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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.08.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187408137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18740813
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18740813
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1874
-
Monat
1874-08
- Tag 1874-08-13
-
Monat
1874-08
-
Jahr
1874
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.08.1874
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Erschrklt täglich früh 6'/, Uhr. Lrbattl», »ab trpebtlioa . JohanniSgasse 33. Berantw. Redacteur Fr. -ülliur Sprechstunde L. Redactioa Ivvrmmagl v»n >1 -12 Udk Nachmittag« vo» 4—L Uhr. Annahme der für die nüchst- rolaende Nummer bestimmten Inserate an Wochentagen bis 3 Uhr Nachmittags, an Sonn- and Festtagen früh bis '/,v Uhr. Ftltalr für laseralriiaimahme: Otto Klemm, UniversttätSstr. 22, LoUtS Lolche. Hainstr. 21, pan. Tageblatt Anzeiger. Organ für Politik, Lvcalgrschichte, Handels - »nd GeschWvnkebr. II.8S» Abonnemknia-rets - rierteljührlich 1 Lbkr. 1t Rar., iiicl. Bringerlohn 1 Thlr. 2üNgr. Jede einzelne Nummer 2'/, Ngr. Belegexemplar 1 Ngr. Gebühren für Extrabeilagen ohne Postbesörderung 11 Thlr. mit Postbesörderung 14 Thlr. Inserate 4gespaltrueBourgoiszeile 1 V,Ngr. Größere Schriften laut unserem PreiSverzeichniß. Leclamra nntrr d. Xedactionosirtch die Spaltzeile 3 Ngr. Inserate sind stets an d. Erpedttio» zu senden. 225. Donnerstag den 13. August. 1874. Bekanntmachung. Unter Berichtigung unserer Bekanntmachung vom 3. August dieses JahreS bringen wir andurch zur öffentlichen Kenntniß, daß die in der Tüdsikraße gelegenen Grundstücke mit folgenden Straßen nummern versehen worden sind: F. A. Wagner, Nr. 9 Abth. 6 des Brand-Cat. M. Pathe, Nr. 3 Abth. L des Brand-Cat. M. Pathe, Nr. 4 Abth. L deS Brand-Cat. Nr. 1. das Grundstück des Herrn C. - 2—4. Baustellen. - 5. das Grundstück deS Herrn F. - 8. bas Grundstück des Herrn F. - 7—25. Baustellen. - 28. das Grundstück des Herrn Eduard Pfaffendorf, Nia S Abth. I) des Brand-Cat. - 27. daS Grundstück des Herrn F. W. Richter, Nr. 3 Abth. v deS Brand-Cat. - 28. das Grundstück der Frau verw. Bergmann, Nr. 2 Abth. v des Brand-Cat. - 29. das Grundstück des Herrn F. W. Wichter, Nr. 1 Abth. v deS Brand-Cat. Leipzig, am 11. August 1874. Der Rath der Stadt Leipzig. " ' ^ Me vr. Koch. kesserschmidt. Sitzung -er Stadtverordneten am 11. August. * Leipzig, 12. August. In der wegen der dring lichen Angelegenheit der Verlegung des Kohlen- Bahnhofes anveraumten außerordentlichen Sitzung führt Herr Vicevorsteher Gvtz den Borsitz. Es gelangt zunächst ein längeres Schreiben des Herrn Vicebürgcrmeifiers vr. Stephani zum Bortrag, worin Derselbe seinen Dank für die chm seitens des CollcgiumS für die geleisteten Dienste gewordene Anerkennung und für die hinsichtlich der Pensionirung bewiesene Liberalität auSspricht. Der Rath theilt mit, daß das königliche KriegS- ministerium Anstand genommen habe, auf die käuf liche Ueberlassuna von städtischem Areal in der Nähe vom Thonberg zur Errichtung einer Jnfan- terie-Caserne einzugehen, Hauptsächlich aus dem Grunde, weil chin der geforderte Preis von 5000 Thlr. für den Acker zu hoch erschienen ist. Das Kriegsministerium hat das nöthige Areal sich anderweit durch Ankauf von Privaten be schafft. DaS Collegium läßt cs bei dieser Mit- theilung bewenden. Der Rath theilt ferner mit, daß er dem Be schlüsse bas Collegiums, die Pension des Herrn Bicebüraermeisters vr. Stephani auf jäbrlich 2000 Thlr. festzusetzen, beigetreten ist. Das bereits nn Tageblatt veröffentlichte, vom Staatssccretair Herrn v. Bülow im Aufträge des Reichskanzlers Fürst Bismarck verfaßte Antwort schreiben auf die seitens des Collegiums an Letz teren gesandte Gluckwunschadreffe kömmt zur Ver lesung. Die Kreisdirection hat die Amtsniederlegung des Herrn Viccbürgermeisters vr. Stephani und die Wahl des Herrn Bürgermeisters Dietel in Wurzen zum besoldeten Stadtrath genehmigt. Der Rath fordert das Collegium auf, nunmehr zur Neuwahl des VicebürgcrmeifterS zu verschrecken. .Herr Adv. Ludwig bittet mit Rücksicht auf die ihm in seiner Eigenschaft als LandtagSabge- ordneter erwachsende lTbätigkett und noch andere Behinderungen der Mitgliedschaft deS Collegium« entbunden zu werden, und eS wird einstimmig beschlossen, dieses Gesuch bei dem Rath zu befür worten. Herr Otto Meißner und 15 Genoffen bringe» einen dringlichen Antrag ein, wonach der Aus schuß für Markt- und Industriewesen beauftragt werden soll, über die Verordnung deS RatheS, die Hohe und Breite der Marquisen betreffend, Bericht zu erstatten. Das Collegium genehmigt den Antrag. Herr Vicevorsteher Götz bringt nun ein aus führliche-Schreiben deS Rathes, die Verlegung de- KohlenvahnhoseS betreffend, zum Bor trag. Der zwischen dem Rath und der General- direction der Staatsbahnen hierüber geschloffene Vertrag war bereits in der Sitzung am 15. Juli Gegenstand der Berathung gewesen. DaS Col legium hatte damals den Vertrag unter ver schiedenen Bedingungen genehmigt, u. A. daß der Kohlenbahnhof weiter hinaus und zwar jenseits der 60 Ellen breiten ersten Querstraße des südvorstädtischen Bebauungsplans errichtet, die Kosten des neuanzulegenden großen Straßen- viaducts.von der Staatseisenbahn-Verwaltung getragen werden :c. Der Rath bemerkt in seinem Schreiben, es sei gar keine Hoffnung vorhanden, daß die Generaldirection aus diese Abänderungen de« geschloffenen Vertrages eingehen werde. Der Gemeindeverwaltung stehe nicht das geringste Recht zur Seite, die Staatsbahnverwaltung zu zwingen, den neuen Koblenbabnhos auf die von den, Col legium gewünschte Stelle zu verlegen. Die Generaldirection lege ein großes Gewicht darauf, daß der Kohlen- und der Producten-Bahnhof nicht vom Hauptbahnhof getrennt würden. Neuerliche Entscheidungen der kompetenten Behörden ließen klar erkennen, daß ein etwaiger Widerstand der Gemeindeverwaltung in dieser Beziehung zu keinem Resultat führe. So sei der eingelegte Protest gegen die Lage des neuen Güter-Centralbahnhofes >n Rordost der Stadt zurückgewiesen und der Stadt lediglich gestattet worden, einen Viaduct in der Richtung von der Tauchacr Straße nach dem Berliner Bahnhof aus ihre Kosten zu errichten. (Sensation.) Nächstens würden die Expropriations- Verhandlungen in Bezug auf diese Angelegenheit beginnen. Der Rath ersucht aus diesen Gründen, und da der Vertrag unläugbar große Bortheile der Stadt biete, demselben nunmehr bedingungslos beizutreten. Komme der Vergleich nicht zu Stande, so werde die Generaldirection der Staatsbahnen das Expropriatiouögesetz zu Hülfe nehmen und so ihren Willen durchsetzen. Darauf deute schon daS Schreiben der Generaldirection von« 7. August entschieden hin, in welchem die Erklärung ent halten sei, daß, wenn bis 15. August eine Verein barung nicht zu Stande gekommen, dann der Antrag auf Anwendung des ExpropriationsgesetzeS bei dem Finanzministerium gestellt werden würde. Herr Götz glaubt, daß Gefahr im Verzüge sei. Die Sache liege noch genau so, wie bei der erst maligen Berathung, ein neuer Gesichtspunkt sei nicht aufgetaucht. Komme der Vertrag nicht zu Stande, dann entstehe für die Stadt die große Gefahr, daß der Kohlenbahnhof von seiner jetzigen Stelle gar nicht wegkomme und daß dann die äußere Südvorstadt von der inneren Stadt gänz lich abgeschnitten werde. Er habe deshalb ge glaubt , die Angelegenheit nicht noch einmal an den Bauausschuß verweisen, sondern zu ihrer Er ledigung eine außerordentliche Sitzung des Col legiums einberufen zu sollen. Herr Direktor Nä ser ist dagegen der Meinung, es wäre richtiger gewesen, das Rathsschreiben dem Bauausschuß vorerst vorzulegen. Es sei im höch sten Grade mißlich, dieses umfängliche Schreiben, welches doch eine Anzahl neuer Puncte enthalte, nach einmaliger Anhörung sofort im Collegium zu berathen, wo ein Jeder mehr oder weniger nach seinem Gefühl urtheile. Der Rath erkläre inimcr flugs, mit der Regierung sei nicht zu unterhandeln, obgleich darüber doch verschiedene auf das Gegentheck hinweisende Beispiele vorlägen. Der Redner stellt den Antrag, das Schreiben des Raths an den Bauausschuß zu verweisen. Herr Bär drückt seine Verwunderung darüber aus, daß das Rathsschreiben an die General direction der Staatsbahnen, in welchem der letz teren die Vorschläge der Stadtverordneten mit- getheilt worden, so spät, fast vier Wochen nach der betreffenden Sitzung des Collegiums abge gangen sei, und spricht sodann ebenfalls für Ab gabe des vorliegenden Rathsschreibens an den Bauausschuß. Nachdem Herr Direktor Näser seinen Antrag nochmal- vertheidigt, Herr Gvtz bemerkt hat, daß er nicht allem die Verantwortung für eine verzögerte Berathung der Angelegenheit habe tragen wollen, und von Herrn Fleischhauer auf die große Tragweite der Sache hmgewiesen worden, die eine nochmalige Berathung im Aus schuß entschieden erheische, wird der' Näsersche Antrag einstimmig angenommen. Hierauf wird noch die Summe von 3829 Thlr. zu einer Gasröhrenleitung in der Sophienstraße mit der Bedingung genehmigt, daß die neue Leitung vorerst nur vom Eingang der Zeitzer Straße bis zu dem in der genannten Straße neu gebauten Theater gelegt werde. Folgt nichtöffentliche Sitzung. Ans Liftingen. Vom 11. August. * Der Fürst nimmt, heute Nachmittag 3 Uhr sein letztes Bad — wie bisher — im einzigen Marmorbassin der König!. Saline und wird vor aussichtlich in einigen Tagen Kissingen verlassen. Sein Aussehen ist ein recht gesunde- und den Arm trägt er schon seit mehreren Tagen nicht mehr in der Binde, wenn auch die Hand noch verbunden ist. Bei dem am 6. August zur Erinnerung an die Schlacht von Wörth im kleinen Saale de« Cur- hauses abgebaltcnen Diner, zu welchem außer einer Anzahl preußischer und bayrischer Osficiere Polizeipräsident v. Madai, Graf v. Pappenheim und vr. Sotier — im Ganzen 17 Personen — geladen waren, ist zwar kein Toast ausgebracht worden — Fürst Bismarck hatte von dieser Bor- ausbevingung sein Erscheinen abhängig gemacht — allein die Stimmung war im Allgemeinen eine sehr heitere, und der Fürst — den Speisen und Getränken fleißig zusprcchend — unterhielt die Gesellschaft im Besonderen von seiner Begegnung nach der Schlacht bei Sedan. Er zog eine Parallele zwischen dieser und jenem Tage, an welchem er vor der Abreise zuni letzten Male mit Napoleon in St. Cloud zusammen- gelroffen war, — wie er, der Fürst, angesichts des diktatorischen Auftretens Napoleon'«, schon damals über kurz oder lang eine Katastrophe be fürchtet habe und wie auch Napoleon damals einen Bruch in den Beziehungen vorausgesehen haben müsse, denn nach den üölicken Reden über die Reise sei in der Unterhaltung eine peinliche Unterbrechung eingctreten, bis man die Sprache aus das Wichtigste aller Gebiete — auf daS Wetter gebracht habe. Anders habe es an jenen« Tage ausgesehen, als die Uebergabe von Sedan angekündlgt worden war! Auf der Landstraße allein dem geschlagenen französischen Kaiser entgcgenreitend, habe er mehrere daherkommende Bauern vergeblich nach einer ele ganten Equipage mit hohen französischenOsficieren gefragt, bis er endlich von fern eine einfache Kalesche entlang fahren sah, unter deren Insassen er sehr bald Napoleon erkannte. Herangekommen, hätten der Kaiser und seine Begleiter die Käppis ge lüstet. Er, der Fürst, im Begriff, die Begrüßungen zu erwidern, sei mit seiner Hand bei dem aus der Brusttasche hervorragenden Revolvergriffe vorbeigestreift — in diesem Momente wäre Na poleon kreideweiß geworden. Als Derselbe dann gefragt habe, wo er ab- steigen könne, sei er, der Fürst, selbst in Verlegenheit gewesen und habe nicht anders als zu dem kleinen Schlößchen rathen können, an welchem er vor dem Zusammentreffen vvrübergeritten sei. Nach dieser Richtung habe Napoleon dem Kutscher besohlen zu fahren, — nach wenigen Minuten sei er jedoch, wahrscheinlich Insulten seitens seiner Landsleute befürchtend, davon abgekommen und habe den Wunsch geäußert, bei einem seitwärts gelegenen kleinen Häuschen Halt zu machen. Dahin sei er, der Fürst, vorauSgeritten, habe sein Pferd angebunden und das Zimmer der Be wohner — eines Webers und seiner Frau, welche am Wcbstuhle gesessen, betreten, um Aufenthalts bewilligung für sich und die ankommenden Osficiere ersuchend. Mittlerweile sei auch schon Napoleon ins Zimmer eingctreten, habe einen Stuhl ins Freie herausgetragen und die anderen hcrauszu- bringcn gebeten. Der Weber erkannte den Kaiser sogleich. Hier also sei er, der Fürst, seit jener letzten Verabschiedung zum ersten Male wieder niit Napoleon zusämmenqetroffen. Die erste Frage, welche er an Denselben gerichtet: ob man nunmehr Frieden schließen könne? habe Napoleon mit einer Hinweisung aus die Regierung in Paris beantwortet. Dann sei, während eine Ordonnanz in das Hauptquartier abgegangen war, in der Unterhaltung zwischen ihnen wieder eine peinliche Pause eingetreten, bis endlich die Sprache wieder auf da- Wetter gekommen sei! — DaS Weitere ist zur Genüge bekannt; die Zu sammenkunft des Königs Wilhelm, jetzigen deutschen Kaisers, mit Napoleon fand erst statt, nachdem die Verhandlungen definitiv abgeschlossen waren. Der eine Umstand verdient noch Beachtung: Napoleon hat bei dieser letzteren Begegnung nicht, wie vielfach bildlich dargestellt, dem Könige seinen Deaen überreicht — der Degen ist vielmehr schon vorher dem Könige überbracht worden, welcher ihn aus Höflichkeitsrücksichten wieder an Napoleon zurücksandte. Die sämmtlichen bei dem Festmahl anwesenden Herren sind den Erzählungen des Fürsten auf merksam gefolgt, und mein Gewährsmann — einer derselben, ein bayerischer Cavallerieofficier — versichert mir deren treue Wiedergabe. Erwähnt sei hier noch, daß Kaiser Wilhelm die Depesche vom Attentat auf den Fürsten während seiner Fahrt von Ulm nach Augsburg erhielt, bei seiner kurz darauf erfolgenden Begegnung mit König Ludwig aber keinerlei Erwähnung von dem Vorfälle machte, bis während der Tafel dem König Ludwig selbst die telegraphische Nachricht über bracht wurde, nach deren Durchlescn der Letztere in die Worte auSbrach: „Gott sei Dank, daß es kein Bayer war!" Ein Wiener Seusationsgeschichtchen aus der Leipziger Gelehrtenwelt. Leimig, 12. August. Nr. 31 der deutschen Wochenschrift für Wissenschaft „Oesterreichi- scher Oekonomist" vmft 8. d. M., redigirt von Adolf Kolatfchek, bringt im Feuilleton folgende, wohl selbst den bestunterrichteten Leipziger Re portern sehr neu vorkommende pikante Historiette: Gelehrten-Glend in Deutschland. Welches Elend in Deutschland das Loos armer junger und alter Gelehrter sein kann, darüber bdingt folgende Oieschichte ans Leipzig eine erschütternde Kunde. - Bor ungefähr zehn Monaten setzte ein reicher Ber liner Beschützer der Wissenschaften mehrere Preise von je zweihundert Thalern für die besten Essays über die Geschichte des Mittelalters, Sternkunde, Poesie, Geologie, BolkSwirthschaft und Metaphysik, sowie Preise von je fünfhundert Thalern für die beste Novelle und das beste Oiedicht aus ; ein aus Mitgliedern verschiedener Univer- sitäts-Facultäten gebildetes Comitü sollte dieselben ver- theilcn. Am letzten Donnerstag fand diese Preisver- theilung im Gewandhaus zu Leipzig statt. Die Con- currenz um diese Preise war eine sehr große geivesen und die verschiedenen Bewerber hatten tüchtige Arbeiten geliefert. Die Namen der Verfasser der Aufsätze be fanden sich in versiegelten Couverten, die auf der Außen seite einen fingirten Namen trugen. Der Preis für das metaphysische Essay wurde einem jungen Manne, Namens Max Markmann, zugesprochen, der zu seinem Thema Kant's Antinomien der reinen Vernunft gewählt und dasselbe unter dem Namen „Hans Wildenstein" eingesandt hatte. Als Or. Schmidt nach Erbrechung des Siegels dm Namen Markmann aufrief, trat ein bleicher, ärmlich gekleideter und äußerst elend aussehender junger Mann vor und wurde mit lautem Beifall begrüßt. Sein Haar war dünn und bereits ergraut unp sein ganzes Aussehen erregte das Mitleid der Versammlung. Nach Empfangnahme seines Preises setzte er sich still zur Seite. DaS astronomische Essay betraf die veränderlichen Be wegungen der Sternnebel, besonders mit Bezug auf den großen Nebel im Orion; auch hier wurde in.dem Autor Max Markmann entdeckt. Die Ankündigung dieser Thatsache rief großen Enthusiasmus hervor, während Markmann, nachdem er seinen Preis in Empfang ge nommen, noch niedergeschlagener und müder als vorher anssah. Die nächste Abhandlung beschäftigte sich mit einer Revue der Rankeschen Geschichtswerke, wieder erhielt Markmannn dm dafür auSgesetzten Preis; dasselbe Schauspiel wiederholte sich bei allen anderm Essans. Der Jubel der anwesenden Studenten kannte keine Grenzen, und wenig fehlte, so hätten sie Markmann im Triumphe davon getragen. Das preisgekrönte Gedickt erwies sich ebenfalls alS aus seiner Feder geflossen, es erinnert« in seiner natür lichen Zartheit der Sprache an Roquette, während der in demselben entwickelte Gedankengang einem Shakespeare oder Goethe Ebre gemacht haben würde. Die Preis novelle „Der Dorsschulnieister" wurde von Bcrthold Auerbach, der sich unter den Preisrichtern befand, für die anmuthigste Erzählung;, die er je gelesen, erklärt. Der Verfasser war kein anderer als Max Markmann. Es war der letzte der zu ertheilenden Preise; kaum war aber der glückliche Bewerber vorgetrclen, um ihn in Empfang zu nehmen, als eine erdfahle Blässe sein Ge sicht überzog und er ohnmächtig zu Boden stürzte. Todcsstille herrschte im Saale, während welcher maa den armen jungen Mann in das Vorzimmer trug, wo cs gelang, ihn wieder ins Bewußtsein zurückzurufen; das war aber auch Alles, was die Aerzte zu thun ver mochten, denn bereits vier Stunden später war er eine Leiche. Sein Tod war die Folge jahrelanger Entbehrungen. der Aermste war buchstäblich ver hungert. Der so plötzlich in der Stunde seine« Triumphes dem Dasein Entrissene hatte seit Jahren in einer elenden Kammer in einem entlegenen Gässchen gelebt und sein Leben kümmerlich durch Unternchtgeben in fremden Sprachen und beinahe allen Gegenständen der Wissen schaft gefristet. In seinem Zimmer fand man unfertige Modelle merkwürdiger mechanischer Apparate, einen zerbrochenen Stuhl und ganze Berge von Manuscripten, worunter Briefe der ausgezeichnetsten Männer Europas. Er hatte augenscheinlich seit Monaten beinahe von Nichts mehr gelebt und, durchglüht vom Feuer deS Genies, trotz Armuth, Hunger und Elend unermüdlich gearbeitet, um die Presse, zusammen im Belaufe von zweitausend vierhundert Thalern, zu erlangen, hatte sich dann schwach und krank in daS Gewandhaus geschleppt, um alle Preise davonzutragen und — zu kerben. Sann die Geschichte der Arbeit und des Genies und deren Belohnung ein traurigeres Lapitel aufweiseu ? „Und das Mles ist 1874 in Leipzig passirt, ohne daß da- Leipziger Tageblatt und dessen Reporterschaar Etwas davon wußte und ein Sterbenswörtchen verlautete?!" So werden unsere Leser vor Verwunderung ob unserer Pflicht- versäumniß die Köpfe zusammensteckcnd ausrufen. Mit Recht, wir gestehen es. So unerhört da- erzählte interessante Ereigniß ist, eben so unbe kannt war cs uns bis jetzt geblieben, was doch nicht sein darf, da das, liebe Publicum sich daran gewöhnt hat, zu erwarten, jeden Morgen durch die Presse zu erfahren, was nur irgend von Belang vorgcfallen ist. Dafür hält man ja die Presse für ausgerüstet mit Luchs- und Falkeu- augen, mit einem seinen Gehör, welche- das Gras wachsen hört, mit einem Gesicht, das bei Nacht erst reckt sieht, mit einer Wachsamkeit, die, wenn überhaupt, dann wie „Lampe" nur mit einem Auge schläft. Nachdem wir unS von unser« Sckreck erholt, sahen wir unS die Sache noch einmal näher an und siehe! da fand sich denn, daß daS Ganze nur unter falschem Datum gedruckt steht. Nicht der 8. August sollte auf der Nr. stehen, sondern — der 1. April ; die Geschichte gehört vortrefflich in eine Carnevalnummer, al- Persiflage gewisser großer Rührscenen, die es auf die Taschentücher
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