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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochmbl(E fÜk UNd ^NMgMd Postscheckkonto Leipzig rs 614 Dieses Blatt enchälk die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadirats zu Wilsdruff, des Forfirentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 158 Sonnabend den 9. Juli 1921. 8V. Jahrgang. Amtlicher Teil Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachs. Am 6. Juni 1921 ist die Frist zur Bezahlung der 2. Rate der Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachse abgelaufm. Die Entrichtung derselben wird mit dem Bemerken in Erinnerung gebracht, daß am 18. d. M. — ohne nochmalige besondere Mahnung — mit der zwangsweisen Beitreibung begonnen werden wird. Der Betrag der 2. Rate, d. i. der Abgabe, ist vom 6. Juni bis zum Zahl tage mit 5»/, zu verzinsen; Zinsbeträge unter 5 Mark werden jedoch nicht erhoben. Die Finanzkaffe hat Postscheckkonto Dresden 3Ü065 und Stadtgiro konto Nossen Nr. 721 Bei Uederweisung ist die Angabe der Sollbuchnummer unbedingt erforderlich. Nossen, am 6. Juli I92l. 473« Finanzamt. Um irrtümlichen Auffassungen entgegenzutreten, wird hiermit bekanntgemacht, daß das Mieleinigungsamt keine allgemeine Mietfteigernng, insbesondere auch keine Steigerung der Friedensmieten um 60°/, genehmigt hat. Es wird vielmehr wie bisher über die Zulässigkeit einer Steigerung von Fall zu Fall entschieden werden. Wilsdruff, am 8. Juli 192l. 172s Das Mieteinignngsamt für die Stadt Wilsdruff Grumbach. Sonnabend den 9. Juli vormittags von 9—12 Uhr auf hiesiger Freibank Rindfleisch in rohem Zustande. Pfundpreis 6 Mark. Grumbach, am 8. Juli 1921. 473° Der Gemeindevorstand. Kleine Zeitung im eilige Leser. * Der Deutsche Reichstag vertagte sich bis Anfang September. * Die Reparationskommission hat ihre Finanzabteilung er mächtigt, Deutschland die Goldausfuhr von Summen unter 10 000 Mark zu gestatten. * In einem Erlaß an die Mitglieder der früheren ostpreußi schen Ortswehren dankt der Oberpräsident Siehr den Wehren für ihre Tätigkeit. Die Auslösung hat sich ohne Zwischenfälle glatt in der vorgeschriebenen Zeit vollzogen. * Die diesjährige Konferenz der deutschen Bischöfe findet in Fulda vom 23. August ab statt. * Der Vertreter der russischen Sowjetregierung Wigdor Kopp hat beim Auswärtigen Amt in Berlin gegen die Aus weisung des russischen Volksbeauftragten Krestinski aus Bayern Beschwerde erhoben. * Die englische Mittelmeerflotte hat sich vor Konstantinopel versammelt. * Aus Guatemala ist die Nachricht eingetrossen, daß die dor tige Regierung das deutsche Eigentum sreigegeben hat. Eteuerflut. Von einem parlamentarischen Mitarbeiter wird Uns geschrieben: Nach wochenlangen Beratungen des Kabinetts, bei denen, wie man weiß, manche auch jetzt noch nicht über wundenen Gegensätze der Auffassungen zu klären waren, und nach den mannigfaltigsten Vermutungen und Vor schlägen, die außerhalb der Regierung zu dem Thema der Aufbringung unserer Reparationslasten gemacht wurden, ist nun der Reichskanzler mit einem Programm vor die Öffentlichkeit getreten, welches in großen Zügen — aller dings nur in skizzenhaften Umrissen — die Wege angibt, auf denen die Regierung versuchen will, dem Reiche die nötigen Milliarden zu verschaffen. Das Programm glie dert sich deutlich in zwei Hälften. Neben der Besteuerung von Besitz und Einkommen steht die Belastung des Ver brauches. Mit andern Worten, direkte und indirekte Steuern sind, wie in jedem Steuerprogramm, so auch in diesem vorgesehen, und zwar sollen sie diesmal in an nähernd gleicher Höhe aufgelegt werden. Bei den direkten Steuern erwartet man von einer sogenannten Veredlung des Reichsnotopfers und von einer Wiederholung der Körperschaftssteuer, daneben aber in erster Time von einer Verbesserung der Steuertechnik, soweit es sich auf die Ver anlagung und Erhebung aller direkten Steuern bezieht, große Erfolge. Von einer Erhöhung der Einkommensteuer ist nicht die Rede. Weit zahlreicher sind die Pläne der Regierung, die sich auf Erhebung neuer indirekter Steuern beziehen. Eine ganze Reihe von Verbrauchsartikeln wird mit neuen oder mit erhöhten Abgaben belegt. In aller erster Linie die Kohle, von der trotz einer nur mäßigen Erhöhung der bestehenden Steuern der Löwenanteil des gesamten Ertrages erwartet wird. Es wäre im Augenblick nicht am Platze, die einzelnen Zteuerprojekte einer näheren Betrachtung zu unterziehen, denn erstens hat der Kanzler selbst darüber noch gar nichts Einzelnes mitgeteilt, und dann muß vor allem beachtet werden, daß die Entwürfe, die im Finanzministerium viel leicht zum Teil schon fertiggestellt sind, voraussichtlich noch erhebliche Abänderungen erleiden werden, ehe sie Gesetzes kraft erlangen. Wohl aber kann man dem ganzen Pro gramm bereits jetzt ansehen, daß es im wesentlichen eine mittlere Linie zwischen den politischen Auffassungen zu finden sucht, dre bereits innerhalb des Reichskabinetts ebenso im Gegensatz zueinander standen, wie sie voraus sichtlich in noch viel schärferer Form bei den Reichstags debatten im Herbst aufeinanderplatzen werden. Große und neue Gedanken finden sich diesem Gesamtplan nicht. Obwohl die Ziffern, mit denen das Steuerprogramm arbeitet, hoch in die Milliarden gehen, haftet doch dem ganzen Plan ein gewisser Zug der Zaghaftigkeit an. Es fehlt vor allem jei^ Andeutung der großen wirtschaftlichen Umgestaltung, die man in Kreisen der Sachverständigen für unerläßlich hält, wenn die Reichsfinanzen wirklich eine grundlegende und durchgreifende Kräftigung erfahren sollen. Am ehesten liegt noch die Andeutung des Kanzlers in dieser Richtung, daß das Reich möglicherweise an den Gewinnen der Industrie direkt durch Anteilscheine oder Dividendenbezstge beteiligt werden könnte. Im übrigen aber ist außer diesen auch nur ganz andeutungsweise mit- geteitten Plänen kein weiterer Schritt von dem engeren sieuertechnischen Gebiet in der Richtung einer Wirtfchafts rcsorm getan worden. Gerade darauf aber kommt es an denn man weiß auch in den Kreisen der Regierung rech: gut, daß mir Steuern allein die uns obliegenden Aufgaben schlechterdings nicht zu erfüllen sind. Um diese Fragen aber ist der Kanzler ebenso wie um das schwierige Problem der Erhöhung der Kohlenpreise auf den Weltmarktpreis, welches von sozialistischer Seite angeregt worden war, vorsichtig herumgegangen, offensichtlich, um politische Aus einandersetzungen, die leicht zu einer Krisis führen könnten, vorläufig zu vermeiden. Es wirkt wie eine bittere Ironie, daß der Versuch der Regierung, ein Programm aufzustellen, welches der Er füllung des Ultimatums dienen soll, letzten Endes nichts anderes als ein schlagender Beweis für die Unerfüllbar keit eben dieses Ultimatums geworden ist. Aus der Rede des Kanzlers allein ging das zwar nicht hervor, aber diese Rede darf auch nicht ohne die Ergänzung betrachtet wer- aen, die ihr im Reichstage durch die Reden der Parteiver treter zuteil wurde. So wies Dr. Helfferich nach, daß unser gesamtes Volkseinkommen ungefähr 234 Milliarden im Jahre ausmacht, und daß davon etwa 150 Milliarden vurch Steuern verschlungen werden, wenn wir alle Lasten abbürden wollten. Daß das eine glatte Unmöglichkeit ist, bedarf weiter keiner Erörterung, und das Steuerpro gramm des Kanzlers sieht ja auch insgesamt nur einen Er trag von etwa 80 Milliarden vor. Während nun aber der Kanzler unseren Bedarf mit etwa 100 Milliarden an setzt, so daß nur 20 Milliarden ungedeckt bleiben, für die er abermals die Kohle zur Deckung heranziehen will, entsteht nach der Rechnung von Dr. Helfferich ein Fehlbetrag von etwa 70 Milliarden. Dr. Helfferich steht mit seiner Ansicht übrigens nicht allein, und man wird es besonders beachten müssen, daß auch im Reichswirtschaftsrat, also von einer besonders sachverständigen Stelle, an der der Kanzler sein Programm unmittelbar vor der Reichstagsrede ebenfalls dargelegt hatte, Bedenken in der gleichen Richtung geltend gemacht worden sind. Recht bezeichnend war es auch, daß der gesamte Reichstag mit Einschluß der Linksradikalen, die Dr. Helfferich beim Beginn seiner Rede durch einen minutenlangen tosenden Lärm unterbrachen, dann doch in atemloser Spannung zuhörte, als Helfferich seine Zahlen anführte, gegen die auch der Kanzler keinen Widerspruch erhob, obwohl Helfferich ihn ausdrücklich darum gebeten hatte, er möge ihn berichtigen, wenn er sich in einzelnen Punkten irren sollte. Mit der Aufnahme seiner Programmrede durch den Reichstag kann der Kanzler trotz der sachlich scharfen Kritik recht zufrieden sein. Er konnte jedenfalls bei fast allen Parteien den guten Willen feststellen, ihn bei seinen Ver suchen zur Lösung der übernommenen Aufgaben nach Kräf ten zu unterstützen. Man weiß zwar heute schon, daß es sich um einen Versuch mit untauglichen Mitteln handelt, und daß ganz andere Wege beschritten werden müssen — es sei hier nur an die Vorschläge erinnert, die zur Hebung der deutschen Produktion durch vermehrte Arbeitsleistung gemacht worden sind — wenn man das Problem mit einigermaßen Aussicht auf Erfolg in Angriff nehmen will. Der Reichstag befindet sich in einer Stimmung, die in höchst eigentümlicher Weirs aus autem Willen und gleich zeitiger Resignation gemischt ist. Nicht gegen den Kanzler dessen Optimismus und Veraniwortungsfrcudlgkeit auch von seinen Gegnern anerkannt werden, richten sich die Spitzen der Kritik, sondern in erster Linie gegen die En tente, deren verfehlte Gewaltpolitik uns zu solchen für das Wirtschaftsleben mörderischen Experimenten zwingt, wie sie in dem neuen, überdies noch unfertigen und vor allem unzureichenden Steuerprogramm zu finden sind. Das Er gebnis der künftigen Beratungen dieses Programms wird daher wohl darauf hinauskommen, daß man aus alledem nur erneut die durch ziffernmäßige Beweise erhärtete Über zeugung gewinnt, daß das Ultimatum trotz unseres besten Willens in seinem vollen Umfange nicht erfüllt werden kann, und daß es die Sache der Entente ist, auf dem von ihr eingeschlagenen verhängnisvollen Wege einen guten Schritt zurückzugehen, wenn sie nicht den wirtschaftlichen Ruin Deutschlands und damit die schwersten Schädigun gen auch für sich selbst herbeiführen will poiMMer Betrug. Der vorgetäuschte Abzug der Insurgenten. Der deutsche Zwölferausfchuß in Oberschlesien hat im Beisein des Generals Hoefer festgestellt, daß seitens der Polen keine dem Abkommen entsprechende Räumung er folgt ist. Die Jnsurgenlenbchörden arbeiten weiter und werden von den Franzosen in ihrer amtlichen Eigenschaft bestätigt. Von polnischer Seite wird auch kein Hehl daraus gemacht, daß die Insurgenten in aller Kürze wie- dcrkommen werden. Die Insurgenten sind zum größten Teil, nachdem sie Entlassungsgelder erhalten haben, in ihre Ortschaften zurückgekehrt, doch haben sie Gewehre sowie Munition mitgebracht. In den Wäldern des Industriegebiets befinden sich große Waffenlager aller Art. Die Insurgenten gehören großen organisierten Ge- beimvcrbänden an, die ihre bestimmten Waffen- und Sammelplätze haben. Sic befinden sich stets in Alarm bereitschaft. Auf Königs Hütte erfolgte ein neuer Angriff. Die Insurgenten drangen unter heftigem Feuer bis in das Innere der Stadt vor. Dort plünderten sie die Läden, raubten und nahmen Stratzenpassanten als Gefan gene mit. Dem französischen Kommandanten gelang es, den Ersten Bürgermeister, der ebenfalls gefangen war, frei zu bekommen. In Katt 0 Witz schleuderten unbekannte Banditen eine Eierhandgranate in die Wohnung eines Deutschen. Seine 42jührige Ehefrau, Mutter von sieben Kindern, wurde getötet und großer Sachschaden angerichtet. Etwa 100 deutsche Bergarbeiter, die im Vertrauen auf die Räu mung nach Charlottengrube bei Ratibod zurückkehrten, wurden von den Polen gefangen weggeschleppt. Man be fürchtet einen allgemeinen Grubenausstand. . Der Beuthener Zwischenfall. Zu den Beuthener Vorgängen läßt die Interalliierte Kommission erklären, daß der bei den Unruhen umgekom- mcne französische Major ohne Zweifel einem hinterlistigen Morde zum Opfer gefallen sei. Die Kugel sei aus nächster Nähe aus einem Revolver abgefeuert worden. Die Leichen öffnung jedoch hat ergeben, daß die Tötung durch eine Ge wehrkugel erfolgt ist. Gewehre sind aber an dem kritischen Tage bestimmt nur in den Händen von Polen und Fran zosen gewesen, weil die deutsche Entwaffnung tatsächlich bis auf den letzten Rest, namentlich in den Städten, durch, geführt ist. Die Interalliierte Kommission hat im Ver folg der Unruhen die Ausweisung des Ersten Bürger meisters Stephan von Beuthen verfügt. Die französischen parlamentarischen Kreise beschäftigen sich anhaltend mit dem Tod des Majors Montalegre in Beuthen. Der Kammerausschuß für Äußeres erklärte, sei nen letzten Beschluß, die Sanktionen nicht aufheben zu lassen, nun mit doppeltem Nachdruck vertreten zu müssen. Auf eine Anfrage an den Kriegsminister Varthou erklärte dieser, die Regierung warte erst den Bericht der Kommis sion in Oppeln ab, ehe sie erwägen könne, ob und welche Genugtuung sie fordern solle. Paßzwang — Terror Seit dem 6. Juli besteht für die Ein- und Ausreise von und nach Oberschlesien wieder der Paßzwang, wie er vor dem polnischen Aufstand bestanden hat. Die Pässe müssen also ein französisches Visum tragen. — An die Interalliierte Kommission in Oppeln hat die deutsche Bevölkerung des Kreises Hindenburg ein Telegramm gerichtet, in dem auf den unerhörten Terror der Polen hingewiesen und um schleunige Hilfe gebeten wird. Auch aus der Umgebung von Ratibor wird das Auftreten neuer bewaffneter Banden gemeldet, die in der alten Weise die deutschgesinnte Bevölkerung mißhandeln und ver schleppen. Eine Unterredung mit Hoefer. General Hoefer, der Führer des deutschen Selbstschutzes kn Oberschlesien, erklärte einem Pressevertreter in Brieg, von wo aus er den Abtransport und die Slnflösung des deutschen Selbstschutzes leitet, daß die Räumung Ober schlesiens, dem Abkommen mit der Interalliierten Kom mission entsprechend, vollkommen beendet sei. Die Ver antwortung für den Schutz der deutschen Bevölkerung Oberschlesiens liege nun allein aus der Interalliierten Kom mission. Der General sprach von den militärischen Leistnn-