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Dienstag. Rr. 58. 28. Juli 1874. Weißenh -Leitung. Amts-Akatt für die Herichts-Aemter und StadLräthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Ichnc in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erschein« wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, den 27. Juli. Gestern wurde in Ruppendorf die Jahresversammlung des Zweigvereins der Gustav-Adolf-Stiftung für Dippoldiswalde und Um gegend abgehalten. Die Betheiligung der Gemeinde war, was den, von Blasmusik angeführten Festzug, den Kirchen besuch, sowie die berathende Versammlung im Gasthofe an langt, eine äußerst rege, was auch hierdurch anzuerkennen wir für Pflicht halten. Die Kirche war einfach, aber ge schmackvoll decorirt; Festprediger war Hr. Professor vr. Richter aus Dresden, der seinem lichtvollen, mit großer Wärme ge haltenen Kanzelvortrag den Text Joh. 12, 1—8 zu Grunde gelegte halte und das Thema durchführte: Die Salbung des Herrn Jesu durch Maria — und die Gustav- Adolf-Sache. Der 1. Theil behandelte die Liebe der Maria zu dem Herrn, in der sie ihn salbt — und die Liebe, die sich der Gustav-Adolf-Sache annimmt; der 2. Theil stellte die Selbstsucht des Judas, die jene Liebe schmäht, neben die Selbstsucht, die die Gustav-Adolf-Sache herunter setzt. In der daraus im Gasthofe stattfindenden beralhenden und beschließenden Versammlung hielt, nach einem allgemeinen Gesänge, Hr. Superintendent Opitz von hier eine Ansprache, in der er die Erzählung von dem Lahmen vor der Thür des Tempels (Apostelgeschichte 3) auf den Gustav-Adolf-Verein anwandte, dabei der bisher durch den Verein geleisteten Hülfe kurz gedenkend. Daß der Schluß der gehaltenen Ansprache, (eigentlich eine Bibel-Auslegung, statt deren wir lieber einen specielleren Bericht über die Bereinsthätigkeit gehört hätten) in welcher Hr. Sup. Opitz offen und unmotivirt erklärte: „er sei ein wahrer Freund der jetzt so ungerechter Weise (!) verfolgten katholischen Kirche," — „jedoch evangelischer Beamter," bei der Versammlung großes Befremden, ja ent schiedenes Mißfallen hervorrief, dürfte ihm selbst wohl kaum entgangen sein! — Die nach Abzug unvermeidlicher Kosten ungefähr 126 Thlr. betragende Jahreseinnahme wurde zum 1. Drittel der böhmischen Gemeinde Semonitz, zum 2. Drittel dem Hauptvereine, mit Empfehlung der böhmischen Gemeinde Fleißen, zum 3. Drittel dem Centralvereine zu sofortiger freier Verwendung überwiesen, während die 8 Thlr. 16 Ngr. 5 Pfg. betragende Kirchencollecte dem Ceiilralvorstande zu dem, auf der Hauptversammlung desselben alljährlich zu stiftenden Liebeswerke (eine Gabe, durch welche einer einzigen Gemeinde auf einmal gründlich aufgeholfen werden soll) über geben wurde. Zu Abgeordneten für die den 5. und 6. August in Meißen stattfindende Versammlung des Dresdner Haupt- vereinS wurden die Herren Pastor Döhler und Inspektor Kohl aus Höckendorf, sowie Hr. Gutsbesitzer Kästner aus Ruppendorf, gewählt. Schließlich brachte Hr. Sup. Opitz zur Sprache, wie wünschenöwerlh die Veranstaltung einer allgemeinen Kirchencollecte, etwa zum Reformationsfest, für die Zwecke des Gustav-Adolf-VereinS sein würde, und ver sprach, diese Idee im Auge zu behalten und geeignetenfalls darauf zurückzukommen. Die Versammlung wurde mit einem Gebete des Vorsitzenden geschlossen. Dippoldiswalde. Die hiesige Brauerei mit den dazu gehörigen Gebäuden und Inventar ist, und zwar soweit die hiesige Stadtgemeinde brauberechtigt ist, unter Vorbehalt der zu »erhoffenden Genehmigung Seiten der beiden städtischen Collegien, von der hiesigen Braugenossenschaft an Hrn. Guts besitzer Seifert in Oberhäslich um den Kaufpreis von 19,000 Thaler verkauft worden; gleichzeitig hat sich die Braugenossenschaft noch die, auf dem zur Brauerei gehörigen Wohnhaus haftenden 5 Brauachtel, ferner die Hälfte der von Hrn. Braumstr. Kießler hier zu zahlenden Abstandssumme von 300 Thlr., endlich noch die Hälfte der vom Staat etwa zu gewährenden Entschädigung für Ablösen des hiesigen Brau urbars, Vorbehalten; die Uebergabe soll am 1. October d. Js. stattfinden, und soll, wie wir hören, der neue Käufer auch die Anlegung größerer Kellereien beabsichtigen. — Am 23. Juli Vormittags hat sich in O berfrauen- dorf ein der Tollwuth verdächtiger, großer brauner Hund gezeigt, welcher sich, nachdem er in gedachtem Orte drei Hunde und eine Ziege gebissen, in der Richtung nach Obercarsdorf zu entfernt hat. Wegen bezirksthierärztlicher Untersuchung der gebissenen Thiere ist sofort das Nöthige angeordnet worden, und wird es von dem Ergebniß dieser Untersuchung abhängen, ob die Hundesperre angewenvet wird. Berlin. Vom Polizeipräsidium sind 10 katholische Vereine geschlossen worden. Es sind dies zwar nur Berliner Vereine, aber eö ist nicht zu bezweifeln, daß die gleiche Maßregel über das ganze Land ausgedehnt werden wird. Die geschlossene«« Vereine sind folgende: der katholische Gesellen- Verein, die Akademie des Gesellen-Vereins, der St. Canisius- Berein junger Meister, der St. Eduard's Meister-Verein, der Lehrlings-Verein, ferner der St. Bonifacius-Verein, der Studentische Bonifacius-Verein, der St. BonifaciuS-Verein selbstständiger Katholiken, der Verein zur Ehre der heiligen Familie, und endlich der Pius-Verein. Wer sich ferner an einein dieser Vereine betheiligt, hat Geld- oder Gefängnißstrafe bis zu 3 Monaten zu erwarten. Diese Maßregel der Regie rung ist ein Act von großer politischer Bedeutung. Bisher war es nur der Klerus, der vermöge seiner Unbotmäßigkeit gegen die Staatsgesetze die Regierung zu strengen und immer strengeren Maßregeln nöthigte. Nachdem sich aber gezeigt, daß diese Maßregeln darum nicht die erhoffte Wirkung er zielen konnten, weil ein Theil des katholischen Volks in blindem Eifer mit den ultramontanen Geistlichen gemeinsame Sache