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MshnOrNgeblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaff, Das «Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung Wochenblatt für Wilsdruff U. Umgegend träger und Geschäftsstellen — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die «gespaltene Raumzelle 20 Rpsg., die ^gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs. Pfennige, die «gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile I RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennig-. Dor« LL^chWS Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmebisvorm.ioühr. 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Die Diplomaten konnten ihr Handwerk in der alten Form ruhig wiederaufnehmen und die zahllosen Verträge .zwecks Friedenssicherung" waren nur die Kulissen, hinter denen ein ganz andersgeartetes Spiel getrieben wurde.. Und die Erfolge dieser Geheimdiplomatie trugen oft recht unheimliche Züge. Um so schärfer sticht davon die Rede ab, dieMusso - lini als Führer des vor acht Jahren siegreich in Rom eingedrungenen Faschismus jetzt am Jahrestage dieses Erfolges gehalten hat. Er ist von einer Deutlichkeit ge wesen, von einer „undiplomatischen" Unbekümmertheit in Inhalt und Form seiner Rede, daß es in allen Auswärtigen Ämtern zum mindesten Europas ein sehr mißbilligendes Kopfschütteln geben wird. Mussolini denkt gar nicht daran, des französischen Diplomaten Talleyrand mahnen des Wort zu befolgen, daß „die Worte dazu da sind, um die Gedanken zu verbergen". Man braucht ja diese Worte auch nicht gleich auf die Goldwaage zu legen und seine Prophezeiung, daß „einmal wird ganz Europa faschistisch sein" mit der Skepsis aufzunchmen, die man gegenüber politischen Voraussagen besonders dann anwenden soll, wenn sie in festlichen Stunden zur Welt ge bracht werden. Sensationell vor allem aber wirkt Inhalt und Art seiner Ausführungen darüber, wie er den Faschismus, also Italien, von allen Seiten herbedroht sieht. Wenn man statt „überall" Frankreich und Jugoslawien setzt, so weiß man, was Mussolini ganz unmißverständlich an deutete. Ein „moralischer" Krieg werde schon jetzt und seit langem gegen Italien geführt als Vorbereitung zu einem militärischen, — und wir Deutsche hören es mit be sonderen Gefühlen, wie höhnisch Mussolini äußerte: „Bald Werden auch wir kleinen Kindern die Hände abgehackt haben, wie es von den Deutschen 1914 er zählt worden ist; doch scheint es, daß von diesen Kindern von damals jede Spur verlorengegangen ist." Allerdings haben damals diese Kinder auch in Italien ihre Schuldig keit getan! Mit einem deutlichen Hinweis aus die gewaltigen Verteidigungsmaßnahmen — was dient der Verteidigung, was dem Angriff? —, die Frankreich an Aner Südostgrenze gegen Italien getroffen hat, kommt Mussolini wieder einmal auf die Frage der Revision ener Verträge oder vielmehr Diktate, die das Aus sehen Europas seit 1919 bestimmen, zu sprechen. Hierbei Wird der „Duce" womöglich noch deutlicher. Er erklärt bas Dogma ihrer Unabänderlichkeit — Hieb auf Briand! — für ebenso unsinnig wie ihre Ausführung nach der Richtung hin, daß Europa in bewaffnete und entwaffnete Staaten zerfalle. „Welche rechtliche und moralische Parität kann zwischen einem bewaffneten und einem unbewaff- aeten Staat bestehen und wie kann man glauben, daß diese Komödie bis ins Unendliche dauern soll?" Das sagt er mcht etwa um der „schönen Augen" der unbewaffneten Staaten, also der Mittelmächte willen, sondern er be hauptet, daß gerade in diesem starren Festhalten an den ,Friedens"diktaten die eigentliche Bedrohung des enro- däischen Friedens zu erblicken sei. Und es ist schließlich auch nichts anderes als Wahrheit, wenn Mussolini erklärt, Italien rüste nur deshalb, weil alle anderen Staaten ihre Rüstungen immer mehr verstärken. All das ist natürlich in der Hauptsache gegen Frankreich gerich tet, — aber man soll über diese Fanfare doch nicht an »er Chamade vorbeihören, die der Lenker der italienischen Außenpolitik als nächste Nummer schlägt. Er sagt, daß »as Gesicht Italiens nach Osten gewandt fei, der künftige Überschuß seiner Bevölkerung sich nach dorthin verschieben müsse, spricht von einer — „friedlichen" — Expansions politik in das Douaugebiet und den Orient hinein, stellt die italienische Bündnispolitik im östlichen Mittelmeer- diesen Gesichtspunkt. Und schließt daran die Worte, daß Italien „mit den Freunden bis ff^en werde, und eine Verpflichtung, die bleibe für Italien heilig". Das nns ni^ ^hr nach - Werbung. Und man bei vielfach den Hinweis darauf vernehmen, daß vies e D- D e u t s ch l a u d z i e l e. Zumal, da ia Mussolini ttn .Hauptteil seiner Rede sich so anzweideutig gegen Frankreich wendet, dann die Notwcn- »igkeit der Vertragsreviston betont, von der nur Zeutsch land, Ungarn und etwa Bulgarien Vorteile hätten aber Österreich kaum; denn eine Änderung der südtirolerischen Grenzen fällt selbstverständlich für Mussolini völlig fort Alle Verhandlungen zwischen Italien und Frankreich »ie im Anschluß an die L o n d o n e r S e e a b r ü st u n q s- lonferenz stattfanden, sind ja gescheitert und nun ist »ie Ratifikation der damaligen Konferenzbeschlüsse »wischen Amerika, England und Japan erfolgt. Präsident Hoover — und das steht in einem uns fast grotesk an- mutenden Gegensatz zu der Fanfare Mussolinis — Hai »abei auch eine Rede gehalten, die diese Ratifikation als Anfang fast einer neuen Zeit preist. Denn nun habe man endgültig verzichtet auf ein Wettrüsten zur ver Aills cker Legierung Ssthilfe und Jillanzausgleich. Die Beratungen des Kabinetts. Mit den Fragen der Osthilfe beschäftigten sich die Reichsminister in einer längeren Sitzung. Es wurde eine Reihe von Vorschlägen zur wirksameren Ankurbelung der Maßnahmen für den Osten gemacht, jedoch kam man nicht zu einem endgültigen Resultat. In den nächsten Tagen sollen die Beratungen fortgesetzt werden, um zu einem feststehenden Ostprogramm zu gelangen. Am Dienstag trat das Kabinett unter dem Vorsitz des Reichs kanzlers Dr. Brüning wieder zusammen und nahm die für den Haushaltsplan 1931 maßgebenden Angelegen heiten in Angriff, wobei der Finanzausgleich für Länder und Gemeinden im Vordergrund stand. Die Reichsregie rung hat den Länderregierungen Beschleunigung der Arbeiten zugesagt, um dem am 4. November sich versam melnden Reichsrat Gelegenheit zu geben, zu dem Gesamt plan des Sanierungsprogramms Stellung zu nehmen, ohne das der vorgelegte Haushaltsplan für das nächste Rechnungsjahr größtenteils nicht innezuhalten wäre. Der Reichshaushaltsplan bedarf zu seinem Ausgleich einer Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen auf dem Ge biete der Steuerreform, der Reform des Finanzsystems usw. Insgesamt sind etwa dreißig Gesetze erforderlich, die sich auf Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Vermögens steuer und den Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, Tabaksteuer und Tabakzölle beziehen werden. Am Freitag und Sonnabend sollen des weiteren Besprechungen mit den Finanzministern der Länder ge führt werden. In unterrichteten Kreisen wird damit gerechnet, daß möglicherweise die Arbeiten des Neichskabinetts am Mitt woch unterbrochen werden, da neben dem Außenminister auch der Reichskanzler und der Reichsfinanzminister an der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses teilnehmen wollen. Im Finanzministerium erwartet man den Abschluß der Beratungen innerhalb der Reichsregiernng für Montag, den 3. November. Bis dahin dürften auch die Einzel besprechungen über die Fragen der Ost Hilfe ausgesetzt werden. Man kann die bei den Kabinettsberatungen im Vorder grund stehenden Osthilsefragen etwa wie folgt zusammen- fasscn: Einmal handelt es sich um die wettere gesetzliche Aus gestaltung der Osthilse im Anschluß an die Notverordnung auf der Grundlage des bereits im alten Reichstag behandelten auf fünf Jahre berechneten Osthilsegesetzes. Dann steht zur Er örterung, inwieweit auf dem ordentlichen gesetzmäßigen Wege eine Ausgestaltung der in Geltung befindlichen Notverord nung erforderlich ist. Weiter könnte auf Grund der Notver ordnung der Erlaß von weiteren Ausführungsverordnungen erforderlich werden. Sachlich steht im Vordergrund die Frage der Einschaltung des Meliorationswerkes in die Ost hilfe. Vom Ernährungsministerium ist ferner von vornherein die Notwendigkeit der Einbeziehung ganz Pommerns, beider Mecklenburg, Ostsachsens und eines größeren Teiles der Pro vinz Brandenburg vertreten worden. * Schacht für Abbau der Reparationen. Dr. Schacht, der auf seiner Rundreise durch Amerika in Chikago eingetroffen ist, hielt in der Uni versität von Chikago einen Vortrag, in dem er die Rcpa- rationsfrage eingehend behandelte. Dr. Schacht betonte, daß die Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten direkt auf die Wirtschaftslage in Deutschland zurückzuführen sei. Die deutsche Wirtschaftskrise habe aber ihre Ursache in der Reparationsregelung. Die schlechte Lage der deutschen Wirtschaft habe sich auf die anderen europäischen Länder ausgedehnt und so end lich auch Amerika erfaßt. Schacht wies u. a. daraus hin, daß Deutschland bis an die Grenze des Möglichen be steuert sei und daß eine weitere Besteuerung, um die Reparationen bezahlen zu können, Deutschlands Wirt schaft auf das schwerste gefährden würde. Da das un möglich sei, forderte Schacht die Abschaffung der Repa rationszahlungen. Nur die Beseitigung der gegenwär tigen Reparationslösung sei geeignet, die Heilung der Weltwirtschaft herbeizuführen. Fee —, wenigstens täten das jene drei Mächte. Frank reich und Italien sind nämlich nicht dabei. Hoover spricht son dem Bestehen eines „internationalen Vertrauens" im rllgemeinen und dem der fünf Mächte zueinander im be sonderen. Denn „die Hoffnungen der Welt dürfen nicht mttäuscht werden", die Hoffnungen darauf nämlich, daß es zu weiteren Rüstungsverminderungen kommt, „die er reichten Vereinbarungen weiterbestehen und ausgebaut werden", wie Hoover in seiner Rundsunkanfprache wünschte. Dort Fanfare, hier Chamade — wann wird nun die Welt der Wirklichkeit folgen? Vorläufig hört man nur »ie grellen Disharmonien. Einigung in der Berliner Metallindustrie. Sofortige Arbeitsaufnahme. Unter dem Vorsitz des Reichsarbeitsministers Dr. Stegerwald fanden im Reichsarbeitsministerium Ver handlungen mit den Vertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Berliner Metallindustrie statt, die mit folgender Vereinbarung endeten: „1. Die Arbeit wird sofort unter den alten Bedin gungen wieder ausgenommen. Maßregelungen aus An laß dieses Streiks finden nicht statt. 2. Die Entscheidung der im Schiedsspruch vom 10. Oktober behandelten Fragen erfolgt durch Schieds spruch einer Schlichtungsstelle. Sie besteht aus drei Un parteiischen, die vom Rcichsarbeitsminister nach Verein barung mit den Parteien ernannt werden. 3. Die Verhandlungen vor der Schlichtungsstelle sind möglichst bald zu beginnen. Die Entscheidung hat fpätestens in der ersten Woche des Novembers zu erfol gen und ist endgültig." WMHllUligM bei M. Stuttgart, 28. Oktober. Um 19.30 Uhr stieß zwischen den Bahnhöfen Giengen an der Brenz und Herbrechtingen auf der Strecke Ulm—Aalen der Leichtgüterzug Nr. 8566 mit einem Leerpersonenzug auf freier Strecke zusammen. Von dem Güterzug wurden ein Schaffner leicht und der Lokomotivführer schwer ver letzt. Von dem Leerzug wurden ein Schaffner und der Lokomotiv führer getötet, der Heizer schwer verletzt. Die Verwundeten wur den sofort dem nächsten Krankenhaus zugeführt. Der Hilfszug war um 21.00 Uhr an der Unfallstelle. Der Eilzug 337 Ulm—Aalen wird bis Giengen durchge führt. Von dort werden die Reisenden im Auto nach Heidenheim und dann mit einem Sonderzug weiter nach Crailsheim und Nürnberg befördert. Die Untersuchung der Schuldfrage ist noch im Gange; angeblich trifft den Fahrdienstleiter in Giengen die Schuld. Die Stellung des braunschweigischen Kabinetts. Bürgerliche Stimmen gegen Dr. Franzen. Die von dem Reichsinnenminister Dr. Wirth ins Auge gefaßte Sperre der Polizeikostenzuschüsse an das Land Braunschweig würde einen Betrag von jährlich 1 289 000 Mart ausmachen. Im Kabinett ist man sich dar über einig, daß man gegen eine Sperre dieser Gelder durch das Reich entschiedenen Einspruch erheben werde. In weiten Kreisen ist man überzeugt, daß Braunschweigs Regierung und Land nicht dafür bestraft werden könnten, daß ein Minister nicht korrekt gehandelt habe. Trotzdem hat die Entwicklung in den letzten Tagen nicht dazu beigetragcn, die Stellung des Ministers Fran zen zu festige«. In bürgerlichen politischen Kreisen sind starke Strömungen vorhanden, den Minister zu veran lassen, von seinem Amt zurückzutrcten. Die Angelegenheit wird bis Mittwoch entschieden sein müssen, da dann der Landtag zur Entgegennahme der Regierungserklärung znsammentritt. Der thüringische Beamtenerlaß. Amtsenthebung kommunistischer Bürgermeister. Das thüringische Staatsministerium hat vor einiger Zeit sämtlichen Staats-, Kreis- und Gemeindebeamten die Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei verboten. Auf Grund dieses Erlasses hat das Innenministerium gegen eine Reihe von Bürgermeistern, die sich trotz des Regierungsverbotes als Kommunisten bekannten, unter vorläufiger Amtsenthebung Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Dienstentlassung eingeleitet. So sind die kommu nistischen Bürgermeister von Ruhla, Elgersburg und Gräfenhain ihres Amtes enthoben worden. Verbesserungen im Strafvollzug. Konferenz des Justizministers mit den Präsidenten der Strafvollzugsämter. In Berlin fand unter dem Vorsitz des Justizministers Dr. Schmidt eine Besprechung mit den Präsidenten der preußischen Strasvollzugsämter statt. Gegenstand der Bera tung waren Maßnahmen, die eine Verbesserung des Strafvollzuges und gleichzeitig eine Verringe rung der Ausgaben herbeiführen sollen. So wurde erörtert, die Strafvollzugsverwaltung der kleineren Ober- landesgcrichtsbezirke den größeren Bezirken anzugliedern und den hauptamtlichen Präsidenten dieser Bezirke zu übertragen. Weiterhin wird geplant, die vor einem Jahr im Kammer- gerichtsbezirk versuchsweise eingeführten neuen Bestimmungen über den Strafvollzug in Stufen auf ganz Preußen auszudehncn und hierbei eine neue Einteilung der Gefange- ncnauftaltcn vorzunehmen. Die neueren und guten Anstalten