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ÄckDMW M AchM Amlszeilmz Z zu Nr. 2S2 des Hauptblattes. 1922. Beauftragt mit der Herausgabe: Regierungsrat Brauhe in Dresden. LandtagsverhandlMgtn. (Fortsetzung der Sitzung vom 12. Dezember.) Präsident: Es sind hier zwei Anträge eingegangen, ,;i'nächst ein Antrag, der Landtag wolle beschließen, 1. in 8 1 nach dem zweiten Absätze folgenden neuen Absatz einzuschalten: Die Aufwandsentschädigung wird nur für volle acht Monate, November bis Juni, gewährt. Für Sitzungstage während der Ferien werden Tagegelder in Höhe von '/»- der monatlichen Aufwandsentschädigung gewährt. 2. den 8 7 der Regierungsvorlage wiederherzustcllen. gez.: Bültmann, Rammelsberg usw. Dann ein Minderheitsantrag zu Drucksache Nr. 45, I ctr. das Gesetz über die Aufwandsentschädigung, der Landtag wolle beschließen, die 88 4 und 7 unverändert nach der Vorlage anzunehmen. gez.: Ellrodt, Schneller. Abg. Rammelsberg (Dtschnat.): Wir wollen für die Tätigkeit der Abgeordneten keine Gehalte, sondern Auf wandsentschädigungen. Wenn das Gesetz so durchgeführt wird, wie es der Herr Berichterstatter vorgeschlagen hat, so kommt die ganze Regelung einer gehaltlichen Regelung gleich. Das ist der Würde und Arbeit eines Abgeordneten nicht entsprechend. Er arbeitet zum Wohle des Vaterlandes und nicht für Gehalt. Wir bitten Sic daher, den ersten Teil des Antrages, daß wir in den acht Monaten, in denen wir die Haupt sitzungen haben, eine Entschädigung bekommen, anzu nehmen. Dann haben wir in dem zweiten Teil des An trages darum gebeten, den 8 7 wieder berzustellen. Wir können es nicht verstehen, wie mit einem Male eine Sinnesänderung in den Kreisen eingetreten ist, die bei der ersten Gehaltsfestsetzung der Minister jedenfalls auf deni Standpunkt standen, daß die Tagegelder und Diäten für diese Monate nicht gezahlt werden. Bei einer derartig hohen Festsetzung der Gehqlter der Mi nister ist es nicht berechtigt, ihnen auch noch Tagegelder zu zahlen für Sitzungen, wo sie zum Teil Regierungs- gcschäfte im Landtage vornehmen müssen. Abg. Röllig (Dtsch. Vp.): M. D. u. H.! Im Namen der Deutschen Volkspartei habe ich zu erklären, daß wir der automatischen Angleichung der Diäten an die Diäten der Reichstagsabgeordneten zustimmcn, aber wir sind wie schon früher der Meinung, daß die Diäten bei uns im sächsischen Landtage nur für die Zeit aus gezahlt werden sollen, in der wir tatsächlich Tagungs periode haben. Wir werden ferner für die Wieder herstellung des 8 7 eintreten, also gegen den Antrag Nr. 6 der Vorlage Nr. 45 stimmen. Abg. vr. Dehne (Dem.): Dem Antrag, die Diäten auf aM Monate zu beschränken, vermögen wir nicht zuzustimmen, weil wir die Meinung nicht teilen können, daß die letzten Jahre uns gelehrt hätten, daß sich die Sitzungsperiode auf acht Monate zusammenziehen würde. Das Gegenteil haben wir sehen müssen. Und wenn wir heute gehört haben, was die Regierung glaubt, in der nächsten Zeit mit diesem Landtag er ledigen zu müssen, so müssen wir ruhig zugeben, daß von einer achtmonatigen Arbeitszeit keine Rede sein kann. Für uns ist die Frage, die in 8 7 behandelt wird, ob die Ministerabgeordneten Aufwandsentschädigung zu bekommen haben oder nicht, eine grundsätzliche Frage. Für die Zuteilung der Diäten ist maßgebend und entscheidend nur eine Tatsache, die Abgeordneten eigenschaft des Betreffenden. Liegt diese vor, dann hat er Aufwandsentschädigung zu beanspruchen. Für die Beurteilung anderer Fragen, nämlich ob der Be treffende arm ist oder reich, ob er fleißig ist oder nicht, ob er viel zu tun hat oder wenig, ob er sich sein Man dat angelegen sein läßt oder nicht, ob er Beamter ist oder nicht, oder ob er Minister ist oder uicht, für die Beurteilung dieser Fragen ist kein Raum. Deswegen werden wir für Streichung des 8 7 stimmen. Nach dem Schlußwort des Berichterstatters werden in der Abstimmung die Anträge Bültmann und Ellrodt, abgelehnt, die Ziff. 4 des Ausschußantrages gegen 10/ die Ziff. 6 gegen 39 Stimmen und die übrigen Ziffern einstimmig angenommen. (Schluß der Sitzung 3 Uhr 10 Minuten.) 4. Sitzung. Donnerstag, den 14. Dezember 1922, nachmittags 1 Uhr 27 Minuten. Präsident Winkler eröffnet die Sitzung 1 Uhr 27Mi nuten nachmittags. Am Regierungstisch: Ministerpräsident Buck, die Mi nister Lipinski, Heldt, Fellisch, Ristau und vr. Zeigner, die Ministerialdirektoren Michel, vr. Lempe, vr. Schulze, vr. v. Hübel und 21 weitere Regierungs vertreter. Präsident: An Stelle des verstorbenen Abgeordneten Oswin Schmidt (Dtschnat.) ist neu in den Landtag ein ¬ getreten Herr Abg. Walter Grellmann (Zurufe bei den Kom.) Punkt 1 der Tagesordnung: Wahl von Mit gliedern a) für den Beirat der Sächsischen Staatsbank, d) in die Ausschüsse zur Verwaltung der Gebäude- und der Mobiliarversicherung der Landes-Brand versicherungsanstalt, v) für die Beiräte bei den kaufmännisch verwalteten Unternehmungen des Staates und für den Landes elektrizitätsrat, ck) in den Ausschuß zur Verwaltung des Ausgleichstocks, o) in den volkswirtschaftlichen Ausschuß für die Land- Wirtschaftsbetriebe des Wirtschaftsministeriums, k) für den Aufsichtsrat der Landessiedlungsgesellschaft „Sächsifches Heim". Abg. Schneller (Kom ): Im Altesten-Rat ist bezüglich >er Zusammensetzung Her Ausschüsse im allgemeinen )ie Meinung vertreten und demgemäß verfahren wor- >en, daß in Beiräten, die von wirtschaftlicher Bedeu- ung sind, die Arbeiterpartei unbedingt die Mehrheit haben muß. Bei einigen sehr wichtigen Ausschüssen, dem Beirat der Sächsischen Staatsbank und dem Landeselektrizitäts rat ist man von diesem Vorhaben abgekommen und iat den bürgerlichen Parteien zwei Sitze zugcbilligt. Diese Meinung können wir keineswegs teilen. Wir müssen schon verlangen, daß in diesen Beiräten, wenn man schon nicht bloß Arbeitervertreter hineinsenden will, doch zum mindesten eine Mehrheit geschaffen wird >urch Vertretung der Arbeiterparteien. Wir schlagen leshalb vor, daß in den Beirat der Sächsischen Staats bank von den Linksparteien die Abgg. Pudor und Böttcher gewählt werden und daß der 3. Sitz den Bürgerlichen überlassen bleibt. Abg Wirth (Soz.): Wir haben bei diesen Ausschüssen weniger Wert darauf gelegt, daß die Parteien gleich mäßig vertreten sind, sondern daß auch wirklich Leute in den Ausschuß kommen, die von den Dingen etwas verstehen. (Lebhaftes Sehr richtig! rechts.) Hier han delt es sich um eine Sache, wo wir Leute hineinwählen wollen, die wirklich das ganze Bankwesen kennen und infolgedessen dort auch nützlich wirken können. Ich möchte Sie bitten, dem Vorschläge des Ältestenrates zuzustimmen. Präsident: Ich werde zunächst über den Vorschlag der Kommunistischen Fraktion abstimmen lassen, in den Staatsbankbeirat Herrn Abg. Böttcher, in den Landes elektrizitätsrat Herrn Abg. Schneller zu wählen. Der Vorschlag Schneller wird hierauf abgelehnt. (Aba. Renner: Emheitsfront!) In den Beirat der Sächsischen Staatsbank werden die Abgg. Hofmann, Anders und Pudor gegen 7 Stimmen, in den Ausschuß zur Verwaltung der Ge bäudeversicherung der Landes-Brandversicherungsanstalt die Abgg. Günther (Pulsnitz), Dennhardt, Günther (Plauen), Noack, vr. Eckardt, Lieberasch und als Stell vertreter die Abgg. Drescher, Leithold, Schnirch, vr. Niethammer, Pudor und Berg einstimmig, in den Ausschuß zur Verwaltung der Mobiliarversicherung der Landes-Brandversicherungsanstalt die Abgg. Nebrig, Weckel, Meinel-Tannenberg und Ziller und als Stell vertreter die Abgg. Hagen, Wirth, Beck und Bauer ge wählt. Für die Beiräte bei den kaufmännisch verwalteten Unternehmungen des Staates werden für die Braun kohlenwerke die Abgg. Dennhardt, Strube undvr. Eckardt, für die Steinkohlenwerke die Abgg. Langhorst, Müller (Chemnitz) und Lippe, für die Porzellanmanufaktur die Abgg. Göldner, Zipfel und Börner, für die Blaufarben werke die Abgg. Sachse und Mitschke, für die Kalk werke die Abgg. Granz und Bauer, für die Hüttenwerke mit Münze die Abgg. Schurig, Bethge und Bünger gewählt. Für den Landeselektrizitätsrat werden die Abgg. Hofmann, vr. Schneider und Wirth gegen 7 Stimmen, für den Ausschuß zur Verwaltung des Ausgleichsstockes die Abgg. Graupe, Nebrig und Blüher, als Stellver treter die Abgg. Kühn, Hofmann und vr. Dehne, für den volkswirtschaftlichen Ausschuß der Landwirtschafts betriebe die Abgg. Schembor, Müller (Leipzig), Claus und Pagenstecher, für den Aufsichtsrat der Landes- siedelungsgesellschaft „Sächsisches Heim" die Abgg. Vr. Sachs und Schembor, Frau Bültmann und Fräulein vr. Hertwig, als Stellvertreter die Abgg. Noack, Müller (Chemnitz), Frau Büttner und Abg. Rammelsberg gewählt. Punkt 2 der Tagesordnung: Erste Beratung über die Vorlage Nr. 1, die vom Gesamtministerium in der Zeit zwischen der Auflösung des vorigen und dem Zu- sammentritt des neuen Landtags erlassenen Not verordnungen betreffend. Die Notverordnungen unter Anlage 1 und Anlage 8 der Vorlage 1 werden ohne Debatte dem Haus haltausschuß und die übrigen Anlagen dem Rechts ausschuß überwiesen. Punkt 3 der Tagesordnung: Aussprache über die Regierungserklärung. Abg. Wirth (Soz.): M. D. u. H. von der rechten Seite dieses Hauses! Als Sie heute vor einem Viertel jahre, am 14. September, den Landtag mit Hilfe der äußersten Linken auflösten, verzeichnet das Stenogramm: Bravo, Händeklatschen auf der rechten Seite und auf den Tribünen. Sie befanden sich damals also in einer sehr freudigen Stimmung und gingen mit der sicheren Hoffnung m den Wahlkampf hinein, daß nach den Wahlen in dieses Haus eine bürgerliche Majorität ein ziehen würde. Man muß Ihnen wirklich ohne weiteres zugestehen, daß Sie auf fetten der bürgerlichen Par teien sich die größte Mühe in diesem Wahlkampfe ge geben haben. Wenn man die Flugblätter und Zeitun gen der bürgerlichen Parteien nachgelesen hat, so muß man schon sagen, daß an Verdrehungen, Entstellungen, Unwahrheiten und Verleumdungen (Sehr richtig links! — Widerspruch rechts.) gegen die Sozialdemokratische Partei die bürgerliche Presse nichts zu wünschen übrrg gelassen hat. Nichts haben Sie versäumt. Selbst die Kirche wurde von den Herren Pastoren zum Wahllokal auserkoren. (Sehr richtig links.) Wenn man beispielsweise in den Wahlflugblättern ge schrieben hat, „Beamte, die frei in ihrer politischen Überzeugung, treue Diener an Volk und Staat sind", m.H., dann muß einem das ein Lächeln abzwingen, und das muß noch dazu einem Menschen passieren, wie mir, dem ein Generaldirektor v. Kirchbach sagte, als ich entlassen wurde: „Wir vermuten, daß Sie sozialistischen Anschauungen huldigen." Deshalb schmiß man mich hinaus, wie viele, viele andere (Zuruf rechts: So wie jetzt!), nur, weil man vermutete, daß ich sozialistischen Anschauungen huldigte, und noch dazu, wie man mir ausdrücklich versicherte, obgleich ich mich sonst dienstlich musterhaft geführt habe, aber ich wurde drei Tage vor Weihnachten entlassen, und da bringen Sie den Mut auf, etwas derartiges in einem Flugblatt zu schreiben. Ja, m. H., ich weiß schon, Sie rechnen auf die Dummheit der Menschen und auf ihre Vergeßlichkeit. Sie von der Rechten stehen in Ihrem moralischen Niveau oft weit» tiefer als die Arbeiter. Auch die Herren Demokraten konnten es sich nicht versagen. (Heiterkeit rechts.) Sie wollten bei dem großen Rennen dabei sein. Nachdem sie das bereits bei dem Volks begehren nachgeholt hatten, haben sie sich auch im Wahlkampse in dieser Weise betätigt. Jedenfalls hat Ihnen die Auflösung des alten Landtags nichts genützt, im Gegenteil! (Zuruf rechts: Abwarten!) Sie haben dabei verloren, und es ist etwas anderes eingetreten, als was Sie wollten. (Lachen rechts und Zuruf: Das ommt schon noch!) Sie haben aber die Arbeiten des Landtages gestört und haben erreicht, daß eine ganze Reihe wichtiger Vorlagen nicht verabschiedet werden konnte und haben den Staat um eine zanze Anzahl von Millionen gebracht, die wir lätten besser anwenden können. (Lebhaftes Sehr richtig! links.) Hoffentlich ziehen Sie aus den letzten Wahlen in Sachsen auch die nötige Konsequenz. Es ist in Sachsen kein Boden für eine bürgerliche Majorität vor handen. Lassen Sie sich das ein für allemal gesagt ein. Eine Partei, wie die Sozialdemokratie, die nun chon in mehreren Wahlgängen von rechts und links in der schmutzigsten Weise bekämpft worden ist, (Sehr gut! links.) eine solche Partei, die dennoch als Sieger aus dem Wahlkampfe hervorgeht, hat ein festes Funda ment und Sie werden eine solche Partei niemals be zwingen, weder von rechts, noch von links. Die Wahr heit wird sich immer wieder Bahn brechen. (Sehr richtig! rechts.) Mit der Regierungserklärung sind wir einverstanden. Wir wünschen, daß die Regierung das Ziel, das sie sich gesteckt hat, mit aller Kraft und Energie durchzu führen versucht, unbekümmert darum, ob man von rechts behauptet, es gehe zu weit, oder von links, es gehe nicht weit genug. Darauf hat eine Regierung keine Rück sicht zu nehmen. (Hört, hört! rechts.) Sie hat das Ziel, das sie sich gesteckt hat, zu verfolgen im Interesse des Sozialismus, denn es ist eine sozialistische Regierung, und wrr werden sie dabei unterstützen nach allen unseren Kräften. Wir haben vor allen Dingen ein großes Interesse daran, daß die Gemeindeordnung, die durch die Auflösung des Landtags zurückgestcllt werden mußte (Zuruf rechts: Gott sei Tank!), so schnell wie möglich von der Regierung eingebracht wird, damit sie hier beraten und endlich verabschiedet werden kann. Es ist notwendig, daß unsere Gemeinden endlich wieder ein mal eine feste Grundlage bekommen, daß sie sich frei heitlicher betätigen können, als das nach der alten Ge meindeordnung der Fall ist. Tir. weiteres fehr wichtiges Gebiet ist die Woh nungsfrage. Das heutige Wohnungselend, welches wir durchleben, muß bekämpft werden mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Dis heutigen Verhältnisse in der Volksernährung entwickeln sich immer mehr und mehr dazu, daß die arbeitende Bevölkerung, auch alle Beamten, alle kleinen Handwerker und alle, die heute nicht mehr in der Lage sind (Zuruf rechts.), sich genügend zu verdienen, um ein menschenwürdiges Dasein zu führen, nicht mehr in der Lage sind, sich die nötige Nahrung zu beschaffen, die sie für ihre tägliche Arbeit zum Ersätze ihrer Kräfte benötigen. Weiter müssen wir in Betracht ziehen, daß heute die Preise für Nahrungsmittel in einer Weise steigen, daß es nicht mehr möglich ist, selbst unseren Kindern die Milch zu ihrer Ernährung zu beschaffen. Das wird sich einmal später, in der nächsten Generation sehr schwer rächen. Wir glauben, daß es möglich wäre, auf diesem Gebiete noch manches zu tun. Was