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Weißerih-Zeitung Freitag. Erscheint Dienstag« und Freitag«. Zu beziehen durch alle Post« anstatt«». 27. Januar 1860. Drr<« pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten«Zeile 8 Pfg. Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadtrathe zu Pippotdismatde, /rauenkteiu und Itteuderg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Ich ne in Dippoldiswalde. Tagesgeschichte. * Dippoldiswalde. Unlängst vernahmen wir anS einem Protokollextracte, der über eine der hiesigen Stadtverordnetensitzungen in d. Bl. veröffentlicht wurde, daß eine Reorganisation unserer Stadtschule unter den obwaltenden Umständen vorläufig nicht stattfinden solle, obwohl eine solche wiederholt beantragt worben ist. Da nun aber, wenn die obwaltenden Umstände nickt mehr bestehen, jedenfalls an eine den Bedürfnissen der Gegenwart entsprechende Umgestaltung unscrS Schulwesens Hand gelegt werden dürfte, so gestatten wir uns, in Folgendem mit kurzen Worten ein Scherf lein zur Lösung dieser für unsere Stadt jedenfalls hoch wichtigen Frage beizutragen. Die Classen unserer Schule werden von Kindern armer und bemittelter Aeltern ohne Unterschied besucht und dies schon seit länger als Menschengedenken, so daß das Jahr 1848 mit seinen HumanitätStheorien nicht erst nöthig batte, bei uns die Gleichheit wenigstens in der Schule ins Leben zu rufen. So schön es aber auch klingt, daß alle Kinder gleichen Unterricht erhalten sollen und auch dem Aermsten die Möglichkeit zu ge währen sei, eine bessere geistige Ausbildung zu erlangen, als er durch eigne Mittel zu erringen im Stande sei: so ist dies doch eben nur in der Idee vortrefflich, in der Wirklichkeit aber wegen entgegenstchcnder, nicht zu beseitigender Hindernisse unausführbar. Unsere Armenkinder zeigen in der Regel, denn Ausnahmen kommen hüben, wie drüben vor, eine schwächere Geisteskraft, ein stumpferes Gefühl und ein weniger lebendiges Streben, als die Kinder anderer, in besseren Verhältnissen lebender Aeltern. Trägt hier von zunächst schon die mangelhafte leibliche Ernäh rung einen großen Theil der Schuld, insofern das Ge hirn, die Werkstätte des Geistes, nicht die zu seiner Kräftigung und Stärkung erforderlichen Stoffe erhält: so lassen auch nicht selten die häuslichen Umgebungen das Armenkind weder Ruhe, noch Zeit, noch Raum, den Ansprüchen des Schullebens zu genügen, finden. Und wenn es ihm auch gelänge, dies Alles zu finden, wie wenig findet cs oft in den moralischen, wie intel- lectuellen Zuständen der Aeltern einen belebenden An trieb zu Gewinnung einer sorgfältigen Ausbildung. Wie brave Väter und Mütter es auch in den armen Familien unserer Gemeinde geben möge: für die Pflege höherer geistiger Interessen wird man gewöhnlich wenig oder gar keinen Sinn bei ihnen finden. Sie vermögen des halb auch nicht ihre Kinder dahin zu bringen, daß die selben über das nothdürstige Maaß hinaus von der Schule Nutzen ziehen. Sodann darf auch nickt uner wähnt gelassen werten, daß wiederum die häuslichen Verhältnisse die Zahl der Schulversäumniffe bei einem Armenkinde ungleich größer werden lassen, als bei andern Kindern, und daß dieselben Verhältnisse die AnschaOrag von Hilfsmitteln für ein gedeihliche- Fortschreüen im Lernen wenn nicht unmöglich machen, so doch erschweren. So lange eS also nicht möglich sein wird, die Kinder armer Aeltern, was leibliche Nahrung und Nothburft, Zeit und Raum für häuslichen Fleiß und Hilfsmittel sür'S Lernen betrifft, in dieselben günstigen Verhältnisse zu versetzen, wie Kinder bemittelter Aeltern sie genießen: so lange werden dieselben wieder nur wie Bleigewichte an den Classen hängen und den Stnndenplan, wie ins besondere das Klassenziel, auf einen tieferen Standpunkt hcrabdrücken. Wir halten daher bei einer Reorgani sation unseres Schulwesens eine Trennung der ärmeren Kinder von denen der Wohlhabenderen für unerläßlich, nicht etwa, um eine Scheidewand zwischen beiden für das ganze Leben aufzufübrcn und die Aermercn für ihre Ärmuth gleichsam büßen zu lassen — wie könnte solch ein liebloses, engherziges Verfahren uns in den Sinn kommen —, sondern weil wir des festen Glaubens leben, baß durch die vorgeschlagene Trennung beiten Theilen ein wahrhafter Nutzen erwiesen wird, insofern als die Schule dann ihre zu stellenden Ansprüche nach der einen Seite hin zu ermäßigen, nach der andern zu erhöhen in den Stand gesetzt wird, und zwar nicht blos, was das zu erreichende Ziel für's Lernen, sondern auch was die von den Einzelnen zu leistenden Geldbeiträge an die Schulkasse betrifft. Welchen Umfang nun die vorgeschlagene Trennung zu nehmen habe, ob sie sich mit Einrichtung einer so genannten Scleete begnügen könne, oder ob nicht eine völlige Trennung in eine höhere und niedere Bürger- schule, wie dies bereits in mehreren Mittelstädten unsers Vaterlandes der Fall ist, wüuschenSwerth erscheine, dar über anssührlicher zu sprechen, dazu ist eineslbeilo hier nicht der Ort, thcilS wollen wir in unserm Urtheil dar über nicht maßgebend sein. Wir begnügen uns damit, eine Frage angeregt zn haben, deren Lösung unstreitig von größter Wichtigkeit für eine Schulgemeinde ist und fürchten dabei nicht, eines gewissen PartieularismuS und einer unstatthaften Geringschätzung unserer ärmeren Mitbewohner geziehen zu werden, da wir, nie Jedem bei näherer unbefangener Prüfung einleuchten wird, gerade dieser durch unsere Ansichten und Vorschläge dienen wollen. Dippoldiswalde. Am 24. Januar Nachmittags tödtete sich inSchmiedeberg der gewesene Herrendiener Börner durch einen Pistolenschuß in die linke Brust. Er war seit Kurzem dienstfrei und hielt sich bei An verwandten in Schmicdcbcrg auf. Der Grund zu diesem