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Sonnabend den 28 November L»»ov. 7. Hahrga» ft. ^ KaabhölMs Tageblatt sär Wahrheit, Recht ».Freiheit j <er»che>nt tS»lich naihm. mit kuSiuitzme der Louir. und el», ' ' Inserate werden d,e «aespatt PeNtzetle od deren Raum mU Ik 4. ReNainen mit KV 4 die Zeile berechn .bei Wiederh. bedeut. Rabaa. Buchdenikerei. Nedaktion und Geschäftsstelle, DreSde» VtllntSe» Steaft« 4K. — kernlprecher «r. Ist««. I^vclilZncj-/^Z^Zi'iiie ei«»geL fabrißat, welester wirßlicst kjaturbutter ersetrt. I« Koben In «len «turck Plakate kenntlichen VerksutLLtellen. /Han verlange suräi-üctzlieli Vui'renel' ^oc!ilZli(!-/^Zl'ZZl'lne. Dezember abonniert man auf die „sächsische Bolkszeitmrg"mit der täglichrm Roman bettage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zun» Preise von «0 (ahilk Srstktlgkld) durch den Boten ins Haus 7N I'ljx. L U' L ^ LI , O ^.r: — ^ ci ^ ^ o>i ö-8 H ^cZZZ § Z-Z L w» II Der leere BurrdeSratStisch. Dresden, den 2?. November >i»08. Am kommenden Montag und Dienstag soll der Reichs tag sich mit den Anträgen auf Erlas; eines Ministerverant wortlichkeitsgesetzes befassen: es liegen solche Anträge von seiten der freisinnigen der Sozialdemokraten und des Zentrums vor. Diese Beratung soll gleichzeitig die Ant wort des Reichstages auf die kaiserliche Kundgebung im ..Reichsanzeiger' darstellcn. Mail darf also mit „großen" Tagen rechnen, falls nicht die heutige Ncichstagsmehrheit vollständig versagt und in Flaumacherei übergeht. Nach den Debatten vom 10. und 11. November muß man zunächst annehmen, daß es dem Reichskanzler erwünscht ist, wenn er eine neue Gelegenheit zur Aussprache erhält, denn er hat manches zu sagen und auf viele Anfragen eine Antwort zu geben. Dazu kommt noch, daß der Reichstag sich einigte, bei der Reichssinanzrcform diese politische Frage nicht zu behandeln, selbstverständlich geschah dies unter der Voraus soßung, daß bei der Beratung dieser Initiativanträge sich reichliche Gelegenheit bieten werde, dom Reichskanzler zu sagen, was gesagt werden muß. Zu allgemeiner Ueberraschnng erfährt man jetzt, daß im Vundesrate die Absicht besteht, sich an den bevorstehen den Debatten nicht nur nicht zu beteiligen, sondern über- harrpt nicht im Saale zu erscheinen. In der „.Köln. Ztg.", die zweifellos in diesem Falle als direktes Sprachrohr des Fürsten Bülow dient, wird auseinandergesetzt, daß nach den amtlichen im „Neichsanzeiger" abgegebenen Erklärungen über das persönliche Regiment eine weitere gesetzgeberische Behandlung zurzeit „nicht angebracht" erscheint. Tie Rode, die der Kaiser im Berliner Nathanse gehalten hat, und verschiedene andere Nebenerscheinungen hätten dazu beige tragen, in weiten Kreisen die Ueberzeugung zu festigen, daß in der Vergangenheit begangene Fehler nicht wieder gemacht werden sollen. Angesichts dieser Lage würden ver mutlich die im Reichstage gestellten Initiativanträge auf keine Mehrheit zu rechnen haben: sollten sie trotzdem nicht zurückgezogen werden, so würden die Mitglieder des Bundesrates sich an den Beratungen nicht beteiligen. Eine Reihe konservativer und liberaler Blätter schreibt in dem selben Sinne: es scheint sich also »in ein abgekartetes Spiel zu handeln. Wenn es sich um eine Parteiagitation handeln würde, möchten wir dem Bundesrate empfehlen, nach diesem Re zepte zu verfahren. Denn es gäbe kein wirksameres Material, als wenn der Reichskanzler diesen Auseinander setzungen ferne bleiben wollte. Wir kämpfen aber für die Sackse und müssen daher sagen: das Fernbleiben des Reichs kanzlers und des Bnndesrates würde einen Schlag in das Gesicht des Reichstages, eine Beleidigung des ganzen deutschen Volkes bedeuten. Wenn die Regierung etwas wünscht, z. B. 500 Millionen Mark neuer Stenern, da soll der Reichstag anfmarschieren und die Minister erscheinen. Wenn aber das Volk seine Wünsche vorträgt, wenn der Reichstag seine Forderungen aufstellt, dann will man ihre Minister und den Bnndesrat allein lassen. Welche belei digende Behandlung des Reichstages! Die Annahme, daß die Anträge zurückgezogen würden, ist eine total falsche. Die Sozialdemokratie wird sicher nicht, an? ihre Anträge verzichten. Das Zentrum denkt gleichfalls nicht daran, seinen Antrag auf Ministervcrant- wortlichkeit zurückznzichcn. Es blieben also nur die Frei sinnigen übrig, die zugunsten des Fürsten Bülow das Opfer ihres Initiativantrages bringen könnten. Wenn sie nicht von allen guten Geistern verlassen sind, dann wer- den sie sich hüten, für die schönen Augen des Fürsten Bülow sich in den Abgrund zu stürzen. Das Fernbleiben des Vundesrates oder des Reichs kanzlers aber wäre um so beleidigender, als der Reichstag das Recht hat, über gewisse Tatsachen noch genauer infor miert zu werden . Man will insbesondere wissen, ob der Reichskanzler bestimmte Garantien erhalten hat, ob er ein Schriftstück in Händen besitzt, wie es von der einen Seite behauptet, von der anderen geleugnet wurde. Man darf ßch an der leitenden Stelle nicht dem Wahne hingeben, als sei mit den letzten Debatten alles aus und spiele nun der Reichstag wieder den getreuen Knecht Fridolin, der zu alleni Ja läge. Ein solcher Schluß der „neuen Aera" ist schon deshalb unmöglich, weil das Reich noch täglich Backenstreiche als Nachwirkungen der persönlichen Politik erhält, wie den vom englischen Obcrhanse angenommenen Antrag des Lord Roberts. Der Reichstag kann nicht schon deshalb alles ver- gessen, was in zwei Jahrzehnten gesündigt worden ist, nur »veil der Kaiser im Berliner Rathause das Manuskript seiner Rede ans den Händen des Fürsten Bülow entgegen genommen hat. Ter Reichstag muß Vorbeugen, indem ihn» das Recht zusteht, die Minister zur Verantwortung zu ziehen. Fürst Bülow irrt sich, wenn er glaubt, daß die Entrüstung der Oeffentlichkeit über die verhängnisvollen Wirkungen der persönlichen Politik des Kaisers ausgc- schaltet werden könnte durch die persönliche Politik des Fürsten Bülow. Was ist dem deutschen Volke ein Bülow" Nicht mehr als Hebnka, sagt das „Berliner Tageblatt": „Er hat nur Bedeutung, so lange er die Sache des Volkes und des Reichstages vertritt. Will er den Versuch machen, sich selbst als maßgebende Instanz in den Vordergrund zu drängen, dann sagen »vir mit aller Gemütlichkeit: Fort mit Bülow"' Tie allen Feinde des Reichstages kämpfen mit aller Macht für den Absolutismus, und seit der Block existiert, haben sich Freisinnige und Nationalliberale noch immer den Befehlen dieser Leute gefügt. Tie „Berl. Volksztg." bringt über die Vorgänge in der Leitung der „Freisinnigen Vereinigung" folgende Mitteilung: „Das Kommunique, das der Wahlverein der Liberalen (Freisinnige Vereinigung) über seine Ausschußsitzungen verbreitet, ist recht unklar. Die Dinge liegen so, daß verschiedene Resolutionen Vor lagen, die die Fraktion aufforderten, die Rcichsfinanz- resorm zur Durchsetzung staatsrechtlicher und verfassungs rechtlicher Forderungen zu benutzen. Da die Mehrheit der Fraktion sich aber gegen eine solche Beschlußfassung sträubte — sie wollte sich wieder einmal „nicht binden lassen", und schwur auch ohnehin ihre Pflicht zu tun —, so wurde eine Abstimmung über die cingegangenen Anträge abgelehnt." Die Freisinnigen »vollen sich nicht binden lassen durch ihre Grundsätze und durch ihre Versprechungen, weil sie ge bunden sind durch den Block. Rüstet die Fraktionsgemein schaft zu einem neuen, zu ihrem schmählichsten Dolksverrat? Bald »vird es sich zeigen. Aber noch einmal muß cs gesagt werden: Ter Reichs- tag hat die Macht, den Widerstand der Regierung zu brechen. Die Parteien, die die Verfassungsänderung ver langen, besitzen die Majorität. Tie Regierung braucht die Steuerreform. Die Massen des Volkes sind in Bewegung und stehe.» hinter der Forderung der parlamentarischen Machterweiterung. Wenn der Bnndesrat erst seine Kassen »vieder gefüllt hat, dann braucht er den Reichstag nicht mehr. Das deutsche Volk muß darauf bestehen, bestimmte Garantien zu haben für die sachgemäße Verwendung der Steuergroichen. Tie kommende Woche führt uns entweder einen erheblichen Schritt voran, oder aber in das Zeitalter der schlimmsten politischen Reaktion zurück. Bein» Freisinn liegt die Entscheidung, ob es vorwärts oder rückwärts gehen soll. Deutscher Reichstag. Der Reichstag setzte am Donnerstag die 1. Lesung der Finanzreform wieder fort, nachdem sie auf !! Tage unterbrochen worden war. Mit einer großzügigen und wohldurchdachten Rede begann der bayrische ZentrnmSabg. Speck, der sich zur Aufgabe gestellt hatte, die Interessen Süddeutschlands und des Mittelstandes bei der Reform zu wahren. Seine Rede wurde mit großer Aufmerksamkeit entgegengenommen. Besonders treffend war der Schluß, in welchen» er auf das LtebeSwerben um die Stimme» deS Zentrums hinwies. Ihm folgte der konservative Graf v. Schwerin, der der Linken die Zuchtrute entgegenhielt mit den» Bemerken, daß sie eS sich ja nicht träuinen kaffen solle, bet der Bewilligung der neuen Steuern ihr Schäfchen scheren zu können und eine Erpressungspolitik zu treiben. Der folgende nattonalliberale Redner Dr. Weber war durch diese Drohung auch so sehr erschreckt, daß er kein Wort mehr von konstitutionellen Garantien sprach; um so schärfer ging der Sozialdemokrat Südekum auf diese ein, und forderte Garantien gegen den beweglichsten Faktor in unserer Politik. An der Hand der Statistik wies er nach, daß Fürst Bülow die Reichsfinanzen in glänzender Verfassung angetreten habe und daß ihn die Schuld treffe, wenn wir jetzt in, Elend dasäßen. lc. Berlin. Iva. Sitzung vom 20. November 1WK. Präsident Graf Stollberg eröffnet die Sitzung. Auf der Tagesordnung steht die l. Lesung der Reichs finanzreform. Abg. Speck (Ztr.1: Wenn der Abg. Gamp meinte, daß noch nie eine Finanzreform eine solche günstige Auf nahme gefunden habe, so täuscht er sich ungemein, vielmehr» hat noch nie eine Steuervorlage so viel Unwillen hervor gerufen wie diese. Dazu trug nicht wenig bei, die Art und Weise, »vie durch die Geheimniskrämerei die Oeffentlichkeit mit ihrer Kritik absichtlich zurückgehaltcn wurde: man hat den bitteren Trank dem Volke löffelweise verabreicht. Der Zeitpunkt der Einbringungen der Vorlage ist der denkbar ungünstigste. Das Wirtschaftsleben geht zurück, die Einzel staaten müssen ihre Steuern erhöhen, und grollender Un mut über unsere innere und äußere Politik macht sich breit, dabei soll nahezu der ganze Mehrbedarf den breiten Volks schichten auferlcgt werden. (Sehr richtig! im Zentrum.) Das deutsche Volk ist nicht weniger steuerfreudig als andere. Kein Volk der Erde will gerne Steuern bezahlen. Was soll der stete.Hinweis auf das Ausland. Die Steuer belastung bei uns ist nicht geringer »vie dort. In» Aus lande aber hat das Volk und das Parlament ganz andere Rechte »vie in den» deutschen Vaterlande, wenn es sich um politische Rechte handelt, dann hört man von» Bundesrats- tische nie den Hinweis auf England und Frankreich. (Sehr richtig! im Zentrum.) Wenn von der Linken gesagt wurde, daß unsere Zollpolitik uns in die jetzigen schlechten Zeiten hincingetrieben hat, so ist sie uns den Beweis hierfür schuldig geblieben. Das Gegenteil hiervon ist wahr, nament lich unsere Industrie hat unter den» neuen Zolltarif einen bedeutenden Aufschwung genommen. Von 1005—1907 stieg die Gesanltausfuhr von 6 Milliarden auf 7,5 Milliarden. (Hört!) Tie Bedarfsberechnung des Staats sekretärs ist viel zu hoch. Tie aufgeschobenen Matrikular- beiträge dürfen nicht zu abgeschobenen werden. Gewiß sind Reich und Bundesstaaten ein organisch untrennbares Gan zes, sie sind auf Gedeihen und Verderben mit einander verbunden. (Sehr richtig! in» Zentrum.) Eine Verbesse rung der Neichsfinanzen kann auch nicht darin bestehen, daß inan die neuen Lasten einfach auf die Bundesstaaten ab schiebt. Tie Frankensteinsche Klausel ist hier viel kriti siert worden, aber sie hat den Bundesstaaten ganz erheb liche Summen eingebracht, was Redner nachweist. Auch den Artikel 6 des Flottengesetzes hat man abfällig krit: siert: ich weise aber darauf hin, daß er in einem Reichs- gesetze steht, das auch die Zustimmung der Bundesstaaten gefunden hat, und es ist ein neuer Vorgang, daß inan voin Bundcsratstische sagt, inan lege auf diesen Artikel keinen entscheidenden Wert. Das Zentrum aber legt um so größeren Wert auf denselben. Herr Sydow scheint auch das Einnahmebewilligungsrccht des Reichstages gewaltig zu unterschätzen. Wenn Schulden getilgt werden sollen, sind wir ganz damit einverstanden. Tie Elektrizitätssteuer hat namentlich in den süddeutschen Staaten viel Erbitterung hcrvorgerufen und verhindert dort den kulturellen Auf schwung. Nach Durchführung der Elektrisierung der Staatseisenbahnen müßte allein Bayern 000 000 Mark Steuern an das Reich bezahlen. Man braucht sich daher nicht zu »runder»», »venu in ganz Bayern sich eininütiger Widerspruch gegen diese Steuer erhebt. Erfreulich war es auch, zu lesen, daß die bayerischen Stimmen iin Bundes rate gegen diese Steuern abgegeben »vordem sind, und ich möchte wünschen, daß der bayerische Vertreter auch hie» seine Bedenken offen vortragen »vird. Das würde einen besseren Eindruck machen, als die Rede des bancrischen Ver treters bei in Reichsvereinsgesetz. Ganz Bayern würde hinter dieser Rede stehen. (Sehr richtig! in» Zentrum.) Die Nachbißsteuer »vird von dem mittleren nnd kleinen Grundbesitze als besonders gefährlich empfunden. Nach ihrer Durchführung würden die Söhne und Töchter der Familie sich einfach den Lohn ausbezahlen lassen für ihre in der Familie geleistete Arbeit. So würde die Steuer zum Sprengpulver für die Familie werden. Das Bräunt- weinmonovol lehnen meine politische» Freunde rundweg ab, »veil es einen schweren Eingriff in die persönliche Frei heit der Produzenten darstellt. Das Projekt einer reinen Fabrikatstener unter Wahrung der Interessen Süddeutsch lands nnd der landwirtschaftlichen Forderungen halten »vir für durchführbar; dann ist es aber nicht ersordcilich, daß man erst 100 Millionen Mark Schulden macht. Die ganze Monopolvorlage trägt zu sehr den Stempel der Spiritnszentrale. Der Ruf nach Sparsamkeit erschallt nun von links nnd rechts. (Sehr richtig! im Zentrum.) auch vom Bnndesratstische. Ein wahrer Sparsamkeits- fanatisinns zieht sich durch alle Reden. (Heiterkeit.) Wenn es nur nicht geht, »vie bei der früheren Zusage des Reichs kanzlers. Gespart muß werden im Offizierskorps, aber man gebe das gute Beispiel von oben: man spare bei den Militärpensivnen nnd stelle die pensionierten Offiziere mehr in der Militärverwaltung an. Gespart kann werden bei den Paraden und Pferderationen. Welcher Luxus herrscht erst bei den Uniformen mit den» vielen Firlefanz! (Sehr richtig! im Zentrum.) Das Zentrum wird ent sprechende Anträge stellen, nnd hofft auf die Unterstützung des ganzen Reichstages: wenn dann aber nur nicht die Linksliberalen umsallen, »vie es in der Polenvorlage ge schah! Manches schöne Wort von heute »vird dann vergessen werden, nnd man »vird dann wieder vom Eingriff in die Konlma»dogewalt reden. Unsere Stellungnahme zur