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Freitag. Nr. 64. Id. August 1870. Weißeritz-Ieitmrg Amts- und Anzeige-Platt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zn Dippoldiswalde vud /ravensteiv. Preis M Qüarkak 10 Mr. Jnsersttt die Spalten-Zeil» 8Pfg. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Vkrrmttvortlicher NeLartrur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, den 18. August. Wäre gestern Abend kurz vor 8 Uhr nicht ein drohendes Gewitter über unserer Stadt aufgezogen, so wäre sicher der zweite Patriotische Unterhaltungsabend noch zahlreicher besucht gewesen. Trotz dieser Störung aber war der Besuch recht erfreulich; auch von auswärts bemerkten wir manchen willkommenen Gast. Wiederum war das Programm ein möglichst zwangloses. Nach Vorlesung der neuesten telegraphischen Nachrichten, die freilich dies mal ziemlich mager ausgefallen waren, und dem Ge sänge des Mozart'schen Bundesliedes, hielt Herr Schul director Engelmann einen geschichtlichen Vortrag, in welchem derselbe, kurz den Inhalt der vorigen wieder holend, an den Orl6anS'schen Krieg unter Ludwig LlV. (der namentlich durch die Verwüstung der Pfalz, die Einäscherung Heidelberg'«, Mannheim'«, Speier's, WormS' rc. berüchtigt ist), an dem Schicksale Magde burgs 1813 und an der Einäscherung Saarbrückens zeigte, auf welche Art die große Nation im Kriege zu ver fahren pflegt; — die Mahnung: einmüthig, ohne Parthei- hader dem Frieden entgegenzusehen, bis der Sieg er rungen, und die: besser zu sein, als die große Nation, und den Krieg mit Menschlichkeit zu führen — schloß den mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag. — Im Verlaufe des Abends theilt Herr Cantor Hellriegel den höchst erfreulichen Beschluß des Gesangvereins mit, nicht nur die Ueberweisung von 2000 Thlr. aus der Kasse des ElbgausängerbundeS an den Bundessberfeld- herrn zu Unterstützungszwecken zu genehmigen, sondern auch 200 Thlr. vom Ueberschusse des Gesangfestes in Freiberg speciell für sächsische Verwundete dem Inter nationalen Haupt-Hülfsverein zu überweisen. Eine schöne Frucht der deutschen Gesangvereine! — Mehrere gemeinschaftlich gesungene Lieder, sowie Mittheilungen erheiternder Zeitungsnachrichten, füllten den zweiten Patriotischen Unterhaltungsabend. — Unser Jahrmarkt war diesmal, wenn auch nicht von Händlern und Käufern, so doch von Sehens würdigkeiten (?) reicher besucht, als selbst unser großes Vogelschießen. Nickt mehr als zwei wahrsagende Damen, photographisches Atelier, ein Kabinet mit mechanischen Wachsfiguren, Schießstände, Caroussels, mehrere Bänkel sänger, Vogelpfeifer, Taschenspieler, Kautschukdamen u. dergl. drängten sich dem Besucher förmlich auf — der reine Leipziger Roßplatz. Ob alle diese „Künstler" und „Künstlerinnen" indeß mit der Einnahme unserer Messe zufrieden sind, ist uns leider nicht bekannt ge worden. — Ein Akt bubenhafter Rohheit in der Nacht vom Dienstag zur Mittwoch dadurch verübt worden, daß an dem Wege nach Berreuth die an der steile» Lehne angebrachte Barriere, sowie die Lehne der dort aufgestellten Promenadenbank, muthwillig abgerissen worden sind! Es ist das da« erste Mal, daß die Ver anstaltungen des Verschönerungsvereins durch solche Gemeinheit verwüstet werden; der Verein wird sich dadurch in seiner Thätigkeit nicht behindern lassen, muß aber von jedem anständigen Einwohner unserer Stadt erwarten, daß man ihm zur Entdeckung der erbärm lichen Wichte nach Kräften behilflich sein werde. Hänichen. Am Montag, 15. August, verun glückte im „Beckerschachte" Hierselbst der 53 Jahr alte Häuer Koban, indem ihm eine hereinstürzende Wand, welche er abzuarbeiten beabsichtigte, den Schädel vollständig zertrümmerte und außerdem noch drei KnocheN- brüche beibrachte. Eine Verschuldung trifft dabei Niemanden. Leipzig. Am 15. August, dem „NapoleonStage," der die Siegesnachricht von Metz brachte, war unsere Stadt wie durch einen Zauberschlag durch reichen Fahnenschmuck in den norddeutschen Farben ver herrlicht. Berlin. Gegenüber der französischen Zerfahren heit und Kopflosigkeit können wir mit hoher Genugthuung auf die umsichtige und thatkräftige Leitung der Ope rationen auf unserer Seite blicken. Von dem ersten Tage der Mobilmachung an haben wir Gelegenheit gehabt, das exakte Jnetnandergreifen selbst der kleinsten Details zu bewundern. Als Beweis der rationellen Kriegführung und der vorsorglichen Leitung führen wir an, daß in unserer Staatsdruckerei detaillirte Pläne von den Festungswerken zu Metz, Toul und Pari« her gestellt sind, welche bereits zur Vertheilung an sämmtliche Offiziere in das Hauptquartier abgesandt worden sind. Als Trophäen aus der Schlacht bei Wörth wurdm u. A. zwei prachtvolle arabische Vollblutpferde nach Potsdam gebracht. Diese Beute soll im Hauptquartier Mac MahonS gemacht worden sein, und man kann sich von dem Generalgouverneur Algeriens schon versehen, daß er sich nicht schlechte Exemplare der arabischen Pferdezucht zum Krieg«» und Privatgebrauch ausgesucht haben wird. Der General-Feldmarschall Graf v.- Wrangel, der am 15. August 1796 in das damalige preußische Dragoner-Regiment von Werther al« Junker eingetreten war, hat somit am Montag eine 74jährige Dienstzeit in der preußischen Armee zurückgelegt. Zu diesem seinen Ehrentage wurde der Nestor unsere« Heeres durch