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Erscheint wöchentlich drei Mal: Dinstags, Donnerstags und Sonnabends. Preis incl. der Sonntagsbeilage „Der Erzähler" vierteljährlich 1 Mark, durch die Post bezogen I Mark 25 Pf. — Einzelne Nummern 8 Pf. — Jnsertionsgebühren pro kleingespaltene Zeile für Abonnenten 7 Pf., für Nichtabonnenten 10 Pf., im Redactionstheil 20 Pf. Bei mehrmaliger Insertion entsprechender Rabatt. — Jnseraten- Annahme bis Abends 5 Uhr des vorhergehenden Tages. — Geeignete Beiträge sind stets willkommen. 51. Sonnabend, 26. October 1878. Bekanntmachung. Auf Grund der Bestimmungen in 72 und 74 der Reichs-Gewerbe- Ordnung wird nach Gehör und Zustimmung der Stadtverordneten allhier für den hiesigen Stadtbezirk Folgendes angeordnet: 1 ., Jeder Bäcker und wer sonst mit Brod oder andern Backwaaren handelt, hat die Preise und das Gewicht seiner Waare durch einen in seinem Verkaufslocale an einer in's Auge fallenden Stelle anzubringenden Anschlag bekannt zu machen. Dieser An schlag ist so ost zu erneuern, als eine Veränderung im Preise oder im Gewichte der Backwaaren eintritt und jedesmal an Raths- stelle zur Abstempelung vorzulegen. 2 ., Im Verkaufslocale ist eine Waage mit den erforderlichen Ge wichten aufzustellen und die Benutzung derselben zum Nachwiegen der verkauften Backwaaren dem Publikum zu gestatten. 3 ., Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Bestimmungen werden mit Geldstrafe bis zu SV M. — Pf. und im Unvermögens falle mit verhältnißmäßiger Haft bis zu 14 Tagen geahndet. 4 ., Gegenwärtige Bestimmungen treten am 1. November 1878 in Kraft. Waldenburg, den 21. October 1878. Der Stadtrat h. Cunrady. Polilische Rundschau. * Waldenburg, 25. October 1878. Die Ausübung der Bestimmungen des Socia- listengesetzes hat bereits in Berlin in ganz energischer Weise stattgefunden; denn nicht nur sind vier Vereine, dec „Verein zur Wahrung der Interessen der werkthätigen Bevölkerung Berlins, der „Verein für communale Angelegenheiten des Nordost-Districts", ferner der „Verband der deut schen Schmiede" und der „Tabak-Arbeiter-Ver- ein", verboten worden, sondern auch das Erschei nen der „Berliner Freien Presse" mußte auf Anordnung der Polizeibehörde sistirt werden. An Stelle der genannten Zeitung wird ein neues Blatt „Berliner Tagespost" herausgegeben wer den. Außerdem ist auf Grund des ß 12 eine Anzahl nicht periodischer Druckschriften verboten worden. Unter den 34 verbotenen Zeitschrif ten rc. findet man nicht allein deutsche, sondern auch französische, amerikanische, belgische rc. Auch die von socialdemokratischer Seite ausgegebenen, und mit Erläuterungen versehenen Reichsgesetze sind von dem Verbote getroffen worden. Die Lassalle'schen Schriften sind von dem Verbote verschont geblieben. In Ausführung des Socialistengesetzes sollen als Mitglieder der Beschwerdecommission in Aussicht genommen sein: Der preußische Minister des Innern Graf Eulenburg als Vor sitzender, der Unterstaatssecretär Bitter als stell vertretender Vorsitzender, außerdem aus dem Bundesrathe die Vertreter Sachsens, Würtem- bergs und Mecklenburgs; aus den obersten Ge richtshöfen drei preußische Obertribunalsräthe; ferner wahrscheinlich ein baierisches und ein hes sisches oder badisches Obergerichtsmitglied. Die „Prov.-Corr." bringt einen längeren Ar tikel über die Annahme des Socialistengesetzes, welcher mit den Worten schließt: „Auf allen Seiten ist klar erkannt und offen ausgesprochen worden, daß das neue Gesetz vor Allem den Bo den wieder frei machen solle für eine segenbringende positive Thätigkeit auf dem Gebiet der Volkswirth- schaft und der ernsten Fürsorge des Staates für alle berechtigten und besonnenen socialen Bestre bungen. Möge die Wirkung des Gesetzes sich bald so erfolgreich bewähren, daß diese ernsten und wahrhaft ersprießlichen Bestrebungen wieder einen allseitig günstigen Boden in unserm Volke finden." Der Chef der Admiralität, General v. Stosch, hat der „Magd. Ztg." zufolge am Dinstag dem Kronprinzen über die Frage der Hebung des „Großen Kurfürst" einen Vortrag gehalten und demselben die Vorschläge der Admiralität zur Ge nehmigung unterbreitet. Unmittelbar nach der Genehmigung werden die Vorarbeiten zur Hebung des Kriegsschiffes beginnen, insbesondere ein schon in seinen Grundlinien festgestellter Contract mit einem Privatunternehmer abgeschlossen werden. Die Hebung selbst dürfte erst im Frühjahr bei günstiger Witterung versucht werden. Das Projekt der Einrichtung von Post-Spar kassen scheint seiner Verwirklichung näher treten zu wollen. Der Generalpostmeister Dr. Stephan soll die Angelegenheit nach eingehenden Vorbe- rathungen in die Hand genommen haben und es verlautet, daß dem Bundesrathe im Laufe der nächsten Monate eine Vorlage darüber zugehen soll. Die Erklärung der freien volkswirthschaft- lichen Vereinigung im Reichstage war von 87 Centrumsmitgliedern, je 37 von der Reichs partei und den Deutschconservativen, 2? von den Nationalliberalen, den 6 Mitgliedern der Gruppe Löwe, 2 von der Volkspartei, 1 von der Fort schrittspartei und den Elsaß-Lothringern unterzeich net worden. Allen Mitgliedern des Reichstags wurde die Erklärung vorgelegt, mit Ausnahme der Socialdemokraten, denen man dadurch jeden falls eine besondere Achtung zollen wollte. Bei dem österreichischen Minister v. Pretis in Wien sand am 22. October die bereits angs- kündigte Conferenz zahlreicher hervorragender Mitglieder aller Fractionen der Verfassungspar tei der beiden Häuser des Parlaments statt. Pretis eröffnete die Versammlung mit der Mit- theilung, daß er vom Kaiser beauftragt worden sei, ein neues Cabinet zu bilden. Bevor er sich dieser Aufgabe unterziehe, wolle er die Zustim mung der Ver,assungspartei für sein Programm erhalten. Dasselbe umfasse vier Hauptpunkte. In der Occupationsfrage sei er für möglichste Be schränkung der Occupatio» und für keine weitere Ausdehnung derselben. Die Verwaltungskosten der occupirten Länder werde für 1879 noch das Reich tragen müssen; von 1880 an würden die occupirten Länder dieselben tragen müssen. Die Occupation solle nur so lange dauern, bis die Ruhe hergestelll und die Kosten hereingebracht seien. (Mit Einbringung der Kosten wird sich Oesterreich jedenfalls schwerlich beeilen.) In Paris begannen am 23. October die Ge richtsverhandlungen gegen Diejenigen, welche sich an dem verbotenen Arbeitercongresse betheiligt hatten. Angeklagt sind 38 Personen, darunter 3 Frauen, wegen Bildung eines gesetzlich verbo tenen Vereins. Aus dem Verhör ging hervor, daß die Angeklagten mit auswärtigen Socialisten in Verbindung stehen. Bessarabien ist nunmehr, nachdem sämmt- liche rumänische Behörden am 21. d. aus diesem Landestheile zurückberufen worden sind, thatsäch- lich an Rußland übergegangen. Aus Konstantinopel kommen Meldungen, nach denen es mit der Ruhe auf der Balkanhalb insel noch schlimm aussieht. Die Pforte hat Mit- theilungen aus Ueskueb, Küstendje und Morokope in Bulgarien, sowie aus der Umgegend von Sa- lonichi erhalten, welche eine große Agitation an zeigen. In Philippopel wird eine Kundgebung gegen die Commission für Ostrumelien vorbereitet. In Seres in Macedonien sind bereits Unruhen vorgekommen. Eine Bande von 2000 wohlbe waffneten Bulgaren griff am 18. d. Krasna an. In den bulgarischen Districten von Djuna und Samakof soll gleichfalls Alles zur Erhebung be reit fein. In Irland ist ein Gesetz nöthig geworden, welches die Schließung der Wirthshäuser am Sonntag im ganzen Lande mit Ausnahme von fünf Städten anordnet. Die Trunksucht hat unter den Irländern in bedeutendem Maße um sich gegriffen, was eine derartige Maßregel durch aus nothwendig machte. Eine Ausdehnung die ser gesetzlichen Maßregel auf England und Schott land würde gleichfalls angebracht sein, da auch in diesen Ländern viel starke Getränke genossen werden. Die Zeit, wo dies geschehen wird, dürfte nicht in allzu ferner Zukunft liegen. Der Krieg gegen Afghanistan dürfte für England einige Schwierigkeiten haben. Unter den an der afghanischen Grenze stehenden eng lischen Truppen ist eine Epidemie ausgebrochen, die bereits den dritten Theil eines in Peschawer stehenden Regiments kampfunfähig gemacht hat. Der Einmarsch in Afghanistan wird durch die Truppenmacht des Emirs Schir Ali, die aus 60,000 Mann Infanterie, 100 Kanonen und ent sprechender Cavallerie besteht, wenn auch nicht verhindert, so doch schwer gemacht werden. Dem entgegen hat jedoch der Khan von Khatat den Durch gang der englischen, für Quettah bestimmten Streit kräfte durch sein Gebiet gestattet und sich bereit er klärt, denselben Lebensmittel zu gewähren. In Rück sicht auf oben bemerkte Streitkräfte Schir Ali's wird es für England geboten erscheinen, die Action gegen Afghanistan so lange zu verschie ben, bis es genügende Truppen gesammelt hat, denn dem Risico einer Niederlage kann sich Eng land deshalb nicht aussetzen, da es sonst sein Ansehen in Indien verlieren würde. Aus diesem Grunde läßt sich annehmen, daß entscheidende Schritte erst im nächsten Frühjahre unternommen werden werden. Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Tocialdcmokratie. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reichs nach er folgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt: § 1. Vereine, welche durch socialdemokratische,