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Mittwoch. -—- Rx. 17«. 2». Juli 18S«. ZnstrttonSgeVühr für den Raum einer Zette S Ngr. Zu begehen durch alle Postämter de- Zn» und Auslandes, sowie durch die Grpeditivn in Leipzig (Querstraße Nr. SY. KpipHtS» Di» Zeitung / SZ-- Dklltschc MgMklM Zeitung Preist für da- Vierteljahr Lhlr.; jed, Mtqeltir «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Aiemtntr 3 vr-r. Die Hämischen Borgäuge. »Leipzig, 22. Juki. Richt der Mlnisterwechftl in Spanien,, wol aber di- Empörungtw, welch« namentlich feit der zweiten Hälfte deS Juni da- Land durchwühlen, find noch sehr unklar, am unklarsten jedoch diejenige, welche am 18. Juli dem Rücktritt dest Ministerium- G-partero folgt-, den Präsidenten dre vertagten Corte-, General Infante, an ihrer Spitz« sah und nach ihrer Niederwerfung in d«r Residenz nunmehr in Sa- ragchsa ihr« blutig« Fortsetzung findet. Wir erhalten albe Nachricht«» über die spankscheN BorgaNg« au- Pari-, durch infpirirte Federn tendenziös g«. färbt. Senn der RapoleonismuS muß piincipirll der entschiedenste Gegner tze« «mrstitutionelttni PrineipS sei«, welches Espartero, trotz all« Strenge b« momontanen Rüchigungen, vonsoq-nent feftgehatten hat. Wer im Lär men nub Tosen pes orirnialischen Krieg» die Beachtung der spanischen An stande nicht au- den Augen gelassen hat, wird sich genau entsinnen, daß die inftürirt« französische Presse keinen Augenblick ihre wenig günstige Be- urlheilung Espartero's fallen ließ. Der NapottonismuL hat ihm keinen Augenblick »«geben, daß er keine specielle Hofpolitik neben der seinigen duldet«, daß er mit all« ihm zustehenden Wacht die Königin Isabella zwang, di« Constitution zu halten und den von, ihm für nothwendig befundenen Maßregeln nicht hiudtrlich entgegenzu treten. Schon al- da- DeSamortisationSgesetz (i.Juni 1855) in- Leben trat und Isabella eS uur mit großem Widerstreben unterzeichnet, der Klerus aber aller Orten Voltödemonstrationen dagegen empargerüttolt hatte, und obgleich vom spanische» Hof« di« Fusion der bourbonischen und orlLanisti- scheu Hauser begünstigt wurde, obgleich der Karli-mu- unter solchen Um stände« sein Haupt wieder keck erhob — trotz alledem ließ sich doch schon damals erkennen, daß Frankreich um des anticonstitulionellen PrinripS wil len daS Ministerium E-parter» nur fast widerwillig in seinen Bestrebun- gen zur Ordnung des Landes unterstützte. Schon damals versicherten die offitiösen Stinrmen aus Paris, wie General Narvaez, der Verbannte zu St.-Lou, der Einzige sei, dessen feste Hand- auf dem von der Revolution durchwühlten Bode» die Ordnung herzustellen und de« Regierung das er- sod-rliche Ansehen wiederzugeben vermöge. Man ging selbst weiter. Man behauptete, die Karlistcn hätte« ihm die lockendsten Versprechungen gemacht, fall» er sich an ihre Spitze stellen woll«; allein er habe, ungeachtet er ebenso wenig die Königin Isabella als ihre Mutt« zu loben habe, beiden Königinnen seine unverbrüchliche Treue zusichern lassen, ja sogar mit dem Beisatz«, daß er mit seinem Degen der Tochter Ferdinand'S VII. zu Be fehl stehe. Et sei also wahrscheinlich — ließen sich schon damals dieselben Stimmen vernehmen —, daß Narvaez, falls die Revolution in Spanien weitergreife, berufen werde, wieder eine groß« Rolle zu spielen, „nachdem Espartero'» Unfähigkeit, die Zügel der Negierung unter so schwierigen Um ständen weit«zufuhre«, immer klarer anö Tageslicht trete". Unttrdessm sind 13 Monate verflossen. Man muß heutzutage, wo die Pr«ffe von den Centtalbureaus so fast ausschließlich beherrscht wird, für solche Dinge ein gute- Gedächtniß haben. Sind sie auch keine Documente, so doch vortreffliche Ariadnefaden zur pragmatischen Verknüpfung plötzlicher und unerwarteter Vorgänge. Man hat sich in Paris schwerlich darüber gewundert, daß «in Jahr nach jenen Aussprüchen der Rücktritt Espartero's «ndiich bewerkstelligt worden ist, denn die Einflüsse des NapoleonismuS ha ben nicht aufg-hört, daraus hinzuwirken, und O'Donnell'- Rivalität sowie die tiefe Misstimmung der Königin Isabella nebst der gejammten Hofpartei gegen den Siegesherzog haben diese Wirkungen, wenn auch auS andern Gründen, treulich unterstützt. Nur einen Moment der Pause gegnerischer Einwirkung von außen her gegen Espartero hat rS gegeben. Es war dies im Winteranfang vori- g«n Jahres, al- die Westmächte den Beitritt der europäischen Mittelstaalen gur g«genruMchen Allianz so eifrig bettieben. Damals war Espartero den französischen Blättern zufolge plötzlich Spaniens einzig möglicher Lebens retter und Gvuvcrnator. Denn bekanntlich hatte er die Verhandlungen wegen des Anschlusses an die Allianz mit großem Geschick so geführt, daß man in Pari» täglich die Unterzeichnung der Acte erwarten mußte. Zu gleich hatten die bekannten Enthüllungen über die Zusammenhänge der Kar- listen mit Rußland und Neapel, ferner die von Espartero entdeckte Hof- Verschwörung zu Aranjuez, welch« für ihre Zwecke selbst die Benutzung der klerikalen, demokratischen und soeialistischen Parteibcwegungen nicht gescheut hatte, den Tuilevien wol klar gemacht, daß man Espartero schonen müsse, um an Spanien nicht eine «och unliebsamere Nachbarschaft zu bekommen und dabei die Einflüsse zu verlieren, die man doch immerhin selbst auf Espartero geltend zu machen wußte. Freilich als der Friede geschlossen war, vergaß sich dies sehr rasch. Man mochte irgendeine Katastrophe durch die LorteS erwartet haben, nicht aber, daß Espartero, dessen Popularität die stärkste blieb, sich dem Mini ¬ sterium, also auch seinem Rivalew O'Donnell, und dadurch vico vsrg» diese Mit sich solidarisch verbinden würde. Zugleich waren die französischen Fi nanziers mit Spatsten- industriellen und finanziellen Verhältnissen seit Con- kesfionirung der Crrditgesellschaften, Vergebung großartiger Eisenbahnbau ten zu tief v«vflochten, al- daß dies nicht wesentliche Rücksichten auf erlegt hätte. Aber offenbar blieb man doch von den verschiedenston Seiten bemüht, Espartero's Bedeutsamkeit, theils faktisch, «Heils in der öffentlichen Mei nung mehr und mrhr in den Hintergrund zu drängen. Da di« Regittung noch fortwährend mit der ihr von den Corte- (Mat 1853) übertragenen Ausnahwcgewalt herrschte und die Endberathung der Constitutisn durch die Constituante noch lang« auf sich warten ließ, fo «schien O'Donnell freilich al- de« eigentlich leitende Geist. Nicht in gleicher Weise, wie Espartero, »om Klerus angefeindet, vermochte er allerdings mit s«iner Autorität sehr Bedeutende- zu wirken. Am Hose beliebt« al- Jener, wurd« eS ihm leich ter, durch formelle Eoncessionon wenigst««- Compromiss« zwischen di «sein und den liberalistischc» Nochwendigkeittn da jetzigen Regierung herzrtstel? len, die Mittelpartei, welche sich in den Corte« bildete, auflöste und beim Anblick« der Mai- und Junirivolten wieder bildete, gruppirte sich gleichfall- um O'Donnell. Immer entschiedener und eigenmächtiger trat dieser nun mehr gegen den Ministerpräsidenten auf; immer diktatorischer faßte cr seine Stellung, Die- schien in Pari- fast mehr al- gern gesehen zu werd««, und wer die Ding« einigermaßen beobachtete, konnte daran nicht -weifst», daß die Vertagung der Cortes nach Beendigung der Constitution-baathUNg das Signal sein wttde, um den Siegesherzog zum Rücktritt« zu nöthigen. ES gelang, aber nur durch «inen AbsetzungSspruch der Königin. Also nur äußerlich hatte bis hierher das Caleül nicht getäuscht. Der Moment schien jedoch um so günstiger, um di« von den Ausnahmezuständen grg«- bene absolute Stellung der Regierung in eine principiell« überzuführen, als Lie sog«nanntm socialistisch -kommunistischen Revolutionen in fast allen be deutender» Provinzen alle Besitzenden der «»«rgischsten Uebung der Regie- rungsgewalt genetzt stimmte Wie diese Ausstände soeialistisch-kommuni stisch betitelt wurde«, so hatte sich überdi« in den Nachrichten schon längst für di« fortdauernden Bewegungen nur der Nam« republikanisch und de mokratisch festgesetzt; von einer progressistischen, d. h. konstitutionellen, nicht bloö schejneonstitutwnellen Partei in den Cort«- und Volk war kein« R«d< mehr. Ganz dieselbe Ast und Weise, wie eS seit Jahren auch anderwärts gewöhnlich, wenn man vom konstitutionellen Prinkip zum scheinconstitutio- «ellen Absolutismus den Uebergang macht! Spani«» indessen scheint noch nicht soweit in der Ermattung gekom men, um den Schlag der Vollendung ruhig hmzunehm««. Offenbar ist dii madrider Revolution für die Treiber zum Sturz Espartero's ganz un erwartet gewesen. Sowie er gestürzt ober vielmehr abgesotzt war, brach sie lo<; die Natianalgarde focht gegen di« Linie, welche erst nach dreißig stündigem Kampfe und da nicht vollständig siegt«. Die Nationalgard« ist aber das Bürgerthum; darin liegt der deutlichst« Gegenbeweis gegen die sofort ausposaunte Behauptung, auch die madrider Erhebung sei sociali- stisch-kommunistischen Ursprung«. Die Königin, «rschreckt von den Folgen der Entlassung Espartero'«, die si« so eilig decretirt, stürzte sich inmitten deS Kampf«- — und die Bertheidiger der Barrikaden streckten sofort ihr« Waffen, jubelten ihr zu. Amimonarchisch ist ass, die Revolution «benso wenig. Aber Espartero verlangt sie zurück, O'Donnell und Absolutismus sind ihr identische B«griffe. Dagegen betonen c« di« französischen Stim- men mit großem Nachdruck, daß man Espartero's Aufenthalt nicht kenn«; noch gefälligere und weniger vorsichtige Federn beschuldigen ihn sogar direkt der Erregung der Revolution. Und schon ruft man aus Paris von neuem nach Narvaez als der einzig möglichen Kraft, um die Revolution zu bän digen und Spanien zu beherrschen. Wir zieh«» keine Schlußfolgerungen und begnügen unS mit Zusam- menreihung der Thatsachrn. Deutschland. Preußen, -li-Berlin, 21. Juli. Da hätten wir also schon die Antwort darauf, warum wir vom 17. Juli Abend« bis zum 19. Juli Nach mittags ohne alle Nachricht aus Spanien gewesen sind: ganz Aragonien ist im Aufstande, und die Cortes haben sich in beschlußfähiger Anzahl in Saragossa versammelt. Die Nachrichten, welche über den erster« Punkt be- kaNNt geworden, sind indessen noch keineswegs erschöpfend, und wir dürfen nicht vergessen, baß das Publicum hier zunächst au- französischen Quellen schöpft, wo nian mit der gegenwärtigen spanischen Regierung oder was sonst dasselbe Interesse hat, die Läge der Dinge mindestens nicht in einem allzu schlechten Lichte der auswärtigen Wclt zu präscnti'ren. Und wenn man