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MdlHtrt und verlegt von C. M. .Gärtner in Schneeberg und Schwarzenberg. Die Tabaksdose. (Fortsetzung.) Als ich <o festlich angelhan über den Marktplatz nach dem Hause des Cultusministers stritt, erblickte ick einen Menschenhaufen, der eine Bäuerin umringt hielt, welcke sehr delikat auSschende Zwetschen verkaufte. Ich war so glücklich, davon eiire Mandel für einen Dreier einzuhandeln, welche ich in der linken Frackschößenta'che unterbrächet. Dabei schwebte mir der glückliche Gedanke vor, daß ich heute, um einiger maßen den erlittenen Verlust durch weiße Sparsamkeit zu decken, einmal kalt zu Mittage und zwar die bewußten Pflau men nebst zwei Dreierbrötchen speisen könnte. Dadurch er sparte ich neun Pfennige, indem ick in der Speiseanstatt- welche ich zu besucheu pflegte, unter achtzehn Pfennigen nicht wegkam. Freilich mußte ich mich vor etwaigem Niedersetzen in Acht nehmen. Allein ich wußte auch zu gut, daß jeder Supplikant vor einem Oberen eine StandeSperson zu bleiben pflegt, und was die zu machenden tiefen Bücklinge anlangt, so schadeten diese meiner obstlichen Frackfracht durchaus nichts. Ich mar zur glücklichen Stunde gegangen. Denn ich traf die Excellenz daheim, fand sie sprechbar, ausgeschlafen, Heiter gelaunt und noch nicht durch das Heer begehrlicher Bittsteller ermüdet. Mein schon zehnfach gethane« Bittgesuch um baldige Anstellung als Geistlicher oder Schulmann ward gnädig und ohne Unterbrechung angehört und nachdem ich solches geendigt hatte, fragte Excellenz zum zehnten Male nach der Dauer des Kandidatenstandes, nach meinen Zeugnissen und nach meiner gegenwärtigen. Beschäftigung. Während ich die -begehrte Auskunft gab, zog die Excellenz ihre goldene Dose Hervor, schnupft und — man denke sich meine freudige Ueber- raschung! — bot mir eine Prise an. Obgleich ich nun kein Schnupfer bin, so durfte ich doch die huldvolle Mtnisterhand nicht schnöde zurückweisen. Ich fahre mit den beiden Finger spitzen vorsichtig und ehrerbietig in daS ätzende Rauchkraut- -staubpulver, -von da nach meiner Nase, um so zn thun als .schnupfe ich wirklich die wenigen Körnleins ein. Ich that «S, wie gesagt, nur zum Schein, weil mir der ungeheure 'MeSreiz nur zu wohl bekannt war, der mich schon befällt, wenn ich den Schnupftabak von fern rieche oder Jemanden schnupfen sehe. Aber mein Unstern wollte, daß meine Finger «einer Nase zu nahe kamen, daß ein Körnlein von dem ab scheulichen Zeuge von meinem Riechorgane eingesogen ward, und daß jenes >vie ein Feuerfünklein auf ein offenes Pulver faß ein wirkte. Die Explosion erfolgte — augenblicklich, schmetternd, entsetzlich! Richt einmal so viel Zeit gewann ich, um mein Taschentuch herauSzureißen und vor die explvdirende Rase zu halten. Wie wenig doch der Mensch Herr über seine eigenen Glieder und Körvertheile ist! Ebenso wenig ich mein Herz schlagen und stillstehen lassen kann, ebenso wenig konnte ich meiner einfältigen Nase daS unehrcrbietige Niesen verweh ren. Und niesen, der Halsbindenriegel reißen und die Hals binde selbst mir vor die Füße fallen, war da« Werk eines einzigen Augenblickes! Es heißt ja jetzt Alle« genäht! O ihr schlechten Schneider, Halsbindenverfertiger und Näher jeg licher Art ! Eure Arbeit hält ja oft nicht so lange als ihr .. , ! .al-.-»--»» darüber hinschludert. Keinen Knoten knüpft ihr mehr an Haß Fadenendr und dazu nehmt ihr noch obendrein Zwirn find Skide, welche wohl für das baldig« Reißen, nicht aber für da« feste Halten gemacht zu sein scheinen. Hatbtodt, vernichtet war ich als die treulos« Blndr nte- derklatschte. Mehr au« Instinkt als -m- ÄnstandSgefühl bückte ich mich rasch nach derselben. Wehe, da fühle ich wieder ei- nen Hosenknopf Lbspiingen und den einen Hosenträger da durch locker werden. ES war der einzig« KUopf noch, dtst de« Schneider« Hand befestigt gehabd habt«. Alle Übrigen waren von mir so innig durch grauen Zwirn mit dem Luche verbunden worden, daß eher dieses als meine Näheret ge- rissen wäre. Ich wußte mir jetzt nicht ander« zu helfen, al< daß ich die erfaßte Halsbinde mir um den Hals legtb. Da aber der Riegel fehlte, so sah ich mich gezwungen, mit "mei ner Hand di« Binde vorn am Halse festzuhalten. Meine Ver wirrung hierüber war so unbeschreiblich groß, daß die Es- cellenz Mitleid mit mir hatte nnd mich niedersetzell hieß.. In halber Betäubung gehorchte ich der gnädigen Weisung. . Da bei bemerkte ich, daß ein mühsam verhaltenes Hachen in d«m Ministerantlitze umherblitzte wie da- Wetterleuchten an einem schwülen Sommerabendhimmel. Der Excellenz keinen Zivang anzuthun, schlug ich die Augen zu Boden, hielt meine Mutte fest und vernahm, wie der Herr Minister zu mir sprach, doch nicht seiner Worte Sinn und Inhalt. Plötzlich aber schnellt« ich von dem weichen Sessel empor wie der Deckel von einem überwallenden Topfe. Ursache davon war ein Gefühl Nässe und Kälte zugleich, welches seinen Ursprung unter meinem Sitzmittel nahm und mich einen neuen schrecklichen Unfall befürchten ließ. Unglückseliger Einfall, meine Rockschößen zusammen z« heften! Noch schlimmer, mit einer Mandel Zwetschen in der Fracktasche zu einem Minister zu gehen! Allerunglücklichster Gedanke,'mich zu stellen als führte ich eine Prise nach mei- ner Nase! Ohne den Halsbindenriegelriß hätte ich meine Besinnung nicht so ganz verloren und mich entweder gar nicht oder nur dann ntedergesetzt, nachdem ich erst die Frackschößen vorsichtig entfernt gehabt hätte. In voller Verzweiflung em pfahl ich mich bei der Excellenz, erbat ich mir von dessen Diener eine Stecknadel, befestigte ich mittels derselben die Halsbinde übel und böse, rannte ich au- der Stadt und vor da- Thor. Betrübter kann Marius ans den Trümmern won Carthago nicht gesessen haben al« ich auf der GteinbaNk, wo ich meine Frackschößentasche umwendete und sie ihr«« BaAafltS entleerte. Noch mehr verwirrten sich meine'Sinnt, Ml« ich mich erinnerte, wie der Stuhl, auf welchem ich die ZwetschtN zersessen hatte, mit strohfarbenem Aila« übergoß«» gewesen war. Wenn ich noch langer am Teiche Bilches»« liegen »nd anfZeine Pfarrstelle Harren muß, so trägt Niemand di« Schuld davon, al« dir genommene Prise und «vaS «it derselben zu sammenhing. Nur gelind bestrafte ich mich für meint Albernheit, in dem ich heute dem Mittagsessen gakz entsagt« und bi« zum Abende fastete. In den nachmittägigen UnievrichtSstnndeü war ich ztem- itch zerstreut, was mir Niemand verarg«« «ich, da anher der