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^«266 mm und Tageomt. Amtsblatt für die königlichen md stüdtischen Behörden zu Freiberg Md Braud. Verantwortlicher Redakteur: Iulius Brauu tu Freiberg. Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom- und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile U FBU» M oder deren Raum 1k Pf. M. W « . . 40. Jahrgang Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. '/,SUHr für dm kLL Mittwoch, den IS. November. zweimonatlich > M. 50 Pf. uns emmonmlUG «o rpf. Nochmals der deutsche Kronprinz. Im Beisein der Generalärzte vr. Lmtholdt und Professor von Bergmann empfing der deutsche Kaiser Sonntag Nachmittag den am Morgen aus San Remo in Berlin eingetroffenen Frank furter Arzt vr. Schmidt und nahm von demselben einen mündlichen Bericht über die Krankheit des de uts ch e n Kr o n- Prinzen und die Urtheile der Aerzte entgegen. Hierauf folgten die Aerzte, welche dem Kronprinzen im Frühjahr be handelt hatten, Generalarzt vr. Wegner, die Professoren von Bergmann, Gerhardt und Tobold, einer Berufung in das Königliche HauSministertum, wo sie unter dem Vorsitze deS Grafen zu Stollberg-Wernigerode mit vr. Moritz Schmidt zu einer längeren Konferenz zusammentraten. Es wurden ihnen die Gutachten von San Remo unterbreitet und von ihnen rin sachverständige- Urthril über da- jetzige Stadium deS HalSleidrns, über dir AuSfichtrn für die Zukunft deS hohen Potientm und über die weitere Behandlung erbeten. Montag Vormittag empfing vr. Schmidt den Vertreter eine» Berliner Blattes in seiner Wohnung im Hotel du Nord und ertheilte ihm folgende Auskunft über den Zustand des Kaiser- sohnrS: Donnerstag, den 10., Morgen», sah Herr vr. Schmidt dm Kronprinzen zum ersten Male. Die Oedrm-Anschwellung verhinderte die gmaue Untersuchung der Wucherung, und man glaubte sich genöthigt, einige Tage warten zu müssen, um eine genaue Untersuchung de- Halse- de- Kronprinzen vornehmen zu können. Jedoch schon am nächsten Tage war die An schwellung in Folge der Behandlung mit EiS so weit zurück getreten, daß eine erneute, diesmal erfolgreiche Untersuchung eingestellt werdm konnte. Allerdings trat dabei die Oedem- Anschwellung den Aerzten immer noch insoweit in dm Weg, als dieselben die volle Ausdehnung der Wucherung nicht genau konstatiren konnten. So war namentlich jme Stelle auf dem linken Stimmbande, von welcher die Wucherung auSgegangrn, und welche im Frühjahr beobachtet war, am letzten Freitag nicht sichtbar. Als unzweifelhaft konnte jedoch Folgendes festgestellt werden: Es befindet sich dicht unter dem linken Sttmmbande eine Wucherung, welche im Umfange etwa eines Centimeters zu übersehen war. Ob die Wucherung bereits noch weiter um sich gegriffen hat, konnte weder verneint noch bejaht werden. Sämmtltche Aerzte warm darüber einig, daß diese Wucherung krebsartiger Natur ist und bereits auch auf die rechte Seite des Kehlkopfs hinübergegriffen hat. Unter diesen Umständen wäre nach der Ueberzeugung der Aerzte, im Falle man überhaupt eine Operation vor nehmen wollte, die totale Exstirpation des Kehlkopfes nothwendig gewesen. Dieses tiefbetrübende Resultat der ärztlichen Untersuchung wurde dem Kronprinzen sofort mitgetheilt, und er hat die schwere Nachricht, wie Herr vr. Schmidt betonte, entgegen- gmommen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Gleichzeitig wurde der Kronprinz nun auch über die Chancen einer solchen totalen Exstirpation deS Kehlkopfs aufgeklärt, da e» in so schweren Fällen ärztliche Sitte ist, nach der Darlegung der Chancen, welche die Operation hat, dem Kranken selbst die Entscheidung darüber anheimzustellen, ob die Operation vollzogen werden soll oder nicht. Der Kronprinz wurde nicht nur darauf hin- gewiesm, daß die totale Exstirpation de- Kehlkopf» stets mit großer Lebensgefahr verbunden sei, sondern daß die Aerzte auch nicht die Garantie dafür übernehmen könnten, die Operation werde, selbst im Falle des Gelingens, eine voll ständige Heilung de- Leiden» herbeiführm. Im Gegentheil sei eS da- Wahrscheinlichere, daß bei Krebs auch nach voll ständiger Exstirpation deS Kehlkopf» nach etwa sechs Monaten etn Recidiv auftreten würde. Unter diesen Umständen glaubten die Aerzte nicht, die Vornahme der Operation empfehlen zu können, Md der Kronprinz entschied sich nach kurzem Bedenken mit aller Bestimmtheit gleichfalls dahin, daß er die Ope ration an sich nicht vollziehen lassen wolle — Herr vr. Schmidt hat am Sonntag dem Kaiser sowohl die Meinung der Aerzte, als auch den Entschluß deS Kron prinzen übermittelt. Der Kaiser war tief erschüttert über die traurige Kunde und entschied dahin, daß der persönliche Wille seines Sohnes in der Frage der Operation den Ausschlag zu geben habe. Die Operation ist mithin definitiv ausgegeben. Ueber die weitere Behandlung, welcher der Kronprinz von -setzt an unterzogen werden wird, theilte Herr vr. Schmidt einem Berichterstatter Folgende» mit: Es wird dem Kranken jetzt vollständige Ruhe gelassen werden. ES werden keinerlei operative Eingriffe von der Mundhöhle her mehr vorgenommen werden, da. dieselben gar keinen Zweck mehr hätten. Die An schwellung im Kehlkopf sei eine Folge von PerichondritiS (Knorpelhaut-Entzündung), die durch da» Carcinom (den Kreb») hervorgcrufm sei. Diese Anschwellung könne sich in einigen Wochen oder Monaten leicht wiederholen, und fall» ErstickungS- grfahr eintreten sollte, würde der Luströhrmschottt ausgeführt werden. Der Letztere sei jedoch nur als Palliativmittel aus- zufaffen. Ueberhaupt habe di« ärztliche Behandlung jetzt daS einzige Ziel, das WachSthum der Wucherung möglichst hintan zuhalten. Zu diesem Zwecke müsse der Kronprinz die mög- lichste Ruhe genießen, und bet dem lokalen Uebel sei die Be handlung mit EiS und eine richtige Diät vorgeschrirben. Nothwendig sei e» auch, daß der Kronprinz sich viel in frischer Lust bewege, und aus diesem Grunde werde er bi» zum Frühjahr in San Remo bleiben, wo das herrlichste Sommerwetter herrsche und der Kronprinz sich stets im Freien aushalten könne. In der Villa Zirio, wo der Kronprinz wohnt, sei er ganz vortrefflich untergebracht. Ueber die Dauer der Krankheit, di« leideralSeine unheil bare betrachtet werden müsse, laste sich noch gar nicht» sagen. Die medizinische Wissenschaft kennt Fäll«, in welchen dir Patienten, trotz de» Krebse», sich Jahre lang körperlich wohl und gesund fühlten. Da» Allgemeinbefinden d«S Kronprinzen sei zur Zrit da» denkbar Beste, «r ertrage feine Leiden mit vollkommenster Fassung. J«d«fall» sei für die nächste Zeit keine Gefahr zu befürchten. Herr vr. Krause werde voraussichtlich noch einige Zett in der Umgebung des Kronprinzen bleib«. Ueber die ärztliche Behandlung de» deutschen Kronprinzen seit dem Frühjahr geht einem anderen Berliner Blatt folgende authentische Darstellung zu: „Die traurige Wahrheit ist nun mehr festgestellt und keine Vertuschung hilft «ehr; der Krebs itzt genau an derselben Stelle, an welcher die ersten Anfänge >er bösen Neubildung von Professor Gerhardt im April d. I gefunden wurden. Nachdem dieser durch sehr energische Aetzungen versucht hatte, das Gebilde zu zerstören und es mmer wieder nachwuchs, war er von besten carcinomatöser (krebsiger) Natur überzeugt und forderte die Heranziehung eine» Chirurgen behufs Vornahme einer radikalen Ausrottung des werdenden Krebses. Zu jener Zeit wurden noch zwei Spezialärzte für Kehlkopfleiden htnzugezogen: vr. Mackenzie und Professor Tobold. Letzterer trat der Anschauung der Herren Gerhardt und von Bergmann bei. Dagegen bekämpfte vr. Mackenzie mit Bestimmtheit und erklärte er sie für irrig; das Gewächs sei kein Krebs, sondern eine Warze auf entzündeter Schleimhaut. Es ist bekannt, daß diese seine Austastung durch anatomische Untersuchung Virchows, trotz eines von diesem gemachten Vorbehalts eine Stütze ent hielt. Bon dem 1. September ab bis vergangenen Dienstag hat ein deutscher Spezialist den Kronprinzen nicht mehr untersucht; er war ausschließlich in den Händen von Mackenzie und seines Assistenten vr. Howell Mackenzie gab den Korrespondenten verschiedener Berliner Blätter gegenüber, ferner in zahlreichen Artikeln in den englischen Fachzeitschriften „The Lancet" und „British medical Journal" die beruhigendsten Versicherungen. Auch jetzt noch ist er der Ansicht, daß während der Monate August, Sep tember und Oktober der Kronprinz einen krebsfreien Kehlkopf gehabt habe. Ganz plötzlich erst soll — nach Mackenzies Darstellung — vor vierzehn Tagen ein neues Ereigniß ein getreten sein: die Bildung eines KrrbseS an eben derselben Stelle, wo im Frühjahr «ine unschuldige Warze gesehen haben soll, andere Aerzte aber den Krebs konstatirt hatten. Dies zu glauben, wird sich kaum ein Laryngolog der Welt bereit finden." Trotzdem sagte Mackenzie noch am Sonnabend zu dem Korre spondenten des „Neuen Wiener Tageblatts" in San Remo: „Der Kronprinz wird hoffentlich hier überwintern; das Klima ist günstig, vr. Krause führt die Leitung der Behandlung, er macht, wenn Gefahr eintritt, die Tracheotomie. Wenn eine Vergrößerung der Neubildung erfolgt, kehre ich zurück und extrahire ein Stück (!!). Die Angriffe der deutschen Zeitungen sowie StörckS sind ungerecht, wie jetzt daS Ergebniß der ärzt lichen Berathung zeigt, denn meine Methode wird fortgesetzt. Wenn der berühmteste Mikroskopiker, Virchow, das Vorhanden sein des Carcinoms nicht konstatirt, müßte derjenige, der trotz dem die Operation wünscht, verrückt sein." Nachdem was vr. Schmidt in Berlin berichtet hat, scheint aber Mackenzie, der gestern von San Remo abreiste, gründlich wenn leioer auch zu spät abgethan zu sein. Tagesschau. Freiberg, den 1b. November. Nachdem der deutsche Kaiser am Sonntag den Bericht des vr. Schmidt au» Frankfurt am Main entgegengenommen und sich in höchster Ergriffenheit über das Leiden seine» Sohne» ausgesprochen hatte, kam er auch noch auf seine eigene Gesundheit zu sprechen und hob hervor, daß er selbst ich jetzt körperlich wieder vollkommen wohl fühle. — Da» Befinden de» deutschen Kaisers war auch gestern ei« ganz vortresfliche-. Die Vorbereitungen für den Besuch de» russischen Zarenpaare» beschäftigen den Kaiser auf daS Lebhafteste. Die Fest- ichkeiten, welche zu Ehren der russischen Majestäten stattfind« oll«, bestehen in einem großen Galadiner im Runden Saale de» äiserlichen PalaiS Md in einer Galavorstellung im Opernhaus«. — Mind«r gut scheint es mit der Gesundheit der deutsche« Kaiserin zu stehen. Nach einem Privattelegramm der „Nat.-Ztg." au» Mannheim ist daS großhrrzogliche Paar zur Kaiserin nach Koblenz gereist — Bei der RetchStagSersatzwahl im ersten Bromberger Wahlkreis (Czarnikau), wurde Colmar (konservativ) mit S731 Stimmen wiedergewählt: der Pole Gasowiecki erhielt nur 4K28 Stimmen. — Die finan ziellen Beziehungen de» Reiche- zu den Bundesstaaten finden ihren Ausdruck in dem Verhältntß der Matrikular umlagen zu den Urberwrisungen au» ReichSstrurrn. Und zwar kommt, genau genommen, dabei nur derjenige Betrag an Matrikularumlage» in Bettacht, welcher nicht d«n Ausgleich für die Einuahmm der Postverwaltung, der Biersteuer u.si w. feiten der au diesen nicht brtheiligten Staaten bildet. Wen« man von den in dieser Hinsicht sich ergebenden Verschiebung« absteht, so ergeben sich neben dem Mehrbedarf für Deckung deS Fehlbetrags von 1886/87 und für Zinsen, Pension« u. s. w. vor Allem der Mindererttag an Maischraum- Md an Zuckersteuer von zusammen 17 Million« als diejenige« Momente, welche eine Erhöhung der Mattikularumlagen be ding«. Alles in Allem gerechnet, dürfte die Erhöhung deS Gcsammtbettages der letzteren indessen erheblich hinter der Summe von 40 Millionen Zurückbleiben und sich mehr der jenigen von 30 Millionen nähern. Ist dies, abgesehen, von den erwähnten Verschiebungen innerhalb der Matrikularbeiträge, annähernd der Betrag der Mehrbelastung, welcher den Finanz« der Einzelstaaten auS dem nächstjährig« Reichsetat erwachs« wird, so läßt sich schon jetzt der finanzielle Vortheil, welcher denselben im Vergleich mit dem laufenden Etat in Aussicht teht, noch genauer beziffern. Einen der.Hauptposten bildet >ie Branntweinverbrauchssteuer, welche einschließlich der Nach teuer mit einem Reinerträge von etwa 116 Millionen Mark angesetzt ist. Die Mehrerträge der Zölle, Tabakssteuer und Reichsstempelabgaben dürsten zusammen mit noch nicht 2 Mil ton« Mark zu beziffern sein. Die Annahme ist daher be rechtigt, daß in dem nächstjährigen Etat gegen den laufenden Etat 117—118 Millionen Mark Mehrüberweisungen vorge nommen werden. Hiernach ergiebt sich, daß die lleberweisungm um mehr als den dreifachen Betrag des Anwachsen« der Mattikularumlagen sich erhöhen werden, mithin die Bundes taaten den Löwenantheil an den Mehrerträgen der Reichs teuer erhalten und weitaus der geringere Theil für Zwecke deS Reiches in Anspruch zu nehmen ist Daß diese Inanspruch nahme zu einem großen Theile durch nicht wiederkehrende Ausgabebedürfniffe, wie die Deckung deS Defizits von 1886/87 im Betrage von rund 22 Millionen Mark, bedingt wird, wäh rend die finanzielle Wirkung der Zuckersteuer erst zum ge ringsten Theile sich geltend macht, ist bekannt. Beide Mo mente stellen für die Folge eine erhebliche Verbesserung der finanziellen Beziehungen deS Reichs zu den Bundesstaaten in Aussicht, denen, abgesehen von etwaigen Neubedürfniss«, allerdings eine, wenn auch zu nächst noch im langsamen Steigen begriffene sichere Vermeh rung deS Bedarfs für Anleihen, Pensionen, Wegfall der Zinsen belegter RetchSgelder u. s. w. gcgenübersteht. — Der dem deutschen BundeSrathe vorgelegte Etat deS Aus wärtigen Amts enthält als Einnahme 680090 M., also 7135 M. mehr als im Vorjahre. Was die Ausgaben betrifft, so ist für Besoldungen im Auswärtigen Amte 778 850, mit hin 17100 M. mehr al« bisher angesetzt. Die Erhöhung er- klärt sich aus der Bestellung von drei ständigen Hilfsarbeiter« L 5700 M. Gehalt. Dem entsprechend erhöht sich der Woh nungsgeldzuschuß um 2700 M., beträgt also 121860 M. Andere persönliche Ausgaben sind mit 143 920 M. (mehr 1920 M.), die sachlichen Ausgaben sind mit 390 000 M. angesetzt. Das hierin liegende Mehr von 46 000 M. g«gm bisher soll zur Vermeidung der seit 1879—80 jährlich wir- derkehrenden Ueberschreitungen dienen. Für Besoldung deS