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Dienstag Nr. L86. S Oktober 1843. BW Deutsche Allgemeine Zeitung. Ausländer. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Uer-*vltck. ^Deutschland. * Hom Neckar. Frankreich in Religiosität, Kunst, Wi senschast und Staat. * Dresden. Manoeuvrc. »Aus dem Meck lenburgischen. Erkenntniß in der watzdorfer Sache. Preußen. »Aus Schlesien. Katholisches Rirual bei Convertirungen. Vesterreich. »Wien. Personalien und Hofsachen. -/-Wien. DieMe- chitaristen. * Grats. Schluß der Versammlungen der deutschen Na turforscher und Aerzte. Spanten. »Paris. Saragossa. Sevilla. Barcelona. Der Zweck der Mission Olozaga's. Die Wahlen. VroGdritannien. Die Irländer im Heere. Wahlen in Neusüdwales. Krankreich. Criminalstatistik. Spans. Die Journale über die Vor gänge in Griechenland. Frauen in Mannsklcidern. Versteigerung der Sachen der Lafarge. Hstatten. Bologna. Die Aufrührer. Griechenland. Die Vorgänge in Athen. Handel und sFn-ustrie. teipsig. Eisenbahnfrequenz. «nkünbigungen. Keime, welche man etwa bei ihnen findet, deutsche Geschenke find, welche noch nie Danaergeschenke waren. Die französische Wissenschaft aber, wie ist sie beschaffen? Theilen wir sie ein in Naturwissenschaft und Wissenschaft des Geistes! Die erstere wird gegenwärtig mit glei cher Liebe und gleichem Erfolge von den Völkern gepflegt, welche den übrigen als Träger der Bildung voranleuchten. Wer mag sagen, daß sie mehr den Deutschen oder mehr den Franzosen oder mehr den Bri ten verdanke? Sie ist das große Tagewerk, an welchem gegenwärtig mit friedlicher Gemeinschaftlichkeit gearbeitet wird. Sic liegt über dem Völkerzwiste; von ihr können wir daher hier nicht reden. Die Wis senschaft des Geistes hat an unsern Nachbarn treffliche Organe, glän zende Förderer. Mit scharfem Auge fassen sie die Erscheinungen des selben in der Vergangenheit auf wie in der Gegenwart. Sie sehen nicht nur das Einzelne, sie begreifen auch das Allgemeine. In ihrer höchsten Entwickelung jedoch sieht die Wissenschaft nicht blos das Ein zelne, begreift nicht blos das Allgemeine, das Eine auf dieser, das Andere auf jener Seite; vielmehr erkennt sie in dem Einzelnen das Allgemeine, in dem Wechselnden das Bleibende, in dem Bewegten das Ruhende, in den Abbildern das Urbild, in der Finsterniß das Licht. Dieser Blick ist nur den Deutschen zu Theil geworden; darum find sie auch auf dem Gebiete der Forschung die immer mehr Anerkennung findenden Führer. Dessenungeachtet können wir, wenn auch nicht in Beziehung auf den wissenschaftlichen Gehalt, doch in Beziehung auf die wissenschaftliche Darstellung Vieles von unsern Nachbarn lernen. Diejenigen, welche in dieser Hinsicht auf Frankreich Hinweisen, haben vollständig Recht. Wie schön, wie durchsichtig, wie herrlich ist sein Redestrom! Hinreißend, bezaubernd, lichtktar ist die Sprache Lamen- nais', auch wenn er auf die tiefsten Fragen seine Antwort gibt. Wie häßlich, wie taub dagegen wälzt sich häufig die Form der Deutschen daher. Welch Gepolter schlägt in diesem oder jenem Wort an unser Ohr; was müssen wir nicht leiden von folgenden Tönen: Subjektivi tät. Objektivität, Gubi-ct-Objeclivitä« , Pofitivität, Negativität, Trans- scendentalität, Substantialität, Accidentalität, reell individuell objektive Spitze - Perikles; abstract scheinende, concret allgemeine, wahrhaft subjektive Spitze — Sokrates? Man könnte noch eine Masse ähnli cher Zauberwörter nennen, welche keinem von dem Naturgeiste geschaf fenen Sprachgebiete eigcnthümlich angehören, sondern nur Erzeugnisse des auf öder Heide umgehenden Schulverstandes sind. Ja in dieser Hin sicht haben wir Vieles von den Franzosen zu lernen. Der französische Staat endlich, wie ist er beschaffen? Die Wünsche des 18. Jahrhun derts, des philosophischen, sind daselbst erreicht. Er ist ein Gewimmel von Atomen geworden. Damit ist Alles gesagt. Er hat die wahre Ein heit nicht, und da die Einheit sich nicht abweisen läßt, so schuf er fal sche. Er hat nun die Einheit jener töbtenden Centralisation, welche mittels äußerer Gewalt, nicht in organischer Weise Alles auf bas Atom, das, wie eine Kreuzspinne, in der Mitte sitzt, zurückbezieht. Er hat nun die Einheit jener Verwaltung, welche alle Selbständigkeit des Gemcindelcbens zerstört. Schöpfungen der Art wollen wir nicht nachahmen, so verfehlt es wäre, wenn wir nicht mit der größten Auf merksamkeit diese politischen Chemiker betrachteten, welche in der ge- ellschaftlichen Werkstätte immer neue Versuche, gegenwärtig kommu nistische, und sie könnten bedeutend werden, anstellen, welche, Finger verbrennend, belehrend werden. * Dresden, 1. Oct- Im Monat September beziehen jährlich die einzelnen Abthcilungen unserer Armee Kantonnements, die Beur- aubten werden einberufen und die Truppen in kleinern und größern lbtheilungen im Felddicnst eingeübt. Um unnöthigen Aufwand zu vermeiden und namentlich den Landmann so wenig als möglich zu be- ästigcn, findet in der Regel eine Zusammenziehung größerer Massen nicht statt, und scheint eS auch für die Zwecke einer kleinen Armee, die zu einem selbstthätigen Handeln nicht bestimmt sein kann, zu genügen, wenn der einzelne Mann tüchtig ausgebildet und Compagnien und Ba taillone im gemeinsamen Manoeuvrircn geübt werden. Doch schien eS zweckmäßig zu sein, den größern Theil der Armee einmal zusammcn- zuziehen und durch Darstellung eines Scheingefechts und eines unter öridauerndem hartnäckigen Widerstand ftattfindenden mehrtägigen Rück zugs einen Beweis der Manoeuvrirfähigkeit unserer Truppen zu ge- D-utschranr. * vom veckar, 27. Sept. Man hört bei uns immer noch sehr «ntgegengesehte Urtheile über Frankreich, über sein Leben und Stre ben in den Gebieten des Staats, der Kunst, der Wissenschaft, der Religiosität. Die Einen, und dazu gehört die überwiegende Mehrzahl der Staatsdiener, wenden ihm ihre Gunst nicht zu. Sie sprechen von seiner arundsatzlosen Beweglichkeit, von seiner Unbeständigkeit, von sei nem Kiangel an sittlichem Ernste, an sittlichem Gehalte. Die An- dern, und unter ihnen bemerkt man vorzugsweise die Gebildeten von dem Handels- und Gewerbstande, rühmen, wenngleich nicht mehr so begeistert wie etwa vor einem Jahrzehend, seinen Kampf gegen Unterdrückung, seinen Drang nach Freiheit, seinen glänzenden Sinn für den Fortschritt. Die Erstem wünschen, daß man sich von ihm völlig entferne, nichts ihm nachthue; die Letztem fodern die Aufnahme Mancher seiner Fassen wir die Sach« scharfe» mS Auge! Wie ist gegenwärtig die französische Religiosität beschaffen? Diejenigen, welche das Glück auf die leuchtenden Höhen der Gesell schaft cmportrug, sehen ein, daß ihre Vorfahren auch deshalb in den blutigen Wellen der neunziger Jahre versanken, weil die Grundsätze eines Voltaire, eines Diderot, eines Helvetius ihnen befolgenswerther zu sein schienen als die eines Petrus, eines Paulus, eines Johannes. Diese Einsicht führt sie in die Kirche, setzt sie zu Lacordaire's Füßen, gibt ihnen sogar den Rosenkranz in die Hand. Der Mittelstand hält in religiöser Hinsicht eine sonderbare Mitte. Er ist nicht gläubig, aber auch nicht ungläubig, er ist nicht kirchlich, aber auch nicht unkirchlich, er ist nicht für Voltaire, aber auch nicht gegen ihn. Er ist ein völli ges Justemilieu. Ludwig Philipp kennt ihn wie kein Anderer auf dieser Erde, Ludwig Philipp, der Freund der Hochschule wie der Geist lichkeit, welche beide gegenwärtig so heftig sich befehden. Das niedere Volk, die Pfähle, auf denen das gesellschaftliche Gebäude ruht, theilt diese Halbheit nicht; eS ist in seinen geheimen Vereinen eben so frei- geisterisch, eben so gottlos, wie die vornehmen Herren des vorigen Jahrhunderts, welche die glänzenden Cirkel der Tencin, der Geoffrin, der Deffant besuchten, oder es ist immer noch so altgläubig, so wun dergläubig, so abergläubisch, wie der entschiedenste Mönch des Mittel alters. Von der französischen Religiosität wollen wir nichts aufneh- men, wir wollen uns von ihr mehr und mehr entfernen! Die fran zösische Kunst aber, wie ist sie beschaffen? Alle ihre Gestalten, Dicht kunst, Malerei, Musik, alle ohne Ausnahme, sie sind durchglüht von dem dunklen Feuer sinnlicher Leidenschaften; sie spiegeln nicht die ewigen Sterne des Geisterhimmelö ab; sie hallen nicht wider von dem heiligen Ernste des gewaltigen versöhnenden Schicksals; sie blühen nicht, mögen sie auch den Zwang der Regeln verspotten, herauf aus den Tiefen eines freien Herzen«. Beherrscht von dem Zauber niederer Lü sternheit wissen sie nichts von dem Gottesfricdcn, den wahre Schön heit dem viclbewegten Gemüthe bringt. Von der französischen Kunst können wir nichts lernen. . Unsere Nachbarn mögen bei uüs in die Schule gehen! Bei Lessing, Goethe, Schiller können sie erfahren, wie viel ihnen fehlt. Und sie versäumten es auch bisher nicht völlig. Wol darf man behaupten, daß die eine bessere Zukunft verheißenden