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Meißeritz-Mtling Anzeiger für Dippoldiswalde «nd Umgegend 70. Jahrgang. Donnerstag, den 6. Oktober 1904. Nr. 116. Amtsblatt für die Königliche AmtshauptmamMt, das Königliche Amtsgericht und den Stadlrat zu Dippoldiswalde V-rmiw°rtIich°r L-daklsir: Paul IrlMe. - Druck und Verlag mm C-rl Irlgw UI Dippoldiswalde. Mit achtseM,«, „-ll-strkit«, Untnh-NmMbl-t^ Mit lau», -n« hau.wirtichaftllch« »Et..»««.,-. Die .Weißerttz-Zettung' erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird an den vorhergehen- benAbenden ausgegeoen. Preis vierteljährlich 1M. LS Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern »0 Pfg. - Alle Postan- statten, Postboten, sowie unsere Austräger nehmen Bestellungen an. 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Aber neben der hohen nationalen und ethischen Bedeutung erfüllt das Reichsgericht auch einen außerordentlich hohen praktischen juristischen Zweck, das Reichsgericht als oberste Instanz in den Rechtsstreiten im deutschen Reiche beseitigte die vielfachen Obertribunale, Ober appellationsgerichte und Oberhofgerichte oder schränkte deren höchste Befugnisse doch ein und machte dadurch einem ver wickelten und schwierigen Rechtszustande in Deutschland ein Ende. Hoch zu achten ist ferner auch die ideale Be deutung des Reichsgerichts für die schwere Wissenschaft des Rechts, denn dieses selbst kann, wie die Geschichte des be rühmten römischen Rechts beweist, sich nur zur vollen Blüte entwickeln, wenn es aus dem ganzen Volksleben eines großen Reiches seine Fälle und seine mannigfachen Anregungen schöpfen kann. Alle großen Rechtslehrer haben dieses erkannt, und wer jemals das Glück hatte, die Vor- träge des verewigten großen Leipziger Pandektisten Geheim rat Professor vr. Windscheid zu hören, der wird sich er innern, in welch wunderbar klarer und überzeugender Weise Windscheid die eminente Bedeutung einer hochent wickelten Rechtswissenschaft zu beweisen verstand. Zum Ruhme des Reichsgerichts sei es aber auch gesagt, daß es in den 25 Jahren seines Bestehens seine hohe Aufgabe mit unermüdlichem Fleiße und treuer, strenger Gewissen haftigkeit erfüllt hat. Gunst oder Furcht weilen in den Hallen des Reichsgerichts nicht, und seine Arbeit gilt nur der unentwegten, voräussetzungslosen Erforschung der Wahr heit und der richterlichen Betätigung der gesetzlichen Ge rechtigkeit. In diesem Geiste wird auch vom deutschen Volke das Wirken des Reichsgerichts anerkannt und ge würdigt, und aus Kleingeist und Verstimmung zuweilen vorkommende abfällige Beurteilungen der Tätigkeit des Reichsgerichts müssen als Irrtümer bezeichnet werden. Man muß ferner auch betonen, daß die fünfundzwanzig Jahre des Bestehens des Reichsgerichts zugleich auch einen glücklichen Abschluß einer ersten großen Entwickelungsperiode im deutschen Rechtsleben, zu welchem durch die Gründung des deutschen Reiches der mächtige nationale Anstoß ge geben worden war, bedeuten. Denn diese erste große Ent- roickelungsperiode zeigt die erlangte Einheit in der Recht sprechung und des Prozeßverfahrens für das Strafrecht, di« strafrechtlichen Nebengesetze, die Zivil- und die Straf- prozeßgesetze, das Handels- und Wechselrecht, das Patent recht, die Musterschutzgesetze, die Urheberrechte, das Konkurs recht, das bürgerliche Recht, die Warenzeichen, den unlauteren Wettbewerb und andere das Privatrecht betreffende Gesetze. Mag es dem Reichsgerichte vergönnt sein, große glückliche Perioden der Rechtsprechung seiner ersten schönen Ent wickelungsperiode anzureihen. Woher kommen die sozialdemokratischen Wähler? Die Notwendigkeit einer Bekämpfung der revolutionären Sozialdemokratie wird in allen Kreisen der bürgerlichen Gesellschaft immer klarer erkannt, abgesehen natürlich von Len Nationalsozialen und den berufsmäßigen Schlapp machern, die, von dokrinären Theorien befangen, die Wirklichen Verhältnisse des praktischen Lebens einfach nicht sehen können oder nicht sehen wollen. Gerade aber, wer davon überzeugt ist, daß die Aufnahme eines zielbewußten Kampfes gegen die Umsturzpartei die nächste und wichtigste Aufgabe einer weilschauenden Regierungspolitik sein muß, Wird geneigt sein, alle die Quellen zu verstopfen, aus denen das die sozialdemokratischen Mühlen speisende Wasser fortgesetzt neuen Zufluß erhält. Eine solche Quelle ist die seit etwa 15 Jahren bei uns in Deutschland üppig wuchernde Gesetzesmacherei, die in jedem Jahre über das geplagte Bürgertum eine solche Flut neuer gesetzlicher Be stimmungen ausgießt, daß sich schon niemand mehr darüber «uskennt, was er eigentlich tun, was lassen darf. Selbst diejenigen, die berufsmäßig die gesamte Gesetzesmaterien beherrschen müßten, sind nicht einmal mehr imstande, die alljährlich neu geschaffenen Gesetze gründlich zu studieren, was Wunder, daß die Angehörigen jener Berufskreise, die nur Objekte der Gesetzgebung sind, sich überhaupt nicht mehr in ihr auskennen und darum fortgesetzt in den Fall stricken neuer Gesetze hängen bleiben. Das gibt natürlich böses Blut und erzeugt jene verärgerte Stimmung, die diejenigen, denen es an einer gefestigten politischen Ge sinnung mangelt, dazu verleitet, ihrem Mißmut durch Ab gabe eines sozialdemokratischen Stimmzettels Ausdruck zu geben. Wer die Sozialoemokratie bekämpfen will, wird daher an dieser Erscheinung, welche die steigende Zahl der sozialdemokratischen Mitläufer erklärt, nicht achtlos vor übergehen dürfen, vielmehr alles tun müssen, um die Ur sachen solcher Krankheitssymptome zu erkennen und das Übel an seiner Wurzel zu heilen. Aus diesem Grunde geben wir im folgenden eine Zu schrift wieder, die uns aus den Kreisen selbständiger Ge werbetreibender im Königreich Sachsen zugeht. Können wir auch nicht alle der darin vorgebrachten Klagen zu den unserigen machen, so scheint uns die in dem Schreiben geübte Kritik als Stimmungsbild doch äußerst beachtens wert. Es heißt da also: „Gerade die kleinen Gewerbetreibenden sind durch die vom grünen Tisch erlassenen gesetzlichen Bestim mungen so mißmutig gemacht, daß sie ihren Unwillen durch die Wahl des sozialdemokratischen Kandidaten zum Ausdruck bringen. Wenn es Kindern von Bäckern und Fleischern verboten ist, Semmeln und Fleisch aus zutragen, so hindert das die Gewerbetreibenden derart, daß sie am liebsten aus der Haut fahren möchten. Heute hat ein Meister über Gesellen und Lehrlinge gar keine Gewalt mehr, das ist ein Zustand, der gar nicht haltbar ist. Heute sind Fabrikanten und Handwerks meister die Sklaven ihrer Arbeiter. Die Scherereien durch Gewerbeaufsichtsbeamte sind da durch, daß jeder etwas anderes verlangt, geradezu zum Ekel geworden. Es sind schon Sicherheitsmoßregeln an geordnet worden, die tatsächlich verderblich für die Arbeiter selbst wurden. Hat es zum Beispiel einen Sinn, wenn bei einem Ziegeleibesitzer durch amtliche Fragebogen fest- gestellt werden soll, wie viel Arbeiter bei ihm als Tuber kulosekranke und Bleioergiftungskranke zu bezeichnen sind? Woher soll man das wissen, wer tuberkulös- und bleiver giftungskrank gewesen ist? Woher überhaupt eine Blei vergiftung bei Ziegeleiarbeitern Herkommen soll, verstehe ich gar nicht. Diejenigen Ämter, welche derartige Fragen stellen, mögen sich doch an die Ärzte und Krankenkassen wenden, nicht aber an die Arbeitgeber! An den Besitzer einer Fabrik, an der bereits 2 Treppen angebracht sind, ist schon das Ansinnen gestellt worden, auch noch eine Fluchtleiter an der Außenwand des Ge bäudes anbringen zu lassen. Dort also, wo Arbeiter im Anzuge nur des Tages über arbeiten, findet man eine derartige Sicherung der Arbeiter für nötig, dort aber, wo in Seminaren 200—300 Seminaristen auf dem Boden schlafen, nicht. Hat man schon an Kasernen, wo die Soldaten ebenfalls in den oberen Räumen schlafen, je eine Außenleiter gesehen? Kurz und gut, es wird so ost Kleinliches und Peinliches angeo dnet, daß es dem Fabrik besitzer und kleinen Gewerbetreibenden zum Überdruß wird. Hat es ferner einen Sinn, wenn der Arbeitgeber in Fabriken für Minderjährige Arbeitslohnbücher halten muß, in die der Lohn eingetragen wird und der Vater oder Vormund durch Vermerk kennzeichnen muß, daß er ge sehen hat, wie viel sein Kind verdient hat? Das i't dort wohl angängig, wo das Kind beim Vater wohnt, wie ist es aber, wenn der Vater meilenweit vom Kinde ent fernt ist? Glauben Sie, daß das Kind das Buch alle Wochen mit 20 Pfg. Portokosten dem Vater sendet und der Vater das Buch mit wieder 20 Pfg. Portokosten zurückschickt? Und wie ist es denn, wenn der Sohn nicht weiß, wo der Vater ist und umgekehrt? Hat dieses Gesetz einen Sinn? Ich glaube es nicht, was es aber für Scherereien macht, 100 solche Bücher zu führen, ahnt niemand. Was soll es ferner für Sinn haben, wenn in Sachsen gefordert wird, daß jeder Gänsehändler, der Gänse zu Tausenden vertreibt, in ein mitzuführendes Buch ein tragen muß, an wen er die Gänse dem Namen und der Straße nach verkauft hat. Wenn der Käufer gefragt wird, wie sein werter Name ist, wird er sehr oft die Ant wort geben: „Dies geht Sie gar nichts an — Sie haben Ihr Geld und ich meine Gans." Glauben Sie, der Gänse händler sagt, da geben Sie mir meine Gans wieder? Er wird in sein Buch „Hans" oder „Kunz" eintragen und auf die Vorschriften husten. ,n.' . .. . Und so gibt es tausende von Scherereien, über die man ein Buch von Bibeldicke schreiben könnte. Wenn man zu friedene Menschen haben will, dann muß man dahin wirken, den hohen Reichstagsmitgliedern begreiflich zu machen, daß ihre Gesetzgeberei eine ganz verfehlte ist. Sie sollen sich ums Ganze bekümmern, aber nicht um Kleinig- keilen. Ein Mißgriff erster Klasse war es, daß der Reichstag das von der Negierung eingebrachte Gesetz zum Schutze der Arbeitswilligen ablehnte. Die vom Zaune gebrochenen Streiks, die in der Hauptsache von dummen Jungen in Szene gesetzt werden, sind di-Folge davon. Wie sie das Jndustrieleben schädigen, weiß nur der, der selbst von Streiks betroffen wird. Man setze doch die Streikhetzereien unter schwere Strafe, dann wird dem gewissenlosen Streik hetzer schon dies Handwerk gelegt werden und Ruhe und Frieden eintreten. Wenn jemand eine Semmel maust, wird er bestraft, wenn aber Hetzer Tausende von Arbeitern ins Elend führen, dies Vergnügen kann sich jeder straflos leisten!" Soweit die Zuschrift. Selbstverständlich steht jeder Vaterlandsfreund auf dem Boden der Kaiserlichen Bot schaft von 1881. Aber in weiten Kreisen der national gesinnten Teile des deutschen Volkes, nicht etwa nur in den Reihen der selbständigen Gewerbetreibenden, bricht sich mehr und mehr die Überzeugung Bahn, daß wir für Jahre hinaus an den in den letzten 20 Jahren gegebenen sozialpolitischen Gesetzen genug haben, daß das Volk sich in diese erst hineinleben muß, ehe man an weitere sozial politische Experimente denken darf. (Lhemn. Tgbl.) Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Tuchnepper machen gegenwärtig wieder sächsische Orte unsicher, indem sie ihre billige, aber schlechte Ware (Tuchreste) an den Mann zu bringen suchen. Dieses Schundzeug ist, da es aus zusammengeleimtem Ab fall besteht, für wenig Geld noch viel zu teuer. Schade um jeden Nadelstich, den der Schneider darauf verwendet. Wenn die Händler auch bei uns auftauchen sollten, so sei hiermit vor ihnen gewarnt. Obercarsdorf. Vergangenen Sonntag hielt der hiesige Turnverein sein Abturnen. Den üblichen Freiübungen und Riegenturnen folgte zum ersten Male ein volkstüm liches Wetturnen. Als Sieger gingen hervor: P. Grumbt, Oswald Schiller, E. Flemming, H. Weinhold, von den Zöglingen im Dauerlauf R. Weinhold und H. Teichert. Abends folgte ein flotter Ball, in dessen Verlaufe den Siegern Eichenkranz und dem Turnwart H. Reichel-Dip poldiswalde für seine uneigennützige Leitung als Dank ein Rauchtisch überreicht wurde. Schmiedeberg. Bei hiesiger Gemeindeverbands-Spar kasse wurden im Monat September d. I. 107 Einzahlungen im Betrage von 6800 M. 50 Pfg. geleistet, dagegen er folgten 26 Rückzahlungen im Betrage von 2740 Mark 6 Pfg. Glashütte. In der Jubiläums-Obst-Ausstellung in Donaths Neue Welt in Tolkewitz ist der hiesige Obstbau verein auch prämiiert worden. Er hat eine silberne und eine bronzene Plakette, sowie 2 Ehrenurkunden erhalten. — Der Handwerkeroerein hat zu seinem Stiftungs feste ein Theaterstück geplant, Tafel soll nicht stattfinden. — Am Sonntag war das Michaelis-Quartal der Ver einigten Innung von Glashütte und Umgegend; abends das Herbstvergnügen des Zither-Vereins mit Konzertvor trägen. Altenberg. Der große Galgenteich ist gegenwärtig ziemlich waßerleer. Nur in der Mitte steht noch eine mäßige Wasserfläche, sodaß jetzt innerhalb des Teichdammes nach allen Seiten hin eine große Fläche trocken liegt, die besonders von allerhand Vögeln und wildem Geflügel, darunter auch zahlreiche Wildenten, belebt ist. Dieser ge waltige schon seit länger leer gewordene Wasserbehälter führt uns die Notwendigkeit baldiger reichlicher Regengüsse in eindringlichster Weise vor Augen. Dresden, 4. Okt. Über das Befinden des Königs wird aus Pillnitz berichtet: Se. Majestät war auch gestern tagsüber größtenteils außer Bett und wiederholt im Garten. Die vergangene Nacht war besser und namentlich in der ersten Hälfte durch Hustenreiz weniger gestört, der Appetit ist befriedigend. — Die diesjährigen Königlichen Hochwildjagden auf Rehefelder Revieren finden in dieser Woche statt und werd«« in Vertretung des Königs durch den Kronprinzen >