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Zv sZ - 'ZN NZ !3 Z S ° s»T S L« ^Z-S » » P8 L x§- 3 ZT 's» ^8' »rs 2.L ffs« UZs 'S-.S r» s » §4- A S Mittwoch, 2. Juni. Der sächWe Frzähker, Tageblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt der Kgl. Amrshauptmannschaft, der Kgl. Schulinspektion und des Kgl. Hauptzollamtes zu Bautzen, sowie des Kgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda. Inserate, welche in diesem Blatte die weiteste Verbreitung finden, werden bis vorn,. 10 Uhr angenommen, größere und komplizierte Anzeigen tags vorder, und kostet di, Viergespaltene Korpuszeile 12 «1, die Reklamezeile 30 «l Geringster Jnseratenbetrag 40 «1. Für Rückerstattung eingesand'er Manuskripte usw. keine Gewähr Fernsprechstelle Nr. SS. Bestellungen werden bei allen Postanstalken des deutschen Reiches, für Bischofswerda tmd Umgegend bei unseren Zeitungsboten, sowie in der Geschäftsstelle dieses Blattes angenommen. Schluß der Geschäftsstelle Abends 8 Uhr. Dreirmdsechztgfter Jahrgang. Erscheint jeden Werktag abends für den folgenden Tag und kostet einschließlich der Mittwochs und Sonnabend- erschei» «mden„Belletrisiisch«n Beilage" bei Abholung viertel» jährlich 1 50 «t, bei Zustellung ins Hau» 1 70 «j, »et allen Postanstalten 1 -6 50 «k exklusive Bestellgeld. Einzelne Nummern kosten 10 «». Nummer der Zettungspreisliste 6587. Das neue Stadium im Kampfe um die Neichsfinauzreform und um die Parlamentarische Macht. Die Art und Weise, wie in der Finanzkommis, sion des Reichstages die. Anträge auf Beratung neuer Steuern eingebracht worden sind und die bekanntlich dazu geführt hat, daß die National- liberalen, die Freisinnigen und die Sozialdemo kraten ihren Austritt aus der Finanzkommission erklärt haben, läßt deutlich erkennen, daß die I Blockmehrheit des Reichstages, bei welcher auch I die Liberalen und Freisinnigen auf Seiten der Regierung standen, schon lange nicht mehr funk tioniert, und daß es sich jetzt tatsächlich um die Frage handelt, ob und wie mit einer ganz neuen Reichstagsmehrheit die Reichsfinanzreform durch gesetzt werden kann. Die Sache wäre weiter gar nicht bedenklich, wenn wir im deutschen Reichstage glatte und normale parlamentarische Zustände besäßen und die politische Welt in Deutschland nicht in sieben Parteien zersplittert wäre. Unter Len obwaltenden Zuständen hatte ja auch die Re- gierung durch den Mund des Reichskanzlers früher klar und deutlich erklären lassen, daß sie mit einer Reichstagsmehrheit, in welcher die Zentrumspar- tei und die Polen den Ausschlag geben würden, keine Gesetze und Politik weiter machen wolle, jetzt mehren sich aber doch die Stimmen, daß die Regierung geneigt und gewillt sein könnte, die Finanzreform nach den, Rezepte der Konservati ven, der Zentrumspartei und der Polen zu machen, denn auf eine solche Schwenkung in der Haltung der Regierung deutet die Art und Weise hin, wie jetzt in der Finanzkommission gearbeitet worden ist. Die Finanzkommission hat den Gesetzent wurf über die Besteuerung von Glühkörpern an genommen, ferner ist in der Finanzkommission die Erhöhung des Kaffeezolles und des Teezolles be schlossen worden, ferner ist der Finanzkommission des Reichstages ein Antrag der Konservativen zugegangen, nach welchem in Deutschland eine Mühlenumsatzsteuer eingeführt werden soll, und mit einem anderen Anträge wollen die Konser vativen auch eine Einführung eines Kohlenaus- suhrzolles durchsetzen. Man sieht aus diesen Vor gängen, daß die konservative Partei mit allen Mitteln dafür kämpft, die Reichsfinanzreform in ihrem Sinne durchzusetzen, und kann es daher noch dahin kommen, daß die liberalen Parteien, da ihre Wünsche keine Berücksichtigung finden, von der weiteren Durchführung der Finanz reform überhaupt ausgeschlossen werden. Man sieht aus dieser ganzen Sachlage, daß cs sich jetzt im Kampfe um die Reichsfinanzreform um die Anwendung ganz neuer Mittel handelt, und daß die ganze Reichsfinanzreform zugleich auch eine parlamentarische Machtfrage geworden ist, denn es wird sich ja nun bald zeigen, wie die neue Mehr heit für die Reichsfinanzreform aussieht und wie sich die Negierung zu den Vorschlägen derselben stellt. Von der Regierung liegen ja über die An nahme oder Ablehnung der neuen Steueranträge der Konservativen noch gar keine Erklärungen vor, aber die Situation drängt doch dazu, daß der Reichskanzler in den nächsten Tagen sagen muß, wie er sich zu der Bildung der neuen parlamen tarischen Mehrheit zur Durchführung der Reichs finanzreform und zu ihren Vorschlägen stellt. Der Reichstag setzt seine Beratungen allerdings erst am 15. Juni fort, und cs könnte auch sein, daß die Entscheidung erst nach dem Wicdcrzusammeu- tritte des Reichstages stattfindet. Bei dieser kri ¬ tischen Entscheidung wird es sich aber auch sehr leicht um eine Schwenkung in der ganzen inneren Politik des Deutschen Reiches handeln und um die Frage, ob der Reichskanzler Fürst Bülow künftig noch in seinem Amte bleiben wird. /X Deutsches Reich. Der Kaiser nahm am 28. Mai die herkömmliche Frühjahrsparade über die Truppen der Garnison Potsdam ab, welche, wie immer, im Lustgarten stattfand. Dem glänzenden militärischen Schau spiele wohnten u. a. auch die in Berlin eingetrof fenen japanischen Fürstlichkeiten, die Prinzen Kuni und Nashimoto nebst Gemahlinnen bei, ebenso war eine Deputation des russischen Infan terie-Regiments Wyborg, dessen Chef bekanntlich Kaiser Wilhelm ist, zugegen. Am Vormittag des 29. Mai folgte auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin die Frühjahrsparade der in Berlin und den benachbarten kleinen Garnisonen stehenden Truppenteile des Gardekorps nach. — Der Kaiser verlieh dem Prinzen Nashimoto von Japan den Schwarzen Adlerorden. Der Kaiser, die Kaiserin, der Kronprinz, die Kronprinzessin, Prinz Eitel Friedrich mit Ge mahlin und die übrigen Mitglieder der Kaiser lichen Familie begaben sich am Sonntag nach mittag in Automobilen von Potsdam nach dem Tempelhofer Feld und verweilten in dem Kasino des Augusta-Regiments, um dort die Ankunft des „Zeppelin II" zu erwarten. Im Kasino fanden sich auch ein der Eisenbahnminister, Staatssekre tär vr. von Bethmann-Hollweg, Admiral von Holleben u. a. Die Majestäten nahmen im Kasino die Abendmahlzeit ein und kehrten nach 10 Uhr nach Potsdam zurück, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Ankunft des „Zeppelin ll" nicht niehr zu erwarten wäre. Der Kaiser empfing im Neuen Palais den neuernanntcn Gesandten von China, Haiti und Schweden am Berliner Hofe, General Mntchang, Callisthöne Fouchard und v. Trolle in Antritts audienzen. Hierbei war der Staatssekretär des Auswärtigen v. Schoen zugegen. Die Krisis im Stande der Reichsfinanzreform hat mit deni jüngsten Zwischenfall in der Finanz kommission des Reichstages nachgerade ihren Höhepunkt erreicht. Die Konimission hatte in ihrer Sitzung vom 28. Mai vormittags den Rest des Branntweinsteuergesetzes in der Hauptsache nach den hierzu eingebrachten konservativen An- trägen erledigt und hierbei auch einen Antrag des Zentrumsabgeordneten Erzberger betreffs Ein führung einer Jnlandsstcuer auf Riechmittel und Schönheitsmittel gegen die Stimmen der Linken angenommen. Dann aber entstand eine sehr ge reizte Geschäftsordnungsdebatte, weil nach dem Willen der konservativ-klerikalen Kommissions mehrheit die neuen konservativen Anträge wegen Erhöhung des Kaffee- und Tcezolles, sowie wegen Besteuerung der Glühkörper und Zündwaren in der Kommission, und nicht vorher zunächst im Plenum, beraten werden sollen. Die Redner der Nationallibcralen, der Freisinnigen und der So zialdemokraten erhoben unter heftigem Wider spruch seitens der Mehrheit scharfen Protest ge gen einen solchen gröblichen Verstoß gegen die Ge schäftsordnung des Reichstages, schließlich legten die nationalliberalcn Abgeordneten Weber und Fuhrmann, sowie der freisinnige Abgeordnete Mommsen ihre Berichtcrstatter-Acmter nieder. In der nachmittags nachgefolgtcn Sitzung waren § die der Linken angehörenden Mitglieder der Kom mission nicht erschienen. Zunächst wurden für die zurückgetretenen liberalen Berichterstatter neue Referenten aus der nun allein auf dem Plane zurückgebliebenen Mehrheit bestellt. Dann beriet man die erwähnten neuen Anträge der Konservativen betreffs Besteuerung der Glüh körper und Zündwaren und ferner der Erhöhung des Kaffee- und Teezolles und genehmigte sie selbstverständlich. Betreffs des künftigen Teezol les ging die Rumpfkommission noch über den ur sprünglichen Satz des betreffenden konservativen Antrages hinaus, indem sie die Erhöhung des Tcezolles von 25 auf 75 aussprach. Abge lehnt wurde ein Antrag Paasche auf Zollfreiheit des Kolonialkaffees. In der am Pfingstsonnabend abgchalteneu Sitzung erledigte die Kommission noch die inzwischen eingebrachten weiteren konser vativen Anträge betreffs einer gestaffelten Müh lenumsatzsteuer und eines Kaffeezolles, sowie die Besitzsteuer. Mit diesen Beschlüssen der Finanzkommission und dem Auszuge der von den Parteien der Lin ken gestellten Kommissionsmitglieder ist der Kon flikt zwischen der Linken und der konservativ-kleri kalen Mehrheit in der Finanzreformfrage akut ge worden. Sollte sich die Reichsregierung hierbei auf die Seite der neuen Mehrheit stellen, wie vielfach vermutet wird, so stünde also die Durch führung der Reichsfinanzreform im Sinne diefep Mehrheit zu erwarten und der bisherige Reichs tagsblock wäre endgültig zertrümmert. Nach der parlamentarischen Pfingstpause des Reichstages wird sich Wohl die Lage nach dieser Richtung hin klären. Der dem Bundesrate vorliegende Entwurf eines Schiffsabgabengesetzes stößt, wie verlautet, auf gewisse staatsrechtliche Schwierigkeiten, fo daß es fraglich erscheint, ob der Entwurf dem Reichs tage in« nächsten Herbste noch wird zugehen können. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Ruprecht vou Bayern wurde am Sonntag nachmittag von einem Prinzen glücklich entbunden. Die Badereise des Fürsten Philipp Eulenburg nach Gastein erfährt in der öffentlichen Meinung Deutschlands eine scharfe abfällige Kritik, man versteht nicht, daß diesem Mann gegenüber auch jetzt noch eine derartig weitgehende Nachsicht sei tens der Berliner Justizbehörden zu Teil werden kann. Ob „Phili" von seiner Auslandsreise nach Deutschland zurückkehren wird? Was das sensa tionelle Gerücht anbelangt, die österreichische Re gierung erwäge, ob nicht Fürst Eulenburg als „lästiger Ausländer" aus Gastein auszuweisen sei, wird jetzt von Wien aus dementiert. Zweifel los will mau österreichischerseits jeden Eklat in dieser Affäre vermeiden. Uebrigens hält sich Fürst Eulenburg unter einem angenommenen Namen in Gastein auf. Das Befinden des Fürstbischof-Kardinal Kopp in Breslau ist andauernd sehr besorgniserregend. Die katarrhalischen Erscheinungen sind fast gänz lich geschwunden, die Herzschwäche aber dauert un verändert au. Der Kaiser hat zum Pfingstfest neuerdings seiner andauernden Teilnahme durch Uebersendnng einer wundervollen Blniuenspende mit dem Ausdruck seiner Wünsche für die Besserung des hohen Patienten Ausdruck gegeben. Das neue Neichsluftschiff „Zeppelin II" stieg am 28. Mai abends gegen 'ch9 Uhr zu einer Nacht- und Dauerfahrt mit unbekanntem Ziele in Fried- - ch