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Tonntag, 12. Novbr. 1863. Nr. SIS. Zehnter Jahrg Arsche tut. «glich früh 7 Uhr. Inserate »«ri>tn »ngknommeur -i» NbendS tt,Sonn tag» bi» Mittags 1L Uhr: Marienstraßr 13« Anrrig in dies Matt«, «a» jetzt in 12000 Lxemplareu erscheint, jjdldea eine erfolgreich« Verbreitung Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredactrur: Theodor Drodisch. »rack und vigenthum der Herausgeber: Liepslh Sk Nkilhardt. — BeraniworUicher Redactrnr: Julius lttelchardt. Abonnement: Vieneljührlich 20 Ng bei unentgeldlicher Lir- serung in'» Hans. Durch die Königs. Pop vierteljährlich 22 Ngr: Einzelne Nummerr 1 Ngr. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Etnge- saudt" die Zeile L Ngr. . de» 12 Novembers — Von Ihrer Majestät der Königin ist, Fräulein Jenny Buhrig, Schülerin des (Pudor'schen) ConservatoriumS für Musik, zur Clavierlehrerin Ihrer k k. Hoh.it der Erzherzogin Antoinette, Prinzessin von Toscana, erwählt worden. — Stach einer vom Ministerium des Innern den Han delskammern gemachten Mttheilung sind vermutlich durch eine Gesellschaft Gauner, welche in Livorno durch Ver fälschung der Unterschriften angesehener Handelshäuser Wech sel und andere Operation, n gemacht haben, und deren einige in Gewahrsam sind, auch sächsische Handelshäuser benachthei ligt worden Alle diejenigen, welche etwa von jenm Gau nern in Nachtheil gebracht worden sind, werden daher auf« gefordert den Sachverhalt dem Ministerium anzuzeigen, da mit deren Interessen bei der Untersuchung in Livorno wahr genommen werden können. — Am königl. Hofe fand am l l. Novbr. ein Diner statt, zu welchem zahlreiche Einladungen ergangen waren, auch der königl. niederländische Gesandte Graf Byland und der Staatsminister Freiherr von Brust befanden sich unter den eingeladenen Gästen. — — äs. Gestern sproch im naturwissenschaftlichen Cyc- lus Herr Hofarzt ilr. Schurig über Gehörsempfindung, in dem er sich über den Schall, die verschiedenen Arten dessel ben (Geräusch und Klang), die Ursachen der Stärke, Höhe und Klangfarbe des Toms, Seitenschwingungen u s. w in klarer und verständlicher Weise verbreitete Wie immer, so wohnte auch dieser Vorlesung ün zahlreiches Auditorium bei. — Eme tiefempfundene Trauer griff gestern Vormittag um 9 Uhr in das Herz aller derjenigen Freunde und V«r- ehrrr des verstorbenen Kaufmann August Wilhelm Methe, als sich dieselben in der Wohnung des Entschlafenen zum letz ten Ehrengang eingefunden. Nach dem Wunsch des Heimge gangenen. der im Leben allem Prunk fern stand und nur im stillen Wohlthun das reine Glück des Herzens fand, geschah eine angemessene Trauerfeierlichkeit im Hause, wo dann zurrst der Herr Schuldirektor vr. Richter, als Meister vom Stuhl der Loge zum „goldnen Apfel", das Wort ergriff. Der Red ner, welcher im Rückblick auf die msurerische Thätigkeit deS Verstorbenen hier besonders dessen Verdienste prieS, knüpfte an die LiedeSworte: ,,Es ist bestimmt in Gottes Rath rc." den innigen Wunsch: daß der Sarg deS Entschlafenen zu einem Altar fü« die Cultur der Humanität und Beispiel der Nachahmung werden möge. Diesem folgte Herr Diaconus Claus, der due. Wirken des Seligen als Christ nnd Staats bürger schilderte. Hierauf setzte sich der Zug nach dem alten Kirchhof der Neustadt in Bewegung. An der Gruft ange- langt, e,tönte von drm letzten geistl-chen Redner noch der Segen und das Gebet, unter Trauermusik sank der reich mit Blumen geschmückte Sarg hinab in die kühle Gruft und die scheibenden Freunde überstieuten ihn noch einmal mit Blumen. — Bei der großen Liebe und Verehrung, die der edle Mann genoß, theilen wir folgendes kurze Lebensbild von ihm mit. Geboren den 27. August 1798 zu Sebwtz. wo sein Vater Kaufmann war, trat er im Jahre 1825 als Kompagnon in das Schnittwaarengeschäft von Seeliger ein, dessen Tochter er heirathete. Durch ungemeinen Fleiß und Rührigkeit, verbun den mit strenger Rechtlichkeit, brachte er dar Geschäft auf e nen höher» Standpunkt und zu seiner jetzigen Blüthe. Das Vermögen, welches der Verstorbene hinterläßt, ist Resultat seiner Thätigkeit und nicht Errungenschaft zufälliger Vortheile. Das Vertrauen seiner BerufSgenoflen erkor ihn von 1838 bis 1864 zum Mitglied der Handels-Administration, während seine Mitbürger ihn durch wiederholte Wahl in das Collegium der Stadtverordneten beriefen. Mehrmals als Stadtraths- Mitglied in Vorschlag gebracht, lehnt« er Kiese Wahl beharr lich ab In der stürmischen Zeit von 1848 bis 1849 war Methe Mitglied und später Vorstand de« deutschen Vereins, der auf gesetzlichem Wege den zeitgemäßen Fortschritt zum Ziel seines Wirkens mach!« und Viel« werden sich noch der tracivollen und conscquenten Leitung dieses Verein« durch den Entschlafenen erinnern. Bis zum Schluß seines Lebens war Methe ein thätiges Mitglied der ArmenversorgungS-Be- hörde und als solches noch außerdem der sorgende, großmüthize Vorstand der Mädchenpfleg Anstalt in Amonstadt Bei der Feier deS 40jährigen Bestehens seines kaufmännffchen Leschäfls gründete er durch das Opfer eines bedeutenden Capital» eine Freistelle in dem Freimaurer-Mädchen'Jnstilut. Mit ihm ging ein treuer, brrathender, helfender Freund, rin liebenswürdiger Gesellschafter, ein stiller Wohlthäter der Armen aus dem Leben Von MethrS zweiter Frau die ihm vor sieben Jah ren in die Ewigkeit voranging, sind drei Söhne und eine Tochter am Leben. Ihr Schmerz ist nicht verrinzelt, ihn thei len Hunderte in gerechter Würdigung. — Am 1. b M. kamen in einer, ein.m Gutsbesitzer in Linda gehörigen Waldung beim Holzlesen eine arme junge Frau einem auf einen Dachsbau gelegten Selbfischuß zu nahe, wodurch beide Röhren deS Schienbeines dergestalt ver letzt wurden, daß. da schnelle ärztliche Hilfe nicht möglich war, ihr Blutverlust wahrscheinlich ihren Tod herbei- führen wird — Am 8. d. M, Vormittags, stürzte in Obrrotten- dorf bei Neustadt bei St. der >3 Jahre alte Sohn des Hausbesitzers Thonig vom Kirchthurm herab und verletzte sich hierbei dergestalt, daß er nach Verlauf einer halben Stunde verstarb. Derselbe hatte sich zum Läuten der Glocke nnvor- sichtigerweise in eines der Schallöcher gesetzt, wobei er von dem ihm unter die Beine gekommenen Glockinstrange hinauS- grschleudert wurde. — Vor einigen Tagen sahen wir auf einer Straße den Caviller mit nicht weniger als 12 Hunden, die, weil sie sämmtlich ohne Maulkörbe, von ihm abgefangen worden waren. Unter ihnen befanden sich sechs Stück große Zug hunde, die vorher auf der Bautznerstraße an verschiedenen Milchwagen angehängt gewesen waren. Dieselben schwänzel ten ganz vergnügt um den Caviller herum, und äußerten ganz unverkennbar ihre Freude darüber, daß sie vor. ihrem leidigen Wagen abgespannt und ohne denselben einen freieren Spaziergang unternehmen konnten. — — In diesen Tagen hat es sich Jemand gelüsten las sen, in der Nähe deS Waldschlößchens Schlingen zu legen, um Hasen zu fangen. Wie wir aber gehört, hat derselbe seine Lust mit der Lrretur büßen müssen — — Zu Lampersdorf bei Wilsdruff hat dieser Tage eine Armenhausbewohnerin einen Topf mit heißem Wasser auf den Tisch gestellt, um sich damit zu dem bevorstehenden Gang nach der Kirche zu reinigen. Durch einen Uiffall stieß der Topf um und das heiße Wasser strömt auf das zehn Monate alte Kind herab, das nach Verlauf von 48 Stunden in Folge der Brandwunden seinen Geist aufgab. Die Mutter ist untröstlich. — Die Stadtverordneten zu Wilsdruff haben Hrn. Liesche- z. Z. Actuar beim Justiz mte Lichtrnstrin, einstimmig zum Bürgermeister gewählt. — Der im Krankenhaus« an der Tollwuth verstorbene Portier, Carl Montag, ist, wir uns der Arzt der Unglück- lichen, Herr vr. Gerhard, mittheilt, nicht von seinem Hünd chen geb-ssen, sondern nur von dem Thiere 2 Tage vor dem vollen Ausbruche der Wuih geleckt worden. DaS Hündchen war da« erste, welches als tvuthkrank in dir Thierarznei schule geliefert wurde und daselbst verendete. Der Unglück liche liebkoste sein krankes Thier, nahm cS auf den Arm und das Hündchen erwiederle die Freundlichkeit des Herrn, indem es denselben im Gesicht, an der Nase und an den Lippen leckte. Der Aermste ist 3 volle Wochen nach der auf diese Weise geschehenen Insertion erkrankt, seine Krankheit währte von Montag Nachmittag bis Freitag, wo er Nachmittags 3 Uhr an der ausgebrochenen Tollwuth verstarb. Seine Leiden sollen über alle Maßen qaalvoll gewesen sein und Krankenwärter, welche den Tod in der verschiedensten Gestalt gesehen haben, schildern den Eindruck eines Wuthkranken als den gräßlichsten, dessen sie sich erinnern konnten. — Im klebri gen bemerken wir, daß uns Herr vr. Gerhard einen beleh renden Artikel über den jetzigen unerquicklichen Hundestreit in Aussicht gestellt hat. — Die offizielle „Generalcorrespondenz" aus Wien theilt mit: Der Kaiser habe gestattet, daß dir Vorzeigung und die Vrsirung von Reisepässen an sämmtlichen LandeSgrrnzen aufhörr. Diese Anordnung wird in nächster Zeit in Kraft treten. — Am 9. Nachmittag in der vierten Stunde bimerkten der in Dohna stationirte Gensd'arm Krebrky und der Knecht Wagner au» dem vom Schneidermeister Lobe bewohnten, in der Nähe der Neumühle bei Dohna gelegenen Hause unge wöhnlichen Rauch dringen. Als hierauf die Genannten sich in Löbe'S Wohnung begaben, fanden sie dessen Erefrau, eine erwachsene Tochter und rin kleines Kind in bewußtlosem Zu stande, das Zimmer mit Rauch gefüllt und, bei näherer Un tersuchung, die Ofenklappe geschlossen. Natürlich wurden so fort Maßregeln getroffen, die drei mit dem Erstickungstode Bedrohten dieser Gefahr zu entheben, der sie, wenn recht zeitige Hilfe ausblieb, wohl schwerlich entgangen sein würden. — Für die evangelische Böhmische Gemeinde zu Prag war der Sonntag am 5. d. Mon. ein erhebender, feierlicher Tag; denn an diesem Tage wurde die schöne Salvator-Kirche zum zweiten Male für dm evangelischen Gottesdienst ringe- weiht. Diese Kirche hat eine geschichtliche Bedeutung. Im Jahre 1609 gab Ka ser Rudolph II. den evangelischen Böh men den Majestätsbrief und nach düsem konnten sie sich Schulen und Kirchen bauen. Die Protestanten in Prag einig ten sich schnell zum Baue einer Schule und K.rche, und bereits im Jahre 1611 nahmen sie den Bau derselben in An griff und mit Sächsischem Beistände und Sächsischem Geld« gelang cS ihnen, die schöne Kirche, die sie dem Heilande zu Ehren „Salvator-Kirche" nannten, de« 5. Oct. 1614 einzu. weihen. 1618 brach der 30jährige Krieg aus, nach der Schlacht am Weißen Berge wurde der Majestätsbrief ver nichtet und die Protestanten wurden mit blutiger Hand ver folgt, wer nicht auswanderts, mußte römisch katholisch werden, die schöne Salvator-Kirche wurde 1620 für die Protestanten geschloffen und später eine Beute katholischer Mönche. Nach Aufhebung dieses MönchLordenS durch den Kaiser Joseph II. wurde dieses schöne Gotteshaus zur Aufbewahrung von Gc- räihschaften aller Art benutzt und lag wüste bis auf die neueste Zeit. Nach dem Toleranzpatent, das Kaiser Joseph N. 1781 gab, einigten sich die evangelischen Brüder in Prag aufs Neue zu einer Gemeinde, mußten aber ihren Gottesdienst in einem Saale halten, der bisher Tanzsaal gewesen war. 1861 gab der jetzt regierende Kaiser, Franz Joseph I., das Protestantengesetz, das den evangelischen Christen in allru seinen Landen gleiche Rechte mit den römisch katholischen Chn- sten verheißt. Noch hatte die Böhmisch evangelische Gemeinte in Prag keine Kirche, sondern mußte den Gottesdienst in dkm oben erwähnten Saale halten, der kaum 300 Menschen faßte. Durch das im Protestantengesetz gegebene kaiserliche Wort er- muthigt, faßte der um die protestantische Böhmische Gemeinde hochvrrdirnte Superintendent Benesch den Entschluß, den Kai ser um die Zurückgabe der Salvator-Kirche an die Protestan ten zu bitten. Sr. Kaiserliche Majestät erhörte diese Bitte, aber unter de: Bedingung, daß die protestantische Gemeinde 15,000 Gulden für die Grundfläche zahle und die Herstellung der Kirche auf eigne Kosten übernehme. Letztere wurden eben falls auf 15,000 Gulden veranschlagt. Die Gemeinde sagre Zahlung zu in der Hoffnung, daß sie von dem Gustav Adolph- Verein nachhaltig unterstützt werden würde. Dieß ist geschehen, aber diese arme Gemeinde schuldet immer noch 17,000 Gul den. Mit Ende Oktober war der innere Ausbau wieder so weit vollendet, daß sie den 5. Nov. eingeweihet werden konnte. Würdig und erhebend war diese Feier. Mit inniger Rüh rung verließ man den bisherigen Betsaal, im feierlichen Zuge nahte man sich der Salvator Kirche und mit Freudenthränen in den Augen betrat man dieselbe als ein wiedergegebeneo, IheureS Heiligthum. Die Theilnahme war eine allgemein'. Der Gustav-Adolph-Frauen-Verein aus Leisnig hatte rin Paar silberne Altarleuchter geschenkt und aus Leipzig war der Gemeinde ein Kelch zugeschickt worden. Mrt besonderem Danke gedachte man des Nachbarlandes Sachsen, dar auch hier seine thätige Liebe an evangelischen Glaubensbrüdern so treu be währt hatte. — Im zweiten Theater wurden im Zeiträume einer Woche neu aufgefübrt: „Ein Wort an den Minister" v. An ton Langer, „Ein Roman in zehn Bänden" von Carl Schul, tes, „Tic wie mir" v Noger, „Der neue Don Quixote" v. Alex. Bergen, in welchen beiden letzteren sich Hr. Stern vom deutschen Theater in Pest als „Richard Weiß ' und „Barrn Nestor" als einen gewandten Darsteller, der über hübsä c Mittel zu verfügen und nur etwas Uebrrstürzung zu verwe ben hat, documcntirte. Von den neuen Stücken dürfm wir auch das von sämmtlichen Mitwnkenden recht brav gegebene „Sophiens Geheimniß" nicht unerwähnt lassen, ein bescheidne- aber artiges Stücklein, worin auch dir beiden Schwestern Frls. Mechv mehr aus sich herausgingen. — Abschätzung In Zittau, wo der Büigermeister 1,500 Thlr., der erste Prediger 1,200 Thlr Gehalt bezieht, ward vor Kurzem eine Organistenstelle (gegen 70 vollständige Gottesdienste zu leisten) mit dem jährlichen Erhalte von 16, schreibe sechizehn Thalern besetzt, und der Herr Bürgermeister hat sich noch gewundert, daß keiner der Lehrer sich um dieses Amt beworben. — — Die Diebereien scheinen in Blasewitz jetzt sehr in die Mode zu kommen. Erst vor wenig Tagen erzählten wir, daß ein Spitzbube von dort gebunden nach der Stadt transportirt wurde, der beim Bäcker im Gasthose aufgeräumt hatte. Jetzt bat sich ein neuer Jndustrieritter eingefunden, der edlere Sa chen zu corpora äelicli machte. Er suchte die dasigen Gärt- nererm heim und schien ein großer Fachkenner selbst in der dunkelsten Nacht zu sein, er stahl Rosenfiöcke bester Sorte. Bei dem einen Gärtner, der vernünftiger Weise sich mit sehr wachsamen Kötec's versehen hat, wurde er durch Letztere ver scheucht, sonst hätte er wohl auch dixt seine geheimen, unerlaub ten botanischen Studien gemacht. — Orffentliche Gerichtsverhandlungen vom 11 Novbr. Der Handarbeiter Friedrich Eduard Kramer aus Reinholdshain bei Dippoldiswalde, wird aus der Haft vorgeführt. Da-, waS er auf dem Leibe trägt, sieht Kindern eigentlich nicht mehr ähnlich, eS sind unscheinbar« Stoffe, die stellenweise zusammengenäht sind. Von Farbe ist keine Rede mehr. Kramer ist sehr heruntergekommen, ganz »-.bzemagert und Iilaß Seine Moralität ist noch mehr gesunken. Abgr-