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Die „Vttendorser Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode", Annahm» von Inseraten bi» vormittag z« Uhr. Inserate werden mtt t» Pf für dir Spaltzetle berechnet Tabellarischer Satz nach besonderem Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-GkriUa. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkiüa Nr. 29. Mittwoch, den 7. Mär; 1906 5 Jahrgang. Bekanntmachung. Nach erteilter Kreishauptmannschaftlicher Genehmigung betragen die Kassenbeiträge ab 1. Januar 1906 für männliche Personen über 16 Jahren 23 pfg. pro Woche für weibliche Personen über 16 Jahren psg. pro Woche für männliche Personen unter 16 Jahren 12 pfg. pro Woche für weibliche Personen unter 16 Jahren 8 pfg. pro Woche. Die Beiträge sind pünktNvk «Iler 4 Wvedvn an der Kassenstelle abzuführen Ottonüorf-Vkrili«, den 2. März 1906. ' ver Ausschuß Her gemeinsamen SemeinaekraMenversicherung. Oertliches und Sächsisches. Vttendors. Dkrilla, den 6. März MS — Am 17. Februar ist die 50. Wieder kehr des Todestages ^unserS großen Dichters Heinrich Heine in vielen deutschen Orten ge feiert worden. Mit Recht hat er von sich selbst gesagt: „Ich bin ein deutscher Dichter, bekannt im deutschen Land; nennt man die besten Namen, so wird auch der meine genannt!" Gewiß klingt das selbstgefällig und anspruchs voll, aber kein Kenner seiner Werke kann ihm dieses Eigenlob absprechen; haben doch viele seiner Gedichte einige unserer besten Komponisten wie Schubert, Schumann, Mendelsohn Bartholdy u. a. zu den schönsten Schöpfungen veranlaßt. Es seien hier nur einige Lieder erwähnt, die dem deutschen Volk vollständig in Blut über gegangen sind, z. B. „Ich weiß nicht, was soll eS bedeuten," — „Leise zieht durch mein Gemüt", — „Ich wollt, meine Lieb' vergösse sich" u. s. w. In anzuerkennender Weise haben sich nun einige hiesige Lehrer vorgenommen, unter Mitwirkung des „Gemischten Chores" Nächsten Freitag im Gasthof zum Hirsch einen Heineabend zu veranstalten, an dem eine reich haltige Auswahl seiner besten Dichtungen durch Lied und Deklamation zu Gehör gebracht werden soll. Wer darum sich einen edlen Genuß verschaffen will, wird hierdurch zu diesem Abend freundlichst eingeladcn. Auch sei an dieser Stelle auf die diesbezügliche Annonce im Inseratenteil aufmerksam gemacht. Eisenberg-Moritzburg. Durch seinen juristischen Vertreter "erwarb der König im ZwangSvr steigerungStermin die hiesige Brauerei (Schlicßersche) für den Preis von 73500 Mk. Der Ankauf der Brauerei hängt mit dem wasserrechtlichen Verhältnissen der Königlichen Besitzungen in Moritzburg zusammen. Sacka. Die.3. Strafkammer des Dresdner Kgl, Landgerichts verhandelte am Freitag Nachmittag gegen den 28 Jahre alten in Sacka Wohnenden Hausbesitzer und Sattlermeister Friedrich Otto Herrmann wegen wiederholten Rückfallsdiebstahls. Der Angeklagte hat bereits im Jahre 1897 in Großenhain wegen Dieb stahls Strafe verbüßt und sodann ist er im darauffolgenden Jahre nochmals wegen gleichen Vergehens zu 3 Monaten 2 Wochen Gefängnis verurteilt worden. In dem vorliegenden Falle Wird dem Angeklagten beigemessen, am Reformotionsfeste vorigen Jahres zu Tauscha bei Radeburg in dem dortigen Gasthofe dem Wirt Sickert eine Speckseite und ungefähr i5 Würstchen gestohlen zu haben, Da Herrmann hartnäckig leugnete, machte sich eine längere Beweisaufnahme notwendig- Es waren hierzu eine größere Anzahl Zeugen vorgelnden. Der Angeklagte wurde für schuldig erkannt, das Gericht ließ jedoch Milde walten und ver urteilte in deshalb zu 4 Monaten Gefängnis, sowie zu dreijährigem Ehrenrechtsverlust. Kaditz. Der gefährliche Brandstifter, der die Vorstadt Kaditz durch sein verbrecherisches Treiben seit Wochen schwer beunruhigt hat, ist verhaftet worden. Bekanntlich wurde vor einigen Wochen mehrmals hintereinander die Feuerwehr nach der abgelegenen Vorstadt ge rufen, weil dort von ruchloser Hand Feuer an die Gehöfte gelegt worden war. Nur mit Aufbietung aller Kräfte gelang es jedeSmal, den Brand zu lokalisieren und größeres Unheil zu verhüten. Der Brandstifter ist der 39 jährige Schlaffer Rickard Fischer. Königstein. Der hiesige Elbhafen hat sich während der vergangenen Woche fast völlig geleert, so daß die Frachtschiffahrt als voll ständig eröffnet anzusehen ist. Das Be- und Entladen der Fahrzeuge wird jedoch durch das eingetretene Hochwasser erschwert. Bautzen. In der hiesigen Landesstrafanstalt waren zu Anfang des vierten Vierteljahres 1905 740 Gefangene, am Schluffe des Jahres 768 Gefangene als Bestand. Neu eingeliefert waren darunter 342 Personen, der Abgang betrug im ganzen 314, von denen 276 ent- laffen, 33 beurlaubt wurden, 4 nach einer anderen Strafanstalt kamen und einer der Gefangenen verstarb. Großenhain. Aus einem Fenster der drei Treppen hoch in der Mansarde belegenen Arbeitsräume des H. Kirchnerschen Möbel magazins auf hiesiger Neumarktgaffe ist am Montag Nachmittag */,4 Uhr der etwa 40jährige Lackierer Meinig von hier auf die Straße gestürzt. Der Tod des vermutlich bei zu weitem Hinausbeugen aus dem Fenster Verunglückten ist alsbald eingetreten. Meinig war seit 14 Jahren bei Herrn Kirchner be schäftigt und wird von diesem als ein überaus braver Arbeiter bezeichnet. Er hinterläßt außer seiner Frau eine zahlreiche Familie. Mühlberg. Mit voller Ladung in Grund gegangen ist am Sonnabend früh der mit 9000 Zentnern böhmischer Braunkohlen be frachtete, große Deckkahn des Schiffseigners Eduard Hering aus Gießhübel bei Krippen in Sachsen kurz unterhalb der Mündung des hiesigen Winterhafens. Das Fahrzeug hatte am Freilag abend im sogenannten „Durchstich" bei Mühlberg gestellt, beim Losfahren am Sonnabend früh versagte die Steuerung, das Schiff wurde dadurch aus der Fahrrinne ge trieben und fuhr mit solcher Wucht auf eine der bei dem jetzigen hohen Wafferstande unter Wasser stehenden und deshalb nicht sichtbaren Buhnen auf, daß es mitten durchbrach und in kurzer jZeit vollständig in Grund sank. Die Schiffsmannschaften konnten nur mit Mühe ihre notwendigsten Habseligkeiten in Sicherheit bringen. Das havarierte Fahrzeug liegt so tief daß es vom Wasser überflutet wird. Schiff und Ladung sind vollständig verloren. Der Schiffsverkehr an der Unfallstelle ist nicht be hindert. Oschatz. Der Vizewachtmeister Thiemer vom hiesigen Ulanenregiment, der wegen Ver führung Minderjähriger in Untersuchung sich befand, ist in Haft genommen worden. Die Verhaftung wird damit in Verbindung gebracht daß Thiemer seinen Putzer in unzulässiger Weise zu beeinflussen versucht hat. Thiemer soll seinem Putzer 400 M. geboten haben, damit dieser sich der Thiemer zur Last gelegten Delikte schuldig bekennen soll. Chemnitz. Die am Sonntag vormittag im Volkshause Kolosseum abgehaltene sozial- demokratische Versammlung, in der über Zehn Jahre Dreiklaffenwahlrecht in Sachsen gesprochen wurde, war von etwa 800 Personen besucht. Die Versammlungsteilnehmer gingen ruhig nach Hause. Zittau. Zu dem Großfeuer in der „alten Kaserne" ist noch zu berichten, daß auch die unter dem Dachgeschoß befindliche zweite Etage vollständig zerstört worden ist. Ueberhaupt ist das Gebäude durch die hineingeschleuderten Waffermaffen derart in Mitleidenschaft ge zogen worden, daß jedenfalls mit dessen völligem Abbruch gerechnet werden muß. Das Feuer ist vermutlich durch einen Effendefekt entstanden. Mit diesem Brande ist ein historisches Gebäude vernichtet worden. Es wurde 1699 errichtet und diente zunächst als Waisenhaus. Im siebenjährigen Kriege wurde das Gebäude beim Bombardement .vom 23. Juli 1755 zerstört, zum Teil aber wieder ausgebaut. Vom Jahre 1795 ab wurde das Gebäude als Zuckthaus verwendet, bis es von ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts ab bis vor einigen Jahren zur Aufnahme des Militärs diente. Leipzig. Im Februar 1904 verunglückte der Laternenwärter Kothe, indem er in die Luppe stürzte und ertrank. Zwei Leute fanden die Leiche, raubten diese aus und warfen sie ins Wasser zurück. Jetzt wurden die Leichen räuber, welche die Taschenuhr des Ertrunkenen verraten hatte, zur Verantwortung gezogen. — Am Mittwoch abend kam in der Goethe- straße ein alter Herr beim Aufspringen auf einen Straßenbahnwagen zu Falle und blieb besinnungslos liegen. Im Krankenhause, wohin er gebracht wurde, ergab sich, das ihm eine Brieftasche mit 3 Tausendmarkscheinen abhanden gekommen waren. Es hat sich herausgestellt, daß ein 21 jähriger Schneider aus Mühlhausen und ein 17 jähriger Händler aus Basel die Brieftasche an sich genommen hatten. Sie wurden in Halle a. d. S. festgenommen, als sie einen Tausendmarkschein wechseln wollten. — Ein beklagenswerter Unglücksfall, dem ein blühendes Menschenleben zum Opfer fiel, ereignete sich in der Nacht zum Sonntag in der ersten Stunde im Grundstück Thalstraße 30 Der daselbst in der dritten Etage wohnhafte 20 Jahre alte Student der Mathematik Walter Müller aus Annaberg stürzte aus einem Fenster seiner Wohnung auf das Straßenpflaster hinab wobei er mehrere komplizierte Schädelbrüche er litt. Auf dem Transporte nach dem Kranken hause gab der Schwerverletzte seinen Geist auf Der Unglückliche hat sich vermutlich zu weit zum Fenster hinausgebeugt und hierbei das Gleichgewicht verloren. Plauen i- V. Ein neuer Schwindlertrik ist in England aufgekommen und wurde, aller dings erfolglos, bei einem hiesigen Beamten angewendet. Sein in London wohnender Sohn hatte auf ein Zeitungsgesuch eine Offerte ein gesandt und in dieser auf Wunsch über seinen Lebenslauf und die Vermögensverhältniffe seiner Eltern Auskunft gegeben. Die Schwindler von denen das Gesuch ausgegeben war, richteten an den Vater nach Plauen ein Tele gramm aus Manchester mit der Unterschrift des Sohnes und der Bitte, sofort 100 Mark zu senden, da der Absender verunglückt sei. Der Beamte erbat jedoch erst von seinem Sohne Auskunft, wobei sich der Schwindel heraus stellte. Aus der Woche. Man unterdrückt nachgerade schwer ein Gähnen, wenn man die Worte „Algeciras" und „Marokko-Konferenz" liest. In den letzten vierzehn Tagen sind die Verhandlungen so gut wie garnicht von der Stelle gerückt. Die Polizei und die Banksrage bilden noch immer die Streitpunkte, und erfreulicherweise zeigt sich die deutsche Presse ebenso gleichgültig und kühl wie die französische aufgeregt. Rouvier ist da durch in eine schwierige Stellung gerückt, zu dem ihm auch aus den Reihen der eigenen Parteigenoffen der Vorwurf gemacht wird, daß er bei den Inventar-Aufnahmen nicht energisch genug vorgeht, während die anderen wieder sein zu hartes Vorgehen bemängeln. — Wenngleich die Maffengewalttaten in Rußland ihr einstweiliges Ende erreicht zu haben scheinen so bilden doch einzelne Taten der Terroristen die stehende Rubrik in den Zeitungen. Neuer dings ist es besonders auf die Beraubung von Staatskaffen abgesehen, die auch in einzelnen Fällen gelangen. Die Reformen, die Wahlen, sowie auch die Einberufung der Reichsduma werden auf die lange Bank geschoben. Als Datum der letzteren wird .gegenwärtig der 5. Mai angegeben, während sie doch eigentlich schon im verflossenen Dezember zusammentreten sollte. Zeit gewonnen, alles gewonnen, denkt der Zar und so werden denn auch wohl die Reformen gehörig verwässert werden und schließlich wird alles so ziemlich beim alten bleiben. — In Norwegen hat man, und zwar vorläufig bis zum Jahre 1910, einen Fonds zu errichten im Sinne, aus welchem Arbeits lose unterstützt werden sollen. Das Land ist industriell so wenig entwickelt, daß für jene Unterstützung nur einige große Städte in Betracht kommen. Da läßt sich also ein derartiges Experiment ohne allzu große Gefahr riskieren. — Der kranke König Eduard, dessen Gesundheitszustand ihm ebensowenig die Teil nahme an der Begräbnisfeierlichkeit seines Schwiegervaters als auch an der Silberhochzeit seines Neffen erlaubte, weilt seit einigen Tagen auf dem Festlande. Es soll sich um eine Be sprechung mit dem Prinzen von Battenberg wegen der Verheiratung EnaS mit dem König Alfons handeln. Es ist allerdings nicht recht einzusehen, warum zu diesem Zwecke nicht der Battenberger nach England zum kranken König gegangen ist; denn nun gibts doch wieder aller hand Gerede. — Ungarn ist ruhig, vielleicht ruhiger als es früher unter seiner verfassungs mäßigen Regierung war. Wenn man sich ver gegenwärtigt, was unter Koffuths Führung 1849 in' Ungarn geschah und damit vergleicht, wie die Epigonen ebenfalls unter einem Koffuth so gar keinen Anklang unter ihren Landsleuten finden, dann muß man sich sagen, daß das llngarvolk entweder aus den Ereignissen seiner großen Revolution viel gelernt hat oder aber daß eS durch die magyarische Regierung seit 35 Jahren politisch vollständig entnervt und korrumpiert worden ist Vielleicht halb so und halb so. — Dieser Tage kam in der Reichs- tagökommission die Puttkamer - Affäre aus Kamerun zur Sprache. Die Denkschrift die der Gouverneur von Puttkamer eingereicht hat macht einen wahrheitsvollen Eindruck und lehrt wiederum die Richtigkeit des alten Satzes, daß man auch den andern Teil hören müsse. Unter früheren Verwaltungen wurden in Kamerun mit gutem Erfolge ausländische Nutzpflanzen: Kakao, Baumwolle usw. eingeführt. Von der jetzigen wußten böse Zungen nur zu sagen, das eine „Berliner Pflanze" eingeführt worden sei. Der-^Vorwurf ist allerdings verstummt, entweder weil er unbegründet war oder weil dies denn doch zu sehr als Privatsache erscheint. — Das Doppelfest im Kaiserhause, vor allem aber die Silberhochzeit ist einer weit größeren Teil nahme begegnet, als es zuvor den Anschein hatte. Die Spenden der Provinzen, der größeren Städte, alle für Wohltätigkeitszwecke bestimmt, sind außerordentlich und respektabel. Nur eines vermißte man unter den Berichten in den Zeitungen: eine Amnestie. Man hat dieselbe um so gewisser erhofft, als liebedienerische Federn verbreitet halten die Kaiserin habe eine solche als einziges Silberhochzeitsgescheuk vom Kaiser erbeten. Leider ist das schönste Vorrecht der Krone diesmal unausgeübt geblieben.