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1857 Mittwoch, den 4. März ^Ksfr«««ö Redigin und verlegt von H. M. Gärtner in Schneeberg und Schwarzenberg. Sehnsucht nüch dem Frühling. Von -l. Glück auf! Glück auf! Bald geht der düstre Greis von dannen, Der Wtnter-mann mit seinem schneegelockten Haar, Und heiter lächelnd kommt ein «underlteblich Mädchen, Der holde Lenz, und beut Dir sein« Rechte dar. Die Leiden alle, die der Alte mit sich brachte, Der Sturm, der Frost, der Fluren tiefe Einsamkeit, Sie scheucht die Holde weg und tausendfache Wonnen Bringt sie dafür im wechsel»»!!«» Lauf der Zeit. Warum soll sich da» Herz nicht nach de» Winter» Oedt Recht innig freuen aus der Wiesen saftig Grün, Der Pögel Wettgesang, der Bäche leise» Rauschen, Und auf der Kinder Flora'» duftige» Erblühn? Warum nicht auf die Zeit, wo in den Schooß der Erde Der emfge Landmann seine reichen Saaten streut, Und wo durch blühende Allee n die muntre Heerde Hin nach dem Berghang zieht bei klingendem Geläut'. v welche» Leben rings! Wer malt sich da» Entzücken. Die Wonne, die die trunkne Seele dann erfüllt. Wenn nach de» Winter» trüben Tagen unsern Blicken Solch' reizendes Gemälde plötzlich sich enthüllt. Und diese Wunderwelt entzaubert Dein Erscheinen, Dir« Alle« küßt, o Lenz, Dein milder Odem wach! Und ach, wie nah bist Du! Vor Freude möcht' ich weinen, Und schnell vergessen ist de» Winter» Ungemach. O komm' recht bald! Dir schlägt hier jedes Herz entgegen. Und Aller Augen blicken sehnend nach Dir auf; Za komm' recht bald! Wir rufen All' bei Deinem Nahen Im Jubelton: Glück auf, Du holde Maid, Glück auf! Liebe und Treue bis zum Grabe. In Warschau lebte, von der Welt und ihren glänzenden Verlockungen zurückgezogen, einer der reichsten jüdischen Kauf leute mit seiner Tochter Isidore. Streng hielt der alt« Hebräer Schilkovskp aus die Gesetze des Talmud-, und nichts konnte seinen Glauben an die Unfehlbarkeit dieser Lehren wankend machen. Ebenso strenge war er auch in der Erzie hung seiner einzigen Tochter. Wie ein Argus bewachte er diesen Schatz von jungfräulicher Schönheit, damit.dieser keusche Juwel ihm dereinst reiche Zinsen trage. Er verglich sie ost Mit der Perle, die aus ihrer Schaale gehoben «erden müsse, und gestattete ihr nur selten, die Freuden der Jugend zu ge nießen. Seinen Grundsätzen, seinem Gei« gemäß, hatte er dieses Kleinod im Stillen bereit- einem gleichfalls sehr rei- ,chrn Juden so zu sagen verschachert; denn der von ihm dem lieblichen Kinde bestimmte Mann war schon im hohen Man- neSalter, und nichts weniger als liebenswürdig an Herz, Ver stand und Aeußerem. Nur selten durste Isidora ihre Freun- dtnNen besuchen; geschah e«, so mußte sie di« Begleitung der alten Wärterin Rebecka, dft ein Hau-inventarium war DA ganz nach den Befehlen des Herrn handelte, ertragen, AWk Kosten scheute aber der Vater, um sein Kind durch HauSleh- rer in allen schönen Künsten Und Wissenschaften aa»b1lden zu lassen, und es schmeichelte seiner Eitelkeit, st« den Erste« ihr«» Geschlecht« gleichstellen zu können. Wunderbar schnell und schön entfaltete sich diese zarte Blüthe an Leib, Geist «Kd Seele und in ihrem fünfzehnten Jahre prangte sie ist »oller Anmuth, in einem Liebreiz, der mit dem Bilde der Benu«, umgeben von Liebesgöttern, wie sie Goilio R-Mstno gemalt, zu vergleichen war. Wer sie sah, empfand und Mtldigte ihr« Schönheit; wer sie sprach, staunte über di« Klarheit und tirft geistige Bildung, die ihr eigen war. Viele der angesehensten und achtbarsten Jüngling« taü- gen und strebten nach ihrer Gunst. Doch einer Göttin gleich entwand sie allen Anbetern und Freiern die Pfeile, die auf ihr Herz abgesendet werden sollten; mit dem MtAisch der Unschuld,' dem Schilde der Klugheit begegnete sie ten Spiele« de- Ernste«, de« Witzes und der Laune. Da es inchrrRi- sidenz, wie auch Isidoren, ein Geheimniß geblieben, für wen der Geizhals von Vater die reizende Tochter als Frält He» stimmt habe, so wunderte sich ein Jeder über die SprödttzM der Bevorzugten. Die Spötter nannten sie eine zweite Donna Diana, und suchten sie durch Nichtbeachtung zu bestraft«. Der Vater freute sich im Stillen über das Benehmen det Tochter; er wähnte, sein eigene- Fleisch und Blut könne nur nach seinen Grundsätzen und Leidenschaften denken und han deln. Darin aber hatte sich der alte, schlaue Rechenmeister verrechnet; Isidore war ei« Mädchen, deren Herz und Der- stand leise unter den Flügeln der liebevollsten und sorgfäl tigsten Lehre für Wahrheit und edles Gefühl ausgebildet ward. Nicht ohne Empfindung «ar ihr Herz, warm fühlte «S und laut schlug es für ein ihr über alle» theure» Wesen. Es war die-Seraphim, einer ihrer Lehrer, der bei großen wissen- schaftltchen Kenntnissen die Reinheit de- Herzen» Und der Seel« besaß; leider aber eben so arm al- jugendlich liebens würdig war. — Au streng find die Gesetze des jüdischen Glaubens, be sonders bet den jüdischen Lehrern, al- daß der alte Schil- kovsky einen Argwohn hätte fassen können, der im Entfern testen die Moralität des-Lehrer- in Zweifel zöge; unbeding tes Vertrauen schenkte er demnach dem armen kenntnißreicht«, jungen Mann, und freute sich über die schnellen unv große« Fortschritte, die seine Tochter in den schönen Wissenschaften machte. Bereits waren so zwei Jahre verflossen, da mußte d«r Vater eine Geschäftsreise nach Petersburg machen. Obgleich er auf die Tugend und strenge Denkungsart feiner Tochter bauen konnte, und die unerschütterliche Treue der alten Re becka ihm verbürgt war, die ihn jeder Beforgniß übtrhvb, so entschloß er sich doch nur mit schwerem Herzen zu der Ab reise. Sehr gern hätte er vor derselben die Tochter dem be stimmten Bräutigam verlobt; dieser war aber durch einen Sturz mit dem Pferde am Fuße schwer verletzt «nd mußte Bett und Zimmer hüten. Bei der Rückkehr nach drei Wo chen sollt« aber die längst ptojektirte Bttlvbmrg gefeiert wer»