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Uxprd. u. Redaktion Dresden-Neustadt N. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint TtenPag, Dvnnerstag und Sonnabend früh. Abonnement»" Preis: dierteljährl. M. 1.50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- «»staltcn und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung ins HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pfg. ächsische Dochnklng. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlich« Redakteur und verleg« Herr»«»« Müller in Dresden. Inserate werden bi» Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: di«1spalt.Zeile15Pfg. Unter Eingesandt: M Pfg. Jnseraten- Annahmefteken: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Haasenstein LVogler, Rudolf Moste, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, Kesselsdorf u. s. w. Ar. 58. Donnerstag, den 18. Mai 1893. 55. Jahrgang. Politische Weltschau. Deutsche- Reich. DaS allgemeine und geheime Wahlrecht, welche- ou-zuüben da- deutsche Volk demnächst wieder berufen fein wird, ist feiten- der Nation erst nach langen heftigen Kämpfen erstritten worden. Nur schwer entschlossen sich die Regierungen dazu, dem demokratischen Zuge der Zeit diese Koncession zu machen; wurde doch dadurch die ganze StaatLver- fassung auf eine völlig veränderte Grundlage gestellt, indem man das autokratische Regiment einschränkte und in dem Willen der aroßen Masse ein Gegengewicht schuf, wtlcheS gewiß sehr segenSvoll, aber auch sehr verhängnißvoll wirken kann, je nach dem Sinne, in dem das Wahlrecht auSgeübt wird. Lassen sich die Wähler von rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, so dürften wir auch stets ein Parlament haben, mit oem sich die Regierung wenigstens über die wichtigsten Fragen wird verständigen können; leider existiren ober im deutschen Reiche auch Parteien, welche die Opposition »ans Mass zu ihrem Losungsworte gemacht haben, d. h. welche geneigt sind, jede RegierungSvor- läge zu bekämpfen, eben weil sie von der Regierung auSgeht. Wir denken hierbei nicht nur an die Social demokraten, sondern auch an die Deutschfreisinnigen, sofern sie unter der Führung des Abg. Rich ter-Hagen stehen. In der Hand dieses Mannes und seiner An hänger ist das allgemeine und geheime Wahlrecht eine Woffe, welche unter Umständen geradezu verhängnißvoll für das allgemeine Wohl werden kann. Gewinnen in einem Parlamente jene Parteien, welche nur von der Opposition leben, die Oberhand, so wird die Volksver tretung zu einem Hemmschuh an dem Regierungswagen, welcher denselben schließlich zum Stillstände zwingt. Dieser Gefahr vorzubeugen, ist die Pflicht und die Aufgabe eines jeden wirklich patriotisch gesinnten Bürgers und deshalb wird er seine Stimme auch nur einem solchen Kandidaten geben dürfen, von dem er die Ueberzeugung hat, daß er sich nicht von kleinlichen Fraktionsinteressen, sondern einzig und allein von höheren Rücksichten, nemlich von denen auf da- allgemeine Wohl, letten läßt. Nur wer in diesem Sinne wählt, erweist sich des großen Ver trauens würdig, welches man dem Volke schenkte, als man ihm das allgemeine Wahlrecht gewährte und so dasselbe dazu berief, an der Leitung der Geschicke des Landes thäiigen Antheil zu nehmen. Möge sich ein jeder Wähler bei den ^vorstehenden Wahlen dessen bewußt fern! In einer ersichtlich osficiösen Korrespondenz aus Berlin wird der Eindruck geschildert, welchen die Kunde von der Ablehnung der Militär vor läge durch den Reichs tag im AuSlande hervorgerufen hat. Der Verfasser ge ¬ langt schließlich zu nachstehend«m Resultate: „Wenn die heimgeschickten Reichsboten, welche sich weigerten, die VertheidigungSfähigkeit des Vaterlandes zu erhöhen, die freudige Stimmung, die sich infolge dieser Thatsache uos«rer „lieben" Nachbarn im Westen und Osten be mächtigt hat, beachten wollten, so würden sie vielleicht einsehen, daß sie ihr Vötum nicht in voller Würdigung der politischen Lage Europa- abgegeben haben. In den feindlichen Lagern herrscht eitel Schadenfreude und wenn die französisch-russische Alliance sich noch nicht praktisch bethätigt, sondern der Friede vorläufig erhalten bleibt, so dürfte die- nur dem Umstande zu danken sein, daß Rußland in seinen Rüstungen noch nicht so weit vorgeschritten ist, um den Tanz beginnen zu können. Auch scheint man in Petersburg wie in Paris mit Be stimmtheit vorauSzusetzen, der nächste deutsche Reichstag werde in der Militärfrage ebenfalls ein verneinende- Votum abgeben. Die „Nowoje Wremja" z. B. rechnet au-, daß bis zur praktischen Durchführung der Militär- Vorlage auch im günstigsten Falle mindestens noch zwei Jahre vergehen würden. Der nächste Reichstag werde wieder aufgelöst und dann der Versuch gemacht werden, auf gesetzgeberischem Wege das Wahlrecht zu ändern. Man spekulirt daher in den uns feindlich gesinnten Ländern auf lang andauernde und tief gehende Kon flikte zwischen dem deutschen Volke und der Regierung. Mittlerweile können dann die Staaten, wo wie in Ruß land das erforderliche Geld von der Bevölkerung nicht bewilligt, sondern einfach genommen wird, oder wie in Frankreich, wo der Patriotismus der Steuerzahler Alle-, was zur LandeSvertheidiguna röihig erscheint, ohne Murren bewilligt, weiter rüsten und den günstigsten Augenblick sich auswählen, um über unS herzufallen. Gegenwärtig werden die Franzosen von Petersburg aus dringend ermahnt, sich jedes Grenzkonfliktes, jeder Pro vokation Deutschlands zu enthalten; sobald die russische Regierung aber den richtigen Zeitpunkt für gekommen erachtet, werden wir eine andere Sprache vernehmen. Möchten diese Gesichtspunkte bei den Neuwahlen zum Reichstage volle Beachtung finden; dieselben können unter Umständen ausschlaggebend sein für die Frage, ob in nächster Zeit Krieg oder Friede herrschen soll. Eine ganz besondere Freude ist unseren Gegnern natürlich durch die elsaß-lothringischen Abgeordneten be reitet worden. Auf diese habe, wie der „Vrashdanin" ausführt, selbst das von der Regierung betonte Argu ment, die Reichslande würden, wenn Deutschlaud nicht kräftig genug zum Ergreifen der Offensive sei, zum Kriegsschauplätze werden, keinen Eindruck auSaeübt. Daraus gehe unzweideutig hervor, wie wenig Wurzel das deutsche Wesen dort gefaßt habe. „Warum hat Deutschland sich jene Länder überhaupt ungeeignet?" fährt das russische Blatt fort. „Wie viele Milliarden wären der Welt erspart geblieben, wenn die Deutschen nicht in ihrer SiegeStrunkenheit diese beiden Provinzen Frankreich weggenommen hätten! Die jetzige Krisis trifft übrigens Europa in der gefährlichsten Zett de- Jahres. Im Frühling erwacht die Natur zu neuem Leben, doch im Frühling Pflegen auch die internationalen politischen Komplikationen zu entstehen, welche die Saat der Kriege bilden." Fürst BiSmarck hat eS auf da- Bestimmteste abge- lehnt, wieder als Kandidat für den Reichstag aufzu treten. Wir können diesen Entschluß nur billigen, sinte mal der Fürst ja auch von seinem früheren Mandate keinen Gebrauch gemacht hat, obwohl sich ihm hierzu eine Gelegenheit bot, wie sie wohl kaum jemals wieder zu verzeichnen sein möchte. Wir meinen die Berathung der Militärvorlage. Bekanntlich wurde dieselbe mit ein« Mehrheit von nur 48 Stimmen abgelehnt. Wenn Fürst BiSmarck persönlich sich im Reichstage eingefun- den hätte, um für den Gesetzentwurf einzutreten — wer weiß, ob eS der Macht sein« Rednergabe wie seinem persönlichen Ansehen nicht gelungen wäre, doch noch eine Majorität für die Vorlage zu gewinnen. Ander seits verkennen wir nicht, daß für einen Staatsmann von der Größe deS Fürsten BiSmarck der Gedanke höchst peinlich sein mag, als simpler Abgeordneter die politische Arena beirrten und sich den Angriffen seiner Gegner auSsetzen zu sollen, ohne durch die Autorität geschützt zu sein, welche die Regierung ihren Mitglie dern gewährt. Wir verargen eS dem Fürsten BiSmarck daher nicht, wenn er sein frühere- Mandat nicht auS geübt hat; wir würden et ihm aber verdenken, wenn er sich wieder als Kandidat aufstellen ließe, obwohl er nicht daran denkt, im Reichstage zu erscheinen. Die Mehrzahl der ultramontanen Parteiführ« nimmt nach wie vor der Militärvorlage gegenüber eine ablehnende Haltung ein. So veröffentlicht da- „Central-KomitS der badischen Centrumspartei" eine Proklamation, worin eS u. A. heißt: „ES handelt sich bei d« Militärvorlage keineswegs darum, einem dringen den Bedürfnisse Rechnung zu tragen oder auch nur eine dedenNiche Lücke in der Armeeorganisation aus- zufüllen; wenn dem so wäre, dann würden die Armee verwaltung und die Reichsregierung insofern in einem sehr sonderbaren Lichte erscheinen, al- sie übnhaupt eine solche Lücke habe eintreten lassen. Der jetzige Wahlkampf dreht sich einzig und allein um die Frage, ob da- neue deutsche Reich dem Militarismus mit allen seinen Konsequenzen verfallen, ob eS zu einem Militärstaate mit all seinen Schattenseiten und Gefahren umgestaltet werden soll. Wer der Meinung ist, daß die Pflege der höhnen geistigen, sittlichen und religiösen Feuillrton. Brandkäthe. AuS den Papieren eines Dorfschulmeisters. Von A. Linden. lIS. Fortsetzung.) Willenlos ließ sich Gallert fortführen, die Angst, der plötzliche Schreck hatten die Kraft der Manne- gebrochen. Da drangen auch schon die Leute ein, um da- HauSgeräth au- der gefährdeten Wohnung zu räumen. Gallert ließ sie gleichgiltig gewähren, wa- er unter anderen Umständen gewiß nicht gethan haben würde. Als ich über den Hof ging, war mir's, al- ver nähme ich wieder einen Hilferuf, diesmal von einer weiblichen Stimme; aus dem Sallert'schen Garten her kam'S. Ich ging der Stelle zu. Da hörte ich'S deutlich«: „Hilfe! Hilfe! Helft dem Bernhard!" tönte eS angstvoll herauf von dem Uf« de- nicht sehr großen, aber tiefen Teiche-, der an den Garten stieß. Als ich näher eilte und den Uferabhang hinabspähte, sah ich eine weibliche Gestalt, die, halb im Wasser stehend, mit dem einen Arm einen Weidenstumpf umklammerte, während die andere krampfhaft den Oberkörper eine- anscheinend leblosen Manne- hielt und ihn dadurch vor dem gänzlichen Unterfinken bewahrte. „Sind Sie eS, Marie und Bernhard? Beim Himmel, wie kommen Sie hierher?" rief ich erstaunt, indeß ich so schnell als möglich Hilfe leistete. „O, Herr Lehrer, e- ist ein Glück, daß Sie kommen, ich kann ihn nicht mehr halten!" „Er ist doch nicht todt?" „Ich weiß eS nicht, helfen Sie nur, ihn herauf, bringen." Unseren vereinten Anstrengungen gelang eS, den Leblosen über die gemauerten Treppenstufen in den Garten zu bringen. „Bernhard ist nicht todt, n ist nur ohnmächtig", sagte ich, indeß wir ihn auf den Rasen niederließen. Unterdessen waren auch Andere herzugeeilt, die gleich mir den Hilferuf vernommen haben mochten. Bernhard kam wieder zu sich, war jedoch zu er schöpft, um reden zu können. Au seinem Hinterkopfe zeigte sich eine tiefe, blutende Wunde. -Aber wie ist's gekommen?" fragte ich. Marie erzählte: „Grade vorher, als da-Dach »u- sammenbrach, war er herabgestiegen und weil er sich arg verbrannt hatte, wollte er hi« an- Wasser gehen und sich'- ein wenig kühlen. Ich traf ihn hinter dem Hause und ging mit ihm, weil ich ihm helfen wollte. Wie wir hier in den Garten gelangen, begegnete un- ein Mensch, der kam so schnell gelaufen, daß wir sein Ge sicht nicht recht erkennen konnten, « sah aber aus wie Einer, der was Böses gethan hat, so verdächtig und scheu. Bernhard wollte ihn genauer ansehen, da stieß der Mensch ihn mit d« Faust vor die Brust, so sehr, daß Bernhard rücklings hinunter fiel und mit dem Kopfe auf die harten, gemannten Stufen schlug. Ehe ich hinunter kam, war er schon in'S Wasser ge glitten, ich wollte ihn herausholen, war aber nicht stark genug und konnte nur seinen Kopf und seine Blust in die Höhe halten. Mit dem einen Arme hielt ich mich an der Weide fest, weil d« Boden so schlüpfrig war." Bordmann, der zuerst in seiner Verzweiflung nicht hatte glauben wollen, daß sein Sohn wirklich gerettet sei, eilte herzu und umarmte Bernhard und unS nach der Reihe, sogar Marie, als ich ihm sagte, daß er nur dieser das Leben seines Sohnes zu danken habe, der ab« hatte sich in der frischen Lust bald wieder erholt. Die Verletzungen, die er davon getragen, erwiesen sich al- ungefährlich. Er dankte unS und drückte innig Marie- beide Hände. Da- Mädchen sah ihn glückselig an, nickte ihm lächelnd zu und wandte sich dann «- röthend ab. Sie wollte sich entfernen, als sie deS'altea Bordmann'S Blick mit seltsamem Ausdrucke auf sich ge richtet sah. „Geh' nicht fort, Marie, brauchst Dich nicht zu schämen!" sagte der Bauer. „WaS Du dem Bernhard gethan hast, vergess' ich Dir nicht, Du gehörst jetzt zu unS!" ES gelang inzwischen, deS Feuers Herr zu werden. DaS Sallnt'sche Wohnhaus, die Hintergebäude und Lagerräume Reinberg'- waren niedergebrannt, das schöne Wohnhaus dagegen fast ganz verschont geblieben. Mit aller Gewalt, in höchster Aufregung wie un sinnig verlangte Frau Reinberg immer wieder, daß man sie an die Brandstätte lasse, sie habe dort etwa- verloren, was sie suchen müsse, betheuerte sie stets von Neuem. „Die Frau ist übergeschnappt, d« Schrecken hat