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Die „Bttsr.d)rfer Zeitung« «escheml inrnstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Dkrilla mit Aloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode. Annahme »»« Inserat« die vermtttag z« Uhr. Inserat« w«rdm mit zo Pf f-r di« Spalt,««, »«rechnet kabellarischer Satz nach besonderem karts Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühl« in Groß-Okrilla No. 118. Mittwoch, den 2. Oktber 1907. 6. Jahrgang. Bekanntmachung. Am 30. September bez. 1. Oktober d. I. sind fällig und an die hiesige Ortssteuer- tinnahme (Gemeindeamt) abzuführen: der 2. Termin Einkommen- und Ergänzungssteuer zahlbar bis ri> Oktober 1907 "HW der 2. Termin Brandkasse, zahlbar bis 8. Oktober l907. Nach Fristablauf beginnt das gesetzliche Beitreibungsverfahren. Ottenckork-^lorUrckors, am 26. September 1907. , DerGemeindevorstand. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, den ,. Oktober M?- —* Wenn du noch einen Taler hast, so geh und laß ihn wechseln I Der erste Oktober ist da und setzt, wie schon bekannt, die Taler stücke unbarmherzig an die Lust. Sie dürfen nicht mehr den gesetzlichen Kreislauf im deutschen Vaterlande mitmachen. Zwar Wechseln sie die Staatskassen noch ein volles Jahr lang ein, aber eö muß erst der Weg zu einer solchen Kaffe gemacht werden, da sonst niemand mehr verpflichtet ist, Taler in Zahlung jU nehmen. —* Es verlautet gerüchtweise, die sächsische Regierung wolle beim Landtage 100 „neue" Richterstellen beantragen. Leute, die eS nach besser wissen wollen, tuscheln geheimnisvoll, die Regierung wolle nur 30 Stellen fordern. Propheten vollends, denen ihre Talente ge statten, das Gras wachsen zu hören, geben ihre Orakelweisheit dahin zum Besten: die Regierung werde SO Stellen fordern der Landtag aber werde 100 Stellen verwilligen und die Regierung veranlassen sie zu schaffen. Genug, daß eine „Neuschaffung" von Richter- stellen im Werke ist, scheint so gut wie ge sichert. Und in der Tat war eS höchste Zeit, daß man sich zu diesem Schritt entschloß. Mit dem Hilfsrichterwesen, wie eg bislang be steht, konnte cs nicht so weitergehen. Die Stellen, um deren Neuschaffung es sich handell sind nicht etwa Stellen, die wirklich „neu ge schaffen" werden, sondern sie sind ausnahmslos etatmäßige seste HilfSrichterstellen, die nur in ordentliche Richterstellen (Amts- und Land- richterstellen) umgewandelt werden. Nicht eine Stelle also wird neu geschaffen, nur schon vor handene Stellen werden gehoben. Gehoben im Tehalt und in der verfassungsmäßigen Stellung. Im übrigen tritt keine Aenderung ein. Denn Unsrer HilfSrichter üben die volle und ganze Funktion eine» ordentlichen Amts- oder Land richter» au», sie unterscheiden sich von Hm lediglich durch den geringeren Gehalt und durch bi« Absetzbarkeit. Cunnersdorf. Am heutigen Vormittag entstand in der Möbelfabrik von Werthschütz ein kleinere» Schadenfeuer, welches schon im Entstehen gelöscht werden konnte, ohne daß di« bereits alarmierte Feuerwehr einzugreifen brauchte. Dresden. Der Rat plant eine Eihöhung der Straßenbahnfahrpreise, indem er drei Janen für das Stadtgebiet bilden und für bies« Zonen 10, 15 und 20 Pfg. erheben Will. -- Einen dreifachen Beinbruch zog sich am Sonnabend mittag ein 7 jähriger Schulknabe dadurch zu, daß er an der Endstation der Straßenbahn in Wölfnitz trotz der Wegweisung durch den Schaffner unvermutet auf einen zum Rangieren in Bewegung gesetzten Anhänge wagen geklettert war, wobei er vom Vorder perron abrutschte, unter den Wagen fiel und stwa 2 Meter weit geschleift wurde. Die schuld trifft den Knaben selbst. Auf ärztliche Anordnung wurde er mittels des Unfallwagens >N das Friedrichstadter Krankenhaus üdergeführt. Riesa. Nachdem bei der Abstimmung die ^forderliche Zweidrittelmehl heit für den Acht- Uhlladcnschluß nicht erreicht wurde, bleibt es bei dem bisherigen Neunuhrlodenschluß. Leipzig. Flüchtig geworden ist der 22 jährige, schon vielfach vorbestrafte Markt- Helfer Ferdinand Gustav Bärsch, nachdem er 2000 M. die er für seinen Prinzipal bet der Reichsbank einwechseln sollte, unterschlagen hatte. Er ist 1,69 Meter groß, schlank, hat blondes Haar, blonden Schnurrbart, blasses Gesicht. Seine Kleidung bestand zuletzt u. a. aus grünbraunem, kleinkarriertem Jackettanzug. — Ein ganz unverschämter Schwindel wird von einem gewißen Jos. Beumers-Köln am Rhein betrieben. Der Mann inseriert in zahlreichen Blättern, daß er Gallensteine in 24 Stunden ohne Operation entferne und ver spricht „portofreie Zusendung bei Einsendung von 2 Mark." Sobald die Hinejngefallenen diese 2 Mark einsenden, erhalten sie eine kleine Broschüre, dazu einen Brief, daß sie noch 40 Mark etnzusendcn haben, wenn sie das Mittel haben wollten. Das tnt natürlich kein vernünftiger Mensch und Herr Beumers hat seine 2 Mark in der Tasche. — Verhaftet wurde ein schon vielfach vor bestrafter 34 Jahre alter Schlaffer aus Schlesien, als er den Versuch machte, mittels Nachschlüssels in ein Geschäftslokal in der Harkortstraße einzudringen. Der Ergriffene ist vor einigen Wochen aus einer Heilanstalt, in der er untergearacht war, entwichen. Er ist dringend verdächtig, nach dieser Zeit in zahlreichen Fällen aus Schaukästen Waren, Mptsächltch eine große Anzahl silberne und zoldene Uhren in bedeutendem Werte gestohlen ^u haben. Wie ihm nachgewiesen werden onnte, hat er einen Teil der Wertsachen ver kauft. Das zum Oeffnen der Schaukästen be nutzte Handwerkszeug sand sich bei dem Spitz buben vor. Chemnitz. Hier stürzte auf der Neichen- Hainer Straße ein vor einem leichten Kutsch wagen gespanntes Pferd infolge Scheuwerdens in die etwa drei Meter tiefe Schleußen- ausschachtung des dortigen Straßenerweiterungs- baueS. Der Leiter und Besitzer des Gefährts wurde bet dem Zerschneiden der Stränge von dem Pferde mit in die Tiefe gezogen, sodaß er zwischen dem Tiere und der Erdwand zu liegen kam. Durch einen sogleich dazu kommenden Schutzmann wurde der Mann, der laut um Hilfe rief, aus seiner gefährlichen Lage befreit. Ec ist erfreulicherweise ohne nennenswerte Verletzungen davongekommen. Das Pferd wurde durch die Feuerwehr aus der Ausschachtung gebracht. Es hatte aber so schwere innere Verletzungen erlitten, daß es an Ort und Stells getötet werden mußte. — Vor dem hiesigen Schwurgericht kam am Sonnabend jenes Verbrechen zur Aburteilung, daß in der Nacht zum 26. Juni in dem durch seine Talsperre bekannt gewordenen Jndustrie- ort Einsiedel verübt wurde. Nachts gegen 1 Uhr von seinem üblichen Skat aus dem Wirtshaus heimkehrend, wurde der Fleischer meister Fischer in seiner Wohnung, ehe er Licht machen konnte, von einem Burschen überfallen und mit Messerstichen bearbeitet. Der Kampf hatte sich bis aus die Straße sortgepflanzt, wo der Meister endlich zusammen brach und der Mordbube die Freiheit gewann. Heimkehrende Berufskollegen fanden den Schwerverwundeten und nahmen sich seiner an Ein Stich hatte die Lunge getroffen, sodaß der Verletzte lange Zeit zwischen Tod und Leben schwebte. Am anderen Morgen fand man nicht nur das zur Tat benutzte Schlachtmeffer, sondern auch das Jackett des Täters, das ihm bei dem Kampf samt der Weste vom Leibe gerissen worden war. In dem Jackett aber steckten die Papiere des Burschen. Es war dies der am 18. März 1888 in Niederlauter stein geborene und zuletzt in Zschaitz bei Döbeln arbeitende Fleischergeselle Moritz Oswald Schönherr, der bei dem Ueberfallenen gelernt hatte und die Geflogenheit des Meisters, Dienstags zum Skat zu gehen, kannte. Auch hatte er Kenntnis daß die Meisterin verreist war. Der Bursche wollt- Fischer töten, um ihm den Geldsa rankschlüssel abnehmen zu können, in dem sich die Kasse der Viehver sicherung befand. Der Täter wurde drei Tage danach auf dem Fischerschen Heuboden versteckt aufgesunden. In der Hauptverhandlung legte der Bursche ein offenes Geständnis ab. Er erklärte, daß er den Raubmord geplant habe, um seinen Meister in Zschaitz, dem er nach und nach etwa 300 Mark gestohlen hatte und der ihm bis zur Bezahlung dieser Summe den Radsahreranzug weggenommen hat und Lohn abzüge machte, entschädigen zu können. Schön. Herr wurde wegen versuchten Raubmordes und Diebstahls zu 12 Jahren 3 Monaten Zucht haus, 10 Jahren EhrenrechtSverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt. Da er geständig war, so wurden ihm 2^/, Monat Uotersuchungshaft angerechnet. Geising. Auf der Straße van Zinnwald nach Geising ereignete sich ein seltsamer Unfall. Kommerzienrat Arnold aus Berlin passierte mit seinem 45pserdigen Automobil auf der Heimfahrt von Karlsbad nach Berlin begriffen diese Straße. Bei dem Zollhause stiegen die Insassen des Wagens, zwei Herren und zwei Damen, ab und gingen ein Stückchen Weges zu Fuß, wobei das Automobil ihnen langsam voransuhr. Plätzlick bemerkte die Frau rück wärts am Wagen ein kleines Flämmchen, sie konnte kaum den beiden Chauffeuren zurufen, herauszusprfngen, als auch das Automobil vollständig in Flammen stand. Obwohl eiligst Feuerwehr von den zunächst gelegenen Ort schaften herbeigeholt wurde, war der Wagen doch nicht mehr zu retten, er verbrannte gänzlich. Auch die angeschnallten Koffer mit den Toiletten und dem Schmucke der Damen wurden ein Raub der Flammen. Da» Automobil repräsentierte allein einen Wert von 30 000 Mk. Die Gesellschaft begab sich zu Fuß nach Geising, von wo sie ihre Reise nach Berlin sortsetzte. Ans der Woche. In Frankreich hat man sich langsam an den Gedanken gewähnt, daß der Feldzug in Marokko noch eine Weile dauern wird. Sogar Herr Clemenceau, der sonst so Zuversichtliche, hat einigen Männern der Presse gegenüber geäußert, die Angelegenheit werde länger dauern, als man bisher angenommen habe. Natürlich verfehlt die kriegerische Expedition nach Marokko nicht, die Regierungsgegner zu vermehren und man sieht in Ministerkreisen nicht ohne Sorge der kommenden Pariamentö- tagung entgegen. Wie schon so ost, sind auch jetzt wieder Nachrichten von einer drohenden Ministerkrise verbreitet. Aber man muß die Gerüchte nicht allzu ernst nehmen, denn der Ministerpräsident hat diesbezüglich erklärt, er werde die Politik des Kabinetts in so glänzender Weise rechtfertigen, daß auch die heftigsten Gegner verstummen sollen. Der gewiegte Staatsmann hat einen vortrefflichen Ausgangs punkt für seine Kammerreden, Er wird dies mal die Antimilitaristen ins Feld führen und der Kammer klar zu machen suchen, daß durch ihre Werbetäligkeit die Großmachtsstellung in Gefahr ist. Mit dieser Parole wird er un bedingt Erfolg haben, denn der weitaus größte Teil der Deputierten, wie aller Franzosen ist für alle Forderungen der Regierung zu haben, wenn es sich um die Größe und den Ruhm des Vaterlandes handelt. — Die englische Diplomatie hat in diesen Tagen einen großen Triumph zu.verzeichnen. Das lange geheim gehaltene Abkommen zwischen dem Jnselreich und Rußland ist veröffentlicht worden und hat vollauf die Vermutung bestätigt, daß England auf friedlichem Wege dem Zarenreiche ab gerungen hat, was schon häufig Anlaß zu einem Kriege zwischen beiden Mächten zu werden drohie: den Einfluß in Persien, Afghanistan und Tibet. Im Zarenreich herrscht über d-n Vertrag nur eine Stimme: man sieht )arin das Eingeständnis der Regierung, daß re sich zu ohnmächtig fühlte, um den jahre langen heimlichen Kampf um di« Vorherrschaft rn den genannten Ländern noch weiter fortzu- etzen. — In Petersburg ist man angeblich wieder einer Verschwörung gegen den Zaren aus die Spur gekommen. Wie amtlich ge meldet wird, hat man in Peterhof mehrer« als Kosaken verkleidete Verschwörer verhaftet. Der bedrohte Zac hat sich infolgedessen mit einer neuen starken Leibgarde umgeben. — Die Verhandlungen wegen eines Ausgleich» zwischen Oesterreich und Ungarn haben sich zei schlagen, da die ungarische Regierung sich zwar bereit erklärte, einen höheren Beitrag zu den gemeinschaftlichen Kosten zu leisten, dafür aber neue Verfassungsgacantien verlangte, die die Regfirung in Wien im Interesse der Krone unmöglich zusagen konnte, um so weniger, da auch Kaiser Franz Joseph um solchen Preis aus den. Ausgleich verzichten zu wollen erilärte — Von der Friedenskonferenz hört die Welt nichts mehr. Es ist, als sei sie bereits aus einandergegangen. Allerdings bemühen sich einig« Delegierte, unter ihnen Bourgeois- Frankreich, schon jetzt die Ergebnisse der Friedenstagung als ganz hervorragende zu childern. In einem Pariser Blatt kann man eine Ansicht lesen, die in der Bemerkung gipfelt: „Die Spötter haben durchaus unrecht. Es ist im Haag sehr viel geleistet worden, wenn auch nicht so viel, wie auf der ersten Konferenz." Das ist nicht, wir Herr Bourgeoi beabsichtigle, ein Lob, sondern eine herbe Kritik. Denn die Ergebnisse der ersten Konferenz waren recht kärglich. — In Kopenhagen ist eine Konferenz von Politikern zusammen getreten, die ins Werk setzen will, wa« di« Regierungen der drei nordischen Reiche bisher immer abgelehnt haben, nämlich einen engen Zusammenschluß Schwedens, Dänemark» und Norwegens. Es heißt, daß Norwegen und Dänemark diese Absicht begünstigen, während Schweden sich gegen diesen Gedanken nach wie vor ablehnend verhält. Die interparlamentarische Vereinigung zu diesem Zweck wurde bereit» 1898 in Pari» gegründet, ohne in diesen Jahren etwas zu erreichen. Es scheint ziemlich ausgeschlossen, daß sie in absehbarer Zeit ihre Ziele verwirklichen kann. — In China hat man jetzt das lange geplante Reformwerk ernstlich begonnen. Die Regierung hat Offiziere nach Japan entsandt, die modernes Heerwesen studieren sollen. Zugleich aber hat man einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der als eine Vor stufe zum allgemeinen Schulzwang angesehen werden darf. Damit nicht genug, in ver schiedenen Seestädten sollen auch Handelsschulen gegründet werden, um das chinesische Volk zur Erkenntnis handelspolitischer Notwendigkeiten zu erziehen. Damit hat in China eine Bewegung eingesetzt, wie sie Japan vor etwa 20 Jahren erlebte. — Die Lage in Marokko ist nach wie vor unverändert. General Drude berichtet immer wieder von errungenen Erfolgen ohne daß die Beruhigung des Landes wesent liche Fortschritte macht. Im Gegenteil scheint die Lage ernster zu werden, seitdem sich Frankreich geweigert hat, den Gegensultan Muley Hafid anzuerkennen und sich für den bisherigen Sultan Abd ul Aziz erklärt hat. — In Deulsch-Südwestafrika ist der Bandenführer Morenga im Kampfe mit den ihn verfolgenden Engländern gefallen. Der letzte und bedeut samste Gegner deutscher Herrschaft ist damit vom Kriegsschauplatz abgetreten und man glaubt, daß nun der Friede gesichert ist.