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wesensfremd ist und als für Franck Anregungen der deutschen Musik seiner Zeit genossen Brahms und Wagner als auch Bachs geistig und formal von großer Be deutung waren. Der im Jahre 1822 in Lüttich geborene Komponist, Sohn eines wallonischen Va ters und einer deutschen Mutter, gelangt früh in den Bannkreis von Paris. Früh zeitig mit Preisen für Klavier- und Orgelspiel ausgezeichnet, bleibt dem reifen Komponisten die gebührende Anerkennung versagt. Unter ärmlichen Verhältnis sen lebt er als Musiklehrer und Organist in Paris, bis ihm 1872 eine Professur am Pariser Konservatorium angetragen wird. Erst etliche Jahre nach seinem Tod (1890) beginnen sich seine Werke durchzusetzen. Die verschiedensten Kultur kreise, die sich in dem in Frankreich lebenden Wallonen Franck, der — wie schon angeführt — für deutsche Musik eine große Neigung besaß, berühren, gelangen in seinen Kompositionen zu einer interessanten Mischung. Dabei ist wichtig fest zustellen, daß diese verschiedenen Einflüsse — das deutsche Barock (Bach), das französische Barock (Rameau), die deutsche Romantik (Brahms), die Spätroman tik (Liszt, Wagner, Berlioz) - von Franck keineswegs eklektisch benutzt werden, sondern durch seine schöpferische Persönlichkeit eine ganz eigene Verarbeitung erfahren. Die musikalische Sprache der Romantik, ins Romanische transponiert, eine an Rameau und Bach geschulte, häufig kontrapunktisch durchsetzte Form klarheit und eine mit französischer Delikatesse beleuchtete Instrumentation sind die Wesensmerkmale der Musik Francks. Die Sinfonischen Variationen für Klavier und Orche ster, 1885 entstanden, gehören zu den reifsten Leistungen des Komponisten. Bereits der Titel „Sinfonische Variationen" deutet darauf hin, daß es sich in dem vorliegenden Werk nicht um eine Reihung einzelner, unabhängiger Verände rungen des Themas handelt (wie es beispielsweise bei den Mozart-Variationen von Reger der Fall ist), sondern, daß das Thema, besser: die Themen, in sinfo nischer Technik variiert werden. Dieses sinfonische Prinzip zeigt sich bereits in der Themenaufstellung. Wie im Sonatenhauptsatz werden zwei Themen gegenübergestellt: das erste von den Streichern unisono intoniert, aus konsequenter Verfolgung eines prägnanten, rhythmisch bestimmten Motivs erwachsend, markant, männlich im Charakter, dem das zweite — vom Soloinstrument vorgetragen - sofort folgt: eine schwär merische Melodie, in delikater Weise harmonisiert. Nach der knappen Themen exposition beginnen nun im Gegen- und Miteinander von Klavier und Orchester die kunstvollen Variationen. Die Übergänge sind fließend gehalten, das sinfoni sche Prinzip bleibt erhalten. Kurze hingetupfte 3 / 4 -Takt-Episoden schieben sich in die Entwicklung ein. Ein Fis-Dur-Mittelteil — molto piü lento — bildet einen stimmungsmäßigen Gegensatz. Thematisch sind die Celli in diesem Teil stark beteiligt, über einem ausgedehnten Oktavtriller des Solisten beginnen Celli und Bässe mit dem zweiten Thema den dritten Teil des Werkes, in dem thematisch nun noch dieses zweite Thema zahlreiche musikalische, satztechnische und also auch charakterliche Veränderungen erfährt. Das Werk bietet dem Solisten reiche pianistische Entfaltungsmöglichkeiten. Manchmal, so besonders im Fis-Dur-Mittei ¬ teil, erinnert die Behandlung des Soloinstruments an Chopin, an dem auch die schwebende Harmonik geschult zu sein scheint. Fryderyk Chopin vollendete sein Klavierkonzert e-Moll op. 11 ebenso wie das f-Moll-Konzert op. 21 im Jahre 1830. Da das e-Moll-Konzert op. 11 1833 als erstes veröffentlicht wurde, trägt es allgemein die irreführende Bezeichnung 1. Klavierkonzert, obwohl es nach dem f-Moll-Konzert entstanden ist. Das am 11. Oktober 1830 in Warschau mit dem Komponisten als Solisten urauf geführte Werk ist dem damals hochgeschätzten deutschen Klaviervirtuosen und Pädagogen Friedrich Kalkbrenner gewidmet. Diese Widmung erklärt auch die betont virtuose Anlage des klar und übersichtlich geformten Konzertes, das be zeichnendes Licht auf den typisch romantischen Geist seines Schöpfers wirft. Ein längeres Orchestervorspiel stellt das thematische Material des erstei^B. Sonatenform angelegten Satzes vor (Allegro maestoso). Zwei Themen mit elegant-sentimentalem Charakter bieten Chopin Gelegenheit zu ornamentaler, figurativer, phantasievoll-virtuoser Arbeit. Das Klavier bemächtigt sich bald der führenden Rolle, während das Orchester fortan — wie überhaupt in den Kon zerten Chopins — nur noch untergeordnet in Erscheinung tritt. Der ganze Reich tum der schöpferischen Phantasie Chopins entfaltet sich im Klavierpart. Ein zauberhaftes Klangbild stellt der zweite Satz, eine Romanze, dar mit typi schem Nocturne-Charakter. Der Komponist schrieb über diesen Satz, daß seine Stimmung „romanzenhaft ruhig und melancholisch" sei, daß er „den teuren An blick des Fleckens Erde vor uns erstehen lassen soll, wo tausend liebe Erinnerun gen sind ... So ein Hinträumen von einer herrlichen Stunde im Frühling, bei Mondenschein." Dem Rondofinale (Vivace) gibt der Rhythmus des feurigen polnischen Volks tanzes Krakowiak sein sprühendes Gepräge. Virtuose Passagen und Läufe des Solisten führen am Schluß des Konzertes zu einem wahren brillanten Feuerwerk, zu tänzerischer Entfesselung — konsequenter Gipfelpunkt eines aus gärender, jugendlicher Leidenschaftlichkeit heraus geborenen Werkes, das die erste Schaf fensperiode des polnischen Meisters beschloß. VORANKÜNDIGUNG: 5. und 6. April 1969, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaai 14. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Stefan Askenase, Belgien, Klavier Werke von Schubert, Mozart, Kochan und Chopin Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1968/69 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 40509 III 5 9 1,4 369 ItG 009/26/69 »Hllnarmnonii 13. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1968/69