Volltext Seite (XML)
Satzes noch ein ebenfalls sehr kantabler Seitengedanke und ein liedhaftes, ruhi ges zweites Thema bedeutsam, das zuerst durch die Bläser über einem Orgel punkt des Soloinstrumentes erklingt und dann von diesem aufgegriffen und weitergeführt wird. Wie eines der Mendessohnschen „Lieder ohne Worte" mutet der durch einen liegenbleibenden Ton des Fagotts angeschlossene dreiteilige Mittelsatz an, ein in weich wogendem %-Takt an uns vorüberziehendes Andante. Echt romantischer Elfenzauber wird schließlich im geistsprühenden, prickelnden Finale, das als eine kunstvolle Verbindung von Rondo- und Sonatensatzform angelegt ist und in seinem Charakter der kurz vorher vollendeten „Sommernachts- traum"-Musik des Komponisten nahesteht, in überaus poetischer, stimmungsvol ler Weise heraufbeschworen. In festlichem Glanz beendet dieser besonders virtuose, dabei musikalisch ebenfalls substanzreiche Satz das Werk. Einen weiten Weg hat der schlichte Gastwirtssohn, Dorfmusikant und Organist Anton in Dvorak zurücklegen müssen, ehe er — neben Smetana — ge feierter tschechischer Nationalkomponist wurde. Amerika hatte ihn angezogen (hier entstand 1894 seine populärste, bedeutendste Sinfonie „Aus der Neuen Welt"), doch kehrte er bald wieder nach Prag zurück, wo er Direktor des Konser vatoriums wurde. Er hatte das seltene Glück, Zeuge seiner internationalen An erkennung zu werden. Die Universitäten Prag und Cambridge verliehen ihm die Würde des Ehrendoktors. Wie Smetana schöpfte auch Dvorak in seinen bedeuten den Kammermusik- und Orchesterwerken, in seinen Opern (von denen in Deutsch land vor allem „Rusalka" bekannt wurde) aus dem unerschöpflichen Born der tschechischen Volksmusik. Dem feinnervigen Smetana, aber auch Beethovens, Brahms' und Schuberts Schaffen hat Dvorak, ein urwüchsiger Vollblutmusiker, viel zu danken. Die Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88, bei der Herausgabe unrichtiger weise als Dvoraks „Vierte" bezeichnet, da sie die vierte gedruckte Sinfonie des Komponisten darstellte, entstand im Sommer und zu Beginn des Herbstes 1889 — knapp sechs Jahre nach dem Abschluß der vorangegangenen siebenten Sinfonie. Die Uraufführung der G-Dur-Sinfonie fand am 2. Februar 1890 in Prag durch das Orchester des Nationaltheaters unter Dvoraks eigener Leitung statt, der das Werk bald darauf auch in London und etwas später in Frankfurt am Main zur Auffüh rung brachte. Das „herrliche Werk", wie der bedeutende Dirigent Hans Richter die Sinfonie nach der Wiener Erstaufführung in einem Brief an den Komponisten begeistert nannte, wurde überall mit viel Wärme und Begeisterung aufgenom men. Einer Zeit beglückenden friedlichen Schaffens inmitten herrlicher Natur auf Dvoraks Sommersitz in dem böhmischen Dorfe Vysokä entstammend, zeigt die achte Sinfonie im Gegensatz zu der von leidenschaftlichem, trotzigen Ringen er füllten vorangegangenen d-Moll-Sinfonie eine heitere und lichte, friedvoll-har monische Grundhaltung. Innige Naturverbundenheit, Volkstümlichkeit und helle Lebensbejahung sprechen aus diesem an unerschöpflichen Einfällen reichen, stimmungs- und gefühlsmäßig sehr einheitlichen Werk. Formal bildet es vielleicht - trotz Beibehaltung der klassischen Sinfonieform — Dvoraks selbständigste sinfo nische Schöpfung, die in manchen Einzelheiten von den übrigen Sinfonien ab weicht und die musikalischen Gedanken in neuartiger Weise verarbeitet. Mit einem choralartigen, feierlichen g-Moll-Thema der Celli und Bläser über ruhi gen Kontrabaß-Pizzikati beginnt der erste Satz (Allegro con brio). Dieses Thema bleibt für den motivischen Aufbau des Satzes ohne konstruktive Bedeutung, er scheint aber in gleicher klanglicher Gestalt nochmals vor Beginn der Durchführung und vor der Reprise. Das eigentliche Hauptthema des Satzes in G-Dur, das zuerst von der Flöte angestimmt wird und dem später ein schlichtes, etwas schwermütiges Thema in h-Moll zur Seite gestellt wird, steht in scharfem Gegensatz zu dem Ein leitungsthema. Heiter und lieblich einsetzend, unterzieht sich das Hauptthema im Verlaufe des Satzes mannigfachen Wandlungen in Gestalt und Charakter. In vielfältigen farbigen Bildern, die Gedanken, Gefühle und Stimmungen von lichter Freude und Heiterkeit, aber auch von tiefer, ernster Innigkeit widerspiegeln, ent faltet sich das sinfonische Geschehen. Das folgende Adagio in c-Moll, das eine nahe Verwandtschaft mit einem Stück aus Dvoraks Klavierzyklus „Poetische Stimmungsbilder" op. 85, „Auf der alten Burg", zeigt und gleichsam als dessen Weiterentwicklung zu deuten ist, ist von starkem poetischen Ausdrucksgehalt. Neben dem stolzen, etwas düsteren Haupt thema, das eine glanzvolle dramatische Steigerung mit feierlichen Trompeten klängen erfährt, wird im Mittelteil eine sehnsüchtig-weiche Melodie besonders bedeutsam. Träumerisch-friedvoll verklingt der reizvolle Satz. Ruhig bewegt entfaltet sich der frische dritte Satz (Allegretto grazioso). In den Violinen erklingt über Figuren der Holzbläser das kantable, leicht schwermütig angehauchte tänzerische Hauptthema des ersten Teiles, der nach einem G-Dur- Mittelteil notengetreu wiederholt wird. Im Mittelteil zitierte der Komponist übri gens eine Melodie aus einer fünfzehn Jahre früher entstandenen Oper (Lied des Tonik „Sie so frisch, jugendlich, gar so alt er" aus „Die Dickschädel"). Die kurze Coda bringt einen temperamentvoll-beschwingten Tanz im Zweivierteltakt, der den Satz originell und witzig beschließt. Besonders starke Beziehungen zur tschechischen Volksmusik weist das Finale (Allegro ma non troppo) auf, in der auch das mitreißende, rhythmisch prägnante Hauptthema verwurzelt ist. Dieser meisterhaft gearbeitete, formal neben dem ersten Satz am kompliziertesten angelegte Satz — die klassische Sonatenform wird in Exposition und Reprise durch reiche Variationen des Hauptthemas erweitert — beendet in elementarer Lebensfreude die Sinfonie. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN: Sonnabend, den 17. Januar 1970, 20 Uhr, Kulturpalast 5. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirgent: Günter Blumhagen, Jena Solist: Stefan Askenase, Belgien, Klavier Werke von Mozart, Britten und Beethoven Ausverkauft Freitag, den 23., und Sonnabend, den 24. Januar 1970, jeweils 20 Uhr, Kulturpalast 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Roberto Benzi, Italien/Frankreich Werke von Ravel, Respighi und Franck Freier Kartenverkauf Freitag, den 6., und Sonnabend, den 7. Februar 1970, jeweils 20 Uhr, Kulturpalast Einführungsvorträge jeweils 19 Uhr, Dr. Dieter Härtwig 5. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solistin: Hertha Töpper, Österreich, Alt Werke von Geißler, Wagner-Regeny und Brahms Anrecht A Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1969/70 - Chefdirigent: Kurt Masui Redaktion Dr. Dieter Härtwig Druck: veb polydruck - Werk 3 Pirna 111-25-12 3,2 JtG 009/124/69 »Inil h a rmoni 4. PHILHARMONISCHES KONZERT 1969/70