der ersten Taten des Kabinetts v. Papen war es, den damals bestehenden, erst anderthalb Jahre alten Reichstag auflösen zu lassen und die Wahl eines neuen anzuberaumen. Am 31. Juli stieg dieser aus der Wahlurne, trat, wie es die Verfassung vorschreibt, vier Wochen später zusammen, aber hat es nur auf zwei Sitzungen gebracht, dann verfiel er — mitten in der zweiten Sitzung — der Auflösung. Sein Nachfolger hat es immerhin auf drei Sitzungen gebracht, ehe über ihn das gleiche Schicksal der Auflösung verhängt wurde; außerdem hat er etwas geleistet, zu dem sein Vor gänger gar nicht erst gekommen ist, nämlich die Arbeit seinerAusschüsse in Gang zu setzen. Dort wurden eine große Anzahl bisweilen sehr merkwürdiger Beschlüsse gefaßt, die nun natürlich hinfällig geworden sind. Trotz der Auf lösung bleibt aber dem Artikel 35 der Verfassung gemäß die Möglichkeit, daß der Ausschuß für auswärtige An gelegenheiten und außerdem noch der Ausschuß „zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung gegenüber der Reichsregierung" zusammentreten. Da nun von der Reichs-egierung der 5. März zum Wahltag für den neuen Reichstag bestimmt ist, so ist dies diedritteReichstagswahlbinnenJahres- srist. Da außerdem möglicherweise in allernächster Zeit auch eine Selbstauslösung des Preußischen Landtages er solgt, der damit auch nur ein, für heutige parlamentarische Verhältnisse immerhin recht „hohes" Alter von etwas mehr als neun Monaten erreicht haben würde, so ist für L'n 5. März auch schon, äußerlich gesehen, mit einem ' r o ß w a h l t a g" zu rechnen, weil Wohl anzunehmen ist, daß stn Falle der Landtagsauflösung in Preußen die Neu wahl auch auf jenen Tag gelegt wird. Und da wir im vergangenen Jahre am 13. März und am 10. April die Wahlen für den Reichspräsidenten zu vollziehen hatten, daneben auch in zahlreichen Ländern Wahlen zu Landtagen stattgefunden haben, hat wohl fast das ganze deutsche Volk binnen Jahresfrist bisher fünfmal gewählt und wird dies am 5. März zum sechsten mal tun. Wenn das Wort richtig ist: „Wer die Wahl hat, hat die Qual", — dann ist das deutsche Volk das gequälteste der Welt! Aber das ist viel mehr als nur eine „Äußerlichkeit"; das zeigt vielmehr, daß wir doch tatsächlich in einer Staatskrise mitten drin sind. Und am 5. März werden die miteinander in dieser Krise ringenden Kräfte vom deutschen Volk selbst auf die Waagschale gelegt werden. Trotzdem war die Reichstagsauflösung eine Überraschung. Man hatte im allgemeinen — nicht ohne Grund — an genommen, daß es zu einer Regierungserklärung im Reichstag, zu einer darauffolgenden Debatte und dann zu einer Ablehnung der bereits vorliegenden sozialdemo kratischen und kommunistischen Mitztrauensanträge kom men würde. Denn es hieß, daß das Zentrum, das bei einer Abstimmung über diese Mißtrauensvoten den Aus schlag geben müßte, sich die Erklärungen der neuen Regie rung anhören und ihr durch „Tolerierung", also durch Stimmenthaltung bei der Abstimmung über den Mitz- trauensantrag, eine Art „Anlaufsfrist" von einigen Monaten geben würde. Schon unter dem vorigen Reichs kabinett war ein nationalsozialistischer Antrag eingebracht, aber abgelehnt worden, den Reichstag bis zur Fertig stellung des Neichshaushalts durch das Finanzministe rium, also bis Ende Mai oder Anfang Juni zu vertagen. Das wurde vom Zentrum jetzt ausgenommen. Aber der Reichskanzler Hitler verlangte, wie bereits am Tage der Neichstagsauflösung mitgeteilt wurde, von den mit ihm unterhandelndes: Zentrumsvertretern, eine Vertagung des Reichstags voneinemIahr hinzunehmen. Auf die Frage, ob das Zentrum dies tun wolle, antwortete es mit der Aufstellung von 15 Fragen an den Reichskanzler über die Politik, die das neue Kabinett einschlagen würde. Diese Fragen, so erklärte die Regierung, seien so abgefaßt gewesen, daß sie eine Einigung zwischen ihr und dem Zentrum von vornherein ausschlössen. Dies also und die Weigerung, den Reichstag auf ein Jahr vertagen zu lassen, hat dazu geführt, daß der Reichskanzler und der Vizekanzler v. Papen in der Unterredung mit dem Reichs- Präsidenten diesen ersuchten, den Reichstag aufzulösen, »damit das deutsche Volk durch Wahl eines neuen Reichs tages zu der neugebildeten Regierung des nationale« Zu sammenschluffes Stellung nimmt". Vevwahlen in Kessen? Nationalsozialisten und Kommunisten beantragen Landtagsauflösung. Der Hessische Landtag ist auf Montag, 6. Februar, 12 Uhr mittags, zu einer Plenarsitzung einbernfen worden. Auf der Tagesordnung steht unter anderem ein nationalsozialistischer Antrag auf Auflösung des Hessischen Landtages und ein gleicher Antrag der Kommunisten. Von den 70 Mandaten entfallen auf die National sozialisten, Deutschnationalen und Nationale Einheitsliste 35, während die Kommunisten acht Sitze inne haben. Somit besteht die Möglichkeit, daß die Anträge auf Auslösung des Parlaments Annahme lindem Hitler vorm Reichsrat In einer ungewöhnlich stark besuchten Sitzung des Reichsrats stellte sich Reichskanzler Adolf Hitler den Mit gliedern des Reichsrates vor. Der Reichskanzler hielt vom Platz des Präsidenten folgende Ansprache: Meine Herren! Ich möchte Sie namens der Reichs- regierung begrüßen. Wir haben die Regierung über- nommen in der vielleicht schwersten Zeit der deutschen Ge schichte. Es gehört ein sehr großer Glaube dazu, in einer solchen Stunde nicht zu verzweifeln, sondern im Gegenteil mit Vertrauen und mit Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Die Gründe, die uns dabei bewegen, sind folgende drei: Einmal vertrauen wir auf die Kraft und den Fleiß des deutschen Volkes. Zweitens vertrauen wir auf die Fähigkeiten dieses Volkes und auf seine Genialität, die immer und immer wieder in der Geschichte Wege gefunden hat zur Lebensbehnuptiing. Schließlich sehen wir trotz all der Krise und trotz all der Katastrophen und Schwierigkeiten doch unverändert vor uns die deutsche Erde, den deutschen Lebensraum und deutschen Boden. Wenn es früheren Generationen möglich war, aus diesen drei Kraftquellen durcb wechselvolle Schicksale hin durch am Ende dieses große Reich zu gestalten, dann mutz es möglich sein, aus denselben Wurzeln auch dieselbe Größe wieder zu ziehen und auf einst wieder zu gestalten. Damit aber möchten wir nicht nur aufbauen auf diesen ewigen Fundamenten unseres völkischen Daseins, sondern selbstverständlich auch auf alledem, was sich im Laufe dieser langen Geschichte an Werken, an Traditionen usw. gebildet hat, und wir möchten diese Kraft und Tra dition nicht allein sehen auf dem Gebiete unserer Kultur oder gar unserer Wirtschaft, sondern selbstverständlich auch auf dem Gebiete unseres staatlichen Lebens und auch unse rer staatlichen Entwicklung. Wir möchten nicht über alles hinweggehen, was eine im Grunde genommen doch viel- hundertjährige Geschichte auch an einzelnen Bausteinen für dieses Reich geschaffen hat. Im Gegenteil! Wir wollen nicht etwa in den Fehler verfallen, zu reglementieren und zu zentralisieren, was man reglementieren und zentrali sieren kann, sondern wollen uns immer vor Augen halten, daß einheitlich das gemacht wird, was unbedingt erforder lich ist. Wir möchten dabei selbstverständlich gern auf die Mithilfe der Länder rechnen, möchten dabei gern nicht nur ideell, sondern auch tatsächlich unterstützt werden, genau so, wie wir entschlossen sind, alles zu tun, was geschehen kann, um diesen historischen Bausteinen der deutschen Nation und desDeutschenReiches auch die Leistungsfähigkeit zu erhalten. Ich glaube, das wird um so eher und leichter gelingen, je mehr Reich und Länder in der großen Erkenntnis der zwingenden Not unserer Zeit zusammenstehen. Was von uns und von mir aus geschehen kann, das soll und wird geschehen. Ich komme aus dem Süden, ge höre als Staatsbürger einem norddeutschen Staate an, fühle mich als Deutscher, lebe in der deutschen Geschichte und möchte nicht über die großen und historischen Taten und Leistungen dieser Geschichte blind hinweggehen. Ich möchte im Gegenteil alles das — das kann ich Ihnen ver sprechen — respektieren, was frühere Generationen auch in der geschichtlichen Bildung unserer Staaten an Leistungen vollbrachten in der Hoffnung, daß einst spätere Generatio nen vielleicht auch das respektieren werden, was wir selbst zu leisten gedenken. Der Reichskanzler fprnht zum deutschen -voiie. m-ickskanrler Adolf Hitler während seiner Rundiunlrede, die auf alle deutsche« Sender übertragen wnrd«. Ich begrüße Sie also, meine Herren, und bitte Sie aufs herzlichste um eine Zusammenarbeit in dem Sinne, den die Not der heutigen Zeit uns allen auferlegt. Oie Erwiderungsrede Brechts. Ministerialdirektor Dr. Brecht betonte in seiner Entgegnung auf die Rede des Reichskanzlers u. a.: Die Arbeit des Reichsrats ist durch einen, besonderen Umstand zur Zeit fühlbar beeinträchtigt. Durch das Vorgehen des Reiches in Preußen ist nicht nur das Verhältnis des Reiches zu Preußen, sondern auch zu den anderen Ländern in Mitleidenschaft gezogen. Der Reichsrat hat den Wunsch, daß diese anormale Lage so schnell wie möglich ver fassungsmäßig bereinigt wird. Sie haben, Herr Reichskanzler, den schweren Schritt vom Führer einer in starker Opposition gewachsenen Bewegung zum Leiter der Politik getan. Das ist — wir fühlen es alle — auch für Sie persönlich ein überaus ernster Entschluß, denn er bedeutet, daß Sie die schwere Pflicht übernommen haben, Ihre Kraft für das Wohl des ganzen Volkes einzusetzen, die Verfassung und die Gesetze zu wahren, die Ihnen da nach obliegenden Geschäfte „unparteiisch und gerecht" gegen jedermann zu führen. In diesen schweren Auf gaben wird Ihnen der ganze Reichsrat stets eine starke und verständnisvolle Stütze sein. Nach Entgegennahme der Erwiderungsrede Dr. Brechts verabschiedete sich der Kanzler, der seine Ansprache frei gehalten hatte. Entsprechend einer Anregung Dr. Brechts sagte am Schluß der Sitzung Reichsinnenministcr Tr. Fri ck die Zustellung des Regterungsaufrufes an die Reichsratsausschüsse zu. ' * Oie Sitzung -es Reichskabinetts. Das Reichskabinett trat am Donnerstag zu elner Sitzung zusammen. Es fand eine Aussprache über die all gemeine politische Lage statt. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Die Besprechung wird in den nächsten Tagen fort gesetzt werden. Ferner beschäftigte sich der Siedlungs- ausschuß mit dem Vollstrcckungsschutz. * Reichsminister Hugenberg über seine Ausgaben. Reichsminister Dr. Hugenberg übernahm die Geschäfte im Reichsministerium für Ernährung uns Land wirtschaft, Reichswirtschaftsministerium und im Reichs- kommissariat für die Ostbilfe. Uber seine Aufgaben äußerte sich der Minister dann in einer Ansprache an die zu seiner Begrüßung erschienenen Persönlichkeiten folgen dermaßen: Ich habe trotz der Schwere der damit verbundenen Aufgaben keine Bedenken getragen, gleichzeitig mehrere Ministerien zu übernehmen. Ich habe mich dazu ent schlossen im Interesse der Sache und unter einem psycho logischen Gesichtspunkt, der für uns alle von ausschlaggebender Bedeutung sein oder werden muß. Wir sind gewohnt, unser Leben so aufzufassen, als wenn zwischen den verschiedenen Berufen unseres Vaterlandes nichts bestehe als Gegensätze. So Wie wir gelernt haben, daß zwischen Arbeiterund Arbeitgeber eine unüberbrückbare Kluft herrsche, so sind wir auch mehr und mehr dahin gekommen, zu glauben, Industrie und Landwirtschaft, Mittelstand, Beamtenstand usw. sind im Grunde Feinde; der eine könne nur groß werden aus Kosten des anderen. Das ist eine Lehre, die namentlich durch den Marxis - mus in unsere Köpfe hineingeträuselt worden ist. So ist in Deutschland allmählich ein Kamps aller gegen alle entstanden. Die Bitte, die ich an die Herren zu richten habe, geht dahin: Lasten wir uns von der Tatsache durchtränken, daß im Grunde keinGegensatz zwischen den verschiedenen Berufsständen und Wirtschastskreiscn ist, sondern daß sie alle letzten Endes in den großen grundlegenden Interessen zusammengehören, und daß wir nur wieder groß werden können, wenn wir uns die Hand reichen und das Eint- gende und Verbindende sehen. * Unterredung mit ReiSMuzler Hitler im „Gimkle d'AM". Rom 2 Februar. Eine besondere Spälabendausgabe des Giornale 'd'Italia bringt eine Unterredung, die der Reichs kanzler Hitler dem Vertreter des Römer halbamtlichen Blattes gewährt bat.