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Nummer 248 — 28. Jahrgang »scheint bma> wöchrnlltch m» den illustrierten " ratirbtstage» .Die Well" nnd unsere »einen Leute", sowie den Teit- beilagen .Ti. ! en»o-Blatt", .linlerhaltung und Wissen". .Die West der ssrnu", »AerzlUckier Naigeber". .Da» nute Buch", .ssiimruniuchan". Monailtcher BeziiasVreiS S. - Ml elnscstl. Bcstellsteld. Eiuzcinnminer I" g. Sonntag,inm,»er «U g. Haupilchrtilleiter: Dr. «8. Tesczstk. Dresden. Freitag, den 2t. Oktober 1927 Slnzetnenprctsei Die lgespal »e Pelitzeiie!»« g. ssamiiien- «n,einen und Siellenaeiuche g. Die Peiiliekiamezeile. «!, Millimeter breit. 1 Offer engebiihr SN g. bei lieber» senduna durch die Post außerdem Porto-uschiag. Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Lervslichi»ng aus Lieferung iowi« iersüllung v. Anzeigen-Sluflrliacn u. Leistung v Schadenersatz, «eichäsllicher Teil: Armr Lenz, Dresden. <«eschäst»ftrNr, Drnikn.A-rlag - Germania A.-G. tiir Perlag und Druckerei. Filiale Dresden.DreSdeu-A. i. Polierslras,e I7. Fernrnt2l0l2. Postichecklonlo Dresden Mna »>au»o»lo «fadtban' DreSde» »Ir «N7IN Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsische» VolkSzeitung DreSden-AItsladl 1. Poltetttrotze 17. Fenirui 207II nnd rioir. Sie Säulen des Herkules Von Dr. Walter Hagemann. Die europäischen Brückenköpfe in Nordafrika blicken aus eine kurze Geschichte zurück. Erst 1830 schlug Frankreich in Algier die erste Bresche in die Kette der ehemals türkischen Satrapien, erweiterte diese ein halbes Jahrhundert später ostwärts nach Tunis, und erst um die Jahrhundertwende begann die Durchdringung M a r okkos. Solange noch der türkische Sultan als Kalif die islamitischen Völker geistig zusammenhielt, war es für die Kolonialmächte überaus schwer, in Nordafrika festen Fuß zu fassen, und die erbitterten Kämpfe der letztver gangenen Jahre zeigen, daß die Epoche der Eroberung noch lange nicht abgeschlossen ist. Verhängnisvoller als diese Eegenaklionen der Unterworfenen aber waren die Streitigkeiten der Kolonialmächte untereinander, welche die expansiven Energien geschwächt und vor allem im Nordwesten, in Marokko, politische Verhältnisse geschaffen haben, welche bis zu ihrer völligen Neuordnung eine an dauernde Quelle der Unruhen und Kriegsgefahr für die europäischen Mächte bilden werden. Anden Säule» des Herkules, wo Afrika und Europa am engsten Zusammenstößen, liegt der schwächste Punkt des englischen Seeweges nach Indien, und die Besetzung des die Enge beherrschenden Felsens von Gibraltar war die logische Folge einer auf Sicherung der wichtigsten Seeroute hinzielenden englischen Politik. Als daher England als Ausgleich für den erzwungenen Rückzug von Faschoda den Franzosen in einem geheimen Abkommen freie Hand in Marokko gab, musste es Vor kehrungen treffen, daß dis Beherrschung der Meerenge nicht durch die Aulieffecschaft einer >o bedeutenden Groß macht wie Frankreich gefährdet wurde. Keiner anderen Ursache als diesem englischen Wunsche verdankt es Spanien, daß ihm der nordöstliche Küstenstreifen von Marokko, die „Fassade" des Sultanats, ausgeliefert wurde, während Tanger, das afrikanische Pendant zu Gibraltar und der natürliche Eingangshafen des Landes, durch eine internalionale Verwaltung der Großmächte in seinem inarinestrategischen Wert paralysiert wurde. Frankreich sah sich gezwungen, an Stelle von Tanger das ungünstige Casablanca zum Haupthafen des Protektorates aus- zuvauen und seine Ueberlandverbindungen nach der algeri schen Provinz durch das Hinterland über Fes nach Oran zu führen. Die nominelle Selbständigkeit des Sultanats, die Zwitterstellung des Salifa in der spanischen Zone sowie die Vorrechte der Algeciras-Mächte sorgten dafür, daß di« marokkanischen Verhältnisse bis zum Weltkriege den Stempel der Vorläufigkeit und Unbeständigkeit trugen. In den F r i e d e n s v e r t r ä g e n mußten Deutsch land und Oesterreich aus der Reihe der beteiligten Mächte ausslheiden, und 1023 kam nach langen Verhandlungen eine neue Vereinbarung zustande, welche die Nolle der Mächte in Tanger und in der französisch-spanischen Sultanatszone endgültig regeln sollte. An dieser Verein barung nahmen jedoch nur England, Frankreich und Spanien teil, während die Vereinigten Staaten und Ita lien sich ausschlossen. Diese Uebereinkunft gab Frankreich in Tanger den überragenden Einfluß, und Spanien wehrte sich vergeblich gegen diese Schmälerung seiner Rechte. Primo de Nioera, der gerade während der Verhandlungen die Zügel der spanischen Politik ergriff und innerpolitisch zunächst vor einer schwierigen Lage stund, sah sich gezwun gen, der Sicherheit seiner Stellung das außenpolitische Interesse zu opfern und einen Vertrag zu unterschreiben, welcher Spanien auf die Dauer von 12 Jahren an die An erkennung des bestehenden Zustandes band. Aber die bald darauf ausbrechends Erhebung in der spanischen Zone zeigte, welche Gefahr die Internationalisier»»» dieser wichtigsten marokkanischen Stadt für di« spanische Kolonialstellung bedeutete. Wenn schon Spanien an seiner von England geschaffenen Position auf dem afrikanischen Kontinent festhalten sollte, so war der Besitz dieser Stadt eine wirtschaftliche und militärische Notwendigkeit, denn von diesem neutralen Boden aus konnte jederzeit die revo lutionäre Flamme im benachbarten Riff aufs neue geschürt werden. Tanger spielte in den Kämpfen Abd el Krims eine ähnliche Nolle, wie in den chinesischen Bürgerkriegen die internationalen Niederlassungen, welche den Revo lutionären stets eine sichere Basis für ihre Unternehmun gen und eine Zufluchtsstätte bei ihrem Fehlschlag boten. Dies ist der Grund, warum trotz der Unterzeichnung des Tangerstatuts heute die Okkupation der Stadt von dem spanischen Volke mit solcher Dringlichkeit verlangt nnv von Primo de Nioera bei ledem Anlaß in die Debatte ge worfen wird. Sonnabend Stellungnahme -er Bergarbeiter — Die Technische Nothilfe in Böhlen und Kirschfelde bleibt Reachko« Sie bitte den literarischen Ratgeber „Das gute Buch" in der heutigen Stummer! Berlin. 2V. Oktober. Heute vormittag 11 Uhr ist, wie bereits berichtet, ein Schlichtungsausschuß bei der Schliclstungskammer zusammengeiretcn, der den Versuch zur Beendigung des Konflikts im mitteldeutschen B r u u n koh l e n r e v i e r mache» wird. Be! einem solchen Schlichtungsverfahren handelt es sich nicht darum, daß der A r b e i t s m i n i st c r persönlich oder dessen Beauftragter eingreift, sonder» der Schlichter ist an keinerlei Weisungen gebunden. Es handelt sich allo bei dem Schiedsspruch nicht um ein Votum des Neichsarbe'ttsministc- riums. Der Schlichter Hai vielmehr auf Grund der Verhand lungen eine Meinung zu bilden, und der Schlichtungskainmer einen Spruch abzugeben. Es kommt dann darauf an, ob dieser Schiedsspruch für verbindlich erklärt wird. Dies tritt ein, wenn das öffentliche Interesse cs erfordert. Zum Schlichter für die Schlichiungsverhandlungcn im mitteldeutschen Braunkohlenkonflikt ist wiederum Professor Brahn bestellt worden. Halle, 20. Oktober. Die Zentralstreikleitung hat für Sonnabend eine Dele giertenkonferenz der Bergarbeiter nach Halle einberusen, die zu dem Ergebnis der heute stattsindcnden Verhandlungen im Reichsarbeitsministcrium Stellung nehmen und über einen eventuellen Schiedsspruch entscheiden wird. Dresden. 20. Oktober. Gestern fanden iin sächsischen Wirt sch asts- m i n i st c r i u m Verhandlungen mit den Vertretern der Lei tung des Braunkohlenarbeiterstreikes statt, die die Forderung erhoben, es möchte die Technische Nothilse und die zu ihrem Schutze eingesetzte Sicherheitspolizei in Böhlen und Hirsch- felde zurückgezogen werden. Da die Vertreter der Streik leitung erklärte», daß sie nur bereit seien, als Notstands arbeiten die Versorgung der Wasserwerke, Krankenhäuser und ähnlicher Anstalten mit Strom zuzulasten. die Stromversor gung für gewerblich und landwirtschaftlich Betriebe und für die Straßenbahnen aber ausdrücklich ablehnten »nd auch die Stromversorgung der Haushaltungen nicht im erforderlich» Umfange sicherstellen wollten, so war der Wirtfchaftsminister nicht in der Lage, die Tech nisch« Nothilse, die nur für die Ausrechterhaltung des Betrie« ziehen, da er nach der Berordung des Reichspräsidenten vom bes in den elektrischen Kraftwerken eingesetzt ist, zuriickzu- ziehen, da er nach der Verordnung des Reichspräsidenten vom 10. November 1920 verpflichtet ist, die Stromversorgung der Bevölkerung, falls sie ganz oder teilweise bedroht ist, sicher- zustsllen. Ein Einsatz von Technischer Nothilfe für di« För derung von Kohlen zum Absatz und für die Briketterzengung ist nirgends erfolgt. Zu dieser amtlichen Meldung über die Verhandlungen im Wirt>chstsmi»isteri»m -eilt der Verein Sächsischer In dustrieller u. a. mit: Die Regierung erklärte, das sie nach der Verordnung Hs Reichspräsidenten sEberi) vom 20. November 1920 sich verpflichtet fühle, mit allen Mitteln die Versorgung des Landes mit elektrischer Energie zu gewährleisten. Ans die Frage des Vertreters der Sächsischen Regierung, ob die Gewerkschsten bereit seien, im Sinne der Negierung, die Notstanosarbeiten zu verrichten, erfolgte die Antwort, daß die Gewerkschaften in diesem Umfange Nolstandsarbeile» nicht ausführcn könnten. Ihrer Auffassung nach, erfahre die Ver ordnung vom November 1920 durch die Sächsische Regierung eine unzulässige Auslegung. Sollte infolgedessen die Regie rt ng deni Wunsche der Gewerkschaften, die Teno zurückzu- ziehcn. nicht entspreche», würden dis Gewerkschaften ge zwungen sein, sämtliche Notstandsakbe-tsn auch aus den übri gen bestreikten Brannkohlenbetrieben Mitteldeutschlands ein zustellen. Die Regierung erklärte, daß sie es der Allgemein heit gegenüber nicht verantworten könne, die Stromversor gung des Landes in der Weise zu gefährden, wie es der Fall sein würde, wallte man den Wünschen der streikenden Berg arbeiter entsprechen. Sic lehnte infolgedessen ein Eingehen aus die Forderungen der Zentralstreikleilung ab. Die Lage im SLreikgebiel Leipzig, 20. Oktober. Die Lage im Streikgebiet der Amtshauptmannschast Borna. Leipzig und Grimma hat sich nicht wesentlich geändert. Allerdings ist auch weiter eine Zunahme der Streikenden zu verzeichnen, z. B. sind die Belegschaften der beiden Werke Brüunsdorf nnd Witznitz nach dem heutigen Schichtwechsel stark znrückgegaiiae», so daß dort mir nach eine gewisse Anf- a'cheitnng stattfindet. Die Ruhe und Ordnung ist in keiner Weise gestört worden. Eine eventuell notwendig werdende Kahlenversorgung der Leipziger Krankenhäuser. Kliniken und sonstigen sozialen Institute ist van der Zentralstreikleilung in Halle als selbstverständlich zugesichrt. Nach dem bisherigen Verlauf des Streikes ist auch bis zu seinein Abschluß mil einer ordnungsgemäßen Führung durch di« Gewerkschaften z>' rechnen. auch im RuhrgeMs;? Esten, 20. Oktober. Die Bergarhitsrverbänüe hatten den Zechcnverband um Unlerhandlungen über eine außertarifliche Lohn erhöhung ersucht. Der Zechenverband bedauert in seiner Antwort, dem Ersuchen nicht entsprechen zu können, da er einen Grund der Lohnerhöhung wegen der Verhältnisse nicht anzuerkennen vermöge. Im übrigen habe sich die wirt schaftliche Lage des Rnhrhrgbanes in den letzten Monaten derart verschlechtert, daß die Verhandlungen eher eine Lohn- Herabsetzung als eine Lohnerhöhung bedingen würden. Berlin, SO. Oktober. Der Reichspräsident empfing gestern den Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium Dr. Gesb znm Vortrag übe? die Strelklage?m Brannkohlengebiet. Die übrigen Großmächte sind zu diesen Wünschen nicht stumm geblieben. Zwar ist es dem Diktator gelungen, Italien, den am wenigsten interessierten Teilhaber, durch die Gewährung wirtschaftlicher Gleichberechtigung in der spanischen Proteklaratszone zu einer Unterstützung seiner Wünsche zu gewinnen. Auf das schärfste dagegen wehrt sich di« französische Politik und öffentliche Meinung gegen eine endgültige Ausgabe dieser Stadr, n>elc!)e nach französischer Ueberzeugung, und, müssen wir hinzusügen, nach wirtschaftlichen Zivangsläufigleiten. einen noiwendi- wenn man glauben wollte, daß dieser Schritt ohne schwere innere Erschütterungen getan werden könnte. So gern eine europäische Nation geneigt ist, einen ihr angeboteilen Vesitztiiel ohne Abwägung möglicher zukünftiger Kata strophen anzunehmen, so tief verletzt es ihre nationale Ehre, diesen aus Gründen der Politik oder finanzieller Nöte wieder zu opfern. Und so sehr ein glücklicher Land erwerb «ine Regierung beim Volke beliebt machen und es den Verlust politischer Freiheiten und Rechte vergessen lassen kann — man denke an Mussolini, an Bismarck! — so verhängnisvoll könnte der Verzicht einer absoluten Re gierung auf nationales Gut, auch auf kaum erworbenes und nutzloses, für deren Bestand sein. Es ist bekannt, daß Primo de Rivera vor seiner Diktatorschaft jahrelang gegen das Maroktoaöenteuer gearbeitet und die Liguidation des verfahrenen Unternehmens nur ungern in die Hand ge nommen hat. Mit der glücklichen, wenn auch opferreichen Durchführung des Marokkofeldzuges aber hat sich der Diktator ein solches Maß von Popularität und Rückhalt in den nationalen Kreisen des Landes gesichert, daß er sich mit einem Verzicht die Fundamente keiner volitifchen Position selber entziehen würde. Schließlich ist cs sogar die Frage, ob England diese Rückgabe des anvertrauten Gutes überhaupt erlauben würde, denn die Gründe, welche zu seiner Uebertragung führten, lrestehen heute in verstärktem Maße fort, und die Ausführung der spanischen Drohung, Marokko zu räumen, welches s. Zt. die Kolonial mächte in Erregung versetzte, würde notwendig zu einem akuten Ansbruch der marokkanischen Krise führen müssen. P"n Bestandteil des marokkanischen Protektorats bildet p - gerade jüngst durch die endlich sertiggeftellte Bahn- verbttidiliig mit Fes seine Bedeutung als wirtschaftliches Einsallstor in den Kontinent erneut bewiesen hat. England würde, vor dieWaht zwischenFrankreich undSpanien gestellt, zweifellos der schwächeren Macht als Territorialherr den Vorzug geben, besteht aber, da die Stadt aus außenpoliti schen Gründen nun einmal nicht englisch werden kann, darauf, daß sie zum mindesten iniernational bleibt, und sucht daher den statt,.-, g»o mit allen diplomatischen Mit teln zu schützen. Hierbei hat sich die englische Politik ge schickt hinter Frankreich gestellt und verlangt, daß jeder Debatte über eine Revision des gegenwärtigen Zustandes eine llebereinkunft zwischen den Hauptinteresse»!,.'» Frank reich und Spanien vorausgehen müsse. Da aber weder Primo de Nioera noch der Quai d'Orsay aus Gründen des nationalen Prestige und kolonialer Notwendigkeiten auf Tanger Verzicht leisten können, so ist eine England uner wünschte Einigung der beiden Partner völlig ausgeschlossen. Für eine Ausgabe Spanisch-Marokkos sind in Szmnien mährend des A bd el Krim-Krieges viele Stimmen laut geworden, bildet doch dieser Besitz e'iie dauernde militärische und finanzielle Lklastung. oline wirtlchaftliche