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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960918026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896091802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896091802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-18
-
Monat
1896-09
-
Jahr
1896
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allein! Einige Schritte von ihm entfernt lehnte, halb ver borgen von einem Iasminstrauch, Lia's Gestalt an einem der breiten Stämme. Es sah fast aus, als ob der Strauch alle seine weißen Blumensterne über sie auSaestreut hatte, so dicht besäet war der lichtgrüne Grund ihres Sommergewandes mit eingewirkten Weißen Blüthenbüscheln. In dem schmalen, grünen Sammtgürtel steckte ein Sträußchen Waldblumen, die sie soeben gepflückt hatte. Die grünen Seitenbänder ihres StrohbuteS halte sie um den Arm geschlungen und die herab hängenden Hände ineinander gefaltet. Edgar'« Herz schlug schneller. „Waldsee" hatte er sie damals beim ersten Erblicken genannt. „Meine süße Wald blume", bebte es jetzt leise wie ein Hauch über seine Lippen, und unwillkürlich breitete er die Arme auS. Sie hatte ihn nicht bemerkt. Sie richtete sich auf und trat bis an Len Rand des Weihers zu dem kleinen Nachen, der dort angebunden lag. 2m Nu war Fürst Edgar auf den Füßen und an ihrer Seite. „Guten Morgen, Fräulein Lia", sagte er, seine Ge stalt zu ihr herabbeugend, „hat eS Sie auch schon so früh hinausgezcgen in den Wald?" Sie erschrak, daß sie zitterte; ihre Hände ließen die Kette fahren, die sie eben zu lösen versucht hatte. „Ich — ich wollte ein wenig auf dem See sahrrn", stammelte sie verwirrt. „Darf ich den Kahn auf den See hinausrudern?" Stumm nickte sie Gewährung. Ein süßes Bangen lähmte ihre Zunge. Sie war so glücklich gewesen alle die Zeit hin durch in dem unausgesprochenen und dock so besrtiaenden Gehcimniß ihrer Liebe, daß sie eine fast scheue Furcht empfand vor Dem, was kommen mußte: vielleicht fürchtete sie, daß dir Seligkeit, der ihr Herz ahnend entgegenschlug, zu überwältigend groß sei für diese Erde, um von Dauer sein zu können. Schon hatte der Fürst die leichte Gestalt in den Kahn gehoben und sich dann selbst hineingeschwungen. Rasch löste er den Nachen vom Ufer und trieb ibn mit starkem Arm aus dem dichten Schilf in die offene Fläche hinaus. Leise glitt der Kahn über die im Strahl der Morgen sonne goldig glänzende Flutb, einen leuchtenden Silberstreifen hinter sich herziehend. Wie schmeichelnd tauchten die Ruder in das kühle, klare Gewässer, aus dem eine versunkene Märchenwelt beraufzudämmern schien. Lia Rose blickte wie verzaubert hinein. War eS Täuschung, daß der See ihr das Bild deS Mannes widerspiegelte, der dort an ihrer Seite saß und besten Blick sie so unverwandt aus sich gerichtet fühlte, daß sie die Augen nicht aufzuschlagen wagte? Sie meinte fast, er müßte das beklommene Schlagen ihres Herzens in der tiefen, traumhaften Stille, die sie um gaben, vernehmen. Wie war eS doch so seltsam, daß sie hier so ganz allein mit ibm auf dem Weiber trieb, während ringsum im weiten Walde noch fast alles Leben schwieg; wie losgelöst von Welt und Menschen kam sie sich vor. Das Schweigen wirkte zuletzt beängstigend auf sie. „Singen Sie ein Leid", bat sie leise, „es klingt so schön auf den: Wasser." Er sah sie an, — welch' beredte Sprache spricht doch ost solch' ein einziger Blick! — dann begann er mit bewegter, leise vibrirender Stimme zu singen: „Du bist wie eine Blume So schön, so hold, so rein. Ich schau' Dich an, und Webmuth Schleicht mir in's Herz sich ein." Ergreifend klangen diese Worte über die kaum merklich sich bebende Flutb, die zur Unbeweglichkeit erstarrt schien in athemlosem Lauschen auf die Töne, in denen ein Menschen herz seine Liebe ausströmte. Edgar batte die Ruder eingezogen, mächtig schwoll jetzt die Bewegung in seiner Stimme an, als er fortfuhr: „Mir ist, als ob ich die Hände Aus's Haupt Dir legen sollt', Betend, daß Gott Dich erhalte So schön, so rein, so hold!" Wie war es nur gekommen? / Hatten seine Hände sich wirklich auf ihren lockigen Scheitel gesenkt und sie zu sich berübergezogen? Ihr Haupt lag an seiner Schulter, und seine Lippen preßten sich auf ihre kühlen, duftigen Locken. Leise trieb der Kahn dem Ufer zu. Die Wasserlilien, die hier und da über seinen Rand nickten, hoben die träumerisch gesenkten Häupter und schauten mit den stillen Blumenaugen erstaunt auf das große, alte und doch ewiA junge Gebeimniß ,Hiebe", das sich vor ibnen entschleierte. Flüsternd erzählten sie eS weiter, die hohen Buchen ringsum neigten als ernste Zeugen ihre mächtigen Wipsel und grüßten mit leisem Rauschen zu den Glücklichen hinüber, die sich gefunden hatten in ihrem stillen Bereich. Da hoben fern in den umliegenden Dörfern die Kirchen glocken an, den Sonntag einruläuten. Wie frommer Sphären klang zogen die feiernden Töne über Wald und See dahin, sie schwebten näher und näher, verstärkten sich, harmonisch Abend-Ausgabe Druck und Berlin von E. Volz in Leiv.ssg SV. Jahrgang 477 Freitag den 18. September 1896. Amtlicher Theil 9,53-2- Feuilleton i>I 280,25 49,60 Tie Morgen-A»Sgabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um ü Uhr. aotsn on» >8».) IVsirsu ruber 120,— ar, uodsr 41,70 al., 85,25 98,80 88,?O 119,70 47,55 9,53-'2 58,67-,2 1,27^ 113,25 240,— Ulkadu Xr. 416 am cksr?irm» eia-Vittsn- Uawdarx, ist -. 211 unck 1225 sekstt", Usm- Ltsräawxfer sr „Lloor" auf l", 8ciU? <17,K ist» Vietori»- Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expeditien zu richten. I»oi. »II 0,02). 0,02). Nedariion und Expedition: JohanneSgaffe 8. Die Txpevition ist Wochentags ununterbrochen ginnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: Ttt« Klenim'S Tortim. (Alfred Hahn), Uvivcrsitätkstraße 3 (Paulinmn), Lonis Lösche, kknibartnenslr. 14. vnrt. und Köiiigsplev 7- 220,— 0. sio Stück. Rudi»' 208,40 158,— 112,50 141,— 310---g 814,— 159,20 161,80 41,— 165,30 179,— 159,20 169,— 4 l 102,30 eintreten, daß anch in diesem Falle die geheiligte Person eines wlitiscken Verbrechers in Schutz genommen werde? Ihre »entschen „Genossen" werden sie sich auch diesmal nicht zum Vorbild nehmen können. Diese, die sonst bei jeder Gelegen heit mit den Anarchisten sich berumstreiten, ihnen den Zutritt zu Congrcssen verwehren wollen und sich mit Entrüstung gegen jede Verwechselung mit den Blutaposteln verwahren, breiten in diesem Falls schirmend ibre Flügel über den Anarchismus, der tburmboch über dem Verdachte mörderischer Anschläge gegen den Zaren stehe. „Polizeispitzel" haben die ganze Geschichte inscenirt, um sich den Glorienschein der Retter des Zaren umsHaupt zu legen und die armen Anarchisten in schnöden Verdacht zu bringen! In den Augen des „Vorwärts" würde die Auslieferung Tynan's ein Verbrechen sein, schlimmer als das, das geplant zn haben Tynan verdächtig ist. Es wird interessant sein, zn beobachten, wie herrlich auch in diesem Falle die gemeinsamen Anschauungen des „internationalen Proletariats" zu Tage treten. Wenn es auch noch fraglich ist, ob die fenischen Dynamithelden mit russischen Nihilisten im Bunds ein Attentat gegen den Zaren im Schilde führten, so geht ans den beute vorliegenden Nachrichten doch klar hervor, welcher Art die fenischen Ziele in Irland waren. Die Irish National Alliance in New Aork, deren Schützlinge die Dynamitbelden sind, beabsichtigt nämlich „die Errichtung der Republik in Irland unter Anwendung von Waffen gewalt". Sie will mit folgenden Mitteln dabei zu Werke geben: 1) Anwerbung der in Amerika lebenden Iren zn einem Heere der irischen Republik; auch sollen stets An werbungen und Ausrüstungen stattfinden, um militairiscke Expeditionen nach Irland zu senden, so oft die britische Armee und Flotte in einen Krieg mit irgend einer europäischen Macht verwickelt ist. Man sieht, die glorreichen irischen Ueberlieferungen, auf die sich Tynan in bombastischer Weise vor dem Untersuchungsrichter zu Boulogne berief, leben bei den Jrisch-Amerikanern noch fort. 2) Sollen Dynamit feldzüge gegen England eingeleitet und durchgeführt werden, um dieses Land daran zu erinnern, daß die irischen Republikaner nicht ausgestorben sind, sondern regsam Racke wegen des Irland zugefügten „Unrechts" er streben. Die Verbindung, die durch Druck auf die in Amerika beschäftigten irischen Dienstmädchen und andere natür lich zur Abhängigkeit veranlagte Landsleute Beiträge erpreßt, soll viel Geld besitzen. Als sie begründet wurde, waren etwa 1000 Abgesandte zuaegen und während der letzten Monate sind ihr zahlreiche Mitglieder beigetreten. Im Mai d. I. besuchten eine kleine Gruppe von Führern der Alliance London, wo sie Abmachungen für einen irisch-republikanischen Bund trafen, der in England und Irland errichtet werden soll, und zwar unter dem Deckmantel eines Allen offenen Vereins für Volkserziehung und politische Treiberei, in Wirklichkeit jedoch als Hauptquartier der Irish Alliance in England und Irland. — Was Bell oder Ivory anbetrifft, so glaubt man, daß er Bomben in England vertheilt habe, die ihm von Antwerpen zugetragen wurden oder die er selbst von dort mitaebracht hat. Tie englischen Blätter sind vorsichtig in ihren Vcrmutbungcn, zumal da sich in den Meldungen über den in New L)ork bestehenden Unterrichls- cursus in der Bereitung von Dynamitbomben ein wesentlicher Schnitzer eingeschlichen batte. Heute wird nämlich berichtet, daß der angebliche Levrer Paul Rabinowitsck, ein polnischer Anarchist, der im Jahre 1878 auS Berlin, 1879 aus Paris ausgewiesen wurde, sich dann 1882 oder 1883 in London niederließ, wo er wegen Fälschung französischer Werthpapiere zu 10 Jahren Zwangsarbeit ver- PoMische Tagesschau. * Leipzig, 18. September. Die Berliner Corresvondenten der „Times" haben schon zu einer Zeit, als Bismarck noch nicht Reichskanzler war, nickt selten Mittheilungen empfangen, die den großen deutschen Blättern vorenthalten wurden; man glaubte durch Veröffentlichung solcher Mittbeilnngen in den „Times" eine größere internationale Wirkung zn erzielen, als durch die Veröffentlichung in deutschen Blättern. Da her mag es kommen, daß ein Bericht, den ein Berliner Korrespondent des Cityblattes diesem über die Unter redung Kaiser Wilhelms II. mit dem Zaren in Breslan übersendet, von der deutschen Presse nicht von vorn herein als unglaubwürdig bezeichnet wird. Der Bericht erstatter schickt seiner Meldung die Bemerkung voraus, er tönne allerdings nicht dafür bürgen, daß das, was er unserm Kaiser in den Mund legt, wörtlich genau sei, wohl aber tönne er für den wesentlichen Inhalt seines Berichtes bürgen. Kaiser Wilhelm habe gesagt: „Die französische Nation wünscht keinen Krieg, aber wenn Die jenigen, welche an der Spitze der Geschäfte stehen, den Krieg wollen, so läßt sich die große Masse nur allzu leicht fortreißen. Augen blicklich würde aber Frankreich sicherlich keinen Krieg riskiren ohne Ihre Hilfe. Ich habe volles Vertrauen in Ihre traditionelle Ueber- zcugung und Festigkeit; Ich weiß, daß Sie keinen Krieg beginnen werden, nm Frankreich die Genugthuung einer Revanche zu ver schaffen, wie auch Ich und Meine Bundesgenossen nichts unter nehmen werden, was einen Vorwand zum Kriege liefern könnte. Ja, Ich sage noch mehr: Ich freue Mich Ihrer freundlichen Beziehungen zu Frankreich, weit diese Freundschaft genügen wird, den aufrührerischen Geist, von dem Frankreich bewegt wird, in Schach zu halten, und ihn cv- auch überwinden kann. In Rußland haben Sie den Nihilismus, den Geist der Verschwörung und der Finsterniß. In Deutschland haben wir den wissenschaftlichen Socialismus, den Geist des Umstürze«, der sich unter der Maske einer irregeleiteten Pseudo-Wissenschaft ver birgt; ein Geist, dcr um so gefährlicher in einem Volke wirkt, das sich an philosophischen Geheimnissen ergötzt und sich rühmt, in die nächtigen Tiefen der Vorstellung leuchten zu können. Was in Frankreich mächtig ist, das ist der Durst nach Umsturz der bestehen den Ordnung, die Gier nach Veränderung, welch, allzu reiche und satte Völker befällt, wenn sie sich langweilen. Wir sollten als Wächter der Ordnung und Hüter des Weltfriedens zusammenstehen. Das ist die dringendste Frage, das Heil Aller. Wenn wir Zu sammengehen, um vereint Len Feind Gottes und der Könige zu be- Bekanntmachung. Am 1. October d. I. wird an Stelle der jetzt bestehenden Reichsbanknebenstelle in Bochum eine Ncichcbankstelle daselbst errichtet. Der Geschästsbezirk, sowie die Namen und Unterschriften der Vorstandsbeamten werden durch Aushang in dem Geschäftsloca! der Reichsbankstelle in Bochum bekannt gemacht werden. Berlin, den 10. September 1896. Reichsbank-Tircctorinm. Koch. Korn. Anzeigen-Preis die S gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reclameu unter demRedactionsstrick (4ge» spalten) öO-H, vor den Familiennachrichteu (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Laris. a. owm »ul» «ait .k.ir. t»ct. »null r »ssst. iou vsik s n rat .-kr. . Luäit — zseklosseu. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nattjes und Uolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit Lee Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderunz » SO.—, mit Postbeförderong ^l 70.—. 6anr, 151,50 b, 89,— O. 165,— 6. 233,— v. 85,— 6. urtbeilt wurde, nach seiner Entlassung dann in New Heil weilte, seit Jahren von seinen Gesinnungsgenossen verlassen, elend in Iqnigne in Peru gestorden ist. Wohl aber wird heute bekräftigt, daß der Dynamitcursus seit einigen Jahren in New ?)ork besteht, und zwar unter der Leitung von Wilhelm Hasselmann, deS früheren deutschen social demokratischen Neichstagsabgeordneten, von dem es in ven in London vorliegenden Telegrammen beißt, daß er sein Mandat wegen einer Brandrede zu Gunsten der russischen Nihilisten niederlegte, während Hasselmann bekanntermaßen mit der Casse der Partei durckbrannte, die ihn seinerzeit als einen ihrer ersten Abgeordneten nach dem Reichstag entsandt hatte. Hasselmann ist ührigcns in der Lage, andere Schurken darin zu unterweisen, wie man Bomben macht, denn er bat die polytechnische Schule in Hannover besucht, als Chemiker theils praktisch in Fabriken, theils wissenschaftlich auf den Universitäten von Göttingen und Berlin gearbeitet. Ferner sollen an der Leitung theilnebmen: ter russische Nihilist Hartmann, der in den siebziger Jahren versucht hatte, einen kaiserlichen Zug, der nach Moskau fuhr, in die Lust zu sprengen, und dessen Aus lieferung von Frankreich verweigert wurde; Jodanu Most, der 1882 in London wegen Anpreisung der Nihilisten, die Alexander II. ermordet hatten, zu 18 Monaten Zwangsarbeit verurtbeille Anarchist; envlick ein gewisser Nowakowitsch, der Herausgeber eines in jüdisch-deutscher Muudart er scheinenden Anarchistenblattes. — Tynan wurde am Diens tag in Boulogne einem Verhör unterzogen, dessen Zweck es war, seine Persönlichkeit festznstellen. Er rief dem Untersuchungsrichter Vive la k'ranve! entgegen und fügte hinzu: „Äir (die Iren) sockten für euch in Fontenoy und werden noch für euch kämpfen. Wir werden euch gegen England unterstützen." Der Untersuchungsrichter mußte ibn ermahnen, sich ernst zu verhalten. Tynan wollte zuerst nicht zugehen, daß er der Gesuchte sei; doch machte er leine längeren Umstände, als er sah, daß es ihm nichts Helsen würde, und gestand: „Nun Wohl, ich bin Tynan, ich brauche es nicht länger zu leugnen. Es scheint mir, daß Sie mehr wissen als ich." Er fügte hinzu, er sei an keinem verbreche rischen Plan betheiligt; er sei unmittelbar von Amerika nach Frankreich gekommen. Als der Richter darauf bemerkte, daß die Polizei ihm nach allen Richtungen gefolgt fei, ward Tynan sehr betroffen. Auf Befragen, ob er den in Glasgow festgenvmmenen Bell kenne, antwortete er mit Nein; als man ibm dann aufge fangene BricfeBell's an ihn,Tvncm, vorhielt, sagte er ausweichend: „Ja, ich entsinne mich, es war eine flüchtige Bekanntschaft." Tynan, der die nordamerikanische Staatsbürgerschaft er worben bat, telegraphirte am Montag an seine Frau nach Auburn Park in New Ierscv, sie möge sich sofort mit der Bundesregierung zu Washington in Verbindung setzen, damit er als amerikanischer Bürger in kürzester Frist wieder befreit werde, da die gegen ihn vorgebrachte Verdächtigung unbe gründet sei. Am Dienstag wandte er sich selbst telegraphisch an den amerikanischen Botschafter in Paris und den Präsi denten Cleveland, um Schutz zu erbitte». Die Londoner Blätter melden, Tynan'S acktzigiäbrige Mutter habe sich mit vier Enkelkindern am Dienstag in Kingstown (Irland) nach Südamerika eingeschiffr, um die Erbschaft eines ihrer Söhne, eines in Buenos Aires verstorbenen römischen Geistlichen, anzutreten. Eine bemerkenswerte Kundgebung liegt beute aus England vor. Das „Reuter'scbe Bureau" verbreitet nämlich aus London folgende Erklärung, die zweifellos vom Cabinct auSgcbt: „Die Anschuldigungen der continentalen Presse, welche 104,— bi 44«,— L. 100, - 6. 113,— 8. 155,— U. 200,— 8. 101, — O. US,— O. 182,— tt. 126,— S. 130,— ti. 120,— ». 212,— O. 98,— O. Bezugs-Preis l-! der Hanptexpedition oder den im Stadt, cetirk und den Vororten errichteten Aus- gaorstellen abgebolt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich 7.50. Oie Tochter des Geigers. Roman von A. Brüning. Nachtruck vrrbotkn. ,Nun, die Sache hat doch ihr Gutes", meinte der Ober förster; „sie bringt unfern lieben Ausreißer zurück, ohne den wir kaum mehr fertig zu werden wissen." Walter mußte nun das ganze Begebniß dem Fürsten erzählen, welcher zum Schluffe des Berichts bemerkte: „Gottes Glück war mit Dir, aber anch Deine feste Natur hat dazu geholfen, daß Du dieser mörderischen Attaque nicht erlegen bist." „Meinst Du?" Es war ein eigenes Lächeln, LaS über Walters Züge ging. „Sorge nur nicht um mich; wen der Wald grotz gezogen, der erliegt so leicht keinem Sturm." Die Worte wurden ruhig gesprochen und Edgar war weit davon entfernt, ihren Doppelsinn zu ahnen. Sie waren auch eigentlich für Frau Martba's Ohr bestimmt. Walter's Augen batten dabei zu der Mutter hinübergesehen, deren bange Sorge nm ihn er in der letzten Zeit sehr Wohl her- auszefühlt hatte; er hatte sie beruhigen wollen. XIV. Der folgende Taz war ein Sonntag. Leuchtend, um geben von rosigem Gewölk, kam wie auf purpurnem Sieges wagen die Königin des TageS im Osten heraufgezogen. Sonnenaufgang im Walde! — Wer dem erhabenen, schönen Schauspiel nicht beigewohnt hat, der vermag seinen Zauber nicht einmal zu ahnen. Allmählich beginnen mit dem ersten schwachen Schein am Horizont die schwärzlichen Schatten sich zu senken, die das weite Waldrevier in tiefes Dunkel begruben. Wie Schleier fallen die DämmerungSnebel von den hoben Baumkronen: es ist, als ob Aeste und Sträucher sich beeilten, ihre nächt liche Hülle abzuwerfen, um das Tagesgestirn würdig zu be grüßen. Wipfel um Wipfel zeichnet sich nach und nach in die immer Heller werdende Luft, und endlich ragt der ganze weite Wald klar, in majestätischer Schönheit in das Lickt des jungen Tages hinein. Droben am Himmel vollzieht sich währenddem ein noch fesselnderes Schauspiel: im entzückenden Farbenspiel wechseln dort violette und rosig« Tinten, die sich wiederum allmählich, zum saftigsten Dunkelroth vertiefen, bis sich zuletzt über das ganze Firmament ein strahlender, goldumsäumter Purpur mantel breitet, aus dem die Sonne siegend ihr flammendes Antlitz hebt. Wie eine ihrer Schönheit frohe Jungfrau spiegelt sie es in den Myriaden blitzender Tbantropfen, die drunten im Walde gleich einer schimmernden Demantfluth verschwenderisch über Baum und Strauch ausgestreut sind. Die Luft scheint erfüllt von dem Strahlengespinnst, das von jedem der bunt- schillernden Tropfen einen leuchtenden Faden bis zum Horizonte spannt, auf dem man wie auf einer Himmels leiter direct in den blauen Aetber hinaufsteigen zu können meint. Auch die Seele schwingt sich in solcher Stunde leichter und freier zum Himmel auf. Sie fühlt sich ihm näher als in dem lauten und oft so kleinlichen Getriebe des täglichen Lebens, daS der Erhabenheit der ganzen Natur gegenüber nichtig und bedeutungslos erscheint. DaS allgemeine Er wachen ringsum füllt das Herz mit Auserstebungsabnen, — es ist, als ob der Geist Gottes sichtbar über seiner Schöpfung schwebte. Unter der Rothbuche am Waldsee lag Fürst Edgar auS- gestreckt im Weichen Moose. Der Gedanke an Lia Rose hatte ihn nicht schlafen lassen, und mit dem ersten Morgen grauen hatte es ihn herauSgetrieben zu der Stelle, wo sie ihm zuerst erschienen war mit all der bestrickenden, jung fräulichen Lieblichkeit. Die Hände unter dem Haupt verschlungen, schaute er durch das purpurne Blätterdach über seinem Haupte dem Sonnenaufgang zu, — ein unbeschreibliches Glücksgefühl durchströmte ihn, ihm war, als ob die Sonne sich in seine Brust berabgefenkt hätte, als ob all die schimmernde Lichl- fluth ringsum, in der seine trunkenen Augen sich badeten, von dort auSginge. AuS dem blauen Himmel über ihm wie aus dem See zu seinen Füßen, der sie strahlend zurückwarf, Müßten ihn ein paar süße, blaue Augensterne, und in seinen Ohren klangen die Worte, die Lia's weiche Stimme ost ge sungen batte: „Der liebe Gott geht durch den Wald". Er fühlte überwältigt, daß der heutige Tag ihm die Entscheidung seines Schicksal« bringen müßte!... Da — war es Täuschung? Ueberrascht wandte er den Kopf; was er nur im Geiste vernommen, wurde nicht weit von ibm wirklich in den Wald hinauSgeflüstert. „Der liebe Gott geht durch den Wald!" So summten leise mit halber Stimme ein paar fromme Mädchenlippen; er war nicht » 71'« euestc) 100-^ kämpfen, so wird die dankbare Mitwelt nnd die Geschichte nnS lohnen." Ueber die Antwort des Zaren behauptet dcr „Timcs"- Correspondent weniger genau unterrichtet zu sein. Nach der einen Lesart, die man ihm mitgetbeilt, habe der Zar geantwortet, indem er Kaiser Wilhelms Hand ergriff: „Ick bin ganz mit Ihnen einig und bereit, mitzutbun bei einem Werke, das der Mühe lohnt"; nach der andern LeSart habe Kaiser Nicolaus mehr ausweichend geantwortet, indem er nur seine friedlichen Absichten betont habe. Die „Times" fügen hinzu, die letztere Version entspreche mehr dem Charakter deS russischen Kaisers. Schon diese Unsicherheit der Meldung über den Wortlaut der Ant wort des Zaren macht die ganze Berichterstattung ver dächtig; denn hätte ein Staatsmann den Bericht ver anlaßt, so hätte das nur in der Absicht geschehen können, auf die Stimmung in Frankreich einznwirken. Gerade dann aber hätte die Antwort des Zaren genau wiedergegeben werden müssen. Es ist also wahrschein lich, daß der Berichterstatter der „Times" seine Informationen ganz an denselben Stellen gesammelt hat, an denen die übrigen „Enthüller" der Geheimnisse von Breslau gesammelt haben: in den Vorzimmern der Diplomaten und auf Hinter treppen. Stützt sich die Meldung der „Times" wirklich auf besondere Informationen, so wird auch eine Kundgebung nichl ausbleiben, die das bestätigt und zugleich die Zweifel über den Wortlaut der Antwort des Zaren beseitigt. Für uns genügt übrigens die Görlitzer Tischrede des Kaisers voll kommen, um uns über das Gesammtresultat der Bres lauer Begegnung zu informiren. Auf den Besuch des Zaren in Frankreich ist durch dir von der englischen Polizei entdeckte Verschwörung ein trüber Schatten gefallen, der vie Herzen der französischen Staatsmänner zweifellos in bange Sorge versetzt. Es ist noch nickt genügend aufgeklärt, welche Ziele die Verbrecher bande sich geneckt bat; hierüber wird wobl erst eine sorg fältige Untersuchung einen bestimmten Nachweis erbringen können. Bis jetzt ist noch nicht erwiesen, daß die irischen Fenier wirklich in Verbindung mit den russischen Nihilisten gestanden und mit diesen einen gemeinschaftlichen Verbrecherplan im Auge gehabt haben. Aber der Verdacht ist jedenfalls nickt abzuweisen, daß die mit reichen Mitteln ausgestatteten Anarchisten einen Mordanschlag gegen den Zaren beabsichtigten, und deshalb sieht sich die französische Regierung in einer überaus heiklen Situation durch die Frage versetzt, ob sie den auf sranzöfischen Boden verhafteten Fenier Tynan, den Haupturheber deS Attentats im Pbönix-Park, an England ausliefern soll oder nicht. Sie hat schon früher einmal die Auslieferung dieses Menschen ab gelehnt, weil er ein politischer Verbrecher sei. Kann sie es aber wagen, auch jetzt, wo er eines Mordanschlags gegen den Zaren verdächtig ist, die Auslieferung abzulehnen? Das Journal „Paris" schreibt zwar: „Frankreich, das die Armenier, welche unter türkische Soldaten Bomben warfen, nicht auslieferte, kann auch der Auslieferung des poliiifchen Verbrechers Tynan nicht ohne Weiteres Anstimmen." Aber das Blatt bat bei Abfassung dieser Zeilen offenbar nicht an den bevorstehenden Zarenbesuch und die doppelte Rücksicht gedacht, die Frankreich gerade jetzt vem Zaren schuldig ist. Die Regierung wird sich klarer über das fatale Dilemma sein, in dem sie sich befindet. Auch die französische Soc ia ld em okratie, die dem Besuche des russischen „Tyrannen" deshalb mit freudiger Spannung entgegensah, weil er der Freund Frankreichs ist, kommt in eigene Lage. Soll sie gegen die Auslieferung Tynan's eifern, oder dafür a m >il SS cksr L 544,— isi» ILtrs !kssi ickssi Sriixe r test. ». .Lrx. 82 63 lax. 26»« nt. 98-, 29-« 12--/ 3 30»j, »vk 534,— >. 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