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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950211020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895021102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895021102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-02
- Tag 1895-02-11
-
Monat
1895-02
-
Jahr
1895
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Ertr«»Beilagen (gefall), nnr «ft de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördermeg X 60.—, mrt Postbesörderung X 70.—. Armichmeschlnß für Anzeige«'. Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag» 4lchr. Sonn- und Festtag» früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Unreigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig ^77. Montag den 1i. Februar 1895. Politische Tagesschau. * Leipzig» 1t. Februar. Da der Reichstag beute in die zweite Beratbunz des EtatS eintritt, die zu besonders lebhaften Debatten und daber auch zu eingehenden Besprechungen in der Presse schwer lich Anlaß geben dürfte, so werden die Organe der politischen Parteien in den nächsten Tagen mit verstärktem Eifer sich der Empfehlung und Dertheidigung der Initiativanträge widmen, die von den Führern Vieser Parteien im Reichstage eingebracht worden sind. Besonders kräftige Vorstöße wird man von den Befürwortern deS AtttragS llanitz erwarten dürfen, die jetzt der Taktik sich befleißigen, die Anwendung ihre- Allheilmittels für die einfachste und harmloseste Sache von der Welt zu erklären, um später, wenn eS zurückgewiesen sein wird, von den Regierungen und den Parteien, die es nicht annehmen könnten, sagen zu können) man. hätte die mögliche Hilfe verweigert. DasNeneste in dieserKunsl der journalistischen EScamotirung der Schwierigkeiten leistet die „Kreuzzeitung", indem sie ihren Lesern erzählt, Rußland habe „einen Theil des Getreidehandelö" verstaatlicht, Deutschland dürfe also dasselbe thun, ohne wider die Handelsverträge zu verstoßen. DaS ist eine dreiste Entstellung. In Rußland ist bekanntlich ein Ausschuß, bestehend aus den Ministern deS Krieges, des Innern, der Finanzen und des Ackerbaues, eingesetzt worden, der von den Landwirtben Roggen und Weizen für den Bedarf deS Heeres unv der Bevölkerung aufkaufrn und den Verkauf tbunlichst so einrichten soll, daß kein Druck auf die Preise auSgeübt wird. Demnach monopolisirt die russische Regierung gar nichts, sie betbeiligt sich nur an einem Geschäfte, daS jeder Andere auch machen darf und das in Deutsch- land sckon lange von der Regierung gemacht wird. Die Militairbehörven haben längst den Auftrag, ihren Bedarf an Brodgetreide und Futtermitteln möglichst bei Producenten zu decken, die bayerische Regierung nimmt sogar gewisse LandeSproducte an Zahlung für Bodenzinse, aber Niemandem fällt eS ein, deshalb von der Verstaatlichung eines Theiles deS binnenländischen GetreivehankelS zu reden. Daß der russische Staat außer für oen Staatsbedarf auch für den „Bedarf der Bevölkerung", das heißt natür lich eines Theiles der Bevölkerung, riukaufen will, ändert nichts daran, daß der Handel frei bleibt und die Regierung nur als allerdings sehr großer Abnehmer mit auf dem Markte auftritt, ohne einen Abnahmepreis zu bestimmen. Es monopolisirt also den heimischen Getreivebandel nicht, während der Antrag Kanitz nur die deutsche Regierung alö Importeur auStän disch-« ir Getreides zulassen will. Dies verstieße jedoch, wie auch Minister von Hammerstein-Loxten anerkannt hat, noch nicht gegen die Handelsverträge. Der Antrag Kanitz setzt aber auch einen Verkaufspreis für daS eingeführte Getreide fest, er bestimmt also für daS aus den Berkragsstaaten bezogene Getreide einen höheren staatlichen Aufschlag, al» den ver einbarten von 35 X? Ob das eine Verletzung der Handels verträge ist, bleibe hier dahingestellt» jedenfalls ist es ein Vorgehen, das mit dem geplanten russischen nicht verglichen werben kann. Die Sprachenfrage in Lesterreich ist durch den^üngsten Beschluß deS mährischen Landtags in ein neues Stadium getreten. Bekanntlich bat dieser Landtag, dem Beispiel des krainischen folgend, einstimmig im Sinne de- von deutscher Seite gestellten Antrages beschlossen, daß an sämmtlicken LanveS-Realschulen die zweite Landessprache als obliga torischer Unterrichtsgegenstand einzuführen sei, und er bat ferner gleichfalls einstimmig an die Regierung die Aufforde rung gerichtet, die Einführung deS obligatorischen Unterricht- in der zweiten Landessprache auch für die Gymnasien Mährens in Erwägung zu ziehen. Ob die Regierung diesen Beschlüssen zuslimmen kann, bleibt abzuwarten, da sie im Widerspruch mit H. 10 der StaatSgrunvgesetze stehen, welcher jeden Zwang zur Erlernung einer zweiten Landes sprache verneint. Daß das Entgegenkommen der Deutschen Mährens einem dringenden Bedürfniß derselben entspricht, läßt sich nicht leugnen, denn in Mähren giebt es ebenso wie in Krain und Steiermark kein gesondertes Sprachgebiet (wie in Böhmen); namentlich das slawische Gebiet ist durchsetzt mit deutschen Städten, welche in regem Verkehre mit der Landbevölkerung stehen. In diesen Gebieten erwies sich den Deutschen daS Verbot deS obligatorischen Unterrichts in der betreffenden slawischen Sprache als schädlich. Da dort bisher für Lehrer- und Beamtenstellen auch des slawischen Idioms mächtige deutsche Bewerber nur selten sich fanden, wurden zumeist slawische Bewerber, welche des Deutschen mächtig waren, angestellt, wie überhaupt in allen Tbeilen Oesterreichs die Slawen das Bedürfniß fühlen, ihre Kinder im Deutschen unterrichten zu lassen, während bei den Deutschen die Abneigung zur Erlernung des Slawischen vorherrscht. In dieser Hinsicht bedeuten die er wähnten Beschlüsse entschieden einen Fortschritt, vom nationalen Gesichtspunkte hat es freilich seine Gefahr, daß die deutschen Kinder in Mähren nun die tschechische Landessprache lernen müssen: denn diefnationale Gesinnung der Deutschen ist im Allgemeinen schwächer als die der Tschechen und es ist nicht unmöglich, daß von jetzt ab der Uebergang von Deutschen in das siawische Lager noch häufiger erfolgen wird als früher. — Energischer wehren die Deutschen in Steiermark sich ihrer Haut. Im dortigen Landtage haben sie die slowenischen Ansprüche wegen des zweisprachigen Gymnasiums in Cilli so entschieden zurückgewiesen, daß bekanntlich die slowenischen Abgeordneten den Landtag ver lassen haben, ein Exodus, dem bei der geringen Zabl der slowenischen Landboten kaum ein politischer Werth beizu legen ist. In Italien haben alle Parteien die Hände voll zu thun mit Borbereitungen für die bevorstehenden Neuwahlen, denn daß das Parlament aufgelöst wird, erscheint zweifellos. Die Organe Crispi'S tragen bezüglich des Ausfalles der Wahlen einen sehr siegesgewissen Optimismus zur Schau; dabei macht eS aber keinen guten Eindruck, daß sie Bundes genossen im — klerikalen Laaer zu erwerben suchen, als ob sie sonst keine zu finden vermochten. So brachte noch vor wenigen Tagen Crispi'S „Nisorma" eine nachdrückliche und eingehend begründete Aufforderung an die Klerikalen, sich bei den kommenden Wahlen um daS päpstliche non expollit nicht zu kümmern, sondern ihr Wahlrecht auszuüben unv für die Re gierung zu stimmen. Die Opposition gegen CriSpi gehe haupt sächlich von den Radikalen auS, welche die schlimmsten Feinde der Kirche und Religion seien, jeder Katholik werde daher dem Papste und der Kirche einen guten Dienst erweisen, wenn er das ohnehin nicht so ernst gemeinte Wablverbot übertrete. Wenn Crispi allen Ernstes Hoffnungen auf Auf hebung deS Wablverbots an die Klerikalen gehegt hat, so ist er rasch enttäuscht worden. Gleichsam als Antwort auf den „Riforma"-Artikel verbreitet man jetzt (wie schon kurz ge meldet wurde) aus dem Vatikan nachstehende Mittheilung: „Wie alljährlich, bat auch dieses Jahr der Papst im Laufe des MonatS Januar die hervorragendsten Mitglieder des römischen katholischen Adels nacheinander in Audienz empfangen. Bei dieser Gelegenheit unterhielt sich der heilige Vater mit mehreren der bezeichnrten Persönlichkeiten Uber die gegenwärtige politische Lage Italiens. Im Verlaufe dieser Unterredungen erklärte Leo XNl., daß das non expeckit für die Katholiken auch bei den nächsten italienischen Wahlen aufrechterhalten bleiben müsse und daß alle Gerückte, denen ^°^'^^hleS §u erwarten Aenderung n der Haltung d'- ^.l.^n - »yte- ^ den Klerikalen für die Kammcrwahlen durchkreuzt. Auf zwölf Stimmen ist am Freitag bei der ^bsnnnttung -„»litten Unterbauses über das Amendement Jeffrey s (D,p"ssi°n der Landwirtbschaft und Industrie bttr-N-n° d.e Mehrh i des Eabinetö h-rabgesun -n D.ese "st- Abstnw mung der eben eröffnet-., Session .llustr.rt genüge d.e prelare parlamentarische Lage deS ^ qik-r Di- P/rnelliten haben sich bestenfalls entb^ es kann noch schlimmer kommen so bemerken^ auch das Geschick sein mag, mit welchen d,e R-g',«rung den so gefährlichen Keir Hardie'schen Zusatzantrag in VUreft der Arbeitslosen parirt hat. Der Arbeiterführer z°S naml'ch auf das vom Negierungstische gegebene Versprechen einer gründlichen Untersuchung des Nothstandes hm seinen Antrag zurück. Trotz dieses Tbeilerfolges bleibt b'k Reg,eru,igö- Majorität rissig. Im eigenen Lager, wo die Parte.zuch lXni.t aclockert frißt der »Zweifel weiter: HlgglNgs, der liberale Vertreter für Mittel-Norfolk, hat fick Partei losgesagt, weil er verschiedene Punkte ihrer Programms, insbesondere den Feldzug gegen ras Oberbaus, nicht billigt. Auch 'nuerhalb der großen Aliti-Pariielliten-Partei gäbet eS bedenklich. „Hie H-alY, die Dillon!" hieß eS verflossene Woche in Dublin bei der Wabl des Vollzugsausschusses der nationalen Föderation. Healy s Gruppe (der gemäßigte Flügel der Partei) siegte, de, der Wahl des Comultativ-AusschusseS der Partei »n Unterhause bedielt jedoch Dillon (der radikale Führer der Landliga) die Oberhand, denn im Parlament sind die Dilloniten starker al» die Healyten. Bald werden diese Zwistigkeiten hmausgelragen werden und böse Worte herüber unv hinüber fliegen, daS ist so alte irische Art. Ten Nutzen davon haben natürlich, wie sich noch im Laufe der Adrcßdebatte zeigen dürfte, dir Union,,ten. Deutsches Reich. * Berlin, 10. Februar. Wiederholt ist über die Reichs- tagS-Wahlbewegung im Kreise Lyck berichtet worden» wo zum Ersatz für den verstorbenen Regierungspräsidenten Steinmann nach mancherlei Irrungen unv Wirrungen der Oberpräsirent Graf Stolberg als Candidat der Konser vativen das Feld behauptet bat, während der Bund der Land winde und die extreme Reckte einen ihnen genehmeren Kan didaten aufzusteUen versuchten. Die Mißstimmung dieser Kreise kommt in der „Kreuzztg." in bezeichnender Art durch eine Zuschrift zum Ausdruck, worin es beißt: „Wir sind der Meinung, daß eine gewisse Mitwirkung der Be hörden bei den Wahlen gerechtfertigt und ersprießlich ist, denn auch der Negierung darf nicht verwehrt werde», ihre Ansicht auszusprechen. Es ist sogar Pflicht der Behörden, daS Publicum vor den Um- garnungen durch die Agitation staatsfeindlicher Parteien zu warnen. Man darf aber auch nicht in das andere Extrem verfallen. WaS in unserem Kreise an Wahlbeeinilussung geleistet wird, geht wirklich über das erlaubte Maß hinaus. Das Reich steht und fällt doch nicht mit der Reichstags-Canbidatur des Herrn Oberpräsidentei, von Ostpreußen. Wenn ein anderer conservativer Mann gewählt wird, ebenio patriotisch und monarchisch gesinnt wie er, dann wird der Staat doch keinen Schaden erleiden. Man Muß wirklich gestehen, daß die Freisinnigen uns bei einer Wahl d»S Oberpräsiventen nickt mit Unrecht vorwerfen könnten, dieselbe sei ein Product der Wahlbeeinflussung und nicht der Volksstimmung. Conservativ ist unser Kreis bis in die 89. Jahrgang, Knochen, wahrscheinlich wohl bedeutend conservativer als unser err Oberpräsident, dem im Reichstage die freiconsrrvativen hären jedenfalls weiter geöffnet werden, als die konservativen. Wir würden nichts gegen diese Wahl sagen, wenn Gras Stolberg der geeignetste Candidat wäre, um die Wahl eines Socialdemokraten oder Freisinnigen zu verhindern; allein davon kann gar keine Rede sein, — er wird höchstens die Ehre haben, trene konservative Männer aus dem Felde zu schlagen. Sollen die unabhängigen Conservativen dem so »nthätig »»sehen? sollen sie nicht den Wunsch hegen, daß Gras Stolberg seiner zweifelsohne sehr gesegneten und erfolgreichen Thäligkeit in der Provinz ohne Unterbrechungen erhalten bleibe? Ein Einwirken zu Gunsten eventueller neuer Handelsverträge ist ja auch in dieser Stellung, wie die Erfahrung gezeigt, nicht aus geschlossen." ES ist nns nickt bekannt, ob eine unzulässige Beeinflussung der Wähler zu Gunsten des Grafen Stolberg stallfindet; eventuell wird cS den Freunden der „Kreuzztg." unbenommmen sein, im Reichstag die Wahl wegen solcher Beeinflussung an- zufechteu. Vorderhand kann man sich dem reinen Behagen überlassen, welches Klagen dieser Art Hervorrufen, wenn sie von einer Seite ausaehen, wo man jede im Partei-Interesse erfolgende amtliche Wahlbeeinflussung vertheidigt, sogar dann, wenn sie durch Präsidenten und Landräthe gegen die zeitige RegierungSpolitik staltfindet. * Berlin, lv. Februar. Aus dem deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiete geht dem „Hamb. Corr." ein interessanter, vom l5. Januar datirter Bericht zu über ein Mahl, das im Casino zu Dar-es-Salaam zu Ehren des Gouverneurs, Oberst v. Scheele, gegeben worden ist; außer allen Beamten und Ofsicieren waren auch die Vertreter der deutschen Firmen zugegen. Von besonderer Bedeutung ist eine Rede des Herrn o. Scheele, die, „nach Inhalt und Sinn getreu wieder gegeben", folgendermaßen lautet: „Ich freue mich, meine Herren, Sie heute hier noch einmal so zahlreich versammelt zu sehen, nnr so mehr, da ich voraussichtlich kaum wieder hierher zurückkehre, weil ich Seine Majestät um Enthebung, so leid es mir thut, daß es geschehen mußte, von m einem Posten gebeten habe. Ich bedauere von ganzem Herzen, baß es mir nicht vergönnt sein wird, die Früchte der friedliche» Entwickelung vorzubereiten, der ich, um Ruhe und Ordnung zu schaffe», durch militairische Expeditionen habe Vorarbeiten müssen. Dadurch haben die beiden Jahre meiner Thäligkeit, so sehr ich auch die Nothwendigkeit meiner Expedition betonen muß, sehr gegen meinen Willen »inen kriegerischen Charakter getragen. Einem Ändern wird es, da ich gegen meinen Wunsch, durch die Verhältnisse gezwungen, voraussichtlich nicht wieder kehren werde, Vorbehalten sein, das zu ernten, waS ich gejär habe. Ich ermahne Sie, meine Herren, stets daran zu denken, das; Sir, ieder Einzelne von Ihnen, hier ein StaatSwesen aufb^uen helfen, das unferem Muttrrlande zum Segen gereichen soll und auch dem kleine» Capital Gelegenheit geben möge, sich hier draußen ein neues Feld zu suchen und eine neue Heimalh zu gründen.' Ich bitte Sie, nie zu vergessen, daß sowohl die Deutschen iy der Heimalh, als auch die Eingeborenen auf Sie sehen, und daß Sie sowohl durch Ihre Thäligkeit als durch Ihr Beispiel aus letztere einzuwirken haben." Zum Schluß verband er ein Hoch ans die Cvlonie niit dem Hoch auf den Kaiser. Der Vicc-Gouverneur Oberst lieutenant v. Trotha, brachte ein Hoch auf die Familie des Gouverneurs auS, und banit sprach ein Beamter der Deutsch Ostafrikanischen Gesellschaft in; Namen der ganzen Kauf mannschaft seine Anerkennung aus für daS große Verständ- niß, daS Herr v. Scheele für alle wirthschaftlicken und kauf männischen Unternehmungen habe, und den Wunsch aller Kaufleute, Seine Excellenz, zu dem alle Elemente der Cotonie das größte Zutrauen gefaßt hätten, möge baldigst zurück kehren. — Der Kaiser hat, wie der „Post" aus Elbing gemeldet wird, der Binnennehrung den zur Wiederherstellung der Hochwasserschäden 1889 gezahlten Gesammtvorschuy von 356 000 erlassen. Feuilleton. Ein Liebesopfer. 4! Bon Karl Warteuburg. Nachdruck verdotea. (Fortsetzung.) DaS Deficit in der Cafse stand damit in Verbindung. Aber iu. welcher? Darüber zermarterten sich ihre Ge danken. Doch was auch voraegangen sein mochte, daS war ihr unerschütterliche Gewißheit, daß Gottfried'« Tbat nicht auS schlechten Absichten entsprungen, daß er ein Opfer seiner Gutberzigke.it geworden. Dafür mußt, sie auch Zeugniß ihrem Vater gegenüber ablSgen, wenn ctuch sein Zorn deshalb aufloverte. „Es ist recht von Dir, Vater", sagte sie in erregtem Tone, „daß Du Herrn Müller nicht bei Gericht anzeigen willst — eS würde hart, sehr hart sein, und die Strafe für das Vergehen den wirklich Schuldigen doch nicht getroffen haben." „Wieso nicht den wirklich Schuldigen? Was willst Du damit sagen?" warf die Mutter ein. „Hast Du nicht gehört, wir er gestanden, daS Geld genommen zu haben?" „Ja, da- hat er"', bestätigte in strengem Tone der Kauf herr, „und vielleicht habe ich ein Unrecht getban, daß ich dem Recht nicht seinen Lauf lasse. Ich verstehe nicht, Martha, wie Du den Menschen noch vertheidigen kannst." „Müller ist nicht schleckt, er hat ein gute- Herz. Irgend ein verschlagener Mensch hat seine Gutmüthigkeit mißbraucht. Es wird wohl noch an den Tag kommen» wie daS zusammrn- bänat — und dann wirst Du auch milder über MÜller ur- tbeilen, Vater, und auch Dn, Mutter!" Der Kaufherr warf einen erstaunten Blick auf seine Tochter. Er fühlte, daß etwa» Wahre» in den Worten de» jungen MädcktnS lag. „Vielleicht ist Deine Vermutbung nicht unbegründet", antwortete er nachdenklicher und ruhiger, als nach seinem ersten Aufbrausen bei der ersten Aeuflerung Martha'» zu er warten, „trotzdem sind wir geschieden für immer. — Er hat mein Vertrauen getäuscht. — Und nun genug davon. — Ich wollte lieber noch fünfhundert Thaler darum geben, wenn die Geschichte nicht voraekommen wäre. Aber prrchen wir nicht mehr davon. — Adieu, Klara, adieu, Martha — und mit einem Händedruck von Frau und Tochter sich ver abschiedend, verließ er rasch daS Zimmer. — Frau Sieler aber, die beraussühlte, daß Martha bei ihrer Aeußerung über den wirklich Schuldigen an Guido dachte, bemerkte mit vor wurfsvollem Tone gegen ihre Tochter, als Herr Sieler sie verlassen batte: „Du hast bestimmten Verdacht gegen Jemand? Wenn Du nur keinem Unschuldigen Unrecht tbust." „Ich nenne keinen Namen", antwortete Martba leise, aber dem Blick der Mutter nicht ausweichend, „doch e» wird an den Tag kommen, wer der Schuldige ist." * . * Leipzig ist die Stadt mit den langen tiefen Höfen und Hintergebäuden. Als Meßstadt, als Hauptstadt deS deutschen Buchhandels brauchte eS große Niederlagen unv Gewölbe, in welchen die Maaren, die aus allen Welttbeilen ankamen, auf- gestapelt werden konnten. In allen Straßen der inneren Stadt giebt eS solche große Höfe, von denen einzelne, wie „Auerbachs Hof", einen weltbekannten Ruf besitzen. Die weitaus meisten dieser Höfe baden aber die Häuser dl» BrüblS. Hier lagen zahlreiche Gastböfe mit ihren großen Stallungen für die Pferde der Fuhrleute, die noch in den ersten drei Jahrzehnten diese- Jahrhunderts auS Hamburg wie auS Augsburg, von Köln wie aus BreSlau, und noch weiter auS Polen, au» Oesterreich in großen vielspännigen Planwagen di« Meßgüter nach der alten Handelsstadt führten. An diese Karawansereien schloffen sich die großen SpeditionShäuser mit ihren Niederlagen für Pelzwaaren, die schon damals, ehe daS Etablissement Sommer gegründet wurde, im Brübl ibren Stapelplatz hatten, während andere Branchen, wie die Gerber, ibren Sitz in der Nitterstraße aufgeschlaarn hatten. Dir meisten der Häuser im Brübl hatten ihren Namen. Da gab eS den Plaurnschen Hof, Stadt Freiberg, Stadt Köln, drei Schwäne, den schwarzen Bock, den Tiger. Andere wurden nach ihrem Besitzer genannt, wie Koch'S Hof. Einzelne Häuser batten sich später in große Hallen verwandelt, wie die Lrinwandballe, die Rauchwaarenkalle, welche letztere eigentlich „der blaue Karpfen" hieß. In einem der kleinen düsteren Hofzimmer der Rauch- waarenballe, unweit der Firma Sieler, batte Gottfried sein neue» Heim gefunden. So bescheiden auch seine frühere Wohnung in der Nicolaistraße gewesen war, für den ent lassrnen Buchhalter war sie doch zu kostspielig. Guido hatte ihm die fünfhundert Tbaler, die Gottfried irtjwischta au» seinen Ersparnissen seinem Principal übersendet hatte, zwar wieder erstattet, aber damit glaubte er wohl auch Alle» gcthan zu haben. Er batte sich seit dem Tage der Zurückzahlung seiner Schuld nicht wieder bei Gottfried blicken lassen. Weihnachten war indessen herangekommen. Aber die Hoffnung Guido's, daß da» Fest ihm seine Verlobung Mit Martha bringen würde, war nicht in Erfüllung gegangen. DaS junge Mädchen hatte seiner Mutter, als diese einen ernstlichen Versuch machte, ihre Tochter zu bewegen, sich mit ihrem Cousin zu verloben, entschieden erklärt, daß sie für Guido keine Neigung habe. „Du wirst mich doch nicht zwingen wollen, Mama, einem Manne meine Hand zu geben, den ich nicht liebe, wenn er auch mein Cousin ist." Die Mama batte darauf mit dem Neffen gesprochen und ihn damit vertröstet, daß Martha nock zu jung sei, daß er etwas Geduld haben möge, mit der Zeit würde Alles noch gut werden. Indessen Guido ließ sich nicht betbören. Wa» ihm früher nnr eine unbestimmte Befürchtung ge wesen, das war ihm jetzt zur Gewißheit geworden. Seine Cousine liebte ibn nickt, und mit allen seinen Künsten und Galanterien war eS ihm nicht gelungen, da» Herz deS jungen Mädchens zu erobern. Al- er einmal diese Ueberzeugung gewonnen hatte, fielen für ihn auch alle Rücksichten, sich die Gunst seine- ObeimS durch eine geordnete geschäftliche Thätigkeit und eine moralische Lebensführung zu gewinnen. DaS Oi»t2 chlnois mit seinen rothen SammetdivanS, seinen Marmortiscken, seinen Vergoldungen, seinem Kartenspiele der „Große Blumenbera" mit seinen üppigen Abend-Mablzeiten' die dort von einer Anzahl junger Lebemänner abgebalten wurden, die Ballsäte, die Weinstube sahen ihn viel hausiaer als da» Comptoir seines OheimS im Brühl. ^ ' Vergebens warnte ihn seine Tante; er körte sie ruhig «n ^ sagt. eS ist doch Alleö gleich, mein Ziel erreiche ich doch nicht. Seine Besuche in Sieler S Hause horten endlich ganz auf. Um Gottfried, da» Ovser k„n-ck tzeicht„nnS, kümmerte er sich " : die Hoffnung ausgegeben. Ma ihn eine falsche Scham zurück, nickt weiter. artha'S Hand dem Oheim Selbst dann, al» er die zu gewinnen, hielt den Hergang der ...... Ader noch ein Grund lieh'ihn schweigen. So oft er in den ersten Wochen nach Gottfried'» plötzlicher Entlassung mit seiner Eousine zusammengetroffen, hatten sich die Blicke de» inngen Mädchen» mit einem sonderbar fors«§nd«u Aus druck auf ihn geheftet, als wenn sie ein Geheimniß auS ihm heranSkolen wollten. IedeSmal kam ihm dabei der Abend in Erinnerung, an welchem er mit dem Cassirer am Thee- tisch seiner Tante gesessen und die intime Unterhaltung Martha's mit Gottfried, und jedesmal regte sich dabei in ihm ein Ge fühl von Eifersucht oder vielmehr verletzter Eitelkeit. Und gerade diese forschenden Blicke Martha's, die ibn aussorderten, seine Schuld zu bekennen, bewirkten daS Gegentbeil. Sein Aergkr, seine Eitelkeit ließen es nicht zu; vielleicht auch eine gewisse Schadenfreude, seiner Cousine auch eine Kränkung zu bereiten. Denn daß Gottfried'S Loos ihr nahe ging, das fühlte er, wenn er ihre Tbeilnahme auch mehr dem Mitleid, als der Liebe entsprungen hielt. Während sich die Vorgänge im Sieler'schen Familienkreise ereigneten, hatte Gottfried sich vergeben- um eine andere Stellung bemüht. Ucberall stieß man sich daran, daß er sofort ohne Kün digung entlassen worden war. Wenn auch Herr Sieler und die Seinen über den Anlaß hierzu nichts hatten laut werden lassen, Guido auS eigenem Interesse vorgab, den Grund nicht zu kennen, die bloße Tbatsache allein war wohl hinreichend, Gottfried die Thür ru sperren. Müde, erfroren kehrte er deS Abends heim in seine dunkle Hoswohnung. Den Seinigen batte er seine Entlassung nicht mitaetbeilt, um sie nicht zu beunruhigen. Nach wie vor schickte er ihnen von seinen Ersparnissen die monatliche Unterstützung. Wa» sollte aber dann werden, wenn das kleine Capital zu Ende war? Er seufzte tief auf bei dem Gedanken. — Doch in allen Sorgen und Kümmernissen tröstete ibn das Bewußtsein, daß er durch DaS, was er getban, das Glück Martba's begründet, die er wie eine Heilige ver ehrte, anbetete, selbstlos liebte. Als freilich daS Weibnacktssest vorüber und er von der Verlobung Martha's mit ihrem Cousin nicht- horte, wunderte er sich darüber. Indessen wer weiß, welche äußere Zufällig keiten die Verlobung verhindert hatten. Er erfuhr auch nichts von der immer größer werdenden Entfremdung zwischen Guido und der Familie Sieler. Wer sollte eS ihm auch sagen? Seine früheren Colleaen wichen ihm auS. , Im „Schwarzen Bret" aß er schon seit seiner Entlassung nicht mehr. In einer Milchballe, im Hintergebäude de» „Goldenen Stern'-" in der Hainstraße, hielt er seine Hauptmahlzeit, bestehend auS einem großen GlaS Milch und einigen Franz- brödchen. (Fortsetzung folgt.)
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