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20. Mgu» 1869 Nr. 65 Jieilag, MchsHe DorsMmS all« l,l. Paß' AastLlrrn. V-ekst^ vktteljLhrlich Lr>Ngr. g» VUeLdRN, ta d« Ekpetzi- tton, kl. Mrißn. Sasse «r. 8, , zu haben» Redigirt uyter Verantwortlichkeit des Verlegers C. Heinrich PolitiM Mettscha«. Die über so zahlreiche Familien am 2. d. M. hereivgehrochene furchtbare Unglücks-Katastrophe im PLauen'schen Grnnd grebt der „Nat.-Ztg." zu einigen recht beachtenswerlhen Bemerkungen über die gesetzliche Regelung der Haftbarkeit bei Unfällen Anlaß. Noch ist es nicht lange her, sagt sie, daß eine fromme Partei allen Ernstes die Frage diskutirte, ob der Landmann seine Feld früchte gegen Hagelschlag versichern dürfe, oder ob eine solche Handlungsweise als ein unchristliches Verzweifeln an der Hilfs- hereitschaft und Allmacht Gottes aufgefaßt werden müsse. Die Abschaffung des Gewitterläutens wurde als Beseitigung einer „alten gute« Sitte" beklagt und mancher Strenggläubige schüttelte bedenklich den Kopf, als die Blechschilder der Versicherungs gesellschaften in katholischen Ländern dem Bilde des heiligen Klaren au den HäusergiebeLn den Platz streitig machten. Jetzt ist dieS wesentlich anders geworden, und wohl auch der bekenntniß- treueste Neuerungsfeind hat längst mit dem Versicherungswesen Wsden geschloffen, „weil Gott seine Hilfe erst da eintreten läßt, wo unsere Hilfe zu Ende ist." Das Verßcherungsgeschäft gewinnt immer größere Dimensionen, es okkupirt täglich neue Gebiete des MrthschaMebens und wer maß sagen, welche Grenzen seinem WachSthum gesetzt sind? — Dre Statistik übernimmt bei dieser Gelegenheit eine doppelte Rolle. Während sie einerseits mit mathematischer Gewißheit berechnet, welchen Unglücksfällen die Bevölkerung eines Landes ausgesetzt ist und in welchen Progressio nen dieselben wachserr müssen, gewährt sie anderseits die Möglich keit, die Gefährlichkeiten des Lebens für die Volkswirthschast auszugleichen. Auch die Zahl der alljährlich in Bergwerken Verunglückenden entzieht sich der statistischen Berechnung nicht, und weis daher das nöthige Material vorhanden ist, um auch auf diesem Gebiete im Wege der Versicherung die Wunden zu heilen, welche das Schicksal so vielen armen Bergarbeiterfamilien schlägt, so muß man wohl über die Leichtfertigkeit erstaunen, mit welcher man zeithcr die Sorge für die ihrer Ernährer beraubten Familien der Mjldthätigkeit überließ! Nach dem Schachteinsturz in Lugau, nach der Grubengaserplosion in Iser lohn und jetzt nach der gräßlichen Katastrophe im Plauen'schen Grunde ert-nt der Ruf, welcher nach asten Seiten erschallt: „Gebt Almosen für die HinterbliebenenDieser Ruf zeugt für die Bereitwilligkeit unseres Volkes, dem schuldlos Leidenden beizu- stehen, und wo der Lod seine unwiederbringliche Ernte gehalten, wemgstrnS die materiellen Verluste zu ersetzen; er beweiset, daß unser Polk ein gutes Herz besitzt, mehr aber pichte Darüber, daß. die Versicherung au die Stelle der Mildthätigkeit treten muß, wird Niemand abweichend« Ansicht sein; eS handelt sich also nur darum, zu-entscheiden, wer die Versicherungsprämie bezahlen soll? n Wir betrachten die bei dem Betriebe von Bergwerken und industriellen Etablissements entstehenden Uvglücks- Mß als Verluste, welche nicht apf dqS Gewinn- und Verlust- Konto des Geschäfts, sondern auf das Betriebskosten-Konto übernommen werde» müssen. Die Schadloshaltung der durch UngLücksfölk «irthschastlich Ben achtheiligten gehört nach unserer Ansicht zu de»,Mrodurtzonskosten ivntz erst in letzter Instanz hätten dre Konsumenten dafür aufzukommen. Ekumddrei-igster Jahrgang. III. Quartal. Infolge eines im April 1868, Angesichts des Lugauer Unglücks, vom Reichstage gefaßten Beschlusses, hat daS Bundes kanzleramt Vorbereitungen zu einer Reform der Gesetzgebung über die Haftbarkeit bei Unfällen getroffen, aber, wie ver lautet, dürste die zu erwartende Vorlage keine durchgreifende Aenderung des bisherigen Verfahrens anbahnen. Der mit der Abfassung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige soll erklärt haben, die Verpflichtung zur Schadloshaltung würde die Lage der Bergwerksbetreiber zu einer völlig unerträglichen machen. Unseres Erachtens ist diese Anschauung der Sachlage nur darm eine zutreffende, wenn man von der Ansicht ausgeht, daß die Bergwertsbesitzer sich gegen die entstehenden Unkosten nicht ge meinschaftlich versichern würde». Ei» Zwang hierzu dürfte aber kaum yochweudig, und wenn nothwendig, dann gerechtfertigt sei». Der Staat zwingt die Arbeitgeber, für die Altersversorgung ihrer Arbeiter zu sorgen. Dies ist eine Verpflichtung, für welche in einem wirthschastlichen Freistaate kein Raum vorhanden sein sollte, Henn wenn der Arbeiter versäumt, für Lage der Krankheit und Arbeitsunfähigkeit zu sorgen, so ist der Arbeitgeber und die Beschaffenheit deS Etablissements nicht schuld daran. Anders bei Unglücksfäflen! Hier ist der Arbeitgeber resp. dessen Etablisse ment du nächste Veranlassung zu dem wirthschastlichen Ruin der Hinterbliebenen. Die Verpflichtung zur Schadloshaltung würde aber ebenso ausführbar wie gerecht sein, selbst unter den schein bar ungünstigsten Verhältnissen, nämlich beim Steinkohlenbergbau. Iw Jahre 1861 waren in Preußen 167 Mann verunglückt und 235,189,996 Ztr. Steinkohlen gefördert. Wäre jeder Bergwerks besitzer durch einen Unfall-Versicherungsverein ungehalten worden, von jedem Zentner Steinkohlen nur einen Pfennig abzugeben, so wären in runder Summe 653,0«.0 Thaler zusammengekommen; mithin hätte die Familie eines jeden Verunglückten 3900 Thlr. empfangen können. Und selbst wenn der Zentner Steinkohlen, statt um einen, um zwei Pfennige vertheuert werben müßte, damit dje Steinkohlenbergarbeiter auf Kosten der Steinkohlen konsumenten versichert werden könnten: wir halten den Erlaß eines dahin zielenden Gesetzes für unaufschiebbars UebrigenS wäre ein solches Vorgehen der' Staatsgewalt durchaus nicht beispiellos und unerprobt. In England sind die Besitzer von Dampfkeffelanlagen zur vollen Schadloshaltung bei allen vorkommendeu Unglücksfällen verpflichtet; es haben "sich Gesell schaften zur Versicherung und gegenseitigen Beaufsichtigung der Kesselanlagep gebildet und die Zahl der Explosionen hat sich infolge dessen vermindert. Auch der Dergwerksbesitzer müßte in allen Fällen verantwortlich sein, wo er nicht Nachweisen kann, daß der Arbeiter bloß durch eigenes Verschulden verunglückte. Deutfedkand. Nachdem die von der Bundeöliqui- daNonSkommissioy am 6. Juli d. I. über die künftige Behandlung de- gemeinschqftlich bleibenden Materials sn den Festungen Ulm, Rastatt, Landau und Mainz gefaßten Beschlüsse die Zustimmung sämmtlicher betheiligten Regierungen erlangt haben, wurden Hm,14. d. M. die Urkunden über diese allseitig erfolgte Mnedmiguug ausgetauscht.^ Neueren Nachrichten zufolge wird der Geh ObrnRtg.Raih E ck duStellverlretung deSBundeskanzleramtS» D E l drück während der Urlaubsreif« deS letzteren über» «Dm«. Erst wurde Herr v. Balan qjt Stellvertreter genannt. u Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann Erscheint jeden Dienstag und Freitag stütz.