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1»« Sonnabend, den Jnli L8»8 57. Jahrgang. Srschelnt täglich mit Ausnahme der Sonn-und Festtage, abends sür den sol- gcndc» Tag. Preis vierteljährlich 1 M. bO Ps., monatlich bO Ps., Einzelnummer 5Pf. Bestellungen loerden in u»iercr Geschäftsstelle, von de» Boten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstalten angenommen. Anscrat-HeSützrem Einspaltige Petit-Zeile oder deren Raum IO Pst; im amtliche» Teile pro Zeile 30 Ps.; „Eingesandt" und Reklame unter dem Rcdaktionsstrich 2b Pf. — Komplizierte Inserate nach beson deren! Taris. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat 2bPs.cxtra berechnet Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmamlschaft W des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Rostberg in Frankenberg i. Sa. — Druck und Verlag von C. G. Nosjbcrg in Frankenberg i. Sa. Nn^abonnements ans dos Tageblatt für den Monat Juli nehmen unsere Tageblattausträger und unsere bekannten Ausgabestellen in Stadt und Land entgegen. W xI»««N1ioii «I< > Iiuri» »«Iitxip;«» I:>^«I>l!ltt<>>. ErbtheilungShalber sollen die zum Nachlasse des zu Niedcrlichtcnau verstorbenen t^NstlvilthS und Erbgerichtsbesitzers Friedrich Moritz Wagner gehörigen Grundstücke, das zur Ausübung der Gaslwirthschast benutzte Erbgericht, Folium 21, Nr. 23 des Brandcatasters für Niederlichtenau, 6 Hectar 44 Ar groß, mit 313,28 Steuer einheiten belegt, U, das b/12 Husengllt, Folium 22 des Grundbuchs für Niederlichtenau, 16 Hectar 15 Ar groß, mit 068,17 Steuereinheiten belegt, beite Grundstücke zusammen aus 5»828 Mart ortsgerichtlich gcwürdert, sammt Vieh, Schiff, Geschirr, Schankutensilien und Vorräthcn im Wege der öffentlichen, freiwilligen Bersttigerung nm das Meistgcdot unter Vorbehalt der Zustimmung der Wagnerischen Erben und der obcrvormundschaftlichen Genehmigung von Seiten des unterzeichneten Amtsgerichts und zwar an Ort ttttd Stelle veräußert werden. Erstehungsluslige werden hierdurch aufgefordcrt, in dem anf de» 2«. Jnli 1898, Mittags 12 Uhr bestimmten Ncrstcigerungstermine im Wagner'schen Erbgerichte in Niederlichtenau sich einzufindcn und ihre Gebote zu eröffnen. Frankenberg, am 2. Juli 1808. Das Königliche Amtsgericht. I. B. Ass. I»i. Bähr. M. Konkursverfahren. lieber das Vermögen des Gutsbesitzers Johann Hermann Barthel in Hausdorf wird heut«, am 8. Juli 1808, Vormittags I I Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt Justizrath Reinholdt hier wird zum Konkursverwalter ernannt. KonkurSfordcrungcn sind bis zum 1». September 18Y8 bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Beibehaltung des ernannten ober die Wahl eines anderen Verwalters sowie über die Bestellung eines Gläubigcrausschusses und eintretenden Fallcs übcr die in § 120 der Konkursordnung bezeichneten Gegenstände — auf de« 29. Juli 1898 Bormittags II Uhr — und zur Prüfung der angemcldeten Foiderungcn aus den 24. September 1898 Bormittags 11 Nhr — vor dem unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, die eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkurs masse etwas schuldig sind, wird aufgegcbcn, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auserlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für die sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 21. Juli 1898 Anzeige zu machen. jtöuiglichcs Amtsgericht zu Frankeuberg. Bekannt gemacht durch den Gerichtsschreiber Sekr Gunther. Tic Zeichenstunden der Fortbildungsschule müssen Sonntag, den 10. Juli, ausfallen. Schuldir. Engert. Zur Lage in Spanien. Es sind jetzt dreißig Jahre vergangen, seit in Spanien die Revolution gegen die Herrschaft der sittenlosen Königin Isabella auebrach, die mit ihren Günstlingen das schon verarmte, ursprüng lich reiche Land in schamloser Weise auesog. Bei der Brücke von Alcolea schlug der Führer der Aufständischen, Marschall Serrano, die könglichen Truppen; die Folge davon war die Flucht der Kö nigin Isabella, die Proklamierung der Republik. Auf der Flucht nach Norden hatte die Königin eine Begegnung mit Napoleon III. und der Kaiserin Eugenie von Frankreich. Die Königin machte sehr offene Anspielungen, Napoleon solle ihr in der Wicdcrauf- richtung des Thrones behilslich sein, allein der Kaiser antwortete nur mit einigen nichtssagenden Wendungen. Isabella war und blieb entthront, sic hat auch nach der Thronbesteigung ihres ältesten Sohnes Alfonso XII. keinerlei politische Rolle in Spanien mehr zu spielen vermocht. Ihre weitgehende persönliche Gutmütigkeit hat ihr hinterher noch eine gewisse Popularität verschafft. Man muß an diese Tinge unwillkürlich zurückdcnken ange sichts der Gesahr, in welcher der spanische Königsthron infolge der jüngsten schweren Kriegsniedcrlagen schwebt. Die spanische Bevölkerung ist durch die jahrhundertelange Mißwirtschaft der Regierungen in Madrid so gleichgiltig gegen alles geworden, was das Staatsoberhaupt betrifft, daß sie sich heute weder für die Monarchie, noch sür die Republik begeistert. Sie nimmt den, welcher sich als der Stärkere erweist. Auf die Armee ist heute so wenig Verlaß, wie vor 30 Jahren. Persönlicher Ehrgeiz und egoistische Selbstsucht überwiegen weit soldatisches Ehrgefühl und Hingabe an die Dynastie; die Generale hassen die Zivilministcr, die Offiziere wieder sehen in ihren militärischen Oberen nur Leute, die ihnen die Karriöre vci sperren. Die Mannschaften, die ein wenig erfreuliches Soldatenlos haben, sind teilnahmslos und folgen dem, der ihnen am meisten zahlt oder am meisten verspricht. Heiderose. Roman von I. Berger. <7. FoUschimg.) (Rachdrult verboten.» Ulrich war inzwischen stundenlang in Wald und Heide umhcr- geirrt und grübelte über seine Zukunft. Der Gedanke an sein verlorenes Liebesglück wühlte sich immer schmerzlicher in seine Seele hinein und raubte ihm allen Lebensmut. „Ach, wäre ich doch an meiner Wunde gestorben und cs wäre alles, alles aus," seufzte er. Er sand nirgends Ruhe, es tiieb ihn rastlos umher, bis er mechanisch doch wieder vor dem Schlosse anlangte. Wie im Traum durchschritt Ulrich die Vorhalle. Der alte Friedrich war dort mit Silbcrputzcn beschäftigt und flüsterte ihm leise zu: „Uns'Herr Baron haben schon zweimal nach Herrn Lcil- nant gefragt." „Es ist gut! Ist mein Vater in seinem Zimmer?" „Nu nee! Die Hcrrschastcn sind mitsammen im Spciscsaal und alleweile gerade bei der Abendmahlzeit." Ulrich nickte und trat geräuschlos in den bezeichneten Raum. „Na, da bist Du ja, Junge, wo hast Du denn so lange ge steckt?" rief ihm der Baron entgegen und lachte ihn fröhlich an. Er starrte wortlos in sein Gesicht. Es war blaß, doch ruhig, sorgenlos und frei. War das sein Vater, den er gebrochen, nieder- gebeugt von Kummer, anzutreffen geglaubt hatte? Auch die Mama und die Großmutter waren in heilerer Stimmung und schienen zufrieden und wohlgemut. Er wußte sich das alles nicht zu erklären und setzte sich still an den Tisch. So sind die spanischen Zustände, und nachdem sich auf Seiten der spanischen Kriegführung allerdings entschiedene Mißgriffe geltend gemacht haben, deren verhängnisvolle Wirkung durch alle persönliche Tapferkeit nicht wett gemacht werden konnte, werden die Leute des Volkes freilich wenig Gutes von den leitenden Männern in Madrid sagen. Regentin und der junge König sind an allem unschuldig, aber cs kann sein, daß sie sehr bald für die „Sünden des Systems" werden büßen müssen. Auf der anderen Seite gicbt es auch Mo mente, die cs als recht wohl möglich erscheinen lassen, daß die spanische Dynastie wenigstens aus dem heutigen Sturm ungefährdet hervorgehen wird. Dafür wird besonders die Haltung des großen Nachbars Frank reich maßgebend sein, dem, vielleicht auf einen Wink aus St. Petersburg, sicher nichts daran liegt, daß sich auf der pyrenäiscben Halbinsel eine Republik etabliere. Man sollte das Gegenteil für näherliegendcr halten, aber dem ist durchaus nicht so. Napoleon III. hatte nach der voraussichtlichen Verwickelung nach der deutschen Seite hin, allen Grund, die Dinge in Spanien gehen zu lassen, wie sie wollten, und eine jede Einmischung zu vermeiden. Frank reich von heute hat aber gerade Grund, sich in Spanien eine ge regelte Gewalt zu wünschen, die ihm erforderlichenfalls gefällig ist. Man weiß ja, wie sehr die Revanche-Gedanken in'den französischen Köpfen spuken, man wird sich wenigstens Mühe geben, zu versuchen, in Spanien ein Gleichgewicht gegen Italien, das mit Deutschland verbündet ist, zu schaffen. Tann ober herrscht in Spanien auch der Anarchismus in bedenklichem Maße, und cs kann kein Zweifel sein, daß diese bedenkliche Erscheinung unter einer spanischen Re publik viel schneller um sich greifen würde, wie unter einer Mo narchie. Der französische republikanische Bürger will aber den anarchistischen Schrecken absolut nicht wieder im Lande haben. Die Tage der anarchistischen Pariser Dynamik-Attentate sind noch un vergessen. Die Franzosen sind kluge Leute: Sie kennen andere Nationen Dann genoß er hastig einige Speisen und stürzte ein paar Gläser Rotwein hinunter. Dabei musterte er mit beobachtenden Blicken die unbefangenen Mienen der Scinigcn und wunderte sich, daß sie so fröhlich plaudern und scherzen konnten. Er fuhr mit der Hand über Augen und Stirn, als wolle er ein häßliches Traumbild verscheuchen. Sollte die Großmutter, die meistens alles Grau in Grau vor sich sah, sich getäuscht habe»? Stand es vielleicht gar nicht so schlimm mit dem Vater? — Aber nein, sein scharfer Geist erkannte, oaff man nur eine Komödie vor ihm aussührle, um ihm die Wahrheit liebevoll zu verbergen. Er fühlte, daß seine Zukunft in Nacht gehüllt blieb und daß cs keine Hoffnung auf Glück und Freude mehr für ihn gab. Als Rose nach schnellem Lauf den kleinen HauSgartcn er reicht hatte, hielt sic atemlos inne und lehnte ein paar Minuten mit hnlbgcschlosscncn Augen am Stamm eines Baumes — ihre Brust flog. Dann ging ein weiches Lächeln um ihren kleinen Mund, hastig glitt ihre Hand in die Tasche ihres Kleides und zog das Etui mit dem Medaillon hervor. Und nun preßte sie das kleine goldene Kleinod immer wieder an die Lippen. O, wie sic Ulrich Ijcbtc! Alles, was bis heute fremd und unverstanden in ihrem unschuldigen Herzen sür ihn gelebt, hatte ein einziger, glückscligcr Augenblick ihr plötzlich offenbart. Und wie ein Wunder erschien cs ihr nun, daß sic ihn nicht mehr wie einen Bruder liebte, sondern mit einer heißen unbezwinglichen Leidenschaft, die ihr ganzes Sein durchzittcrte. Und daß auch er sie liebte und sein Herz ihr ge hörte, mit jedem Schlage, das hatte sie selig'empfunden, alS sie an seiner Brust gelegen. besser, als sich selbst, und so weiß man denn an der Seine ganz offenkundig, daß eine spanische Republik, in welcher alle persön lichen Leidenschaften ungehemmt ihr Spiel treiben können, daS ohnehin schon so hcrabgckommcne Land ruinieren würden. Damit hätte Spanien als ein möglicher Freund allen Wert verloren. Darum wird man sich in Paris wohlweislich hüten, sür die spa nischen Republikaner oder gar sür Don Carlos, den bekannten Thionprätcndcntcn, irgendwelche Sympalhie zu zeigen, man wird im Gegenteil unumwunden sür die Königin-Regentin cintreten. Das fällt ins Gewicht, denn die spanischen Republikaner haben für sich nur die Unzufriedenheit der Bevölkerung, aber keinerlei Begeisterung für die republikanische Sache. In den Fragen der praktischen Politik gicbt cS eben keine Stimmungen und persönlichen Wünsche, sondern nur Notwendig keiten. Bismarck, der streng konservative Mann, war schon lange vor 1860 für ein entschiedenes Zusammengehen Preußens mit dem dc:-:iokratischen Italien, die alten Gegner Oesterreich-Ungarn und Preußen fanden sich, der autokratische Zar ging Arm in Arm mit dem Präsidenten des republikanischen Frankreich, und so gicbt cs noch verschiedene Beispiele. Nicht aus Liebe zur spanischen Dynastie wird Frankreich diese zu halten suchen, sondern weil di« Erhaltung ihm nützt. So ist cs denn sehr wohl möglich, daß trotz der sehr drohen den Wolken, welche über Spanien lagern, doch ein verhältnis mäßig ruhiger Ausgleich erfolgt, der unter Umständen sogar zu einer gewissen Gesundung der heillos verwirrten inneren Verhält nisse des Landes zu führen vermag. Voraussetzung dabei ist srei- lich, daß dem nunmehr ganz aussichtslos gewordenen Kriege ein baldiges Ende bereitet wird. Bei den Franzosen konnte man cs nach dcm 2. September 1870 allenfalls verstehen, wenn sie auf Fortsetzung des Krieges bestanden, aber für Spanien hat sich die unbezwingbare Ucbcrmacht des Gegners heute so deutlich gezeigt, daß ein längerer Widerstand Thorhcit wäre. Nachdem die spanische Tann aber riß sic sich tapfer von ihren süßen Grübeleien loS und wendete ihre Gedanken dcm kranken Vater zu, den sie cine Weile vcrgcsscn hatte, um aus die Stimme in ihrem Innern zu lauschen. Vorsichtig auf den Fußspitzen schlich sie sich ins Kranken zimmer, wo der Oberförster still in den hochgetürmten Kiffen seines Lagers ruhte und unverwandt seine Augen durch die offenen Fenster, in welche die warme Maisonne drang, ins Freie schweifen ließ. Der eben aufgcbrochcne Flieder sandte ganze Wolkcn von süßem Dust in den Raum und Drosseln und Finken schmetterten ihre Lieder hinein. Leise trat Rose zu ihm heran und legte liebevoll den Arm um seinen Hals. „Wie ist cs mcincm Väterchen ergangen?" fragte sic warm und herzlich. „O, ganz gut, ganz leidlich! Du bist nur ein bißchen lange sortgcblieben, mein Liebling, und ich kann meine kleine Rose gar nicht mchr missen. In allem Ernst, ich möchte Dich immer in meiner Nähe haben. Es klingt recht egoistisch, aber ohne Dich fühle ich mich elend und krank." „Vater!" Das junge Mädchen warf sich vor ihm auf die Knicc, zog seine schwachen durchsichtigen Hände an ihrc Brust und küßte sic. Und er beugte sich zu ihr nieder und strich zärtlich ihren blonden Scheitel. Nun zog sie sich einen Stuhl heran und setzte sich an sein Bett. „War cS schön heute draußen?" fragte er. „Wunderbar schön!" Ihre blauen Augen leuchteten. Und