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Muer Tageblatt „dm,, »I, fto,!,»!«> i»t-,„n. — «rschilo« wirkt»,llch. f«rnspr»ch»Nafihlu« Nr. SS. /inzeiger für öas Erzgebirge p«ltt,«ti, fttr au» ^u, uni U»or,«u» «« «»Itptianl,,. «u«, »ürtt,, >»«,«>,»n « U«klam,.p,Ntz,tl, ,» «,t»ps,nnl,< amtltch, S»tl, « »»ltpfinnt,,. lrirgramm», Lag,blatt fturrrzg.birs«. Enthalten- -le amtlichen 0ekanntmach«ng»a -es Kate» -er Sta-t ««- -e» flmtsgrrlcht» Hne. p»üfch,«.e»ni» «Mt Lrtpzis Nr. 1»», Nr. 2^8 Ireitag. äen 23. Oktober IS2S 20. Jahrgang Urteile über den Vertrag von Locarno. Skrzpnskp über -en Vertrag von Locarno. Warschau, 21. Okt. Außenminister Gras SkrzhnSki gab heute mittag im auswärtigen Ausschuß de» Point- ch«n Landtages seinen erwarteten Bericht über das Er gebnis der Konferenz von Loearno. Einleitend erläu terte er die Bedeutung de» Rhetnpakte» für Polen. Es ergibt sich jetzt die wichtige Frage, so führte der Minister aus, ob dieser Pakt nicht eine eiserne Barriere bildet, die in Zukunft Frankreich vom übrigen Europa trennt und ob Frankreich das Recht hat, uns zu Hilfe zu komi- men. Ter Pakt sagt ja, denn aus Grundlage des Ar tikels 16 der P^lkerbundssatzung kann Frankreich für den Fall, daß Polen von Deutschland angegriffen wird, uns zu Hilfe kommen. Was da» neue polnisch-franzö sische Bündnis anbetrifft, so mutz gesagt werden, daß es die früher abgeschlossenen Verträge nicht annulliert. Tie Aufgabe des deutsch-polnischen Schiedsvertragc» ist. -lle Rechtsstreitigketten durch obligatorische Schiedsge richtsbarkeit, alle materiellen Interessengegensätze durch ein nicht verpflichtendes Schiedsverfahren auS dem Weg zu räumen. Cs ist klar, daß Rechte, die -sich aus be stehenden Verträgen ergeben, wie z. B- der Besitz eines Landstriches, bei diesem Verfahren nicht zur Diskussion gestellt werden können, denn die internationalen Tri bunale sind bei Abänderungen der bestehenden Vertrüge nicht zuständig und auch das Schlichtungsverfahren kann nicht zur Aenderung eines grundlegenden Rechtes irgend eines Staates ohne beiderseitige Zustimmung führen. — Niemand fuhr nach Loearno, um irgend jemand zu besiegen. — Es wäre Zeit, die Menschheit erkennt, daß inan das Wohl des einen Staates nicht auf das Un heil des anderen gründen kann. — Wir fanden in Lo earno volles Verständnis für unseren Standpunkt Lei Chamberlain. Wir erreichten außerdem die Verstärkung des Bündnisses mit Frankreich. — Die FriedenSdiSküs- sion war notwendig, um von vornherein den franzö sischen Soldaten zu überzeugen, daß die verantwortli chen Männer stets alles tun, um einen Krieg zu 'ver meiden. — In Locarno wurde eine politische und eine moralische Festung errichtet, die zur Vermehrung der Sicherheit des polnischen Staates beiträgt. Amerikanische ölätter zum Locarno-Pakt. Newhork, 21. Okt. „World" sagt über die Verträge von Locarno, sie seien die Urkunde der Fortschritte, die Europa in der Richtung einer verläßlicheren Verteilung der Kräfte gemacht habe. Dies sei das Ergebnis des Zusammenbruchs des Ruhr-AbenteuerS, des Sturzes Potncares, des Wahlsieges des französischen Liberalis mus, der Markstabtlisierung in Deutschland, des Erfolge» des TawesplaneS, der Zusammenarbeit deutscher und französischer Geschäftsleute im Rheinland sowie der Schwächung des französisch-polnischen Bündnisse» und der zunehmenden deutsch-englischen Annäherung. Aber auch an den Texten des Locarno-Vertrages hafte noch ein Ueberrest der Kriegsgesinnung. Noch immer sei Deutschland besetzt, noch immer sei es als waffenloses Land von mächtig gerüsteten Völkern einMschlassen; noch immer sei es unter wirtschaftlicher Kontrolle der Alli ierten; noch immer bleibe es in aller Form rechtens zum einzigen Urheber des Kriege» erklärt; noch immer lebe es unter unmöglichen Bestimmungen über seine Grenzen im Osten. Ehe diese Unbilligkeiten nicht end gültig abgetan seien, sei auch der Krieg nicht endgültig abgetan. — „Newhork Herold and Tribüne" sagt, das Erfreulich«, das sich bei der Durchsicht der Verträge zeige, sei ihre hervorragende Praktische Anwendbarkeit. In Amerika werde auch nicht die flüchtigste Neigung auf treten. die neue Solidarität Europas Übelzunehmen. Sie sei genau das, worauf die amerikanische öffentliche Mei nung gehofft habe. hollänöische ölätter zu Locarno. Haag, 21. Okt. Tie gesamte Morgenpresse verösfent- lichi an erster Stelle den Text der Locarno-Verträge, bisher jedoch im allgemeinen ohne Kommentar. „Nieuwe Rotterdamsche Courant" bringt eine überaus günstige Besprechung. Der deutsche Reichskanzler Tr. Luther und Außenminister Dr. Stresemann hätten den richti gen Augenblick ausgenutzt, um das Unternehmen zu wa gen. Hätten die beiden Staatsmänner versucht, die Tinge zu forcieren, und erst die Bezahlung verlangt, so wäre das Werk vernichtet worden und Deutschland wäre vor der ganzen Welt mit dem Odium hierfür-'be lastet worden. Deutschland habe nun aber etwas er reicht, wonach es seit 1914 vergeblich strebte: die Shm- pathie der ganzen Welt. Aus diesem Grund« könne Frankreich selbst dann, wenn es dies wolle, sich seinen Verpflichtungen nicht entziehen, ohne die ganz« Welt gegen sich zu hüben. Selbst wenn ^unerwartete Ent täuschungen eintreten sollten, seien die Politischen Vor teile stets auf Seiten Deutschlands. Deutsche Staatsmän ner hätten nach dem Beispiele Bismarcks da» Spiel ge wagt, und wer nicht wage, gewinne bekanntlich nicht. Um -ie käumung -er Kölner Zone. Berlin, 22. Oktober. Wie mehrere Blätter zu mel den wissen, düxfte die deutsche Regierung in Kürze die letzte Entwaffnungsnote der Botschafterkonferenz beantworten, j Gleichzeitig oder kurz darauf tverden Berichte der interalli ierten Militärkontrollkommission an die Botschasterkonserenz erstattet werden. Die Kabinette in London, Brüssel und Paris werden sich dann mit den an die Botschafterkonfereu,' adressierten Dokumenten beschäftigen und es sei, wie da' „Berliner Tageblatt" schreibt, zu erwarten, daß die Besch"" entsprechend der von Chamberlain in Locarno übernommen-- moralischen Bürgschaft für eine entgegenkommende und be-! friedigende Lösung ausfallen werden. Der Botschaftcrkonfe- renz würde dann die Rolle zufallen, Deutschland von der ge troffenen'Entscheidung zu unterrichten. Die lange verzögert, Räumung der Kölner Zone köntte dann zum technisch mm- Räumung der Kölner Zone könnte dann zum technisch mög- Vorbereitung zur formellen Unterzeichnung des Vertrages von Locarno? London, 21. Oktober. „Evening Standard" zufolge werden bei der formellen Unterzeichnung des Paktes von Locarno in London alle Alliierten unk die deutschen Verlrcw und Sachverständigen, die an der Konferenz von Locarno teilgenommen haben, anwesend sein. Vir Mlnlsterprüst-rnten -er Län-rr für -en Vertrag von Locarno, Berlin, 21. Okt. Die Berichterstattung der deutschen Delegattonsmitglieder wurde heute vor den Minister präsidenten der deutschen Länder, die am Vormittag in der Reichskanzlei, zu einer Sitzung zusammentraten, fortgesetzt. Ministerialdirektor Dr. Gau» interpretierte die Verträge ausführlich. Ter Außenminister sprach über die Zusicherungen der französischen und englischen Delegierten und d'e zu erwartenden ru»ged«hnten Rück wirkungen. Ti« Ministerpräsidenten stimmten der all gemeinen Auffassung zu, da- di« Lerträge nur Mter- zeichnet werden konnten, wenn die gegebenen Zusagen erfüllt werden. ' Seratungen öer keichstagsfraktionen. Berlin, 22. Okt. Me Reichstagsfraktion der Deut schen Volkspartei ist auf Dienstag, den 27. Oktober, zur Beratung des Vertrages von Locarno einberusen worden. Wie die „Deutsche Tageszeitung" mitteilt, kam die deutschnationale ReichstagSfraktion bei ihren Beratungen über das Ergebnis von Loearno gestern in den späten Abendstunden zu einem Beschluß, der heute dem Aus wärtigen Ausschuß des Reichstages bekanntgezeben. wer den wird. Wie das Blatt bemerkt, entspricht der Be schluß der bekannten grundsätzlichen Stellungnahme der Partei. Die Abgesandten der Deutschnationalen haben, wie ver bautet. den Reichskanzler davon unterrichtet, daß innerhalb des deutschnationalen Parteivorstnndes ernste Bedenken be sehen, und zwar erblickt man diese in der Hauptsache in der Belastung des Locarnoer Vertrages durch den französisch-pol nischen und den französisch-tschechischen Sondervertrag. Dr. Luther wies in seiner Erwiderung darauf hin, daß die deutsche Delc- gation nach wie vor den Standpunkt vertrete, daß der Ver trag von Locarno nicht ohne praktische Rückwirkungen bleiben ürfe, daß er sich aber in der Voraussetzung der Durchführung dieser Rückwirkungen für die Unterzeichnung des Vertrages verbürgt habe und alle Mittel erschöpft werden müßten, um unter diesem Gesichtspunkt seine Pläne durchzuführen. Srvorstrhrn-r verhan-lungrn ln -er Enttvaffnungsfragr. Berlin. 21. Okt. Wie von unterrichteter «eite ge meldet wird, steht in der EntwaffnungSfrage ein neuer Notenwechsel bevor, nachdem grundsätzlich in Loearno verabredet worden sei, die Angelegenheit bald und end gültig zu erledigen. AllerdinO 'haben in dieser Frag« nach Loearno noch kein« Verhandlungen begonnen, viel mehr bedeutet der in den nächsten Lagen bevorstehende Notenwechsel zwischen Leutschland und den einzelnen Alliierten den Beginn «ine» versuche«, di» Frage zu regel«. Graf Alebelsberg über ungarische Aulturpolttik. Berlin, 21. Okt. Auf Einladung des Präsidenten der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, des frü heren preußischen Kultusminister» Dir. Schmidt-Ott hielt der ungarische Unterrichtsmtntster Graf Kuno Klebels- berg heute abend in der alten Aula der Universität vor einem zahlreichen Publikum einen Vortrag über un garische Kulturpolitik seit dem Kriegsende. Nach eini gen Worten de» Danke», die der Minister iM Namen Ungarns der großen deutschen Nation widinete, gab er eine eingehende Darstellung der neuen Kulturpolitik in Ungarn. Er legte einleitend dar, wie sehr diese Kultur politik durch die Hauptmomente einer tausendjährigen Geschichte bedingt sei, und wie sehr sich dieselbe an alte traditionell« ungarische Institutionen anschließe, und führte dann weiter aus: Ta» neue kulturpolitisch« Pro gramm Ungarns kann mit den Worten „Dezentralisa tion" und „Selbstverwaltung" bezeichnet werden. Me ungarische Geschichte weist dieselbe Tendenz zur kultu rellen Dezentralisation auf, wie wir sie iM alten Grie chenland und in dex deutsches Vergangenheit finden. Erst die neue Entwicklung versuchte eine einheitliche Zentralisierung in der rasch aufblühenden Hauptstadt nach römisch-französischem Muster einzuführen. Tiefe Neuerung unterbrach die folgerichtige Entwicklung dpr ungarischen Kultur. Tie neueste ungarische Kulturpoli tik unternahm es, mit dem System der Zentralisierung endgültig zu brechen und die ursprüngliche .Linie der kulturellen Dezentralisation wieder aufzunehmen. Tiefem Ziele sollte die Errichtung der Preßburger und Debreziner Universität dienen, und aus diesem Ge sichtspunkt ist auch die Verlegung der Preßburger Uni versität nach Fünskirchen und die der Klausenburger Uni, versität nach Szeged in zu bewerten. Tret Provinzstädte sind auf diese Weise zu Universitätsstädten und zu neuen Bildungszentren für ganze Landesteile geworden. Ter Grundsatz der „Selbstverwaltung" wurzelt auch in der ungarischen Ueberlieferung. Ta die ungarische Nation im Laufe der letzten vier Jahrhunderte sich ge gen die Tendenzen des österreichischen Zentralismus zu erwehren hatte, so trachtete sie den Wirkungskreis' der autonomen Körperschaften möglichst zu erweitern und auch dem Gebiete der höheren Kultur Autonomien zu schaffen. Solche selbständige Selbstverwaltungskörper waren in kultureller Beziehung die ungarische Akademie der Wissenschaften, die Universitäten und die Kirchen. Tie neue ungarische Kulturpolitik brachte das Prin zip der Selbstverwaltung auch auf anderen Gebieten zur Durchführung und schuf vor allem in der Form einer „Universität der öffentlichen Sammlungen" eine Kör perschaft, die die Landesmuseen, Archive und Biblio theken in einem gemeinsamen Rahmen zusammenfaßt. Dabei wollte man einerseits Pt« Möglichkeit des Ein dringens der Parteipolitik in die Regionen der höheren Kultur von vornherein ausfchließen, andererseits aber den wissenschaftlichen Geist in diesen Instituten neube« leben und stärken. In weiterer Verfolgung dieser beiden Grundprin zipien ist Ungarn eben im Begriff, die Unterrichtsver waltung in vier Kulturprovtnzen aufzuteilen mit dem Sitz in den vier Universitätsstädten und mit Einbe ziehung der betreffenden Universitäten. Diese ganze kulturpolitische Neubegründung ist von dem Gedanken einer Anlehnung an die westeuropäische Kultur durch drungen. Sie will einerseits die nationale Eigenart schützen, andererseits aber jede geistige Isolierung ver meiden. Tabei knüpft sie an die kulturpolitische Orien tierung des ersten ungarischen Königs Stefan de» Hei ligen und seiner bedeutendsten Nachfolger an. Ter Ein fluß der deutschen Kultur stand in dieser westlichen Orientierung im Vordergrunds. Auch die neue Kultur politik Ungarns will diese deutsch« Verbindung weiter ausbauen und ihr soll auch da» neue ungarische For scherheim in Dahlem gewidmet lein. Das Dahlemer Collegium Hungarium soll einesteils die ungarischen Oberlehrer für die deutsche Sprache sichern, anderleils als Heimstätte sür jüngere ungarische Forscher dienen. Die Kenntnis der deutschen Sprache ist für da» mittler« und höher« ungarisch« Schulwesen von größter Wichtig kett, weil die kürzlich vorgenomMen« Reform desselben nach deutschem Muster durchgeführt wurde, und weil in allen Schultypen der deutschen Sprach« und Litera tur als obligatorischen Unterricht-gegenständ eine be deutende Nolle zitfällt. Nachdem der Minister noch über die bevorstehende Reform de» ungarischen Boll-schuvvesen» gesprochen hatte, schloß er mit einem Hinweis auf die Aufgaben der Zukunft. Mir, die wir militärisch entwaffnet sind, haben unser« ganzen Kräfte auf «in Ziel eingestellt r da« geistig« Rüstzeug de« früheren großen Ungarn soll fÜIr Rumpsungarn unvermindert eichalten bleiben, da» spe«