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MkWtz-MW lle ten Verantwortlicher Redäcteur: Carl Ahne in Dippoldiswalde. 51. Jahrgang Nr. 76 Dienstag, den 30. Juni 1885 fee n. u >- in Bezug auf Vereinigungen gegen die unsere weit sparsamer ausgestattet war. — Von wem die Idee eigentlich ausgegangen ist, ist aus den Akten nicht nachzuweisen, doch ist jedenfalls der Nechnungsführer Friedrich Gottlieb Bahn anfangs die bewegende und erhaltende Kraft gewesen. In einem vorläufigen Statutenentwurf wurde festgesetzt, daß die Societät nicht mehr und nicht weniger als 200 Mitglieder, exkl. deren Weiber haben solle, auch solle im Anfänge nicht so genau auf die Jahre gesehen werden, wenn sie nur von unbescholtenen Sitten, ehrlichen Her kommens und bei ihrer Hoooxtion noch gesund seien. Daß die Idee Anklang fand, geht daraus hervor, daß sich, außer den betreffenden Ehefrauen, sehr bald 215 Personen unterzeichneten. Außer einem bis zum 49. Lebensjahre 12 Groschen und vom 50. an 16 Groschen betragenden Einkaufsgelde war bei jeder Leiche eine Steuer von 3 Groschen 3 Pfennigen zu entrichten, wofür die Anverwandten des Dotünoti im 1. Jahre von dem Tage ihrer Rooextion an gerechnet 16 Thaler, im 2. Jahre 20 Thaler, und nach Verlauf desselben 24 Thaler als öenetieiuin erhalten sollten. Bezüglich der Einhebung herrschte die größte Ordnung und Strenge, so daß Neste nicht auflaufen konnten. Das später in 29 Paragraphen abgesaßte genauere, landes herrlich bestätigte Statut ist bis 1863 in Kraft ge wesen. Das Original desselben befindet sich noch heute, mit Lederrücken dauerhaft gebunden, in einem Futteral verwahrt, in einer von Eichenholz gebauten, mit Eisen bändern, 2 Schlössern und Handhaben versehenen Kiste, welche als Kasse gebraucht wurde. Dieselbe wurde bei dem Ober-Aeltesten aufbewahrt und mar jedes Mit glied verpflichtet, bei drohender Feuersgefahr auf Rettung und Sicherheit der Kasse zu denken. Nicht lange war es der Gesellschaft vergönnt, sich ruhig ent wickeln und kräsligen zu können, denn 1. hatte man bei der Gründung eine größere Anzahl Personen höheren Alters ausgenommen, z. B. 4 Personen über 70, 44 Personen über 60 und 110 über 50 Jahre, wodurch die Sterbefälle und demnach die Steuer zahlungen so häufig auf einander folgten, daß viele Mitglieder die Beiträge zu leisten nicht im Stande waren und große Reste anwuchsen; 2. wurde die Sterblichkeit aber auch infolge der Kriegsereignisse wesentlicht erhöht; so starben 1813 30 und 1814 29 Mitglieder. Kam Nun die große Nahrungslosigkeit der Zeit hinzu, so darf man sich nicht wundern, wenn auch dadurch die Neste sich vermehrten und Ausnahms- maßregeln getroffen werden mußten. So wurde, um das Institut aufrecht zu erhalten, im September 1813 beschlossen, daß bei jedem Sterbefall die Erben vorder hand nur die Hälfte des öonetieiumg erhalten sollten, während die andere Hälfte, sobald es die Umstände erlaubten, nachgezahlt werden solle. Jede Woche solle eine Leichensteuer eingehoben werden. Dennoch wird gerühmt, daß gerade in den schlimmsten Zeiten die Societät mit Ordnung und Pünktlichkeit gewirkt habe. Eine gleiche Anerkennung konnte zunächst der Zeit des wiedererschienenen Friedens nicht ausgesprochen werden. Im Vertrauen auf die mit der Leitung beauftragten Personen bekümmerten sich die Mitglieder nicht um den Stand der Kasse; die durch Erledigung eines Postens in der Deputation entstandenen Lücken wurden durch eigene Zuwahl der verbliebenen Mitglieder der selben ergänzt. Ein bis 1854 jährlich ausgegebener Rechenschaftsbericht konnte zwar über den Stand der Sache orientiren, wurde aber meist ungelesen bei Seite gelegt. Seit 1854 erschien nur ein 3jähriger Rechen schaftsbericht. Dem von 1863 war nun ein Vermerk angefügt, daß, wenn die säumigen Zahler ihre Reste nicht abführten (es waren nicht weniger als 4195 Rest zettel ä 41 Pf., also 573 Thlr. 9 Ngr. 5 Pf. und 2 Thlr. 10 Ngr. uneintreibbares Eintrittsgeld vor handen), die Kasse ihre Zahlungsunfähigkeit prokla- miren müsse. — Ein entschiedenes Verdienst um Er haltung der Gesellschaft und möglichste Beseitigung der durch eine nachlässige Verwaltung herbeigeführten Uebel- stände hat sich nun der jetzige, damals gewählte Rech nungsführer Herr Stadtrath Bucher erworben. Neben den Herren Kaufmann Richter, Dr. Poppe, Benjamin Lotze hat derselbe durch Anlegung neuer Bücher, An werbung neuer Mitglieder und möglichste Eintreibung der Reste zur Erhaltung und Kräftigung der nun unter dem Namen „I. Begräbniß-Gesellschaft" ein neues Leben beginnenden Vereinigung wesentlich bei getragen. So wies denn bereits die erste Jahres rechnung der neuen Deputation, abgeschlossen den 30. Juni 1864, nach Bezahlung sämmtlicher Schulden, einen Baarbestand von 223 Thlr. 25 Ngr. 7 Pf. auf. — Seitdem hat sich die Gesellschaft immer mehr ent wickelt und gekräftigt. Die Zahl der Mitglieder wurde auf 250 und das Begräbnißgeld auf 100 Mk. erhöht, indem bei jedem Sterbefalle 45 Pf. eingezahlt werden. Wer 200 Zettel bezahlt hat, hat sich freigesteuert. Nachdem 1874 Herr Kaufmann Richter gestorben war, wurde Herr Sparkaffenkassirer Kunzmann als Vor stand gewählt, während Herr Stadtrath Bucher nach wie vor als Rechnungsführer fungirt. In diesem Jahre (1885) ergab sich ein Kassenbestand von 3045 Mark 71 Pf. Zum Eintritt vorgemerkt waren 19 Ehepaare. — Den 1. Juli d. I. feiert die Gesellschaft ihr Stiftungsfest und wollen wir, indem wir ihr für die unter schwierigen Verhältnissen behauptete Selbständig keit unsre volle Anerkennung aussprechen, einen gleich glücklichen Fortgang und vor Allem stets Mitglieder wünschen, die mit Gewissenhaftigkeit und Treue für ihren ferneren Bestand und ihr Gedeihen uneigen nützig wirken. — Wenn auch im Allgemeinen als Regel ange sehen werden kann, daß Bäume, als emporragende Gegenstände, häufig vom Blitz getroffen werden, so bestätigt doch auch die Erfahrung, daß der Blitz ge wisse Baumgattungen, als die besten Leiter, entschieden bevorzugt. Am häufigsten trifft er die Eiche, welche deshalb bei den alten Deutschen dem Mwr oder Donar, dem mächtigen Beherrscher des Donners, ge weiht war. Nächst der Eiche ist die hohe schlanke Pappel dem Blitze am meisten ausgesetzt, während da gegen Buchen nur äußerst selten, und wenn andere, ebenso hohe Laubbäume in der Nähe sind, wohl nie getroffen werden. — Die häufig vorkommenden Un glücksfälle, welche Fuhrwerken während Gewittern passiren, würden sich gewiß seltener ereignen, wenn jeder Geschirrsührer bei herannahendem Gewitter Dorf und Stadt nicht verlassen, sondern daselbst bis nach vorübergegangenem Wetter Unterkunft für sich und sein Spannvieh suche» würde. Ein kleiner Zeitverlust kann nicht in Betracht kommen gegen die hohe Ge fahr, welcher das Gefährt andern Falles ausgesetzt ist. Es ist für jeden Thierfreund betrübend, zu hören, daß Fuhrleute ihr Zugvieh, dem heftigsten Un wetter ausgesetzt, auf freier Straße stehen lassen und nur sich selbst in das nächste Wohnhaus zurückziehen, während sich in der Nähe auch Gelegenheit bietet, das Vieh unter Dach zu bringen, wie uns eine solche Begebenheit nach dem letzten heftigen Gewitter aus einem benachbarten Orte erzählt ward. Es darf nur heftiges Hagelwetter eintreten, so werden die Pferde bald vor Schmerz müthend, und großer Schaden an Vieh und Geschirr ist auch ohne Blitzschlag unver meidlich. Will also ein Fuhrmann seinem Herrn -Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 29. Juni. Den 1. Juli d. I. begeht die hiesige I. Begräbniß-Gesellschaft einen Jubeltag, indem sie genau vor 100 Jahren, den 1. Juli 1785, ins Leben getreten ist. Der Nech- nungssührer der Gesellschaft, Herr Stadtrath Bucher, hat anläßlich dieses Erinnerungstages als Festschrift die „Chronik der I. Begräbnißgesellschast" herausge geben, aus welcher wir die wichtigsten Thatsachen her vorheben, weil dieselben jedenfalls auch für weitere Kreise Interesse haben, und namentlich schon die Gründung der Gesellschaft selbst Theilnahme erwecken muß, da sie eine der bedeutsamsten Kundgebungen von Gemeinsinn und Association in einer Zeit ist, die l«f- ag m. Amtsblatt für die Königliche AmtshaupLmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein „Welßeritz-Zeitung «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. L5 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie j,ie Agenten nehmen Be stellungen an. Inserate, welche ber der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Eiime- sandt, im redaktionelle« Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. Abonnemcnts-Hinl'adung. Mit dieser Nummer schließt das 2. Quartal des Abonnements der „Weitzeritz Zeitung", und bitten wir alle unsere geehrten Leser, das Abonnement für das 3. Quartal umgehend erneuern zu wollen, da mit in der Zusendung keine Unterbrechung eintritt. Wie bisher, werden wir bestrebt sein, in unserer Zeitung des Interessanten so viel als möglich zu bieten und alle Nachrichten auf das schnellste und gewissenhafteste zu veröffentlichen. Die Unterhaltungs-Beilage werden wir, wie wir bereits mittheilten, von jetzt ab jeden Sonnabend beilegen, und hoffen wir, uns dadurch den Dank unserer geehrten Leser zu erwerben. Dippoldiswalde. Die Expedition der „Weitzeritz-Zeitung." Kokoniatpolilisches. Die letzten Tage haben uns Kunde von zwei Ab machungen zwischen England und Deutschland über die Abgrenzung der beiderseitigen Kolonialgebiete in Westairika und in Neu-Guinea gebracht. Während dort unserem Küstenbesitz in Kamerun ein unermeß liches Hinterland eröffnet wird, ist uns auf der großrn unbekannten Südseeinsel ein ganz unübersehbares Ge biet zugesprochen, größer als der dortige holländische und englische Besitz, an Flächeninhalt etwa halb so groß wie die ganze preußische Monarchie. Die Ent wickelung dieser gewaltigen und säst noch ganz un erforschten Länder vermag heute kein Mensch voraus zusehen; sicher aber eröffnen sie eine Zukunst von allergrößter Bedeutung. Es ist noch kaum ein Jahr her, daß die ersten schüchternen Versuche zu deutschen überseeischen Besitzergreifungen in die Oeffentlichkeit drangen, und heute besitzen wir ein ausgedehntes, höchst entwickelungsfähiges Kolonialreich, welches sich getrost mit dem Besitz alter europäischer Kolonialstaaten vergleichen kann. Man kann wirklich sagen, eine neue Kolonialmacht ist über Nacht aus dem Boden ge wachsen, und die oft gehörte Behauptung ist Lügen gestraft, daß das, was wir in früheren Jahrhunderten auf diesem Gebiete versäumt, jetzt nicht mehr einzu holen sei. Aber es war freilich auch die höchste Zeit, zuzugreifen. Das Ueberraschendste an der Gründung unserer Kolonialpolitik ist die vollkommene Friedfertig keit und Ruhe, mit der sie sich vollzog. Und das ist nur dem gewaltigen Ansehen zu verdanken, dessen sich das deutsche Reich und sein leitender Staatsmann unter den Völkern der Erde erfreuen. Wie hätte man noch vor zwei Jahrzehnten über den Gedanken gelacht, daß Preußen oder der deutsche Bund sich mit dem weltbeherrschenden England über die Theilung großer überseeischer Kolonialgebiete verständigen könnte! Die englische Negierung und das englische Volk sind ja auch jetzt unseren kolonialen Bestrebungen gewiß nicht fördernd entgegengekommen, sie haben uns Neid und Mißgunst genug entgegengebracht und uns Schwierig keiten in den Weg gelegt, aber die überlegene Staats kunst des deutschen Reichskanzlers und die gewaltige Autorität des deutschen Reichs haben England doch schließlich vermocht, uns als gleichberechtigte Macht auch auf dem Gebiete der Kolonialpolitik und der wirthschafllicheü Eroberung ber noch unausgebeutelen Theile der Erde anzuerkennen. Daß diese gütlichen Abmachungen mit England zu Stande kommen konnten, ist ein außerordentlicher Triumph für Deutschland.