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Bis V-10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft u. des Finanzamtes zu Kamenz des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf imd Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften de» Pulsnitzer AmtSgerichtSbezirkS: PulSmtz, Pulsnitz M. S-, Großröhrsdorf, Bretnig, Hauswalde, Ohorn, Obersteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Niederlichtenau, FriedcrSdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Geschäftsstelle: PulSmtz, Mbertstraße Nr. 2 Druck und Verlag von E. L. FörsterS Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr in Pulsnitz Nummer 238 Montag, den 12. Oktober 1931 83. Jahrgang Lie WM« MW SklBIiUM WWW Die deutsch nationale Reichstagsfrak tion und die deutschnationale Fraktion des Preußischen Landtages versammelten sich mit zahl reichen Vertretern der Länderparlamentc Sonnabend abend zu einer internen Beratung. Der Aktionsausschuß der Natio nalen Opposition, der diese Kundgebung vorbereitet hat, ist einfach von der Gewalt der Anmeldungen überrascht worden. Man hatte ursprünglich nur auf die Beteiligung des engeren Kreises der Fraktionen und der Vorstände der einzelnen Ver bände und Gruppen gerechnet. Ueberrascht worden ist man durch die außerordentlich große Zahl von Anmeldungen von rechtsstehenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft, der Presse, von Vertretern der Arbeiterschaft, Ver tretern der Gewerbe, die sämtlich den dringenden Wunsch ausgesprochen haben, an dem Tage der Kundgebung in Harz burg zu sein und die Führer der nationalen Opposition in dem Augenblick sprechen zu hören, wo sie ihren Entschluß beweisen, in geschlossener Einheit die nächsten Aufgaben mitzubestimmcn. Auf der Fraktionssitzung der Deutschnationalen Frak tion am Sonnabendabend wies der Führer der Deutschnatio nalen Volkspartei in Braunschweig, Studiendirektor vr. Baumann, darauf hin, daß die Deutsche Volkspartei Braunschweigs den Vereinigten Fraktionen des Reiches und der Länder, den deutschnationalen Ministerpräsidenten vr. Küchenthal als ein gutes Vorbild zeigen könne, vr. Küchen- thal sei in Braunschweig der Führer der bürgerlichen Be wegung. Er wünsche der Tagung in Harzburg die ganze Nüchternheit und Sachlichkeit, die den Niedersachfengeist aus zeichne. Der Vorsitzende der Fraktion, vr. Oberfohren, begrüßte dann weiter den württembergischen deutschnatio nalen Minister Or.Dehlinger, den bayerischen Minister vr. Gürtner und den mecklenburgischen Ministerpräsidenten Eschenburg. Am späten Sonnabendabend fanden in dem Haupt quartier der N a t i on a l s o z i a l i st i s ch e n Partei sich die Führer der in Harzburg vertretenen Parteien, Gruppen und Verbände noch einmal zu einer kurzen Besprechung zu sammen. Auch in dieser Beratung kam der Wille zum ein heitlichen Handeln sehr stark zum Ausdruck, und zwar ohne jede Rücksicht auf die einzelnen Interessen einer Partei oder eines Verbandes und auf zukünftige Programme. Daß die Kundgebung nach Harzburg verlegt wurde, hotte, wie heute offen ausgesprochen werden kann, seinen Grund in der Tatsache, daß Braunschweig von einpr Rechtsregierung geführt wird. Außerdem spielten natürlich Gründe der Sicherheit eine Rolle. * Sonntag früh durchflutete Bad Harzburg ein un- gewöhnliches Leben. Der Tag begann mit einer gemeinsamen Kundgebung der Nationalsozialisten und des Gtahlhelmum 8 Uhr vor dem Bahnhof. Die Standarten j formierten sich. Um 10 Uhr nahm dann die Wachkompanie der Nationalsozialisten und Stahlhelmer vor dem Kurhaus Aufstellung, in dem zunächst interne Besprechungen statt fanden. Als sich Hitler morgens auf dem Balkon des Hotels Fürstenhof zeigte, wurde er stürmisch von der Be- völkerung begrüßt. Der Tag begann mit der Fraltionssitzung der Nationalsozialisten. Die Nationalsozialisten hielten vor der gemeinsamen Fraktionsfitzung der nationalen Parteien eine eigen« Sitzung im Kurhaussaal ab, zu der auch die anwesenden Presse vertreter zugelassen waren. Der Vorsitzende, vr. Frick, gab eine kurze Darstellung, wie es zu dieser gemeinsamen Tagung In Harzburg gekommen sei. Notwendig sei, daß die Natio nale Opposition in geschlossenem Vorgehen die Macht er- reiche. Dabei gehe aber die NSDAP, keinen Deut von ihren Zielen ab. Es sei auf das höchste zweifelhaft geworden, ob das zweite Kabinett Brüning im Reichstag eine Mehrheit finden werde. Die Nationalsozialisten würden in den Reichs tag zurückkehren, nicht, um dort sogenannte positive Arbeit zu leisten, sondern um die Regierung Brüning und düs System zu erledigen. Die nationale Front, wie sie in Harz burg versammelt sei, gebe ein Bild einheitlicher Geschlossen heit. — Frick verlas hierauf die Anträge, die von den Parteien der Nationalen Opposition im Reichstag bei seinem Wiederzusammentritt am Dienstag einqcbracht werden sollen. Die gemeinsamen Anträge der nationalen Opposition lauten: 1. Der Reichstag entzieht der Reichsregierung das Ver- trauen. 2. Der Reichspräsident wird ersucht, den Reichstag auf zulösen und Neuwahlen auf den 8. November 1931 aus zuschreiben. 3. Die von dem Reichspräsidenten auf Grund des Art. 48 Abs. 2 der Reichsverfassung seit dem 1v. Februar 1931 erlassenen Verordnungen sind außer Kraft zu setzen. 4. Die Zahlung der Polizeikostcnzuschüsse an Preußen ist mit dem 31. Oktober 1931 einzustellen. Frick kündigte hierauf M, daß eine Interpellation auf landwirtschaftlichem Gebiete dem Reichstag später vorgelegt werden solle, und erteilte hierauf Adolf Hitler das Wort, der mit lauten Heil-Rufen begrüßt wurde. Das Wamsest Hitlers. Adolf Hitler sprach zunächst den Angehörigen seiner Partei Dank aus für die Arbeit und die Opfer, die sie in zwölf Jahren nationalsozialistischer Bewegung gebracht hätten, und verlas dann ein Manifest, in dem es u. a. heißt: Im harten Kampf um das Dasein der Völker bleibt Deutschland mehr und mehr zurück. Vor der ganzen Welt erheben wir gegen die bisherigen deutschen Regierungen und besonders gegen die derzeitige Reichsregierung die feierliche Anklage, daß sie durch das Versäumen einer pflichtgemäßen, wahrheitsgetreuen Aufklärung über die furchtbare innere Lage Deutschlands in erster Linie mitschuldig sind an einer Katastrophe, die heute in ihrer zwangsläufigen Auswirkung alle Kulturnationen bedroht. Wir werfen der heutigen Regierung vor, daß sie ohne jedes klare Ziel in Innen-, Außen- und Wirtschafts politik den Zustand einer maßlosen Verwirrung teils selbst angerichtet, teils erhalten und begünstigt hat. Wir sehen die Möglichkeit der Rettung der deutschen Nation nur in einem gigantischen Appell an die in uns selbst vorhandene Kraft. Feierlich erheben wir Protest gegen die weitere Aufrecht- erhaltung des sogenannten Fricdensvertrages von Versailles, der nicht nur unser deutsches Volk zerstört, sondern in zwangsläufiger Folge die ganze Welt in einen Zustand ewiger Unruhe und Unsicherheit werfen muß. Me von uns allen gewünschte Zusammenarbeit der zivilisier ten Nationen zur Behebung der schweren internationalen Schäden ist solange undenkbar, als die Welt durch diesen Vertrag in zwei feindselige Hälften zerrissen ist. Nachdem Hitler darauf hingewiesen hatte, daß die Regierung Brüning und jede ihr wesensverwandte Regierung in den Ländern nicht das Vertrauen der Nationalen Opposition besitze, forderte er die Uebergabe der Macht an die Opposition. Am Mittag fand die gemeinsame Sitzung der parlamentarischen Vertreter des Reichstages, des Preußischen Landtages und des Braunschweigischen Landtages, der in der Natio nalen Opposition vereinten Parteien statt, vr. Frick er klärte in seiner Eröffnungsansprache, man stehe heute an emem Wendepunkt der deutschen Geschichte. Der Name Harz- burq werde ein Markstein in dieser Entwicklung sein. Der Sinn der heutigen Tagung sei der, die absolute Einheit und Geschlossenheit der Nationalen Opposition kundzutun. Das schließe natürlich nicht aus, daß Programme und Ziele jeder einzelnen Partei unverändert bleiben. Das gemeinsame Ziel sei die Erringung der politischen Macht auf de« schnellsten Wege, auf dem legalen Wege des Zusammenschluss« aller Teile der Nationale« Opposition. Das neue Kabinett Brüning Hobe noch viel weniger Stütze im deutschen Volke als dos alte Kabinett. Es sei auch der Sinn der heutigen Tagung, die sogenannte bürgerlich« Mitte durch die heutige Kundgebung auf die Seite der Nationalen Opposition zu ziehen, um diesem System ein Ende zu be reiten. Die Nationale Opposition sei jederzeit bereit, die Ver antwortung zu übernehmen, nicht um ihrer selbst willen, sondern um des deutschen Volkes willen. Der Vorsitzende der deutschnationalen Reichstagsfraktion, Abgeordneter Ober fohren, drückte seine Freude darüber aus, daß es gelungen M, die politisch« Entwicklung so zu gestalten, daß die nativ- nalen Kräfte zu einheitlicher kraftvoller Zielsetzung zusammen gefaßt würden. Oberfohren verlas dann unter dem ein mütigen Beifall der Versammlung den Wortlaut der im Reichstag einzubringenden Anträge der Nationalen Opposition. Der Keldgottes-ienst. Nach den Besprechungen der nationalen Fraktionen fand ein Feldgottesdienst statt. Zur Rechten hatten rund 2000 Stahlhelmer, zur Linken SA.-Leute von kaum geringerer Zahl Aufstellung genommen. Aus der Menge heraus leuchteten Fahnen in den vaterländischen Farben. Nach dem Nieder ländischen Dankgebet sprachen Hofprediger Doehring so wie der katholische Pfarrer Hoynka aus Schlesien. Nach dem Feldgottesdienst erfolgte der Vorbeimarsch der uniformierten SA.- und Stahlhelmleute mit Fahnen, Stan darten und klingendem Spiel vor den Führern der nationalen Bewegung. Der Vorbeimarsch nahm reichlich eine Stunde in Anspruch. Mehr als 10 000 Zuschauer wohnten dem Schau spiel bei. Die Haupttunbgebung im Kurhaus. Um ^2 Uhr begann bereits der Andrang der über tausend Männer aus allen Parteien, Bünden und Verbän den, die zu der großen Kundgebung der Nationalen Oppo sition zugelaffen werden können. Durch einen Nebenein gang betraten durch die Reihen von Mitgliedern der SA.- Äbteilungen, die die Versammlungsteilnehmer zurückdrän gen müssen, gemeinsam Hitler und Hugenberg den saal. Brausender Jubel begrüßte beide. Noch nie ist in einer deutschen Versammlung das gemeinsame Auftreten zweier Männer für das Ziel einer gemeinsamen Aktion so stürmisch, so ehrlich, so aus innerster Herzensfreude begrüßt worden, wie hier das Erscheinen von Hitler und Hugenberg. Die Bundesführer des Stahlhelm werden, als sie mit ihren Stan darten im Saal erscheinen, mit dem gleichen Jubel begrüßt. Dann eröffnet Hugenberg die Versammlung. Hugenberg gibt dem braunschweigischen Ministerpräsidenten Küchen thal das Wort, der mit wenigen Sätzen im Namen des braunschweigischen Staatsministeriums die Versammlung willkommen heißt und ganz offen erklärt, daß er sich freue, die Gewähr für die Sicherheit dieser Versammlung in dem rechtsregierten Lande Braunschweig geben zu können, vr. Hugenberg hatte vorher darauf hingewiesen, daß man Braun- schweig gewählt habe, um der preußischen Polizei nicht die Verlegenheit zu bereiten, daß sie darüber Nachdenken müsse, ob sie etwa diese Versammlung verbieten sollte. Dann sprach vr. Hugenberg. Dr. Hugenberg. führte u. a. aus: Es ist eine neue Welt im Aufstieg. Aus diesem Volke, das in Hellen Scharen hinter dieser Versamm lung steht, wird ein neues, wahreres und jüngeres Deutsch land wachsen. Aus dieser Gemeinschaft heraus wird, wenn es Zeit ist, die Parole für die Neichspräsiden- ienwahl ausgegeben werden. Die bisherigen Gewalt haber hinterlassen Berge von Sünden und Schemen. Es ist die bittere und doch erhebende Aufgabe eines notgestählten Volkes, die Scherbenberge abzuarbeiten. Dies Volk front nicht als Sklavenvolk. Aber es sehnt sich nach Arbeit. Was Arbeitslosigkeit der industriellen Völker heißt, weiß jetzt die ganze Erde. Ihr wird der erste große Kampf der regierenden nationalen Opposition gelten! Jeder Blick in die Zukunft habe dem Kabinett Brüning ge fehlt. Es hat jede Gelegenheit verpaßt, es hat bis heute nicht einmal begriffen: Die Initiative zur Ret tung kommt Deutschland zu. Es gibt keinen Mittelweg und keine Konzentration widerstrebender Kräfte. Da gibt es nur ein Entweder — Oder. Broun und Severing sind bestenfalls die deutschen Kerenskis, niemals deutsche MacDonalds. Darum hilft auch dem Zentrum und dem Kabinett Brüning sein neuestes Manöver der Ausschiffung von einigen Ministern nichts. Das Bezeichnende ist, wieviel und welche Persönlichkeiten es abgelshnt haben, dem Rufe in dieses Kabinett zu folgen. Niemand, der sich zur Re gierung h«ranziehen läßt, besitzt das Vertrauen der Rechten. Will man nicht mit Gewalt den Marxismus auf seine« Throne erhalten und das schon halb gesundete deutsche Volk in russisches Elend führen, so kann es sich nur um einig« kostspielige Wochen oder Monate handeln, um die das Zen trum seine oder seiner Wähler wirkliche Trennung von der Sozialdemokratie, also auch in Preußen, verzögern kann, kann. Es gibt «ur zwei Wege; der eine ist der russische, der andere ist unser deutscher Weg. *