Volltext Seite (XML)
7» Aahegany. -de. «»7 MM«»». 22. 0tt»b«r 1»R» Drahtanlchrtst: Nachrichten Dresden gerntprecher-Eainmetnummer: »üitli Nur sür Nacht«espräche Nr. iüvlt Schristleituna u. HauptgelchästSstelle: Dre-den - A. l, Martenstrabe «»/«« Be«ug»gebühr stet tLgltch jwetmaliger Zustellung monaMch ü.10 Mt. tetntchtteßlich »0 Big. sür DrLgerlohn», durch Postbezug S.«c> Mk. etnschlieblich LS Psg. Postgebühr (ohne Postzustellungtgebühr) bet 7mal wöchentlichem Perland. Einzelnummer lo Psg., auberhalb Lreedent lü Psg. Anzeigen- prette: Die eintpalttge 80 mm breite Zeile SS Psg., sür auswärts 40 Psg. Familienanzeigen und Etellengesuche ohne Nabatl IL Psg., auberhalb 2L Psg., die so mm breite NeNamczeile rno Psg., auberhalb 2L0 Psg. csserleneebühr »u Psg, Auswärtige Aulträge gegen Borauibezahlung Druck u. Verlag: Liepsch ck Neichardt, Dresden. Poftscheck-Slo. io«» Dresden Nachdruck nur mit deull.Quellenangabe sDreSdn. Nachr.s zrllSssig. Underlangle Echriststücke werden nich. ansbcwahrl i«v Me bei -er Alsdorfer Katastrophe Re» keim Kliinitig »er Srfa»e Al 8 dors, LI. Okt. Die Bergbehörde teilt zum Gruben» «"glück aus Grube Anna H bei Alsdorf weiter mit, das, bis her 5« lote einschliesslich der li> Toten des Nebertagebetricbes geborgen worden sind, und daß zur Heit 7l) bis 75 Verletzte im Krankenhaus Bardenbcrg und sechs im Krankenhaus Vsch weiter eingcliesert worden sind. Da ständig weitere Leichen vor allem aus dem Zentrum de» «iugestttrzten Verwaltungsgebäudes auSgegrabeu werden, erhöht sich die Zahl der Opfer noch weiter. Bis zu den Haupt revieren konnte man noch nicht Vordringen, da die Strecke an vielen Stellen zu Bruch gegangen ist. Ans drei Revieren ist die gesamte Belegschast samt Steiger unverlept durch eine Rebeugrube ausgesahren. Zwei Bergleute stiegen von der riv-Meter-Sohle durch einen Lnstschacht wohlbehalten heraus Eingeschlossen sind nach den letzten Angaben noch rund 15« Bergleute. Von den Rettungsmannschaften sind verschiedene Leichen aufgesunden worden. Sie befinden sich aber noch unterwegs, da die Bergungsmöglichkciten zur Zeit sehr gering sind. Die Gesamtzahl der Todesopfer läßt sich nur ohne sesten Anhaltspunkt ans über 1«« schätzen» da selbst die Mitglieder der Rettungsmannschaften und die am Rettungswerk beteiligten Steiger völlig widersprechende An gaben machen. Die zum Teil sehr verstümmelten Leichen, die geborgen sind, konnten noch nicht alle identifiziert werden, lluch bietet die Zählung der Geretteten dadurch Schwierig keiten. das, eine ganze Anzahl Unverletzter ohne Meldung so fort nach dem Ansfahren nach Hause gegangen ist. Erst «ach Aussorderuug durch den Rundfunk meldete sich eine Artzahl Leute, die vorher als vermißt galten. In Alsdorf selbst herrscht ein furcht bares Durcheinander, da die ganze Be völkerung. verstärkt durch sehr viele Neugierige, die aus allen Teilen des RheinlandeS, aus Belgien und Holland herbeigeströmt sind, sich ans de» Straften aushält. Von Zeit zu Zeit kommen ge schwärzte Gestalten ans dem Verwal tungsgebäude heraus, die sich am Ret tungswerk beteiligen oder auch solche, die durch andere Schächte ausgesahren sind. Sie werden mit fragen nach den Angehörigen bestürmt, können aber alle keine bestimmte Auskunft geben. Das Vordringen in die zu Bruch gegangenen Strecken ist auherordentlich erschwert. Die Ursache Die Berwaltnug lehnte es bisher ab, sich über die Ursache zu äutzern, da ein gehende Untersuchungen zur Zeit nicht angestcllt werden könnten. Zn erster Linie müßte die Arbeit der Vergnng der Singcschlosscnen gelten. Es ist also immer noch ungeklärt, ob es sich um eine Sprcngstoss- oder Kohlenstaub explosion oder um Schlagwetter handelt. Nach der verheerenden Wirkung der Ex plosion an dem Seilturm und dem Ver waltungsgebäude mnß man annehmen, daß es sich «m eine Gprengstosscxplosion handelt. Wie von einem Mitglied der Verwaltung des Eschmeiler Bergwerksvereins mitgeteilt wird, nimmt man jetzt au, daß die Explosiv» aus der ZM-Meter-Sohle erfolgt ist, weil dort das Sprengstofflagcr lag, das etwa ItMtl Kilogramm Spreng stoff umfaßte. Das Sprengstofflagcr kann sich durch Tempera- turüberhöhung entzündet haben. Es kann auch eine kleine Schlagivcttcrcutzüuduiig die Veranlassung gewesen sein. Berghauptmann Schlüter vom Oberbergamt Bonn ist inzwischen auch eingcsahren. Ter Unfallansschuft der Grubensichcrheitskvmmissivn und Vertreter des Handels ministeriums mit Vertretern des Berliner Grubensicherhetts- amtes werden am Mittwochvormittag die Grube durchfahren. Die Rettungskolonncn der Rettungsstellen der Gruben Rhein- Elbe in Gclscnktrche» und Friedrich-Heinrich in Lintfort sind eingcsahren und beteiligen sich am Rettungswcrk. Auch die holländischen Grube» haben sich bereitwilligst zur Hilfeleistung angcbotcn. Von den geretteten Bergarbeitern waren einige mit Ge steinsstaub bedeckt, und man kann daraus schlichen, daß auto matisch auch die Gesteinsstaubsicherung in Tätigkeit getreten ist. Trotzdem reichte stellenweise die Wirkung der Explosion recht weit. Noch 259 Meter von der Unglücksstättc entfernt wurden Tote gesehen, die aber noch nicht geborgen werden konnten. Im Verwaltungsgebäude wurde ein Beamter, der vor dem offenen Geldschrank stand» mit solcher Gewalt gegen die Tür des Gcldschrankes gepreßt, daß er tot liegen blieb. Das Trümmerfeld über Lage Alsdorf, 21. Okt. lVon unserem Sonderberichterstatter.f Die Unglücksstättc auf Schacht Anna II ist nur aus Umwegen zu erreichen. Die dem Förderturm zugewandte Auftenmauer des Verwaltungsgebäudes steht nur noch so weit, als sie von den sic umgebenden Schuttmassen gehalten wird. Der Fördcrturm selbst, der etwa 8« Meter hoch war, hat sich zur Sette geneigt und dabet einen Zementsockcl beschädigt. Als dieser Block standhielt, knickte der Turm seitlich ein und stürzte aus das Verwaltungsgebäude, das gleichzeitig von der unterirdischen Explosion erschüttert und zum grüßten Teil in sich zusammengcsunken ist. Der Schutthaufen stillt mehr als das Erdgeschoß. Man weiß zur Stunde noch nicht, ob noch Beamte, Putz frauen oder andere Personen in den Schuttmasieu be graben liegen. Hier wurden die ersten Toten geborgen. Die Trümmer der benachbarten Gebäude bilden ein Bild davon, was sich unter der Erde abgespielt haben mag. Von den Ereignissen über Tage sind einige erschütternde Einzelheiten » bekannt geworden. In einem dem Förderturm des Schachtes besonders nahcgelegenen Stapel Grubenholz wurde ein Arbeiter mit solcher Wucht gegen das Kopfende der Balken gepreßt, daß sein Körper die Balken genau in der Kürper form verschob. Dem Unglücklichen wurde dabei der Kopf völlig zertrümmert. An einer anderen Stelle fanden Sanitätern in etwa 300 Meter Entfernung von der Unglücks stätte eine einzelne Hand. In Alsdorf und besonders in den Straften» die zur Zeche führe», sind Dächer und Fensterscheiben beschädigt, auch grohe Fensterscheiben, die der Luftdruckrichtung zngcwandt waren, wurden eingedrückt. Wie wir hören, hielt der Betriebsrat im Augenblick des Unglücks eine Sitzung ab. Er wurde in seiner Gesamtheit von den einstiirzcnden Mauern erschlagen. Bisher ist nur ! der Obmann als Leiche geborgen worden. 7 Fahre Sowjetunion Rußland wird für die moderne, auf dem kapitalistischen Wirtschaftssystem aufgebaute Kulturwelt aus lange Zeit hinaus das interessanteste Problem bleiben. Denn hier wird einmal experimentell durchgcsührt, ob die Verstaatlichung der Produktionsmittel und die Ersetzung der freien, schöpferischen Unternehmertätigkeit durch einen bürokratischen, stark zen tralistischen Verwaltungsapparat möglich ist. Wie vorauszusehcn ivar, hat Sowjetruftland bis jetzt nun keineswegs den Beweis erbracht, daß es rationeller wirt schaftet als die kapitalistischen Volkswirtschaften. Ganz im Gegenteil: die Löhne der Arbeiter bewegen sich nach dem Ein geständnis der Sowjets selbst auf einer viel geringeren Höhe als die derjenigen Arbeiter, die unter dem angeblich aus beuterischen kapitalistischen System arbeiten. Hinzu kommt, daß in Rußland die notwendigen Gebrauchsartikel nur zu sehr hohen Preisen zu haben sind, daß den Großstädten viel fach der Hunger droht und Güter des feineren Lebensbebarfs, auf die der europäische Arbeiter schon lange nicht mehr ver zichten würde, in Rußland nur zu unerschwinglichen Preisen zu haben sind. Für alle Mißerfolge hat Moskau eine stereotype Ausrede: das Sowjctsystem sei erst im Ausbau begriffen, erst wenn dieser vollendet sei, könnten seine Segnungen verspürt werden. Vorerst müsse sich Rußland großhungcrn. An dieser Behauptung ist zunächst das eine richtig, daß in der Sowjetunion alle Dinge im Fluß sind. Deshalb ist es für den Touristen so schwer, ein richtiges Bild der Verhält nisse zu gewinnen. Auch die Bücher, die bisher über den Sowjetstaat erschienen sind, geben im besten Falle Zustands- schtlderungcn des Zeitpunktes, in dem sie gerade abgefaßt worden sind. Aber die Entwicklung hat sie in kurzer Zeit widerlegt. Diese Gefahr sucht nun ein neues Werk über Somjctrußland zu vermeiden, das ein deutscher Journalist Paul Scheffer*» geschrieben hat, der vom November 1921 bis September 1929 in Rußland als Korrespondent einer großen deutschen Zeitung lebte und den eine enge Freund schaft mit dem langjährigen Leiter der deutschen Ostpolitik, dem Freiherr» von Maltzan, und dem verstorbenen deut schen Botschafter von Brockdorff-Nantzau in Moskau verband. Es ist charakteristisch, baß diesem Mann, der wie kein zweiter den Sowjets absolut wohlwollend und völlig ob jektiv gegeuüberstand, nach siebenjähriger Tätigkeit das RUck- reisevisum von einem Heimaturlaub nach Moskau wegen an geblich wachsender sowjetfeindlicher Berichterstattung versagt wurde. Scheffer gibt zu den verschiedensten Themen eine Auswahl seiner Artikel und Telegramme von Beginn seiner Tätigkeit bis zum Ende. Er erreicht damit ein Bild der Sowjetunion im zeitlichen Nacheinander, eine Kurve der Entwicklung, die uns den weiteren Verlauf ahnen läßt, und er vermeidet es dadurch, einen zeitlich zufälligen Punkt als typisch für Svwjetrnßland hinzustellen. Und gerade dadurch wird das Buch außerordentlich interessant, gewährt es doch die interessantesten Einblicke in die Physiognomie der Sowjetunion, an der nichts beständig ist als der Wechsel. Wir erleben im Spiegel dieser sieben Jahre den Beginn und das Ende der Nepp-Politik, des erlaubten privaten Wirtschafts kreises innerhalb der sozialistischen Wirtschaft. Die großen Persönlichkeiten der Sowjetunion werben geschildert, beson ders Trotzkis Macht und Ende, der Aufstieg Stalins, die Ausrottung der Opposition, der Kampf um und schließlich gegen den Bauern, die Vernichtung der Kirche, die Wirt schaftsexperimente Stalins, die rücksichtslos durchgeführt wer den, aber auch wenn es not tut mit elastischer Milde. Je länger der Verfasser in Sowjetrußland lebt, um so mehr er kennt er, daß die Machthaber entschlossen sind, das sozia listische Experiment um jeden Preis durchzu» führen, weil ein ZRrttck die Existenz des Sow jetstaates vernichten müßte. Deshalb wird der Sek tor der freien Wirtschaft, der von Lenin ins Leben gerufen worben ist, rasch gegenüber dem sozialistischen Sektor eine Gefahr und selbst um de» Preis einer schlechteren Versorgung der Städte wieder vollkommen vernichtet. Aus dem gleiche» Grunde beginnen die Bauern gefährlich zu werden und sollen deshalb zur sozialistischen Wirtschaft in riesigen staatlichen Latifundien, Getreidcfabriken genannt, gezwungen werden. In einem Nachwort schildert Scheffer, wie schwer cS war, aus Sowjetrußland einwandfreie Berichte zu senden. Vielt sür die Sowjets unangenehmen Ereignisse durften aus „Loyalität" nicht gebracht werden. Widerspenstigen Journa listen drohte ständig die Ausweisung. Um die Zensur zu passieren, mußten Berichte so geschickt abgestimmt werden, daß sie die Wahrheit nur „in feinsten Brüchen" aussprachen oder sie dermaßen kunstvoll verschwiegen, daß sie der auf merksame Leser dennoch zwischen den Zeilen erkannte. Abet schließlich konnte auch diese hohe Kunst der Berichterstattung vor dem Zensor kein Hehl mehr daraus machen, daß üet immer schärfere Zwang zur Sozialisierung, die grauenvolles politischen Hinrichtungen, die sinnlose Verschickung von «lllM deutschen Bauern in das unwirtlichste Sibirien, die wachsendt Unzuverlässigkeit der Sowjetunion als politischer Vertrags partner in der fortschreitenden Entwicklung sich in immer heftigeren Akten der Unfreundlichkeit auch gegenüber dem be» ») Paul Scheffer: „Sieben Jahr« Sowjetunion." Lclpztg 1V0L Eingang I« der Grnbe Rima U. In der sich die L-cploston «eignet«.