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Das 3. Klavierkonzert in c-Moll op. 37 stammt in seiner endgül tigen Gestaltung aus dem Jahre 1802 (Skizzen dazu entstanden allerdings bereits in früheren Jahren) und wurde mit dem Komponisten als Solisten zu sammen mit der 2. Sinfonie und dem Oratorium „Christus am Olberg" am 5. April 1803 in Wien uraufgeführt. Es ist sicher vor allem von der Zeit der Ent stehung dieses Werkes her zu begreifen, wenn Beethoven hier im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Klavierkonzerten ganz neue Töne anschlägt, diese Gattung unter ganz neue Gesetze stellt: war doch das Entstehungsjanr 1802, das Jahr des erschütternden „Heiligenstädter Testaments", für ihn durch die menschliche Tragik seiner beginnenden Ertaubung auch in persönlicher Beziehung äußerst krisenreich und bedeutungsvoll. Aus dem c-Moll-Konzert (schon die Wahl dieser Tonart ist charakteristisch) spricht bereits der gereifte Meister zu uns, der sich in großen, leidenschaftlichen Auseinandersetzungan durch die ihn bewegenden Probleme hindurchkämpft und sie endlich über windet. In formaler Hinsicht wird dabei in diesem Werk zum erstenmal in der Geschichte des Instrumentalkonzerts das Konzert der Sinfonie angeglichen und auch in der Verarbeitung des thematischen Materials dem sinfonischen Prinzip unterworfen. So wie beim Soloinstrument das Virtuose jetzt vollkommen in den Dienst der inhaltlichen Aussage gestellt wird, wird nun auch das Orchester aus seiner bisher größtenteils nur begleitenden Funktion gelöst — Klavier und Orchester konzertieren im dramatischen, spannungsgeladenen Mit- und Ge geneinander in absoluter Gleichberechtigung. Das plastisch-einprägsame, männliche Hauptthema des ersten Satzes (Allegro con brio) setzt sich aus einem aufsteigenden c-Moll-Dreiklang, einem abwaits zum Grundton fallenden Schreitmotiv und einem ausgesprochen rhythmischen Qu.artenmotiv zusammen, das besonders in der Coda (hier von den Pauken gespielt) wichtig für die thematische Entwicklung wird. Einen Gegensatz dazu bringt ein schwärmerisches, gesangvolles zweites Thema in der Paralleltonart Es-Dur. Nachdem das Hauptthema die orchestrale Exposition energisch beendet hat, beginnt in der an Auseinandersetzungen und Spannungen reichen, die Themen meisterhaft verarbeitenden großen Durchführung das intensive Wechsel spiel der beiden Partner, das schließlich noch nach der Kadenz des Solisten in der Coda eine letzte Steigerung erfährt. Schon rein durch seine Tonart E-Dur hebt sich das folgende, innig-schöne Largo merklich von den Ecksätzen ab. Der dreiteilig angelegte Satz, von dem eine gelöste, feierlich-ruhevolle Stimmung ausgeht, setzt solistisch ein; das zuerst vom Klavier vorgetragene Thema ist von klassischer Größe und Erhabenheit. Im Zwiegespräch mit dem Orchester wird es dann durch das Soloinstrument mit feinem, filigranhaften Figurenwerk umspielt. Harfenähnliche Arpeggjen des Klaviers umranken im Mittelteil des Largos den Gesang der Flöten und Fagotte, bis in der Reprise wieder die Ornamentik des begleitenden Soloinstrumentes, jetzt noch reicher angewendet, kennzeichnend wird. Der lebhafte, humorvoll-energische Finalsatz, ein Rondo, führt in die Haupt tonart c-Moll zurück. Wiederum beginnt der Solist mit dem Hauptthema, das zupackend-trotzige Züge trägt und im Verlauf des Satzes im geistvollen Dialog zwischen Orchester upd Klavier mit Varianten immer wieder auftaucht, wobei interessante harmonische Rückungen, eigenwillige Modulationen charakteristisch sind. Nach einer zweiten kurzen Kadenz des Klaviers findet ein Wechsel von Takt, Tempo und Tonart statt. Die stürmische Coda (Sechsachteltakt, Presto) schließt in strahlendem C-Dur schwungvoll und glänzend das Konzert ab. über das sinfonische Schaffen des großen russischen Komponisten Peter Tschaikowski äußerte Dmitri Schostakowitsch einmal: „Tschaikowski fügt zur philosophischen Verinnerlichung in der sinfonischen Musik Beethovens jene leidenschaftliche lyrische Aussage der verborgensten menschlichen Gefühle, die die Sinfonie, dieses komplizierteste Formgebilde der Musik, der breiten Masse des Volkes zugänglich macht und nahebringt." Und tatsächlich haben gerade die Sinfonien Tschaikowskis — ganz besonders seine 5. und 6. Sinfonie, die Gipfelwerke der Sinfonik überhaupt darstellen — eine Popularität wie wenige andere Werke dieser Gattung erreicht und entscheidend dazu beigetragen, den Namen ihres Schöpfers, der daneben vor allem durch seine Opern „Eugen Onegin" und „Pique Dame", seine Ballette „Schwanensee", „Dornröschen" und „Der Nußknacker', seine sinfonischen Dichtungen, seine Klavierkonzerte, sein Violinkonzert und seine Kammermusikwerke internationalen Ruhm errang, in aller Welt berühmt zu machen. Das gesamte, äußerst vielseitige Werk aieses großen Meisters ist durchdrungen von der tiefen Verwurzelung in der Volksmusik seiner russischen Heimat, gleichzeitig aber stets überaus eng mit dem Leben und trieben des Komponisten verknüpft. Ischaikowskis 5. binfonie entstand im Sommer 1888 und wurde noch im gleichen Jahre unter der Leitung des Komponisten in Petersburg uraufgeführt. Uber ein Jahrzehnt war seit der Vollendung seiner 4. bintonie, der die 5. in der kompositorischen Anlage wie in ihrem laeengehalt verwandt ist, vergangen. Nur zögernd begann er, von erfolgreichen Gastreisen im Ausland in den Jahren 1887/88 zurückgekehrt, mit der neuen Arbeit. „Ich bin nun endlich dabei, aus meinem stumpf gewordenen Hirn schwerfällig eine Sinfonie herauszuquetschen", äußerle er in dieser Zeit. Dennoch beendete Tschaikowski das Werk schließlich weit eher, als er gedacht hatte. Aber gerade bei dieser Sinfonie kamen dem sehr selbstkritischen Komponisten immer wieder Zweifel, sie schwankte außer ordentlich in seiner eigenen Einschätzung. So schrieb er noch kurz nach der Ur aufführung: „Nachdem ich nun meine neue Sinfonie zweimal in Petersburg und einmal in Prag gespielt habe, habe ich die Überzeugung gewonnen, daß sie kein Erfolgswerk ist. Sie enthält etwas Abstoßendes, ein Übermaß an Farbigkeit und Unechtheit, etwas Gewolltes, was das Publikum instinktiv erkennt . . . Bin ich denn wirklich ausgeschrieben, wie die Leute sagen?" Wie sehr Tschaikowski sich mit diesen Zweiteln an dem bleibenden Erfolg seiner 5. Sinfonie irrte, ist längst erwiesen. Dieses Werk, dessen Programm ähnlich wie in Beethovens 5. Sinfonie die Überwindung des Schicksals, des Zweifels und der Dunkelheit durch Daseinsfreude und Zukunftslicht bildet, hat seine starke, unmittelbare Wirkung auf die Hörer bis heute immer wieder unter Beweis gestellt. Mit einer langsamen, dunklen Einleitung, deren Thema das Grundthema der Sinfonie, ein in allen Sätzen wiederkehrendes Schicksalsmotiv, darstellt, beginnt der erste Satz (Allegro con anima). Ein schnelles, rhythmisch-erregtes Thema, immer mehr gesteigert, folgt. „Zweifel, Klagen, Vorwürfe" schrieb der Komponist neben die Skizze dieses Themas. Es kommt zu einer dramatischen Durchführung — dann endet der Satz düster resignierend, verlöschend im Pianissimo der tiefen Streicher, der Fagotte und der Pauke. — Im zweiten Satz, dem berühmten Andante cantabile, erklingt eine schwärmerische, lyrische Hornmelodie voller Sehnen und Glücksempfinden. Obwohl auch hier wieder zweimal die mahnende Stimme des düsteren Grundthemas drohend eindringt, dominiert doch in diesem Satz das angedeutete Bild einer lichten Welt. — Ein rauschender, langsamer Walzer erscheint im dritten Satz, in dem freilich auch das dunkle Schicksalsmotiv wieder auftritt, an der Stelle des sonst üblichen Scherzos. — Doch das Finale bringt in seiner Wendung vom Moll zu strahlendem E-Dur, in der Veränderung des Schicksalsthemas in einen heroischen Marsch schließlich Triumph und Sieg — die Überwindung der dunklen Mächte. Nach volkstümlichen russischen Tanzepi soden im Hauptteil dieses Satzes wird das Werk in überschäumendem Jubel und Festesfreude beschlossen. Dr. habil. Dieter Hartwig Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1974/73 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Hartwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,85 ItG 009-73-74 »Inillnannnonii 1. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1974/75