Volltext Seite (XML)
MsdmfferTageblatL Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Wochenblatt für Wi sdruff u. Umgeaend Aü»ö«n enig?g" ImF-!U hShcin »rw-U, «rir« od-r «onsti,-i ö« z-rwng oder Kürzung des Bezugspreises. — «ü-i-sendung einges-ndicr SchrrststüLe ers»!gt nur, wenn Porio beiliegt. Das Wilsdruffer Taqeblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts ¬ gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzelle 20 Sipfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfenmge. Bsr- gescirriebeneErscheinung»- tage und Platzvorschrifte» werden nach Möglichdeu e kN s v kb M SV : Amt Wilsdruff Nk. 6 berücksichtigt. Lazeige»- annabme bis : orm.lO Ubr. ' — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabatlansprr ch er -scht, wenn derBetragdnrch Klage eingezogen werden muff oderderAuftraggederin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgeaeu. 2 Nr 213 — 88 Jahrgang Telegr-Adr. .Amtsblatt Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 12 September 1929 Dünkte Wege. „Politik und Geschäft" — diese unsympa thische Verbindung ist wohl mehr oder weniger in allen Staaten der Welt eine des öfteren recht intime. So manches Mal ist sie aber auch für die Geschicke der Völker recht verhängnisvoll geworden. Sie scheut das Licht der Öffentlichkeit, wandelt recht dunkle und häufig nicht fehr- saubere Pfad,. Und wenn man von „Politik und Ge schäft" spricht, dann müßte man eigentlich genauer sagen: Politiker und Geschäftsmann. Man ist sehr empfindlich geworden gegen Äußerungen dieser Verbindung und selbst in Amerika, wo die geschäftliche Mora! viele Hemmungen nicht kennt, die man im alten Europa für selbstverständlich hält, wird eine allzu große politische „swartness", also Ge rissenheit, übel empfunden, wenn sie — aufgedeckt wird. Fälle dieser Art sind aber in Amerika durchaus keine Seltenheit und geschäftstüchtige Politiker kleinen oder großen Formats wachsen recht zahlreich sns dem Boden empor, der von der Sonne des Dollars bestrahlt wird. Das Neueste auf diesem bisher schon mit nicht gerade wenigen Sumpfpflanzen besetzten Gebiet sind die Enthüllungen, die ein Agent, der Marinesach- verständige und Ingenieur Shearer, gemacht hat über die finanziell beeinflußten Beziehungen ausgedehnter Art, die zwischen den amerikanischen Schiffswerften und den maßgebenden Persönlichkeiten der Marine bestehen sollen Anlaß dazu war nicht etwa ein Reinlichkeitsbedürfnis dieses Agenten, sondern — entgangener Gewinn nicht ausgezahlte Provisionen. Er behauptet überdies, im Auf trage der Wersten und mit Zuhilfenahme großer Geld summen im Amerikanischen Repräsentantenhaus und auch bei anderen Persönlichkeiten, die auf die Fortführung der amerikanischen Rüstung zur See Einfluß haben, im Sinne einer unbedingten Fortführung dieser Rüstungspolitik ge worben zu haben. Shearer geht sogar noch weiter. Er behauptet, von vier amerikanischen Admirälen zu feiner Propaganda gegen die allgemeine Seeabrüstung ermuntert die Überlassung geheimer Dokumente derart zu sein, daß er zu dem Seeabrustungskonferenz von 1927 zwischen ""m "std Frankreich entscheidend hätte bei- tragen können. Ratllrftch jagen sich nun die Erklärungen und Dementis. Der Präsident Hoover will von all diesen Vorkommnissen unbedingt den Schleier wegziehen und damit aller Welt kundtun, daß die offizielle amerikanische Friedenspolitik sich nicht durch diese dunklenMachen- schaften beeinflussen lassen werde. Außerdem ist im Senat der Antrag gestellt worden, den ganzen Skandal einer parlamentarischen Untersuch ungs- kommission Zwecks genauerer Feststellung der Einzel heiten und des Tatsächlichen zu unterbreiten. Solche Untersuchungskommissionen haben sogar in Amerika bis weilen — allerdings recht selten — auch tatsächlich zu einem abschließenden Resultat geführt,, doch pflegt sich die Untersuchung meist recht lange hinzuziehen, weil die an ihrer Ergebnislosigkeit interessierten Kreise gewöhnlich über gewaltige finanzielle Mittel und einen sehr erheb lichen Politischen Einfluß verfügen. -Natürlich ist dem amerikanischen Präsidenten Hoover diese Enthüllung eines an den Dingen offenbar intim Be teiligten besonders deswegen peinlich, weil ja zurzeit schon recht weit gediehene Verhandlungen mit England über die Rüstungsbeschränkung zur See im Gange sind und diese Verhandlungen bzw. ihr Resultat den Auftakt bilden sollen für eine Weltverständigung über die Seerüstung im Sinne einer allgemeinen Verminderung der Flottenstreit kräfte. Außerdem — erinnert sei daran, daß die erste, allerdings ziemlich ergebnislose Secabrüstungskonferenz 1921 in Washington stattfand — haben die amerikanischen Präsidenten Harding, Coolidge und jetzt Hoover trotz der inzwischen durchgeführten Seeaufrüstung Amerikas immer als Träger einer Politik gelten wollen, die über kurz oder lang zu einer Einigung über die Stärke und die Zu sammensetzung der verschiedenen Flotten führen sollte. Wiederholt sind entsprechende Konferenzen von den ameri kanischen Präsidenten einberufen worden, und daß sie scheiterten, wurde von Amerika immer den beiden euro päischen Mächten England und Frankreich zum schweren Vorwurf gemacht. Infolgedessen hat man in Washington das dringendste Interesse daran, durch eine genaue Unter suchung den Verdacht zu beseitigen, als sei diese ganze Abrüstungspolitik nur eineziemltchgrobeFinte, aus die man in Europa zweckmäßigerweise nicht herein fallen sollte. . - - , In diesem Zusammenhänge muß übrigens noch dar auf hiugewiesen werden, daß erst der Weltkrieg Amerika ZU einer Flottenmacht größeren und die Nachkriegszeit zu einer solchen ganz großen Stiles gemacht hat, so sehr, daß nach nicht allzu langer Zeit bei der Durchführung des bis herigen amerikanischen Schiffbauprogramms der englische Vorsprung eingeholt sein wird. Dstw"Ee e» natürlich für die dortigen in Frage kommenden Industrien eine schwere geschäftliche Einbuße bedeuten, wenn cs zu einer Kürzung dieses Programms oder gar Z einer völligen Einstellung von Schiffsneubauten kommen wurde. «>o kann man es zwar nicht billigen, wohl aber verstehen, daß Mese Industrie auf dunklen und nicht gerade sauberen, vielleicht erfolgversprechenden Wegen versuchte, die Abbaupläne zu hintertreiben. Jie WnUM der Boinbenleger Sprengsioffasientate aufgeklärt. Zahlreiche Verhaftungen. Die groß angelegte Tätigkeit der Polizei im Verlaus der in der letzten Zeit in verschiedenen Gegenden Deutsch lands ausgeführten Sprengstoffattentate hat jetzt zu einen« Erfolg geführt. Das Netz der Untersuchung breitete sich über Schleswig-Holstein, Hamburg, Han nover und Berlin aus und wurde besonders enger- gezogen nach den letzten Anschlägen in Lüneburg und am Reichstag in Berlin. Der Verdacht richtete sich gegen einen bestimmten Kreis von Personen, die zum Teil schon bei der Ermordung Rathenaus unter Beobachtung gestanden hatten oder direkt beteiligt gewesen waren. In der Nacht auf Dienstag wurde in Krempe bei Itzehoe ein angeblicher früherer Polizeihauptmanu Nickel festgenommen. Er war mit einem Automobil nach Krempe gekommen und sollte in Heide beheimatet sein. Vorher hatte Nickel sich bei einem Kaufmann in Hamburg vorübergehend aufgehalten und bei ihm ein Paket hinterlassen. Bei Nachsuchung in der Wohnung des Hamburger Kaufmanns wurde eine Höllenmaschine, die mit einem Zeitzünder versehen und in eine Zigarrenkiste eingebaut war, in gebrauchsfertigem Zustande vorgefunden. Der Kaufmann wurde ebenso wie Nickel nach Altona gebracht, wo in der Hand des die Nachforschungen leitenden Polizei präsidenten Eggerstedt die Fäden zusammenliefen. Das Auto, mit dem Nickel gekommen war, wurde be reits von Lüneburg ab verfolgt, entzog sich aber für kurze Zeit der Beobachtung, konnte jedoch vor Krempe wieder entdeckt werden. Den mitgeführten verdächtigen Gegen stand hatte Nickel bei dem Bankbeamten Karl Albert Pünjer abgegeben, wo er beschlagnahmt wurde. Nickel gab zu, die Höllenmaschine mit sich geführt und an Pünjer abgegeben zu haben. Polizeipräsident Eggerstedt, in dessen Händen die Fäden der Untersuchung zusammenlausen. Oie Persönlichkeit Nickels. Nickel, der sich als Polizeihauptmann a. D. bezeichnete ist der Leiter der Wach- und Schließgesellschaft in Heide Den Titel eines Polizeihauptmanns hat er sich selbst zu gelegt. In der Zeit der oberschlesischen Wirren stellte et dort eine Abwehrkompagnie auf und bezeichnete sich als Hauptmann. In der Wohnung Nickels in Heide sank man verbrannte Papiere, die zurzeit noch untersuch! werden. Nickel ist 1890 in Westholstein geboren, soll sich später als Supernumerar in Stuttgart aufgehalten unk der Organisation „Consul" nahcgestanden haben. Hans Gert Techow Ernst von Salonga» Festnahmen in Schleswig-Holstein. Im Verlauf der weiteren Untersuchung wurde fest, gestellt, daß Nickel vor seiner Verhaftung das Redaktions lokal der Zeitung Das Landvolk in Itzehoe besucht hatte Die Zeitung wurde besetzt und sowohl die beiden Redak teure, Bruno von Salomon und Kühl, wie der Synoikus Weschke und der Korrektor Wilhelm Dammang fest genommen, der bereits wegen der Hohenwestedter Atten- tatsgeschichte sistiert, aber dann wieder freigelassen wurde Ferner kam in Haft der angebliche Uhrmacher Hans Plön, der Gold- und Silberarbeiter ist. Man nimmt an, daß er die Höllenmaschinen fertiggestellt hat. Andere Verdächtige sollen sich im Ausland befinden. Der Führer des Ford-Wagens, mit dem Nickel fuhr, wurde als der Landwirt Klans Hein aus St. Annen erkannt und ebenfalls in Gewahrsam genommen. Man glaubt, auch der bekannte Landvolkführer Hamkens aus Neumünster stehe in enger Verbindung mit dem Attentate. Er sowohl wie der Geschäftsführer Muthmann sind in den Hän den der Polizei. Nie Berliner Verhaftungen. In Zusammenhang mit den Holsteiner Verhaftungen wurden in Berlin Haussuchungen und Festnahmen vor- gcnommcn. Zunächst verhaftete die Polizei mehrere Per sonen unter dem Verdacht der Teilnahme an dem Spreng- stvffattentat. Festgenommen ist Ernst von Salomon, der Bruder des Itzehoer Redakteurs der Zeitung Das Land volk. Ernst von Salomon wohnte unangemeldet bei einen« Dr. Salinger. Ferner der Geschäftsführer Werner Lasch und Hans GerdTcchow. Hans Gerd Techow ist der Bruder des Werner Techow, der zu 15 Jahren Zuchthaus wegen Beteiligung- an der Ermordung Rathenaus ver urteilt ist und gegenwärtig seine Strafe verbüßt. Der jüugere Hans Gerd stand dazu auch iu Beztehuugen und wurde wegen Beihilfe zu vier Jahren und einem Monat Gefängnis verurteilt. Im Jahre 1927 gehörte Hans Gerd Techow zu dem Kreis nm Ehrhardt, gegen den ein Verfahren wegen Fortsetzung des verbotenen Wikingbnndes eingeleitet war. Das Verfahren wurde infolge der Amnestie von 1928 ein gestellt. Verhaftet wurden dann noch in Berlin einige Personen, die sich mit der praktischen Vorbereitung von Svrengstoffanschlägen befaßt haben sollen. Es sind das der Hilfsrevisor Erich Thimm, der Arbeiter Her bert Nickelsdorf, der Schlosser Kurt Roßteut sch e r und der Mechaniker Heinrich Bauder. Ern st von Salomon bezeichnete sich als Schriftsteller und hatte iu Berlin drei verschiedene Wohnungen. Verdäch tige Zusammenkünfte der beteiligten Personen sollen in Berlin wiederholt stattgefunden haben. Einige der Inhaftierten sollen bereits umfassende Ge ständnisse abgelegt haben. Die Vernehmungen dauern an, weitere Verhaftungen sollen in Aussicht stehen. Im Bureau Ehrhardts in der Lützowstraße, das von früheren Mitgliedern der Organisation „Consul" geleitet wird, sand eine Durchsuchung statt. Das schriftliche Material wurde beschlagnahmt, die Sekretärin namens Sonja Lankes verhaftet. Auch ein Kaufmann Georg Kruschke und ein ehemaliger Feuerwerker Wilske befinden sich unter den Berliner Verhafteten. Die Zeitung Das Landvolk iu Itzehoe ist verboten; sie ist das Organ der bäuerlichen schleswig-holsteinischen sogenannten Landvolkbewegung, steht aber in Gegensatz zu der nationalsozialistischen Be- wegnng und hat keine Beziehungen zu dieser. Auto IP3S08S. Zu den Verhaftungen in der Bombenaffäre. Nach den ersten drei Attentaten richtete sich der Ver dacht gegen einen bestimmten Personenkreis, der auch bei der Ermordung Rathenaus und dem Anschlagversuch auf Severing die Hand im Spiele hatte. Es wurden alle Sprengstücke gesammelt und dis fraglichen Personen ge nau beobachtet. Aber nicht nur die Personen wurden überwacht, sondern auch die Laudstraße und Wege, hauptsächlich die Einmündungsstraßen von und nach Altona. Zuerst wurden die Wagen im geheimen überwacht, d. h. Beamte schrieben die Nummern auf, während die Wagen vorüberfuhreu. Dies ging aber auf die Dauer nicht, denn viele Wagen fuhren ein so schnelles Tempo, daß die Nummern nicht genau ersichtlich waren. Darauf wurden die Straßen durch die bekannten rot weißen Pfähle verbaut, um Psla st erarbeiten vorzutäuschen. Die vorüberfahrenden Wagen waren auf diese Weise gezwungen, langsam zu fahren, wodurch cs möglich würde, alle Nummern Zu notieren. So konnte man beobachten, daß immer wieder die gleichen Wagen vorüberfuhren, wenn irgendwo ein Attentat erfolgt war. Der Kreis der verdächtigten Wagen und Personen verdichtete sich immer mehr: hauptsächlich der Wagen l ? 35088 erregte den Verdacht der über- wachungsbchörden. Es wurde festgestellt, daß der Wagen mit einem verdächtigen Gegenstand nach dem letzten